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  • 01.08.2005 | Unterhaltsvollstreckung

    Wegfall von Mitverdienern orientiert sich am Einzelfall

    Die auf Antrag des Gläubigers vom Vollstreckungsgericht gemäß § 850c Abs. 4 ZPO zu treffende Bestimmung hat unter Einbeziehung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalls und nicht nur nach festen Berechnungsgrößen zu erfolgen. Das schließt nicht aus, sich in diesem Rahmen an bestimmten Berechnungsmodellen zu orientieren. Ermessensfehlerhaft ist es nur, dieselbe Berechnungsformel unterschiedslos auf verschiedenartige Fallgestaltungen anzuwenden (BGH 5.4.05, VII ZB 28/05, n.v., Abruf-Nr. 051265).

     

    Entscheidungsgründe/Praxishinweis

    Der in Vollstreckungssachen seit dem Jahreswechsel in Nachfolge des IXa-Senats tätige VII. Senat setzt dessen Rechtsprechung fort. Er fügt nun an, dass eine nur einseitige Orientierung an bestimmten Berechnungsgrößen nicht vorliegt, wenn diese als Basis im Rahmen der nach § 850c Abs. 4 ZPO zu treffenden Ermessensentscheidung herangezogen werden (Anschluss an BGH VE 05, 119, Abruf-Nr. 050281). Denn das Vollstreckungsverfahren ist nach dem gesetzgeberischen Willen praktikabel zu gestalten (BT-Drucksache 8/693, S. 48 f.). Ermessensfehlerhaft ist nur, dieselbe Berechnungsformel unterschiedslos auf verschiedenartige Fallgestaltungen anzuwenden. Zu berücksichtigen ist einerseits, dass Einkünfte des Angehörigen auch nicht mittelbar zur Tilgung von Verbindlichkeiten des Schuldners dienen sollen. Andererseits muss ein vom Schuldner abhängiger Unterhaltsberechtigter gewisse Abstriche von seiner Lebensführung hinnehmen, wenn der Unterhaltsverpflichtete Schulden zu tilgen hat. Bei der Ermessensentscheidung muss das Gericht berücksichtigen, dass der Grundfreibetrag des § 850c Abs. 1 ZPO regelmäßig auch dazu dient, zu einem erheblichen Teil die Wohnungsmiete und andere Grundkosten des Haushalts abzudecken. Diese Kosten erhöhen sich bei mehreren Personen nicht proportional zur Personenzahl. Lebt der Unterhaltsberechtigte mit dem Schuldner in einem Haushalt, ist es daher nicht gerechtfertigt, dass sich das Gericht bei seiner Ermessensentscheidung nach § 850c Abs. 4 ZPO einseitig am Grundfreibetrag des § 850c Abs. 1 S. 1 ZPO ausrichtet, wie es das Beschwerdegericht in schematischer Weise getan hat.  

     

    In solchen Fällen kommt vielmehr in Betracht, bei der Berechnung des Freibetrags des Unterhaltsberechtigten die nach den sozialrechtlichen Regelungen die Existenzsicherung gewährleistenden Sätze heranzuziehen. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass die Regelungen über die Pfändungsfreigrenzen dem Schuldner und seinen Unterhaltsberechtigten nicht nur das Existenzminimum sichern wollen, sondern eine deutlich darüber liegende Teilhabe am Arbeitseinkommen erhalten bleiben muss. Bei einer Orientierung an den sozialrechtlichen Regelungen ist daher im Rahmen der Ermessensausübung ein Zuschlag in tatrichterlicher Würdigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Meist ist es nicht zu beanstanden, wenn das Vollstreckungsgericht einen Zuschlag von 30 bis 50 Prozent annimmt.  

    Quelle: Ausgabe 08 / 2005 | Seite 131 | ID 91484