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  • · Fachbeitrag · Räumung

    Grundsätze der Räumungsvollstreckung

    von RA Axel Wetekamp, RiAG a.D., München

    | Gewinnt der Vermieter den Räumungsrechtsstreit, ist zwar eine wichtige, aber nicht die letzte Hürde bis zur endgültigen Räumung der Wohnung genommen. Was bei der Räumungsvollstreckung zu beachten ist und wann der Vermieter mit Vollstreckungsschutz zugunsten des Mieters rechnen muss, zeigt der folgende Beitrag. |

    1. Vollstreckungsverfahren

    Die Vollstreckung eines Räumungsurteils findet dadurch statt, dass der Vermieter den zuständigen Gerichtsvollzieher mit der Vollstreckung des rechtskräftigen oder vorläufig vollstreckbaren Räumungsurteils beauftragt. Der Gerichtsvollzieher fordert zunächst einen Kostenvorschuss an. Erst wenn dieser eingezahlt ist, beginnt er mit der Vollstreckung. Er bestimmt dann einen Räumungstermin und teilt ihn dem Schuldner schriftlich mit. Die Anwesenheit des Gläubigers bei der Vollstreckung ist nicht erforderlich.

     

    Die Vollstreckung findet in der Weise statt, dass der Gerichtsvollzieher den Mieter aus dem Besitz setzt und den Vermieter als Gläubiger in den Besitz einweist. Der Gerichtsvollzieher kann dabei, falls er Widerstand findet, auch Gewalt anwenden und die Polizei hinzuziehen (§ 758 Abs. 3 ZPO).

     

    Fortgesetzt wird die Vollstreckung, indem der Gerichtsvollzieher bewegliche Sachen, die nicht Gegenstand der Zwangsvollstreckung sind, nach § 885 Abs. 2 ZPO wegschafft und dem Schuldner übergibt. Ist der Schuldner oder ein Bevollmächtigter nicht anwesend, schafft der Gerichtsvollzieher die Sachen in das Pfandlokal oder in anderweitige Verwahrung. Offensichtlich wertlose Sachen kann er vernichten lassen. Dies gilt auch für Sachen, die nicht verwertet werden können (§ 885 Abs. 4 S. 2 ZPO). Da in vielen Fällen der Schuldner bei der Vollstreckung nicht anwesend ist, wird häufiger eingelagert, als ausgehändigt. Soweit es sich nicht um wertlose oder nicht verwertbare Sachen handelt, kann der Schuldner sie innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach der Räumung herausfordern, muss aber die entstandenen Kosten zahlen. Ansonsten werden sie durch den Gerichtsvollzieher verkauft (§ 885 Abs. 4 S. 1 ZPO).

    2. Berliner Räumung

    Angesichts der erheblichen Kosten einer Zwangsräumung mit einem Kostenvorschuss von mehreren tausend EUR gibt es auch die Möglichkeit, den Vermieter, der an den beweglichen Gegenständen des Mieters ein Vermieterpfandrecht geltend macht, lediglich in den Besitz der Räume einzuweisen. Die Zwangsvollstreckung nach § 885 ZPO beschränkt sich dann nur auf die Herausgabe der Wohnung (BGH GE 06, 110; LG Berlin GE 06, 191). Dies hat allerdings zur Folge, dass die weitere Behandlung der Möbel und anderer Gegenstände des Mieters Sache des Vermieters selbst ist, der auch berücksichtigen muss, inwieweit es sich um unpfändbare Gegenstände handelt. Diesbezüglich kann natürlich auch der Mieter seine Rechte geltend machen. Sache des Gerichtsvollziehers selbst ist es nicht, über die Pfändbarkeit oder Unpfändbarkeit der Gegenstände des Mieters eine Entscheidung zu treffen. In § 885a ZPO ist der beschränkte Vollstreckungsauftrag jetzt auch gesetzlich geregelt.

    3. Frankfurter und Hamburger Räumung

    In Betracht kommen auch andere Modelle der Räumungsvollstreckung:

     

    • Frankfurter Räumung: Vollstreckung durch Personal des Gläubigers, Haftungsfreistellung des Gerichtsvollziehers, vom Gläubiger gestellte Verwahrungsräume mit Zugangsmöglichkeit für den Gerichtsvollzieher.
    • Hamburger Räumung: Besitzeinweisung und Herausschaffung und Einlagerung des beweglichen Guts in zwei Schritten (Riecke, GE 06, 623).

     

    Nimmt der Vermieter allerdings die Wohnung ohne gerichtlichen Titel eigenmächtig in Besitz und räumt sie aus, haftet er verschuldensunabhängig nach § 231 BGB auf Schadenersatz (BGH NZM 10, 701).

    4. Vollstreckungsschutz für den Mieter

    Im Vollstreckungsverfahren kann der Mieter nach § 765a ZPO die Aufhebung der Vollstreckungsmaßnahme oder die Einstellung der Zwangsvollstreckung beantragen. Hierfür muss die Maßnahme wegen besonderer Umstände für ihn eine Härte bedeuten, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Außerdem muss das Schutzbedürfnis des Vermieters berücksichtigt werden.

     

    Der Antrag auf Vollstreckungsschutz ist spätestens zwei Wochen vor dem festgesetzten Räumungstermin zu stellen (§ 765a Abs. 3 ZPO). Etwas anderes gilt, wenn die Gründe, auf denen der Antrag beruht, erst nach dem Zweiwochenzeitpunkt entstanden sind oder der Schuldner schuldlos daran gehindert war, einen rechtzeitigen Antrag zu stellen. Beim Vollstreckungsgericht entscheidet der Rechtspfleger nach § 20 Nr. 17 RpflG. Dagegen ist sofortige Beschwerde zum LG zulässig.

     

    Gründe können eine akute Erkrankung des Schuldners oder Suizidgefahr sein (BVerfG NZM 07, 87). Weiter kommt in Betracht, dass innerhalb einer kurzen Zeitspanne Ersatzwohnraum bezogen werden kann, sodass dem Schuldner ein mehrmaliger Umzug nicht zumutbar ist (LG Hamburg WuM 91, 114).

     

    PRAXISHINWEIS | Vollstreckungsschutz wird in Räumungssachen nur in absoluten Ausnahmefällen gewährt. Allgemeine Härtegründe, wie Zahlungsunfähigkeit oder Arbeitslosigkeit des Schuldners, reichen hier nicht aus.

     

    Das folgende Schaubild verdeutlicht abschließend die klassische und die beschränkte Räumungsvollstreckung:

     

     

     
    Quelle: Ausgabe 08 / 2014 | Seite 142 | ID 42774666