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  • · Fachbeitrag · Forderungsvollstreckung

    Deliktsanspruch und Insolvenztabelle: Vollstreckung gemäß § 850f Abs. 2 ZPO möglich

    von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz

    | In der insolvenzrechtlichen Praxis spielen Deliktsforderungen eine große Rolle. Hierbei kommt es immer wieder zu folgender Situation. |

     

    • Ausgangsfall

    Gläubiger G., vertreten durch Rechtsanwalt R., meldet seine durch Vollstreckungsbescheid titulierte Forderung von 5.000 EUR, u.a. auch wegen des Vorliegens eines deliktischen Grundes, zur Insolvenztabelle an. Das Insolvenzgericht belehrt den Schuldner S. gemäß § 175 Abs. 2 InsO ordnungsgemäß. Der S. widerspricht dem angemeldeten Forderungsattribut aus Delikt nicht, sodass folgender Vermerk in die Insolvenztabelle eingetragen wird: „Der Schuldner widerspricht dem angemeldeten Forderungsattribut der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung nicht.“

     

    Nachdem S. die Restschuldbefreiung erteilt wurde, erteilt das Insolvenzgericht eine vollstreckbare Ausfertigung aus der Insolvenztabelle. G. beantragt anschließend einen PfÜB gemäß § 850f Abs. 2 ZPO in das Arbeitseinkommen des S. Kann G. tatsächlich gemäß § 850f Abs. 2 ZPO vollstrecken?

     

    1. Auswirkungen der Deliktsforderung im Insolvenzverfahren

    Eine ordnungsgemäß vorgenommene Anmeldung einer bevorrechtigten Forderung zur Insolvenztabelle bewirkt Folgendes:

     

    • Zunächst ergibt sich für (Insolvenz)Gläubiger noch kein Vorteil im laufenden Insolvenzverfahren und in der Wohlverhaltensphase. Gläubiger werden vielmehr zunächst wie alle anderen Gläubiger gegebenenfalls quotal befriedigt.

     

    • Eine Einzelzwangsvollstreckung ist im laufenden Insolvenzverfahren und in der Wohlverhaltensphase (BGH VE 12, 165) für Insolvenzgläubiger - nicht Neugläubiger - untersagt (§§ 89, 294 InsO).

     

    • Erst nach Erteilung der Restschuldbefreiung kommt die Qualifizierung als Deliktsforderung zur Geltung, und zwar dadurch, dass die Restschuldbefreiung verhindert wird und damit der Weg frei ist, weiterhin gegen Schuldner Zwangsvollstreckungsmaßnahmen mittels eines Auszugs aus der Insolvenztabelle ungehindert zu betreiben (vgl. hierzu ausführlich VE 12, 138).

     

    • Nach Ablauf der Wohlverhaltensphase ist hinsichtlich des vorgenommenen Tabelleneintrags für Deliktsgläubiger eine verschärfte Vollstreckung in Arbeitseinkommen möglich (§ 850f Abs. 2 ZPO).

    2. Tabelleneintrag wirkt wie rechtskräftiges Urteil

    Die Eintragung der beim Insolvenzverwalter angemeldeten Insolvenzforderung in die Insolvenztabelle wirkt zunächst dem Rang und Betrag nach wie ein rechtskräftiges Urteil gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern (§ 178 Abs. 3 InsO). Der Eintrag in die Insolvenztabelle hat somit die Wirkung eines vollstreckbaren Titels (§ 201 Abs. 2 InsO; LG Düsseldorf JurBüro 08, 661; LG Heilbronn Rpfleger 05, 98), wenn der Schuldner der Forderung im Prüfungstermin nicht widersprochen hat.

     

    Grund: Die Rechtskraft der Feststellung zur Insolvenztabelle erstreckt sich nach gesetzgeberischen Willen auch auf den Rechtsgrund des Vorsatzdelikts (LG Düsseldorf JurBüro 08, 661; im Ergebnis AG Rostock JurBüro 07, 666; vgl. MüKo/Stephan, InsO, § 302 Rn. 16 in Fn. 33; a.A. Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 174 Rn. 16).

     

    PRAXISHINWEIS | Der Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung muss allerdings in der Anmeldung so beschrieben werden, dass der aus ihm hergeleitete Anspruch in tatsächlicher Hinsicht zweifelsfrei bestimmt ist, und der Schuldner erkennen kann, welches Verhalten ihm vorgeworfen wird. Einer schlüssigen Darlegung des (objektiven und subjektiven) Deliktstatbestands bedarf es dabei nicht (BGH VE 14, 58). Insofern ist dem Schuldner durchaus eine Prüfung der Voraussetzungen möglich. Er hat daher die Möglichkeit, den Rechtsgrund der Forderung im Prüfungstermin gegebenenfalls zu bestreiten.

     

    Dieser Vorgang ist weder mit dem Erwirken eines Vollstreckungsbescheids vergleichbar, noch ist der Umstand von Belang, dass die Forderung bereits vor Insolvenzeröffnung durch Vollstreckungsbescheid tituliert wurde. Für einen Vollstreckungsbescheid ist weder ein Tatsachenvortrag erforderlich, noch erfolgt eine inhaltliche Prüfung. Ist ein Vollstreckungsbescheid erlassen, wird dieser nach Anmeldung im Insolvenzverfahren und Feststellung zur Insolvenztabelle verbraucht bzw. „aufgezehrt“ (BGH NZI 06, 536).

     

     

    Achtung | Die dargestellte Ansicht ist nicht unstreitig. Manche Vollstreckungsgerichte lehnen eine Anwendbarkeit des § 850f Abs. 2 ZPO mit der Begründung ab, dass der Gläubiger über die Forderung bereits einen Vollstreckungsbescheid erwirkt habe. Da ein solcher nach BGH-Rechtsprechung (VE 05, 97) nicht geeignet sei, die Herkunft der Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung nachzuweisen, sei dies erst recht nicht bei einer Tabellenforderung der Fall, aus der hervorgehe, dass der Forderung ursprünglich ein Vollstreckungsbescheid zugrunde lag.

     

    Leserservice: Haben auch Sie zu der dargestellten Problematik Erfahrungen gemacht oder gegebenenfalls Entscheidungen erstritten, teilen Sie uns dies mit (ve@iww.de). Wir werden im Rahmen unserer Berichterstattung in einer der nächsten Ausgaben von „Vollstreckung effektiv“ darauf zurückkommen.

     

    Quelle: Ausgabe 09 / 2014 | Seite 155 | ID 42860425