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  • 21.02.2007 · IWW-Abrufnummer 070606

    Bundesarbeitsgericht: Urteil vom 18.07.2006 – 1 AZR 578/05

    Die mit der Bearbeitung von Lohn- oder Gehaltspfändungen verbundenen Kosten des Arbeitgebers fallen diesem selbst zur Last. Er hat weder einen gesetzlichen Erstattungsanspruch gegen den Arbeitnehmer noch kann ein solcher Anspruch durch (freiwillige) Betriebsvereinbarung begründet werden.


    BUNDESARBEITSGERICHT
    Im Namen des Volkes!
    URTEIL

    1 AZR 578/05

    Verkündet am 18. Juli 2006

    In Sachen

    hat der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 18. Juli 2006 durch die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts Schmidt, die Richter am Bundesarbeitsgericht Kreft und Linsenmaier sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Gentz und Hayen für Recht erkannt:

    Tenor:

    1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 10. August 2005 - 9 Sa 239/05 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger 431,83 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 312,49 Euro seit dem 3. August 2004 und aus weiteren 119,34 Euro seit dem 15. November 2004 zu zahlen.

    2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

    Von Rechts wegen!

    Tatbestand:

    Die Parteien streiten über einen Lohneinbehalt für die Bearbeitung von Gehaltspfändungen.

    Der Kläger ist bei der Beklagten als Werkführer beschäftigt. Sein Bruttomonatsgehalt beträgt etwa 3.600,00 Euro. Von den monatlichen Gehaltsansprüchen des Klägers waren in den Jahren 2003 und 2004 bestimmte Beträge gepfändet. Für die Bearbeitung der Pfändungen behielt die Beklagte jeweils eine Summe von 3 % des gepfändeten Betrags - monatlich etwa 20,00 Euro - vom verbleibenden Nettogehalt des Klägers ein. Für die Zeit von Januar 2003 bis Oktober 2004 belief sich die Gesamtsumme auf 431,83 Euro. Die Beklagte berief sich dazu auf eine mit dem Betriebsrat abgeschlossene "Arbeits- und Betriebsordnung" vom 1. Januar 1999 (ABO). Nr. 6.2 ABO lautet:

    "Abtretung und Pfändung von Arbeitsentgelt

    Abtretung oder Verpfändung von Lohn- und Gehaltsansprüchen sind der Firma gegenüber nur wirksam, wenn sie schriftlich zugestimmt hat (vgl. § 399 BGB).

    Bei Pfändung der Bezüge werden vom gepfändeten Betrag 3 % Bearbeitungsgebühren einbehalten. Das gleiche gilt für eine Abtretung, wenn diese anerkannt wird."

    Der Kläger begehrt die Auskehr des einbehaltenen Betrags. Er hat die Auffassung vertreten, Nr. 6.2 ABO sei unwirksam. Die Regelung greife in das Recht der Arbeitnehmer ein, über ihr Arbeitsentgelt frei zu verfügen. Eine Bearbeitungsgebühr von 3 % der gepfändeten Summe sei überdies unangemessen hoch.

    Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 431,83 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage zu zahlen.

    Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, Nr. 2.6 ABO stelle eine Regelung der betrieblichen Ordnung nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, zumindest aber eine wirksame freiwillige Betriebsvereinbarung nach § 88 BetrVG dar.

    Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr auf die zugelassene Berufung des Klägers stattgegeben. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

    Entscheidungsgründe:

    Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Recht entsprochen. Die Beklagte hat keinen Anspruch auf die Erstattung der Kosten für die Bearbeitung von Gehaltspfändungen, mit dem sie monatlich gegen Gehaltsforderungen des Klägers hätte aufrechnen und dessen Betrag sie deshalb vom pfändbaren Gehaltsanteil jeweils hätte einbehalten dürfen. Gesetzliche Ansprüche dieses Inhalts bestehen nicht. Die Regelung in Nr. 6.2 Abs. 2 ABO kann einen solchen Anspruch nicht begründen. Diese Bestimmung ist unwirksam. Es besteht weder ein entsprechendes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats noch konnten die Betriebsparteien einen Erstattungsanspruch zugunsten der Beklagten durch freiwillige Betriebsvereinbarung regeln.

    I. Die Beklagte hat keinen gesetzlichen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Bearbeitung von Gehaltspfändungen. Ein solcher Anspruch folgt weder aus Vorschriften der ZPO noch aus Bestimmungen des BGB.

    1. Nach § 788 Abs. 1 ZPO fallen zwar die Kosten der Zwangsvollstreckung, so- weit sie notwendig waren, dem Schuldner zur Last. Sie sind zugleich mit dem zur Vollstreckung stehenden Anspruch beizutreiben. Die Vorschrift regelt die Kostenlast aber nur im Verhältnis von Vollstreckungsgläubiger und Vollstreckungsschuldner. Sie gewährt dem Drittschuldner keinen Kostenerstattungsanspruch gegen den Schuldner (BGH 18. Mai 1999 - XI ZR 219/98 - NJW 1999, 2276, zu II 1 b aa der Gründe mwN).

    2. § 840 Abs. 1 ZPO regelt nur die Erklärungspflicht des Drittschuldners gegen- über dem Vollstreckungsgläubiger. Die Vorschrift verhält sich nicht über eine Kostenerstattung, weder durch den Vollstreckungsgläubiger noch durch den Vollstreckungsschuldner (BAG 31. Oktober 1984 - 4 AZR 535/82 - BAGE 47, 138; BGH 18. Mai 1999 - XI ZR 219/98 - NJW 1999, 2276, zu II 1 a aa der Gründe).

    3. Der Vollstreckungsschuldner hat die Kosten des Drittschuldners diesem auch nicht nach § 670 BGB oder § 683 BGB iVm. § 670 BGB zu erstatten. Der Drittschuldner wird bei der Bearbeitung von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen zugunsten des Gläubigers weder als Beauftragter des Schuldners noch als Geschäftsführer ohne Auftrag tätig.

    Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss begründet kein rechtsgeschäftliches Verhältnis zwischen Drittschuldner und Schuldner iSv. § 662 BGB, nach dem der Drittschuldner sich verpflichtet hätte, ein ihm vom Schuldner übertragenes Geschäft für diesen zu besorgen. Der Drittschuldner erbringt durch die Bearbeitung von Pfändungen keine Dienstleistung für den Schuldner auf rechtsgeschäftlicher Grundlage. Ebenso wenig ist die Bearbeitung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses ein Geschäft des Schuldners gem. § 677 BGB, für dessen Übernahme der Drittschuldner auch ohne Auftrag Aufwendungsersatz verlangen könnte. Dieser handelt vorrangig im eigenen Interesse zur Erfüllung einer eigenen staatsbürgerlichen gesetzlichen Verpflichtung (so für die Auskunftspflicht nach § 840 Abs. 1 ZPO BGH 19. Oktober 1999 - XI ZR 8/99 - NJW 2000, 651, zu II 2 a der Gründe; vgl. ferner Hannewald NZA 2001, 19, 20).

    Im Übrigen gewährt § 670 BGB nur einen Anspruch auf Erstattung tatsächlich angefallener Aufwendungen, nicht aber auf Vergütung für eigene Tätigkeit (BGH 18. Mai 1999 - XI ZR 219/98 - NJW 1999, 2276, zu II 1 b bb der Gründe). Die Beklagte kann ihre Forderung auch aus diesem Grund nicht auf § 670 BGB stützen. Eine Bearbeitungsgebühr, die ohne Rücksicht auf den konkreten Arbeitsaufwand in einem bestimmten Pauschalbetrag besteht, hat Vergütungscharakter.

    4. Ein zum Lohneinbehalt berechtigender Anspruch der Beklagten besteht auch nicht als Schadensersatzforderung wegen der Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten. Selbst wenn eine Pflicht des Arbeitnehmers zur Vermeidung von Gehaltspfändungen anzunehmen sein sollte (ablehnend für die Parteien eines Girovertrags aber BGH 18. Mai 1999 - XI ZR 219/98 - NJW 1999, 2276, zu II 1 b cc der Gründe; vgl. auch BAG 4. November 1981 - 7 AZR 264/79 - BAGE 37, 64, zu III 2 a, b der Gründe), setzt ein Schadensersatzanspruch jedenfalls eine schuldhafte Verletzung dieser Pflicht voraus. Auf Grund der Umkehrung der Beweislastregel des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB für das Arbeitsverhältnis in § 619a BGB hat dabei der Arbeitgeber das Vertretenmüssen des Arbeitnehmers darzulegen und ggf. zu beweisen. Das gilt grundsätzlich für sämtliche Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers. Für ein Verschulden des Klägers bei der Anbringung der Pfändungen hat die Beklagte aber ebenso wenig vorgetragen wie zur genauen Höhe des ihr dadurch entstandenen Schadens.

    5. Die Beklagte kann Kostenerstattungsansprüche gegen den Kläger auch nicht aus den - gewohnheitsrechtlich anerkannten (BGH 21. Mai 1996 - XI ZR 199/95 - NJW 1996, 2734, zu III 1 der Gründe mwN) - Grundsätzen der Drittschadensliquidation herleiten. Bei dieser macht derjenige, in dessen Person die Voraussetzungen einer Anspruchsnorm mit Ausnahme des Schadens erfüllt sind, fremden Schaden geltend; seinen Anspruch hat er nach § 285 Abs. 1 BGB an den wirtschaftlich geschädigten Dritten abzutreten. Auf diese Weise wird verhindert, dass der Schädiger aus der für ihn zufälligen Verlagerung des Schadens auf einen nicht anspruchsberechtigten Dritten Vorteile zieht (vgl. Palandt/Heinrichs BGB 65. Aufl. Vorb. v. § 249 Rn. 114).

    Hinsichtlich der Kosten der Bearbeitung von Pfändungs- und Überweisungs- beschlüssen durch den Drittschuldner fehlt es bereits an den Grundvoraussetzungen der Drittschadensliquidation (aA Schaub/Koch ArbR-Hdb. 11. Aufl. § 90 Rn. 7). Zum einen ist das unmittelbar "schadensstiftende" Ereignis nicht ein Verhalten des Schuldners - des Arbeitnehmers -, sondern ein solches des Gläubigers. Zum anderen führt dieses Verhalten nicht zu einem Schaden des Drittschuldners - des Arbeitgebers -, sondern zu Aufwendungen auf Grund eigenen Tuns. Schließlich ist auch die "Schadens"-Verlagerung auf den Drittschuldner und die darauf beruhende Aufspaltung der Gläubigerstellung nicht zufällig (BGH 18. Mai 1999 - XI ZR 219/98 - NJW 1999, 2276, zu II 1 b cc der Gründe).

    II. Ein Kostenerstattungsanspruch der Beklagten und eine damit einhergehende, durch den Lohneinbehalt realisierte Aufrechnungsmöglichkeit nach § 387 BGB folgt nicht aus Nr. 6.2 Abs. 2 Satz 1 ABO. Die Bestimmung ist unwirksam. Dabei kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass dies nicht schon auf einem Verstoß gegen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG beruht, weil einschlägige tarifliche Vorschriften beständen oder doch üblich wären; insoweit fehlt es an Vorbringen der Parteien und Feststellungen des Landesarbeitsgerichts.

    1. Die Unwirksamkeit von Nr. 6.2 Abs. 2 Satz 1 ABO folgt nicht aus § 394 Satz 1 BGB. Nach dieser Vorschrift findet die Aufrechnung gegen eine Forderung, die der Pfändung nicht unterworfen ist, nicht statt. Nr. 6.2 Abs. 2 Satz 1 ABO steht dazu nicht im Widerspruch.

    a) Die Betriebsparteien haben allerdings nicht etwa vereinbart, dass die "Bearbeitungsgebühr" nicht vom Lohn der Arbeitnehmer, sondern von dem zugunsten des Vollstreckungsgläubigers gepfändeten Betrag einzubehalten wäre. Der Wortlaut von Nr. 6.2 Abs. 2 Satz 1 ABO schließt ein solches Verständnis zwar nicht aus. Mit diesem Inhalt wäre die Bestimmung aber gesetzeswidrig. Sie würde zu einer Verminderung der Pfändungssumme im Verhältnis zum Vollstreckungsgläubiger führen. Dafür gibt es keine rechtliche Grundlage. Nr. 6.2 Abs. 2 Satz 1 ABO ist deshalb dahin zu verstehen, dass die Bearbeitungsgebühr von demjenigen Teil des Nettogehalts des Arbeitnehmers einbehalten wird, welcher diesem nach Bearbeitung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses verbleibt.

    b) Damit besteht die Möglichkeit, dass eine auf Nr. 6.2 Abs. 2 Satz 1 ABO gestützte Aufrechnung und der entsprechende Lohneinbehalt in den zugunsten des Arbeitnehmers pfändungsfreien Teil des Monatseinkommens eingreift. Die Regelung enthält keine ausdrückliche, an § 394 Satz 1 BGB orientierte Grenze für die Zulässigkeit eines Einbehalts. Gleichwohl kann nicht angenommen werden, dass die Betriebsparteien diese Grenze missachten wollten. Die Regelung wäre andernfalls aus diesem Grunde rechtswidrig. Die Bestimmung ist deshalb gesetzeskonform dahin auszulegen, dass die Berechtigung zum Lohneinbehalt dann nicht gegeben ist, wenn dadurch der unpfändbare Gehaltsanteil der Arbeitnehmer geschmälert würde.

    Die Bestimmung verliert dadurch nicht jeglichen Anwendungsbereich. Es steht keineswegs fest, dass durch die Bedienung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses der pfändbare Teil des Monatseinkommens des betreffenden Arbeitnehmers stets zur Gänze aufgezehrt wird.

    2. Nr. 6.2 Abs. 2 Satz 1 ABO ist unwirksam, weil die Regelung keinen Gegen- stand der zwingenden Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 BetrVG betrifft und § 88 BetrVG den mit ihr verbundenen Eingriff in individuelle Rechtspositionen der Arbeitnehmer nicht gestattet; ob und unter welchen Voraussetzungen im Rahmen der erzwingbaren Mitbestimmung solche Eingriffe möglich sind, kann dahinstehen.

    a) Die Regelung in Nr. 6.2 Abs. 2 Satz 1 ABO unterfällt nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 BetrVG.

    aa) Es handelt sich nicht um eine Angelegenheit iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Nach dieser Vorschrift hat der Betriebsrat mitzubestimmen in Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Gegenstand des Mitbestimmungsrechts ist das betriebliche Zusammenleben und Zusammenwirken der Arbeitnehmer, das der Arbeitgeber kraft seines Direktionsrechts oder seiner Organisationsbefugnis beeinflussen und koordinieren kann (BAG 27. Januar 2004 - 1 ABR 7/03 -BAGE 109, 235, zu B II 1 a aa der Gründe). Das außerbetriebliche Verhalten der Arbeitnehmer ist dagegen der Regelungskompetenz der Betriebsparteien entzogen. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG berechtigt diese nicht, in die private Lebensführung der Arbeitnehmer einzugreifen (BAG 27. Januar 2004 - 1 ABR 7/03 - aaO, zu B II 1 a bb der Gründe mwN). Danach fehlt es an einem Mitbestimmungstatbestand iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG.

    (1) Die Festlegung einer Gebühr für die Bearbeitung von Gehaltspfändungen ist keine Regelung des betrieblichen Zusammenlebens und Zusammenwirkens der Arbeitnehmer. Sie knüpft an ein betriebliches Verhalten der Arbeitnehmer nicht einmal an. Zwar beruht sie letztlich auf einem Verhalten der Arbeitnehmer, weil die Gehaltspfändung durch Gläubiger eine mittelbare Folge der Gestaltung ihrer privaten Vermögenssphären durch die Arbeitnehmer ist. Die Gestaltung der eigenen Vermögensangelegenheiten ist aber Teil des außerdienstlichen Verhaltens (BAG 4. November 1981 - 7 AZR 264/79 - BAGE 37, 64, zu III 2 b aa der Gründe; vgl. ferner Preis DB 1990, 630, 632). Sie wirkt sich auf die Erbringung der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit, die Art und Weise der Arbeitsleistung und das betriebliche Zusammenwirken mit anderen Arbeitnehmern nicht aus. Der Umstand, dass Entgeltpfändungen wegen des mit ihnen verbundenen Bearbeitungsaufwands die Vermögensinteressen des Arbeitgebers berühren, macht eine Regelung zur Kostenerstattung nicht zu einer Regelung des betrieblichen Verhaltens der Arbeitnehmer. Dies folgt schon daraus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im Rahmen seines Direktionsrechts nicht anweisen kann, privat begründete Verbindlichkeiten in bestimmter Weise zu erfüllen (BAG 4. November 1981 - 7 AZR 264/79 - aaO, zu III 2 b aa der Gründe) oder gar nicht erst zu begründen.

    (2) Nr. 6.2 Abs. 2 Satz 1 ABO regelt auch keine Betriebsbuße, die dem Gegenstandsbereich des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG unterfiele.

    Betriebsbußen dienen der Durchsetzung der betrieblichen Ordnung. Als Sanktionen dürfen sie nur verhängt werden, wenn eine mitbestimmte betriebliche Bußordnung besteht, die den formellen Anforderungen des § 77 Abs. 2 BetrVG entspricht (BAG 17. Oktober 1989 - 1 ABR 100/88 - BAGE 63, 169, zu B II 2 der Gründe). Diesen Anforderungen genügt Nr. 6.2 Abs. 2 Satz 1 ABO nicht.

    Entgegen der Ansicht der Beklagten hat die Bestimmung keine Sanktion für eine Verletzung der betrieblichen Ordnung zum Inhalt. Es fehlt sowohl an einer betrieblichen Verhaltensregel, deren Verletzung sie verhindern soll, als auch an der Festlegung einer Buße. Die Beklagte verweist in diesem Zusammenhang ohne Erfolg auf Nr. 6.2 Abs. 1 ABO. Danach sind Abtretung und Verpfändung von Gehaltsansprüchen ihr gegenüber unwirksam, wenn sie dem nicht zugestimmt hat. Zum einen stellt diese Vorschrift keine Verhaltensregel, sondern allenfalls eine Vereinbarung nach § 399 BGB dar. Zum anderen fällt die Bearbeitungsgebühr nach Nr. 6.2 Abs. 2 Satz 1 ABO nicht bei ungenehmigten Verpfändungen von Gehaltsforderungen durch die Arbeitnehmer, sondern bei Pfändungen von Bezügen durch einen Gläubiger und gerade bei genehmigten Abtretungen - ggf. auf Grund einer genehmigten Verpfändung - an. In der Bearbeitungsgebühr liegt außerdem nicht die Auferlegung einer Buße, sondern eine pauschalierte Kostenerstattung.

    bb) Die Festlegung von "Gebühren" für die Bearbeitung von Gehaltspfändungen unterfällt nicht dem Mitbestimmungstatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG. Die Schaffung eines solchen Kostenerstattungsanspruchs und einer Verrechnungsbefugnis zugunsten der Beklagten betrifft weder Zeit noch Ort und Art der Auszahlung des Arbeitsentgelts.

    b) Die Betriebsparteien vermögen einen Anspruch auf Erstattung der Kosten von Gehaltspfändungen auch nicht durch freiwillige Betriebsvereinbarung nach § 88 BetrVG zu schaffen. Den Betriebsparteien kommt zwar grundsätzlich eine umfassende Regelungskompetenz in sozialen Angelegenheiten zu, soweit der Gegenstand nicht nach § 77 Abs. 3 BetrVG durch Tarifvertrag geregelt ist oder üblicherweise geregelt wird. Grenzen der Regelungskompetenz ergeben sich aber insbesondere aus der ihnen nach § 75 Abs. 2 BetrVG obliegenden Verpflichtung, die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern. Lohnverwendungsbestimmungen, die den Arbeitnehmer ausschließlich belasten, sind danach grundsätzlich unzulässig. Sie führen zu Einschränkungen der dem Arbeitnehmer zustehenden Freiheit, über seinen Lohn zu verfügen, und greifen auf diese Weise in dessen außerbetriebliche Lebensgestaltung ein (BAG 11. Juli 2000 - 1 AZR 551/99 -BAGE 95, 221, zu II 2 der Gründe mwN; Fitting 23. Aufl. § 77 Rn. 56, 58; Kreutz GK-BetrVG 8. Aufl. Bd. II § 77 Rn. 331 f.). Die den Arbeitnehmern in Nr. 6.2 Abs. 2 Satz 1 ABO auferlegte Bearbeitungsgebühr stellt eine unzulässige Lohnverwendungsbestimmung in diesem Sinne dar. Sie führt zu einem unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht der Arbeitnehmer auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit.

    aa) Trotz der grundsätzlich umfassenden Befugnis der Betriebsparteien zur Regelung der sozialen Angelegenheiten der Arbeitnehmer besteht in Rechtsprechung und Schrifttum weitgehend Einigkeit darüber, dass diese Kompetenz nicht unbegrenzt ist, sondern Binnenschranken unterliegt. Diese beruhen auf dem Verhältnis von kollektiven Regelungen zu den individuellen Rechtspositionen der Arbeitnehmer.

    (1) Im Schrifttum werden die Grenzen zu einem auch außerhalb des arbeitsvertraglichen Synallagmas "kollektivfreien Individualbereich" (Siebert BB 1953, 241; ders. FS Nipperdey 1955 S. 119, 128 ff.) teilweise auf der Grundlage eines "Schutzzwecks" der Betriebsvereinbarung gezogen, der den Betriebsparteien wegen andernfalls eintretender Zweckverfehlung die Befugnis nehme, Regelungen zu treffen, die die Arbeitnehmer ausschließlich belasteten (Canaris ArbuR 1966, 129; Kreutz Grenzen der Betriebsautonomie S. 246 ff.; ders. GK-BetrVG § 77 Rn. 315 ff.). Teilweise werden Regelungsgrenzen für die Betriebsparteien aus der "Vertragsrechtsakzessorietät" der Betriebsverfassung (Reichold Betriebsverfassung als Sozialprivatrecht S. 487 ff.) und der "Schutzgebotsfunktion der Grundrechte" (Richardi BetrVG 10. Aufl. § 77 Rn. 100) hergeleitet oder mit der Grenze der Befugnis des Arbeitgebers zur einseitigen Änderung der Arbeitsbedingungen im Rahmen eines das Arbeitsverhältnis ergänzenden "betrieblichen Rechtsverhältnisses" gleichgesetzt (Veit Die funktionelle Zuständigkeit des Betriebsrats S. 364 ff., 423 ff.).

    (2) Inwieweit diese Konzepte zu einer generellen Grenzbestimmung taugen und ob darüber hinaus auch das Günstigkeitsprinzip nicht nur als Kollisionsregel zwischen - als solcher wirksamer - Betriebsvereinbarung und individueller Rechtsposition (so BAG 7. November 1989 - GS 3/85 - BAGE 63, 211, zu C II der Gründe), sondern schon als Kompetenzbegrenzung und Regelungsschranke für die Betriebsparteien infrage kommt (dazu BAG 1. Dezember 1992 - 1 AZR 260/92 - BAGE 72, 40, zu II 2 der Gründe), braucht nicht entschieden zu werden. Das Bundesarbeitsgericht hat die Grenze der allgemeinen Regelungsbefugnis der Betriebsparteien jedenfalls in den Grundsätzen von Recht und Billigkeit gem. § 75 Abs. 1 BetrVG (vgl. 7. November 1989 - GS 3/85 - aaO, zu C I 3 der Gründe) und in der Verpflichtung zum Schutz und zur Förderung der freien Entfaltung der Persönlichkeit der Arbeitnehmer aus § 75 Abs. 2 BetrVG (vgl. 11. Juli 2000 - 1 AZR 551/99 - BAGE 95, 221, zu II 2 der Gründe; 29. Juni 2004 - 1 ABR 21/03 - BAGE 111, 173, zu B I 2 der Gründe mwN) erblickt. Eine Überschreitung dieser Grenze führt zumindest unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen höherrangiges Recht zur Unwirksamkeit der betrieblichen Regelung. Daran hält der Senat fest.

    bb) Über § 75 Abs. 1, Abs. 2 BetrVG sind die Betriebsparteien mittelbar an die Grundrechte gebunden (BAG 12. November 2002 - 1 AZR 58/02 - BAGE 103, 321, zu III 3 b aa der Gründe; 29. Juni 2004 - 1 ABR 21/03 - BAGE 111, 173, zu B I 2 a der Gründe; Fitting § 77 Rn. 55; Kreutz GK-BetrVG § 77 Rn. 294). Sie haben damit auch die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG zu beachten. Diese schützt nicht nur einen Kernbereich, sondern jede Form menschlichen Handelns ohne Rücksicht darauf, welches Gewicht der Betätigungsfreiheit für die Persönlichkeitsentfaltung zukommt. Zwar wird die über den Kernbereich der Persönlichkeit hinausgehende allgemeine Handlungsfreiheit ihrerseits durch die verfassungsmäßige Ordnung beschränkt, zu der auch die von den Betriebsparteien im Rahmen ihrer allgemeinen Regelungskompetenz geschlossenen Betriebsvereinbarungen gehören. Zugleich sind jedoch die einzelnen Grundrechtsträger vor unverhältnismäßigen Beschränkungen ihrer Grundrechte durch privatautonome Regelungen zzu schützen (BAG 11. Juli 200 - 1 AZR 551/99 - BAGE 95, 221, zu II 2 a der Gründe; 29. Juni 2004 - 1 ABR 21/03 -BAGE 111, 173, zu B I 2 a der Gründe mwN). In welchem Umfang die allgemeine Handlungsfreiheit begrenzt werden kann, bestimmt sich deshalb nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die von den Betriebsparteien getroffene Regelung muss geeignet, erforderlich und unter Berücksichtigung der gewährleisteten Freiheitsrechte angemessen sein, um den erstrebten Zweck zu erreichen. Innerhalb der Prüfung der Angemessenheit ist eine Gesamtabwägung zwischen der Intensität des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe erforderlich (BAG 19. Januar 1999 - 1 AZR 499/98 - BAGE 90, 316, zu A II 3 der Gründe; 11. Juli 2000 - 1 AZR 551/99 - aaO).

    cc) Diesen Anforderungen wird Nr. 6.2 Abs. 2 Satz 1 ABO nicht gerecht. (1) Die Betriebsparteien verfolgen mit dieser Regelung nach dem Vorbringen der Beklagten den Zweck, die Arbeitnehmer zur Ordnung ihrer Vermögensverhältnisse anzuhalten, das Anfallen von Lohnpfändungen schon im Ursprung zu verhindern, und auf diese Weise die Lohnbuchhaltung von zusätzlichen Arbeiten zu entlasten. Zur Erreichung dieser Ziele ist die Regelung schon nicht geeignet.

    Da es bei Vorliegen eines Vollstreckungstitels in der Hand des Gläubigers liegt, welche Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen werden sollen, kann eine Gehaltspfändung vom Arbeitnehmer und Schuldner nur dadurch verhindert werden, dass er die titulierte Forderung angesichts der drohenden Zwangsvollstreckung von sich aus erfüllt oder es zur Entstehung eines Vollstreckungstitels wegen rechtzeitiger Erfüllung der bestehenden Forderung gar nicht erst kommen lässt. Die Aussicht, ggf. zur Zahlung von Pfändungsgebühren herangezogen zu werden, müsste dazu beim Arbeitnehmer bewirken, seine Vermögensverhältnisse so zu regeln, dass vollstreckbare Zahlungstitel gegen ihn nicht ergehen oder ohne weiteres erfüllt werden können. Das ist angesichts der Vielfalt möglicher Ursachen für eine objektive Zahlungsunfähigkeit oder eine subjektive Zahlungsunwilligkeit schlechterdings ausgeschlossen.

    (2) Der Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit der Arbeitnehmer durch die Lohnverwendungsbestimmung in Nr. 6.2 Abs. 2 Satz 1 ABO ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Aufwendungsersatzes gerechtfertigt.

    Die Rechtsordnung weist wegen des Fehlens anderslautender Bestimmungen die dem Drittschuldner durch den Einbezug in die Titelvollstreckung entstehenden Kosten diesem selbst zu. Die Betriebsparteien haben diese Grundentscheidung des Gesetzgebers durch die Auferlegung einer "Pfändungsgebühr" zu Lasten der Arbeitnehmer umgekehrt. Der damit verbundene Eingriff in die Handlungsfreiheit der Arbeitnehmer dient unter diesem Gesichtspunkt keinem anderen Zweck als der Bevorzugung der Kosteninteressen der Beklagten. Diese Interessen eines Arbeitgebers sind indessen nicht höher zu bewerten als die gegenläufigen Interessen der Arbeitnehmer. Als Rechtfertigung eines Eingriffs in die Handlungsfreiheit der Arbeitnehmer scheiden sie damit aus.

    III. Der Zinsanspruch für die der Höhe nach unstreitige Hauptforderung folgt aus § 291 BGB iVm. § 288 Abs. 1 BGB. Der Kläger hat die Gesamtforderung in zwei Teilbeträgen von 312,49 Euro und 119,34 Euro gerichtlich geltend gemacht, Zinsen hat er jeweils ab Eintritt der Rechtshängigkeit begehrt. Diese trat am 3. August 2004 - und nicht am 3. März 2004, wie das Landesarbeitsgericht auf Grund eines Übertragungsfehlers aus der handschriftlichen Urteilsfassung offensichtlich versehentlich tenoriert hat - bzw. am 15. November 2004 ein.

    Der Kläger hat Zinsen in Höhe von "5 %" über dem Basiszinssatz geltend gemacht. Dementsprechend hat das Landesarbeitsgericht tenoriert. Der gesetzliche Zinsfuß beträgt demgegenüber "fünf Prozentpunkte" über dem Basiszinssatz. Daraus folgt zwar regelmäßig ein erheblich höherer Betrag. Da aber nicht ersichtlich ist, dass der Kläger Zinsen nach einem anderen als dem gesetzlichen Zinssatz hätte verlangen wollen, ist der Klageantrag dahin zu verstehen, dass dieser Satz begehrt wird (vgl. BAG 2. März 2004 - 1 AZR 271/03 - BAGE 109, 369, zu VII 2 der Gründe).

    RechtsgebieteBetrVG, BGB, ZPOVorschriftenBetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG § 88 BetrVG § 75 Abs. 1 BetrVG § 75 Abs. 2 BGB § 670 BGB § 677 BGB § 683 BGB § 285 Abs. 1 BGB § 280 Abs. 1 BGB § 619a BGB § 387 BGB § 394 ZPO § 788 Abs. 1 ZPO § 840 Abs. 1