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  • · Fachbeitrag · Leser-Erfahrungsaustausch

    Vollstreckungs-Tipp des Monats

    | Verfügt die Ehefrau des Schuldners nur über geringes Einkommen, heißt dies nicht automatisch, dass sie als unterhaltsberechtigte Person wegen Geringfügigkeit ihres Einkommens Berücksichtigung finden muss. Stets ist der Einzelfall zu prüfen - wie der Fall unseres Lesers Benjamin Vering, Rechtsanwalts- und Notarfachangestellter, Bad Arolsen, zeigt. |

     

    • Vollstreckungs-Tipp des Monats 1: Auf den Einzelfall kommt es an

    Schuldner S. bezog von Gläubiger G. Heizöl und bezahlte dies nicht. So nahm das Vollstreckungsverfahren seinen Lauf. Im Verfahren zur Abgabe der e.V. nach 
altem Recht ergab sich, dass der verheiratete S. eine Rente von ca. 1.380 EUR monatlich bezog. Seine Ehefrau E. bezog eine Rente von 230 EUR. Bei Berücksichtigung der E. als unterhaltsberechtigte Person blieb kein Einkommen des S. oberhalb der Pfändungsfreigrenze. Doch war E. zu berücksichtigen?

     

    Ja, meinte Rechtspfleger R., da ihr Einkommen unter den Sozialhilfesätzen lag und verwies auf die Kommentierung bei Zöller (ZPO, 29. Aufl., 850c, Rn. 15).

     

    Gegen ein solch starres Berechnungsschema wandte sich unser Leser und verwies auf eine Entscheidung des BGH (12.12.04, IXa ZB 142/04, VE 05, 119). Danach ist eine Abwägung der wirtschaftlichen Interessen von Gläubiger und Schuldner vorzunehmen. Hier war dem S. und der E., da beide im Ruhestand waren, kein Abzug für Aufwendungen zu gestatten. Außerdem handelte es sich vorliegend um eine Forderung aus Heizöllieferung. Solche Kosten sind im Freibetrag des § 850c Abs. 1 S. 1 ZPO enthalten und aus ihm aufzubringen bzw. anzusparen gewesen. Damit überwogen die Interessen des G. die des S.

     

    Diesen Argumenten konnte sich der R. nicht mehr verschließen. Er erließ den PfÜB mit der Maßgabe, dass der pfandfreie Betrag für die E. gemäß § 850c 
Abs. 4 ZPO nur in Höhe von 157,22 EUR angewandt wurde. Somit waren 194,89 EUR monatlich pfändbar. Die Forderung wurde entsprechend zeitnah realisiert.

     

    Von einem klassischen Fall von Überraschungstaktik weiß unsere Leserin Carmen Ago, Rechtsanwaltsfachangestellte, zu berichten.

     

    • Vollstreckungs-Tipp des Monats 2: Im Gerichtssaal verhaftet

    Die Eheleute S. waren in der Kanzlei unserer Leserin und bei den Gerichtsvollziehern aufgrund mehrerer Angelegenheiten bereits negativ bekannt.

     

    In dem Vorgang 1 hatten die Eheleute S. Widerspruch gegen den beantragten Mahnbescheid eingelegt, sodass der Anspruch durch die Kanzlei unserer Leserin begründet wurde. Das AG Oberndorf am Neckar beraumte einen Termin zur mündlichen Verhandlung an. Die Gegenseite war ebenfalls anwaltlich vertreten. Es wurde jedoch das persönliche Erscheinen der Eheleute S. angeordnet.

    Im Vorgang 2 wurde der Vollstreckungsbescheid den Eheleuten S. bereits zugestellt und die Zwangsvollstreckung eingeleitet. Die Gerichtsvollzieherin H. wurde mit einem neuen Zwangsvollstreckungsauftrag i.V. mit einem e.V.-Antrag nach altem Recht beauftragt. Die Eheleute S. erschienen jedoch jeweils nicht zu dem Termin zur Abgabe der e.V. Die H. legte ihnen dann noch einmal telefonisch nahe, dass sie doch bitte in ihrem Büro erscheinen sollen, da es sich auch um eine sehr geringe Forderung handelte - dies jedoch ohne Erfolg, sodass Haftbefehl durch den Richter erlassen wurde.

     

    Einen Tag vor dem Gerichtstermin zum Vorgang 1 wurden der Kanzlei unserer Leserin die Ausfertigungen der Haftbefehle gegen die Eheleute S. zugestellt. Dort hatte man die Idee, die Eheleute S. im Gerichtssaal verhaften zu lassen.

     

    Titel, Zwangsvollstreckungsunterlagen nebst Haftbefehlen und Verhaftungsauftrag nahm die Prozessbevollmächtigte R. aus der Kanzlei unserer Leserin im Original mit zu dem Termin. Unsere Leserin versuchte nun die H. zu beauftragen, die jedoch telefonisch aufgrund Urlaubs nicht erreichbar war. Die Unterlagen wurden ihr vorab per E-Mail und Fax übermittelt, mit der Bitte um dringende Rückmeldung. Ferner wurde parallel der vertretende Gerichtsvollzieher K. alarmiert, der sich am späten Abend der Sache annahm. Die Vollstreckungsunterlagen wurden vor dem Termin durch die R. dem K. persönlich und unbemerkt übergeben. Ferner sprach er sich mit der H. ab. Dann nahm K., der den Eheleuten S. gänzlich unbekannt war, auf den Sitzen der Zuschauer im Gerichtssaal Platz. Die Eheleute S. waren völlig ahnungslos.

     

    Dann geschah Folgendes: Nach Schluss der mündlichen Verhandlung trat der K. zu den Eheleuten S. vor und teilte mit, dass er nun zwei Haftbefehle zu vollstrecken habe, was großes Erstaunen und Unsicherheit bei den Eheleuten S. hervor rief. Der Prozessbevollmächtigte der Gegenseite hatte ebenfalls hiermit nicht gerechnet. Die Richterin legte den Eheleuten S. den Ausgleich der Forderung nahe.

     

    Der K. füllte nun mit den Eheleuten S. eine Überweisung aus, die die Höhe der Gesamtforderung abdeckte und warf diesen Überweisungsträger höchstpersönlich bei dem Kreditinstitut der Eheleute S. in den Briefkasten ein, sodass sich die Angelegenheit durch vollständige Zahlung erledigte.

     

    Oft sind es die ungewöhnlichen Vollstreckungsmethoden oder sogar Zufälle, die helfen, dem Schuldner auf die Schliche zu kommen und die Vollstreckungssache erfolgreich zu beenden. Diese Fälle sammeln wir und veröffentlichen sie an dieser Stelle.

     

    Daher unsere Bitte: Schildern Sie uns Ihren „schönsten Fall“. Bei Veröffentlichung erhalten Sie ein Einsenderhonorar von 50 EUR. Unsere Anschrift: IWW-Institut, Redaktion „Vollstreckung effektiv“, Aspastraße 24, 59394 Nordkirchen, Fax: 02596 922-99, E-Mail: ve@iww.de.

    Quelle: Ausgabe 09 / 2013 | Seite 165 | ID 42260497