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  • · Fachbeitrag · Vollstreckungspraxis

    Vollstreckungs-Tipp des Monats

    | Dass Schuldner Einkommen oder lukrative Tätigkeiten verschleiern, ist nicht neu. Unsere Leserin Tatjana Becker, Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte, Ingolstadt, berichtet uns von einem Fall, in dem eine kleine Nebenbeobachtung zur erfolgreichen Vollstreckung führte. Wer kommt auch darauf, dass ein Schuldner fleißiger Verkäufer auf Messen ist? |

     

    • Vollstreckungs-Tipp des Monats: Ein Schuldner aus dem Mittelalter

    Unsere Leserin hatte mit Schuldner S. schon länger zu tun. Sie lief recht erfolglos einer Forderung von 800 EUR hinterher. Die Vermögensauskunft ergab keine Ansätze, um an das Geld zu kommen und der vage Hinweis des Mandanten G., dass S. fleißig unterwegs sei, bot ihr zunächst keine Ansätze. Da reichte G. ein paar Fotos herein. Eines zeigte zwei Kartons des S. vor seiner Wohnung, aus beiden ragten merkwürdig gewölbte, elfenbeinfarbene Gegenstände heraus. Unsere Leserin sah sich das Foto genauer an, konnte jedoch nicht so recht etwas damit anfangen. Der entscheidende Tipp kam von ihrer Kollegin K., der sie das Foto zeigte. K. hatte im Urlaub einen sog. Mittelalter-Markt besucht und war sich sicher, dass es sich um Trinkhörner handelte. Da sie von der Atmosphäre und den Waren dort begeistert war, hatte K. recherchiert und wusste, dass schon am kommenden Wochenende auch im Nachbarort ein solcher Markt stattfinden würde. Ein Besuch war bereits fest eingeplant.

     

    Nun war die Frage, ob S. lediglich ebenfalls ein „Mittelalter-Fan“ war oder ob er dort sogar Waren verkaufte. Da unsere Leserin nichts anderes vorhatte, verabredete sie sich mit K., den Mittelalter-Markt gemeinsam zu besuchen. Sie schauten sich Stände und kleine Vorstellungen an. Ihr Engagement wurde rasch belohnt: Sie sahen S. mit einer weiteren Person an einem der größeren Stände. Dort verkaufte er nicht nur Trinkhörner, sondern ein breites Portfolio szenetypischer Waren.

     

    Unsere Leserin nahm S. beiseite. Dieser zeigt sich dankbar, dass sie ihn nicht in Anwesenheit seines Partners auf die Vollstreckung ansprach. Er gab zu, seit einem Jahr intensiv auf Messen und auch Konzerten unterwegs zu sein. Er habe zunächst nur ausgeholfen, sei dann aber richtig in den Handel eingestiegen und half im Verkauf. Dass sich das Geschäft so schnell und gut entwickeln würde, habe er nicht ahnen können. S. bot unserer Leserin ein Gratis-Trinkhorn an und fragte, ob man die Sache damit nicht einfach vergessen könne. Dies lehnte sie zwar ab, nicht aber die Zusicherung, direkt am kommenden Montag im Büro die erste Hälfte des offenen Betrags zu erhalten. Unsere Leserin hoffte, dass S. tatsächlich derart froh über seinen Job war, dass er diesen nicht gefährden wollte. Damit lag sie richtig: Schon nach einem Monat war die Gesamtschuld getilgt.

     

    Oft sind es ungewöhnliche Vollstreckungsmethoden oder sogar Zufälle, die helfen, dem Schuldner auf die Schliche zu kommen und die Vollstreckung erfolgreich zu beenden. Diese Fälle sammeln wir und veröffentlichen sie an dieser Stelle im Leser-Erfahrungsaustausch. Schildern auch Sie uns Ihren „schönsten Fall“. Wird er veröffentlicht, erhalten Sie ein Einsenderhonorar von 50 EUR. Unsere Anschrift: IWW Institut, Redaktion „Vollstreckung effektiv“, Aspastraße 24, 59394 Nordkirchen, Fax: 02596 922-99, E-Mail: ve@iww.de.

    Quelle: Ausgabe 11 / 2021 | Seite 198 | ID 47723367