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  • · Fachbeitrag · Haftbefehl

    Wenn das Gericht den Haftbefehl „vergisst“ …

    | Gläubiger dürfen keine unangemessen lange Zeit zwischen dem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft und einem beantragten Haftbefehl verstreichen lassen. Das hat jetzt das AG Bad Segeberg klargestellt (17.9.18, 6 M 341/18, Abruf-Nr. 204856 ). Dies gelte auch, wenn die Verzögerungen des Verfahrens nicht auf einem Verhalten der Parteien des Vollstreckungsverfahrens beruhen. |

     

    Im betreffenden Fall war der Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft auf den 10.5.15 bestimmt. Der Haftbefehl war, verknüpft mit dem Antrag auf Abgabe der Vermögensauskunft, bereits am 3.3.15 beantragt und erst im Jahr 2018 erlassen worden. Die Verzögerungen waren zwar allein dem Gericht zuzuschreiben. Trotzdem gilt: Je mehr Zeit seit dem Termin auf Abgabe der Vermögensauskunft bis zu dem erlassenen Haftbefehl vergeht, desto höheres Gewicht erlangt das Freiheitsrecht des Schuldners gegenüber den Gläubigerinteressen, also dem Anspruch des Gläubigers auf effektive Vollstreckung (Art. 14 GG).

     

    Das Gericht betont: Der Schuldner wird weder über den Antrag des Gläubigers noch über den Erlass des Haftbefehls informiert, sondern er erhält erst bei Verhaftung eine beglaubigte Abschrift des Haftbefehls (§ 802g Abs. 2 S. 2 ZPO). In dieser Phase ist er also ständig der Gefahr ausgesetzt, verhaftet zu werden. Dies kann nicht auf unbegrenzte Dauer verhältnismäßig sein. Denn der Gesetzgeber hat den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz z. B. in § 802h ZPO zum Ausdruck gebracht (Phase zwischen Erlass des Haftbefehls und der Haftvollstreckung: 2-Jahres-Frist). Ein Zeitraum von über 3 Jahren bis zum Erlass des Haftbefehls ist daher nicht mehr verhältnismäßig.

     

    Auch wenn die Entscheidung im Ergebnis gläubigerfeindlich ist, ist sie richtig. Durch das lange Abwarten des Gläubigers hat dieser zum Ausdruck gebracht, nicht daran interessiert zu sein, seine Forderung schnell zu vollstrecken. Er wird auch nicht unverhältnismäßig benachteiligt. Denn er kann erneut die Vermögensauskunft und ‒ unter den Voraussetzungen des § 802g ZPO ‒ einen neuen Haftbefehl beantragen.

     

    Zusätzliche Gerichtskosten entstehen dem Gläubiger dadurch nicht, weil diese wegen falscher Sachbehandlung niederzuschlagen sind. Dies gilt allerdings nicht im Hinblick auf Anwalts- und Gerichtsvollzieherkosten. Hierfür tritt der Gläubiger als Mandant erst einmal in Vorleistung. Die Kosten können jedoch u. U. im Wege der Amtshaftung erstattbar sein.

     

    Wichtig | Hierüber entscheidet die Justizverwaltung und nicht das Gericht.

     

    PRAXISTIPP | Achten Sie also unbedingt darauf, dass das Gericht schnell über Ihren Antrag auf Erlass eines Haftbefehls entscheidet.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Verhaftung des Schuldners richtig beantragen, VE 17, 91
    Quelle: Ausgabe 12 / 2018 | Seite 203 | ID 45528668