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  • 08.01.2010

    Finanzgericht Sachsen: Beschluss vom 23.08.2002 – 3 V 1201/02

    Bittet eine österreichische Stadt das Wohnsitz-FA eines Vollstreckungsschuldners um Vollstreckung eines wegen der fehlenden Entrichtung von Parkgebühren ergangenen Straferkenntnisses und öffnet der Vollstreckungsbeamte nach nicht freiwilliger Öffnung der Wohnungstür durch den Vollstreckungsschuldner diese im Rahmen der Ausführung der Zwangsvollstreckung, ist die Pfändung und Einziehung der im Rahmen der Öffnung der Wohnungstür entstandenen Vollstreckungskosten nicht rechtmäßig, wenn sich die für die Durchsuchung erforderliche richterliche Anordnung nur auf den Vollstreckungsauftrag eines von der Staatsoberkasse ersuchten anderen FA nicht den der Stadt bezieht.


    BESCHLUSS

    In dem Finanzrechtsstreit

    wegen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (Pfändungs- und Einziehungsverfügung)

    hat der 3. Senat durch die Richterin am Finanzgericht, den Richterin am Finanzgericht und den Richter am Amtsgericht am 23. August 2002 beschlossen:

    I. Die Vollziehung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 15.05.2002 (Geschäftszeichen Pf ) wird in Höhe von 68,59 EUR aufgehoben.

    II. Im übrigen werden die Anträge abgelehnt.

    III. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

    Tatbestand

    I.

    Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Pfändung und Einziehung von Vollstreckungskosten aus der Öffnung der Wohnungstüre des Antragstellers durch einen Beauftragten des Antragsgegners sowie um die Verwertbarkeit des Wissens des Antragsgegners über ein Konto des Antragstellers bei der Postbank B..

    Am 27.04.2000 verhängte der Magistrat der österreichischen Stadt S. gegen den Antragsteller (nachfolgend: ASt) wegen Parkens ohne Entrichtung einer Parkgebühr eine „Verwaltungsstrafe” in Höhe von umgerechnet 109,45 DM (Bl. 15-18 der Nachheftung der Vollstreckungsakte).

    Mit Schreiben vom 11.01.2001 wandte sich die Stadt S. an den Antragsgegner (das Finanzamt -FA-), in dessen Zuständigkeitsbereich der ASt wohnt, und bat unter Bezugnahme auf den Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen vom 31.05.1988 um die Vollstreckung des Straferkenntnisses vom 27.04.2000 in Höhe von 129,34 DM (Bl. 12 der Nachheftung der Vollstreckungsakte). Dieses Amtshilfeersuchen wurde von dem FA unter dem Aktenzeichen AHE 98/01/2 geführt (Bl. 73 der Vollstreckungsakte).

    Die Staatsoberkasse B. wandte sich mit Schreiben vom 15.05.2001 mit einem Vollstreckungsersuchen an das Finanzamt R.. Es sollten gegen den ASt Gerichtsgebühren des Bayrischen Verwaltungsgerichts München in Höhe von 245 DM vollstreckt werden. Dieser Betrag sei fällig am 19.03.2001 und sei am 17.04.2001 angemahnt worden. Am 15.05.2001 sei die Ankündigung der Vollstreckung an den Schuldner versandt worden (Buchungskennzeichen, Bl. 82 der Vollstreckungsakte). Am 10.09.2001 ging bei dem FA ein Vollstreckungsersuchen des Finanzamtes R. ein (das Datum ist in der Akte nicht leserlich). Unter Verweisung auf das Schreiben der Staatsoberkasse B. vom 15.05.2001 ersuchte es das FA, 245 DM zuzüglich weiterer 18 DM, mithin 263 DM, bei dem ASt zu vollstrecken (Aktenzeichen des Finanzamtes R.: ). Dieses Amtshilfeersuchen wurde von dem FA unter dem Aktenzeichen geführt (Bl. 77 der Vollstreckungsakte).

    Der Vollziehungsbeamte des FA, Herr B., hielt in einem Aktenvermerk vom 08.11.2001 zu den Vollstreckungsersuchen aus S. und R. folgende Begebenheit fest:

    „am 8.11.01 habe ich beim VS an der Haustür geklingelt

    es meldete sich eine männliche Person, welche an der Wechselsprechanlage sehr schlecht zu verstehen war

    ich stellte mich vor und bat um Einlass

    dies ist mir verweigert worden

    darauf hin habe ich erneut geklingelt

    keine Reaktion !!” (Bl. 71 der Vollstreckungsakte).

    Am 30.11.2001 beantragte das FA bei dem Amtsgericht C. eine richterliche Durchsuchungsanordnung nach § 287 der Abgabenordnung (AO). Das Amtsgericht C. erließ am 19.12.2001 unter dem Aktenzeichen 36 s M 7212/01 eine Durchsuchungsanordnung gegen den ASt. Diese lautete wie folgt:

    „Auf Grund des

    Vollstr.ersuchen des FA R. vom 17.09.2001 Az:

    Vollstr.ersuchen Staatsoberk. R. v 15.05.2001 Az:

    wird der Gerichtsvollzieher/Vollstreckungsbeamte gemäß § 287 AO i.V.m. Art. 13 Abs. 2 GG befugt, in Ausführung der Zwangsvollstreckung die Wohnung bzw. die Geschäftsräume und die Behältnisse des Schuldners zu durchsuchen, soweit der Zweck der Vollstreckung dies erfordert.

    Gleichzeitig wird dem Gerichtsvollzieher/Vollstreckungsbeamten die Öffnung verschlossener Haus- und Zimmertüren gestattet.

    Diese Ermächtigung wird auf den Zeitraum von 6 Monaten beschränkt.

    Gründe

    Diese Anordnung ist zum Zwecke der Zwangsvollstreckung erforderlich, weil der Schuldner der Durchsuchung ohne sachlichen Grund widersprochen hat.” (Bl. 67 der Vollstreckungsakte).

    Am 05.02.2002 erschien der Vollziehungsbeamte des FA bei dem ASt. Da dieser nicht zu Hause war, ließ das FA durch einen Schlosser die Wohnung des ASt öffnen. Der Vollziehungsbeamte hielt die Durchsuchung der Wohnung in einem Protokoll über eine fruchtlose Pfändung vom 05.02.2002 unter dem Geschäftszeichen fest (Bl. 85 der Vollstreckungsakte). Im Rahmen dieser Durchsuchung stellte der Vollziehungsbeamte fest, dass der ASt Inhaber eines Kontos bei der Postbank B. ist. Bei der Vollstreckungsakte befindet sich ein Vollstreckungsauftrag zu dem Geschäftszeichen vom 26.07.2001 in dem auf die fruchtlose Pfändung Bezug genommen wird (Bl. 7 der Nachheftung der Vollstreckungsakte). Ein Vollstreckungsauftrag an den Vollziehungsbeamten zu dem Geschäftszeichen des R.er Vollstreckungsersuchens findet sich nicht in der Vollstreckungsakte.

    Unter dem Aktenzeichen 3 K 1117/02 führt der ASt ein Klageverfahren über die Erstattung des mit Pfändungs- und Einziehungsverfügung des FA vom 05.02.2002 tatsächlich von dem Konto des ASt bei der Postbank B. eingezogenes Guthaben in Höhe von 148,65 EUR für das Straferkenntnis der Stadt S..

    Am 15.05.2002 erließ das FA eine weitere Pfändungs- und Einziehungsverfügung über 73,06 EUR, die es der Postbank B.zustellte. Diese Forderung gegen den ASt setzte sich aus Auslagen für Kosten der Öffnung der Wohnungstür des ASt am 05.02.2002 in Höhe von 58,44 EUR sowie aus Vollstreckungsgebühren und Auslagen der Zustellung der Verfügung zusammen.

    Mit Schreiben vom 29.05.2002 gab die Postbank B.eine Drittschuldnererklärung zu der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 15.05.2002 ab. Es erkannte nur eine Forderung von 4,47 EUR an, da nur insoweit das Kontoguthaben pfändbar sei (Bl. 201 der Vollstreckungsakte).

    Das hiergegen von dem ASt durchgeführte Einspruchsverfahren blieb ausweislich der Einspruchsentscheidung vom 06.08.2002 erfolglos (Bl. 15-19 der Rechtsbehelfsakte). Der ASt hat hiergegen mit Schriftsatz vom Klage 09.08.2002 Klage erhoben. Das Verfahren ist bei dem Sächsischen Finanzgericht unter dem Aktenzeichen 3 K 1702/02 anhängig.

    Der ASt wandte sich mit einem „Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung” an das Sächsische Finanzgericht. Unter Beifügung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 15.05.2002 über 73,06 EUR führte er aus, die Durchsuchungsanordnung seiner Wohnung vom 19.12.2001 sei rechtswidrig gewesen, da sie unter der wahrheitswidrigen Behauptung, der ASt habe der Durchsuchung der Wohnung widersprochen, von dem Amtsgericht C. erwirkt worden sei. Die nunmehr durch das FA verfügte Kontosperre wegen der Türöffnungskosten sei rechtswidrig. Die einstweilige Verfügung solle den drohenden Schaden, der in der mangelnden Verfügbarkeit über sein Geld bestehe, abwenden. Auch sei die verfügte Kontosperre nicht mehr verhältnismäßig.

    Der Antragsteller beantragt, dem Antragsgegner aufzugeben

    die Sperrung des Kontos des Antragstellers Nummer bei der Postbank B.sofort aufzuheben und

    keinen Gebrauch von dieser Kontonummer zu machen und diese aus den Unterlagen des Finanzamts zu löschen.

    Der Antragsgegner beantragt die Abweisung des Antrags.

    Der Antrag sei bereits unzulässig, da der ASt nicht zuvor bei der Finanzverwaltung die Aussetzung der Vollziehung beantragt habe. Die ausgebrachte Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 15.02.2002 sei im übrigen rechtmäßig. Mittlerweile sei diese Verfügung auch schon erledigt, da der gepfändete Betrag am 27.06.2002 dem FA in voller Höhe gut geschrieben worden sei. Die Wohnungsdurchsuchung, in deren Rahmen die streitgegenständlichen Kosten der Türöffnung angefallen sei, sei auf Grundlage einer richterlichen Durchsuchungsanordnung erfolgt. Die Kosten für die Türöffnung seien entstanden, da der ASt zu diesem Zeitpunkt nicht in der Wohnung anwesend gewesen sei. Im Rahmen dieser rechtmäßigen Wohnungsdurchsuchung sei dann die Kontonummer des ASt bei der Postbank B.festgestellt worden. Im übrige gehe der ASt in der Annahme fehl, das FA treibe Parkgebühren bei. Beigetrieben worden sei vielmehr eine Geldstrafe auf Grundlage eines rechtskräftigen Straferkenntnisses. Diese Forderung unterliege dem Amts- und Rechtshilfeabkommen der Bundesrepublik Deutschland mit der Republik Österreich. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung sei auch deshalb unbegründet, weil nach Ergehen der Einspruchsentscheidung am 06.08.2002 kein angefochtener Verwaltungsakt mehr vorliege. Auf Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Verwaltungsrat könne sich der ASt nach § 256 AO im übrigen nicht berufen.

    Ergänzend wird auf alle Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen, sowie auf alle Protokolle und sonstigen Aktenbestandteile sowie auf die beiden beigezogenen Steuerakten (Vollstreckungs- und Rechtsbehelfsakte) Bezug genommen.

    II.

    Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist nur zum Teil zulässig. Soweit er zulässig ist, bestehen jedoch ernsthafte Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit. Für die weiterhin beantragte einstweilige Anordnung hat der ASt den erforderlichen Anordnungsgrund nicht dargetan und glaubhaft gemacht.

    1.

    Die Anträge des ASt sind in entsprechender Anwendung des § 133 BGB auszulegen, da das Gericht zwar an das Begehr des ASt, nicht jedoch an den Wortlaut der gestellten Anträge gebunden ist (vgl. § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO).

    a) Der Antrag zu 1 war als Antrag auf Aussetzung der Vollziehung zu verstehen. Eine von dem ASt beantragte „einstweilige Verfügung” ist vor den ordentlichen Gerichten gemäß §§ 935 ff der Zivilprozessordnung, nicht jedoch vor den Finanzgerichten statthaft. Der ASt wendet sich in dem ersten Antrag gegen die „Sperrung” seines Kontos. Aus den vorgelegten Vollstreckungsakten und aus der durch den ASt selbst vorgelegten Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 15.05.2002 ergibt sich, dass er gegen eine Pfändung und Einziehungsverfügung vorgehen will. Das FA hat jedoch keine Sperrung seines Kontos verfügt, sondern lediglich die Pfändung und Einziehung des (die Pfändungsfreigrenzen übersteigenden) Betrages von 73,06 EUR. Statthafter Rechtsbehelf zur Aufhebung dieser Pfändungs- und Einziehungsverfügung, die zwei vollziehbare Verwaltungsakte darstellen, ist die Aussetzung der Vollziehung durch das Gericht nach § 69 Abs. 4 FGO (so auch der BFH, Beschluss vom 19.03.1998, VII B 175/97, BFH/NV 1998, 1447). Soweit allerdings die Drittschuldnerin mit Schreiben vom 29.05.2002 die Forderung des FA in Höhe von nur 4,47 EUR bereits anerkannt hat (Bl. 201 der Vollstreckungsakte) und nach Mitteilung des FA in der Folgezeit an das FA überwiesen hat, ist das Begehr des ASt, die Pfändung und Einziehung der Forderung gegen das Bankinstitut durch das FA zu verhindern, durch Eintritt der tatsächlichen Erledigung nicht mehr erreichbar (vgl. Gräber/Ruban, Kommentar zur FGO, 5. Auflage, 2002, § 138 Rdnr. 22, 5). Denn mit der seitens des Drittschuldners vorgenommenen (teilweisen) Zahlung der gepfändeten Forderung an das FA als Pfändungsgläubigerin ist die gepfändete Forderung (teilweise) eingezogen (§ 314 AO), der Pfandgegenstand mithin verwertet und die Vollstreckung beendet. Die gegen die Vollstreckungsmaßnahme eingelegten Rechtsmittel werden dann unzulässig (BFH, Beschluss vom 11.04.2001, VII B 304/00, BStBl II 2001, 525).

    Aus diesem Grund ist der Antrag deshalb in Höhe von 4,47 EUR unzulässig, in Höhe von 68,59 EUR ist er jedoch zulässig.

    Soweit das FA erklärt hat, die Pfändungs- und Einziehungsverfügung sei bereits vollständig erledigt, da die gepfändete Summe vollständig an das FA überwiesen worden sei, hat es einen solchen (vollständigen) Erledigungstatbestand nicht glaubhaft gemacht. Nach der oben Genannten – bei der Akte befindlichen – Auskunft der Postbank B., geht das Gericht von einer tatsächlichen Erledigung in Höhe von lediglich 4,47 EUR aus.

    Auch die Vorschrift des § 69 Abs. 4 FGO steht der Zulässigkeit des Antrags nicht entgegen. Nach § 69 Abs. 4 Nr. 2 FGO bedarf es keiner vorherigen Ablehnung des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung bei dem FA, wenn die Vollstreckung droht. Dieser Tatbestand ist im Streitfall gegeben: Im Zeitpunkt der Entscheidung durch das Gericht ist dem Drittschuldner eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung bereits zugestellt. Damit hat das FA mit der Vollstreckung bereits begonnen.

    b) Soweit der ASt in seinem zweiten Antrag begehrt, dem FA zu verbieten, Gebrauch von seiner Kontonummer zu machen und diese Nummer aus den Unterlagen des FA zu löschen, ist der Rechtsbehelf der einstweiligen Anordnung nach § 114 FGO statthaft. In der Hauptsache stellt sich das Begehren des ASt als auf eine Leistung durch schlichtes Unterlassen und Tun der Finanzverwaltung gerichtet, genauer: einer Unterlassung der Verwendung von Daten und deren Löschung aus den Datensammlungen des FA, dar. Der ASt begehrt damit die vorläufige Regelung eines (noch nicht bestehenden) Zustandes. Statthaft ist die einstweilige Anordnung in Form der Regelungsanordnung.

    2.

    Zum ersten Antrag

    a) Gemäß § 69 Abs. 3 FGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die Vollziehung der angefochtenen Verwaltungsakte ganz oder zum Teil aussetzen, wenn die in § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO genannten Voraussetzungen vorliegen. Ernstliche Zweifel, die nach § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO die Aussetzung der Vollziehung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn bei der summarischen Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes im Aussetzungsverfahren neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. Beschluss vom 10.02.1967, BStBl III 1967, 182). Im gerichtlichen Aussetzungsverfahren ist der Vortrag der Beteiligten glaubhaft zu machen, da der Streitsachverhalt im Rahmen des summarischen Verfahrens ohne Beweiserhebung zu würdigen ist (vgl. BFH, Beschluss vom 03.07.1968, BStBl II 1968, 589). Verbleibende Zweifel in tatsächlicher Hinsicht können zu Lasten des Finanzamts oder zu Lasten des Steuerpflichtigen gehen, je nachdem, wer die objektive Feststellungslast trägt, wenn sich eine entscheidungserhebliche Tatsache nicht aufklären lässt. Das ist im Rahmen einer Wahrscheinlichkeitsprüfung bereits im Aussetzungsverfahren zu beachten (BFH, Beschluss des großen Senats vom 05.03.1979, BStBl II 1979, 570). Aus dem Charakter des Aussetzungsverfahrens als einem summarischen Verfahren ergibt sich auch eine Einschränkung der Pflicht des Gerichtes zur Aufklärung des Sachverhaltes. Der Prozessstoff ist auf die präsenten Beweismittel beschränkt (BFH vom 05.03.1979, a.a.O.). Weitergehende Sachverhaltsermittlungen durch das Gericht sind in diesem Verfahren nicht erforderlich (vgl. BFH, Urteil vom 22.03.1988, BFH NV 1990, 133).

    b)

    (1) Nach § 337 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) fallen die Kosten der Vollstreckung (Gebühren und Auslagen) dem Vollstreckungsschuldner zur Last. Die grundsätzliche Pflicht des Vollstreckungsschuldners zur Tragung der Kosten der Vollstreckung bedarf keiner eigenen Kostenentscheidung. Die Pflicht ergibt sich bereits daraus, dass der Vollstreckungsschuldner es zur Vollstreckung hat kommen lassen (Tipke/Kruse, Kommentar zur AO/FGO, vor §§ 337-346 AO). Kosten der Zwangsvollstreckung im Sinne von § 337 Abs. 1 AO sind alle Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der Einleitung und Durchführung der Zwangsvollstreckung entstehen (Tipke/Kruse, a.a.O., § 337 AO Rdnr. 2).

    Der Grundsatz, dass der Vollstreckungsschuldner diese Kosten zu tragen hat, findet eine Einschränkung darin, dass die diese Kosten auslösenden Vollstreckungsmaßnahmen notwendig gewesen sein mussten. Diese Einschränkung ergibt sich (ausdrücklich für den Bereich der Erhebung) auch aus § 346 Abs. 1 AO. Danach sind Kosten, die bei einer richtigen Behandlung der Sache nicht entstanden wären, nicht zu erheben. Die „Behandlung der Sache” meint hier die gesamte Verwaltungstätigkeit in materiell-rechtlicher und verfahrensrechtlicher Hinsicht im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens; die Rechtmäßigkeit des dem der Vollstreckung zu Grunde liegenden Verwaltungsaktes ist hierbei nicht gemeint. Das ergibt sich auch aus § 256 AO (zum Vorstehenden Tipke/Kruse, a.a.O., § 346 AO Rdnr. 4).

    (2) Hinsichtlich der im gerichtlichen Aussetzungsverfahren streitigen Kosten, insbesondere der Türöffnungskosten in Höhe von 58,44 EUR, bestehen ernsthafte Zweifel an deren Rechtmäßigkeit, die im Rahmen der summarischen Prüfung des gerichtlichen Aussetzungsverfahrens nicht ausgeräumt werden konnten.

    § 344 Abs. 1 Nr. 5 AO erlaubt der Finanzverwaltung die Erhebung von Auslagen für Entschädigungen der zum Öffnen von Türen oder Behältnissen sowie zur Durchsuchung von Vollstreckungsschuldnern zugezogenen Personen. Diese Auslagen sind jedoch nach den oben dargelegten Grundsätzen nur dann von dem Vollstreckungsschuldner zu erstatten, wenn die Voraussetzungen einer solchen Maßnahme im Zeitpunkt der Vornahme des Verwaltungshandelns vorgelegen haben (FG B., Urteil vom 08.05.1991, 6 K 552/89, EFG 1992, 6).

    Im Streitfall heißt das, dass zum Zeitpunkt der Öffnung der Wohnungstüre des ASt durch einen von dem FA beauftragten Schlosser die rechtlichen Voraussetzungen für eine solche Durchsuchung vorgelegen haben müssen.

    Neben den allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen aus § 254 AO bedarf es für eine rechtmäßige Vollstreckung des Vorliegens eines Vollstreckungsauftrags nach § 285 Abs. 2 AO. Im Streitfall ist weiterhin für die Durchsuchung der Wohnung nach § 287 Abs. 4 AO eine richterliche Durchsuchungsanordnung erforderlich.

    Bei dem Vollstreckungsauftrag handelt es sich um einen behördeninternen Vorgang, dem jedoch Legitimationswirkung nach außen zukommt. Fehlt ein wirksamer Vollstreckungsauftrag so sind Vollstreckungsmaßnahmen zwar nicht nichtig, jedoch rechtswidrig und durch Einspruch anfechtbar (Klein/Brockmeyer, a.a.O., § 285 Rdnr. 5; Tipke/Kruse, a.a.O., § 285 Rdnr. 5 ff; vgl. auch OLG Köln vom 07.10.1997, Ss 504/97-192 Juris-Dokument KORE502029800: Zu den wesentlichen Förmlichkeiten, die eine Vollstreckungshandlung rechtmäßig machen, gehören das unaufgeforderte Vorzeigen des Vollstreckungsauftrages und ggf. die Hinzuziehung von Zeugen).

    Weiterhin erlaubt § 287 Abs. 4 AO dem Vollziehungsbeamten des Finanzamtes die Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume des Vollstreckungsschuldners ohne dessen Einwilligung nur auf Grund einer richterlichen Anordnung. Der Ausnahmefall der Gefahr im Verzug nach § 287 Abs. 4 Satz 2 AO ist hier nicht erkennbar. Die Vorschrift des § 287 Abs. 4 Satz 1 AO ist die einfachgesetzliche Regelung des Grundrechtes der Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 Abs. 2 des Grundgesetzes.

    Im Streitfall hat das nach § 287 Abs. 4 Satz 3 AO zuständige Amtsgericht C. auf Antrag des FA mit Beschluss vom 19.12.2001 unter dem Aktenzeichen eine Durchsuchungsanordnung erlassen. Ausweislich der Durchsuchungsanordnung wurde diese Gestattung ausdrücklich auf Grund des Vollstreckungsersuchens des Finanzamtes R. vom 17.09.2001 (Vollstreckungsersuchen – VE – ) bzw. der Staatsoberkasse R. vom 15.05.2001 erlassen (Bl. 67 der Vollstreckungsakte). Die erforderliche richterliche Durchsuchungsanordnung für das Vollstreckungsersuchen aus S. lag damit im Zeitpunkt der Vollstreckungshandlung nicht vor. Deshalb verstieß die Öffnung der Tür auf Grundlage des Vollstreckungsersuchens aus S. gegen § 287 Abs. 4 Satz 1 AO. Auf die Verhältnismäßigkeit einer solchen Durchsuchung kommt es deshalb nicht mehr an.

    Auch vor dem Hintergrund des Vollstreckungsersuchens aus R. ist im Streitfall keine Erstattung der Kosten der Öffnung der Tür möglich. Zwar verfügte das FA im Zeitpunkt der Durchsuchung über die erforderliche gerichtliche Durchsuchungsanordnung; es lag jedoch für diesen Zeitpunkt kein nach § 285 Abs. 2 AO erforderlicher Vollstreckungsauftrag vor. Unabhängig davon, zeigt auch die von dem Vollziehungsbeamten angefertigte Niederschrift über eine fruchtlose Pfändung zu dem Geschäftszeichen des S.er Vollstreckungsersuchens, dass der Vollziehungsbeamte eine Vollstreckung dieses Ersuchens, nicht des Ersuchens aus R. betreiben wollte.

    Die Tatsache, dass zwischenzeitlich eine – den Einspruch als unbegründet zurückweisende – Einspruchsentscheidung ergangen ist, ändert nichts an dem gefundenen Entscheidungsergebnis. Entgegen der Ansicht des FA ist dem Gericht nicht erkennbar, weshalb in diesem Fall kein anfechtbarer Verwaltungsakt mehr vorliegen soll. Bei einer ändernden Verwaltungsentscheidung ergibt sich die Fortsetzung des Einspruchsverfahrens aus § 365 Abs. 3 AO, im Fall der zurückweisenden Einspruchsentscheidung bleibt es bei dem ursprünglich angefochtenen Verwaltungsakt.

    Da die Entscheidung des FA in der Hauptsache auch nicht bestandskräftig ist – der ASt hat gegen die Einspruchsentscheidung vom 06.08.2002 mit Schriftsatz vom 09.08.2002 Klage erhoben – war die angegriffene Entscheidung des FA auch nicht wegen Eintritts der Bestandskraft einer Prüfung durch das Gericht entzogen.

    (3) Für die Erhebung der Auslagen der Zustellung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung aus § 344 Abs. 1 Nr. 3 AO und der Gebühr für die Forderungspfändung nach § 339 Abs. 1 Nr. 2 AO ergibt sich das gleiche Ergebnis wie für die bereits geprüften Türöffnungskosten.

    Soweit die Pfändungs- und Einziehungsverfügung also noch nicht in Höhe von 4,47 EUR erledigt ist (s.o.), ist die Vollziehung des Restbetrages der bereits ausgebrachten Pfändung in Höhe von 68,59 EUR aufzuheben (§ 69 Abs. 3 Satz 3 FGO).

    3.

    Zum zweiten Antrag

    a) Nach § 114 Abs. 1 FGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Diese Regelungsanordnung setzt das Vorliegen und die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes voraus.

    Im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen des Vorliegens eines Anordnungsgrundes müssen Nachteile des ASt glaubhaft gemacht sein, die über diejenigen hinausgehen, die üblicherweise mit der Pflicht zur Zahlung von Steuern verbunden sind. Die für eine einstweilige Anordnung sprechenden Gründe müssen so schwerwiegend sein, dass sie ihren Erlass unabweisbar machen. Nach der Rechtsprechung sind hierfür Kreditaufnahmen, Veräußerung entbehrlicher Vermögensgegenstände, Zurückstellung von Investitionen, Einschränkung des Lebensstandards keine wesentlichen Nachteile. Ein Anordnungsgrund ist demgegenüber anzunehmen, wenn die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Steuerpflichtigen unmittelbar bedroht ist (Tipke/Kruse, a.a.O., § 114 FGO Rdnr. 29, 30 m.w.N.).

    b) Ein solcher Anordnungsgrund ist vorliegend durch den ASt nicht behauptet und glaubhaft gemacht worden. Er führt in seiner Antragsschrift aus, durch den Antrag bei Gericht solle der drohende Schaden, der in der mangelnden Verfügung über sein Geld bestehe, abgewendet werden. Die Postbank B.- die Drittschuldnerin – hat mit Schreiben vom 29.05.2002 mitgeteilt, Forderungen auf dem Konto des ASt bestünden im Rahmen des gesamtpfändbaren Kontoguthabens nur noch in Höhe von 4,47 EUR. Es ist deshalb nicht erkennbar, inwieweit ein etwaiger Zugriff des FA auf Grundlage der Kenntnis dieser Kontoverbindung bei dem geringen dort noch vorhandenen Guthaben zu der erforderlichen erheblichen Rechtsbeeinträchtigung führen soll. Aus der Vollstreckungsakte ergibt sich weiterhin, dass der ASt Sozialhilfeleistungen bezieht. Insoweit ist auch nicht erkennbar, dass auf dem Konto der Drittschuldnerin in naher Zukunft erhebliche Geldbeträge eingehen werden, die einer Pfändung unterworfen sein könnten.

    Mangels Vorliegens eines Anordnungsgrundes, kann es dahin stehen, ob ein Anordnungsanspruch gegeben ist.

    4.

    Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.

    VorschriftenAO 1977 § 344 Abs. 1 Nr. 3, AO 1977 § 344 Abs. 1 Nr. 5, AO 1977 § 339 Abs. 1 Nr. 2, AO 1977 § 287 Abs. 4 S. 3, AO 1977 § 285 Abs. 2, GG Art. 13 Abs. 2