Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 01.08.2006 | Unterhaltsvollstreckung

    Nach § 850d ZPO bevorrechtigt pfänden

    von RiOLG Frank-Michael Goebel, Koblenz/Rhens

    Hat der Gläubiger das Arbeitseinkommen des Schuldners gepfändet, muss er die Pfändungsfreibeträge nach § 850c ZPO beachten. Erhält er danach keine pfändbaren Beträge, weil das maßgebliche Einkommen des Schuldners die Pfändungsfreigrenzen nicht überschreitet, sollte die Zwangsvollstreckung dennoch nicht gleich als fruchtlos betrachtet werden. Der folgende Beitrag erläutert, in welchen Fällen der Gläubiger die Anwendung der Pfändungsfreigrenzen nach § 850c ZPO vermeiden kann.  

     

    Möglichkeiten, die Anwendung von § 850c ZPO zu umgehen

    Für den Gläubiger gilt es, die gesetzlichen Möglichkeiten zu nutzen, die sich auf Grund der Bestimmungen über eine privilegierte Pfändung noch bieten. Dabei sind vor allen Dingen zwei Möglichkeiten zu nennen:  

     

    • Bei Vollstreckung wegen rückständigen oder laufenden Unterhalt kann der Gläubiger nach § 850d Abs. 1 ZPO beantragen, dass die Freibeträge nach Anlage 1 zu § 850c Abs. 3 ZPO keine Anwendung finden. Der Pfändungsschutz ist dabei auf den notwendigen Unterhalt zu beschränken, der dem individuellen Sozialhilfesatz entspricht (BGH VE 05, 117).

     

    Praxishinweis: Dies ist auch für Gläubiger wesentlich, die keine Unterhaltsforderung vollstrecken, sich aber in Konkurrenz zu Gläubigern befinden, die nach § 804 Abs. 3 ZPO vorrangig das Arbeitseinkommen gepfändet haben, ohne von ihrer Privilegierung Gebrauch zu machen. Diese „blockieren“ dann die nach der Tabelle nach § 850c ZPO pfändbaren Beträge. Hier können nachpfändende Gläubiger die Unterhaltsgläubiger nach § 850e Abs. 4 ZPO auf die privilegiert zu pfändenden Beträge verweisen.

     

    • Wird die Zwangsvollstreckung aus einem Titel wegen einer vorsätzlich unerlaubten Handlung(Delikt) betrieben, kann der Gläubiger nach § 850f Abs. 2 ZPO beantragen, dem Schuldner nur den notwendigen Unterhalt zu belassen (= individueller Sozialhilfesatz).

     

    Praxishinweis: In beiden Fällen wirken sich die Bestimmungen von Hartz IV auf den Umfang des Schuldnerschutzes aus. Da es gilt, den individuellen Sozialhilfesatz zu bestimmen und Schuldner hier oft mit Tricks arbeiten, muss der Gläubiger genau nachrechnen und wissen, wo die Einfallstore für Manipulationen liegen (zu Hartz IV Mock, VE 05, 73). Ungeachtet dieser beiden Formen der privilegierten Zwangsvollstreckung kann sich der Gläubiger auch bei Anwendung der Tabelle nach § 850c ZPO günstiger stellen, wenn er beantragt, unterhaltsberechtigte Personen mit eigenem Einkommen ganz oder teilweise nicht zu berücksichtigen.

     

    Die privilegierte Pfändung nach § 850d ZPO setzt voraus, dass der Gläubiger einen Antrag stellt, mit dem der Pfändungsschutz auf den notwendigen Unterhalt beschränkt wird (ausführliches Muster VE 04, 7, Abruf-Nr. 032825).  

     

    Dabei ist wichtig, dass das Vollstreckungsgericht auf die Familien- und Einkommensverhältnisse des Schuldners hingewiesen (s.u., Muster 1) und der Pfändungsumfang genau bezeichnet wird (s.u., Muster 2).  

     

    Musterformulierung 1: Familien- und Einkommenssituation des Schuldners

    Der Schuldner ist (Zutreffendes auswählen) ledig/verheiratet/geschieden/verwitwet und hat – weitere – unterhaltsberechtigte Kinder. Der notwendige Unterhalt des Schuldners bestimmt sich nach seinem individuellen Sozialhilfebedarf, der sich unter Anwendung der Bestimmungen des SGB II / SGB XII wie folgt berechnet:  

     

    Regelsatz für den Schuldner  

    ... EUR  

    angemessene Unterkunftskosten ... qm a ... EUR  

    ... EUR  

    ... (Sonstiges)  

    ... EUR 

     

    ... EUR 

     

     

    Musterformulierung 2: Pfändungsumfang

    Wegen dieser Ansprüche und in Höhe dieses Betrags wird die angebliche Forderung des Schuldners gegen seinen Arbeitgeber ... – Drittschuldner – auf Zahlung des gesamten, auch künftigen Arbeitseinkommens, gleich, wie es benannt ist, einschließlich des Geldwertes von Sachbezügen so lange gepfändet, bis die Gläubigeransprüche vollständig befriedigt sind.  

     

    Der Drittschuldner darf, soweit die Forderung gepfändet ist, nicht mehr an den Schuldner zahlen. Der Schuldner darf den gepfändeten Teil des Arbeitseinkommens nicht mehr verlangen, ihn auch nicht verpfänden oder abtreten. Soweit die Forderung gepfändet ist, wird sie dem Gläubiger zur Einziehung überwiesen.  

     

    Von der Pfändung sind ausgenommen und nicht mitzurechnen:  

    • Beträge, die unmittelbar auf Grund steuer- oder sozialrechtlicher Vorschriften zur Erfüllung gesetzlicher Verpflichtungen des Schuldners abzuführen sind, ferner auf den Auszahlungszeitraum entfallende Beträge, die der Schuldner nach den Vorschriften der Sozialversicherungsgesetze zur Weiterversicherung entrichtet oder an eine Ersatzkasse oder an ein Unternehmen der privaten Krankenversicherung leistet, soweit diese Kassenbeiträge den Rahmen des Üblichen nicht übersteigen;
    • Aufwandsentschädigungen, Auslösungsgelder und andere soziale Zulagen für auswärtige Beschäftigung, das Entgelt für selbst gestelltes Arbeitsmaterial, Gefahren-, Schmutz- und Erschwerniszulagen (alle Bezüge jedoch nur in üblicher Höhe);
    • ein Viertel der für die Leistung von Mehrarbeitsstunden gezahlten Teile des Arbeitseinkommens;
    • Weihnachtsvergütungen bis zu einem Viertel des monatlichen Nettoarbeitseinkommens, höchstens aber bis 250 EUR;
    • die Hälfte der Bezüge nach § 850a Nr. 2 ZPO (z.B. Urlaubs- und Treuegelder);
    • die in § 850a Nr. 5bis 8 ZPO genannten Bezüge (z.B. Heirats- und Geburtsbeihilfen).

     

    Vom Arbeitseinkommen ist unpfändbar ein Betrag in Höhe von ... EUR monatlich für den notwendigen Unterhalt des Schuldners sowie zur Erfüllung seiner laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten gegenüber den dem Gläubiger vorgehenden Berechtigten oder zur gleichmäßigen Befriedigung der dem Gläubiger gleichstehenden Berechtigten (§ 850d Abs. 1 S. 2 1. Alt. ZPO). Der dem Schuldner hiernach verbleibende Teil des Arbeitseinkommens darf den Betrag nicht übersteigen, der ihm nach den Vorschritten des § 850c ZPO gegenüber nicht bevorrechtigten Gläubigern verbleiben müsste.  

     

    Die Pfändung umfasst das künftig fällig werdende Arbeitseinkommen, soweit am jeweiligen Zahltag Unterhaltsrückstände bestehen, weitere Unterhaltsbeiträge fällig geworden sind oder fällig werden.  

     

    Ein nachpfändender Gläubiger kann aber auch einen Antrag nach § 850e Abs. 4 ZPO stellen, um den vorrangigen Unterhaltsgläubiger auf den privilegierten Pfändungsbereich zu verweisen.  

     

    Voraussetzungen von § 850d ZPO

    Mit § 850d ZPO privilegiert der Gesetzgeber bestimmte Unterhaltsgläubiger gegenüber anderen Gläubigern, indem er  

    • die Pfändungsfreigrenzen nach § 850c ZPO für nicht anwendbar erklärt,
    • den Pfändungsschutz auf den notwendigen Unterhalt und die Mittel zur Erfüllung vorrangiger Unterhaltspflichten beschränkt.

     

    Privilegiert sind danach Gläubiger, die kraft Gesetzes als Verwandte, insbesondere als Kind, jetziger oder früherer Ehegatte oder Lebenspartner, oder ein nach §§ 1615l, 1615n BGB unterhaltsberechtigter Elternteil einen titulierten Unterhaltsanspruch gegen den Gläubiger haben.  

     

    Praxishinweis: Damit es im Vollstreckungsverfahren keine Schwierigkeiten gibt, muss der Bevollmächtigte schon im Erkenntnisverfahren bei der Antragstellung darauf achten, dass aus der Tenorierung deutlich wird, dass es sich um einen Unhaltsanspruch handelt. Dies vor allem, wenn der Titel ohne Gründe geschaffen wird, d.h. beim Anerkenntnis oder Versäumnisurteil, beim Prozess- oder Anwaltsvergleich oder auch bei der vollstreckbaren notariellen Urkunde.  

     

    Die Unterhaltsansprüche müssen „auch“ nur auf einem Gesetz beruhen. Dass die Ansprüche einer vertraglichen Regelung zugeführt wurden, etwa in einem Unterhaltsvergleich oder einer notariellen Urkunde tituliert sind, schadet nicht. Auch ein Titel auf Grund eines Unterhaltsvertrags nach § 1585c BGB fällt unter die Privilegierung des § 850d ZPO. Gerade in diesen Fällen ist es aber wichtig, dass die Tatsache, dass der Unterhalt „auch“ kraft Gesetzes geschuldet ist, sich aus dem Titel ergibt.  

     

    Praxishinweis: Keinen privilegierten Unterhaltsanspruch hat dagegen ein Lebensgefährte, auch wenn ein solcher vertraglich vereinbart wurde. Allerdings kann die Lebensgefährtin als Mutter eines gemeinsamen Kindes nach § 1615l BGB gesetzlich unterhaltsberechtigt sein.  

     

    Einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch stellt auch der Anspruch auf Prozesskostenvorschuss nach § 1360a Abs. 4 BGB dar. Er kann nach § 850d ZPO privilegiert vollstreckt werden (LG Aachen FamRZ 63, 48; Musielak/Becker, ZPO, 4. Aufl., § 850d Rn. 2; Stein/Jonas-Brehm, ZPO, 22. Aufl., § 850d Rn. 9; Stöber, Forderungspfändung, 14. Aufl., Rn. 1084). Nach der gesetzlichen Überschrift zu § 1360a BGB handelt es sich ebenso wie nach seiner inhaltlichen Ausgestaltung um einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch. Eine Differenzierung zwischen den gesetzlichen Unterhaltsansprüchen lässt sich § 850d ZPO nicht entnehmen. Allerdings ist dies nicht unbestritten (a.A. LG Essen Rpfleger 60, 250; LG Bremen FamRZ 70, 407).  

     

    Praxishinweis: Ein Anspruch auf Prozesskostenvorschuss schließt die Gewährung von PKH aus. Der Anwalt muss daher vor Stellen des PKH-Antrags immer erst prüfen, ob ein Prozesskostenvorschuss besteht. Ist dies der Fall, muss auch die Frage der Durchsetzbarkeit erörtert werden. Anders verhält es sich mit dem Kostenanspruch aus einem Unterhaltsprozess. Dies ist kein gesetzlicher Unterhaltsanspruch, so dass auch die Begünstigung des § 850d ZPO nicht in Anspruch genommen werden kann.  

     

    Unterhaltsanspruch muss tatsächlich bestehen

    In den aufgeführten Fällen ist zu beachten, dass der Unterhaltsanspruch nur insoweit von der Privilegierung nach § 850d ZPO profitiert, wie dieser als gesetzlicher Unterhaltsanspruch auch tatsächlich besteht bzw. geschuldet ist. Ein überschießender vertraglicher Unterhaltsanspruch kann dagegen nur unter Beachtung der Pfändungsfreigrenzen des § 850c ZPO vollstreckt werden (Stöber, Forderungspfändung, 14. Aufl., Rn. 1077). Für den nach § 850f ZPOprivilegierten konkurrierenden Delikts-Gläubiger kann es sich danach empfehlen, den vorrangig vollstreckten Unterhaltsanspruch einer Schlüssigkeitsprüfung zu unterziehen. Diese Konstellation eröffnet nämlich Manipulationsmöglichkeiten für den Schuldner.  

     

    Beispiel

    G.1 vollstreckt wegen eines titulierten fortlaufenden Unterhaltsanspruchs in Höhe von 320 EUR monatlich, wobei der gesetzliche Unterhaltsanspruch tatsächlich nur 236 EUR umfasst. G.2 vollstreckt nachrangig wegen einer Forderung von 10.000 EUR, die auch aus vorsätzlich unerlaubter Handlung stammt. Der notwendige Unterhalt des Schuldners beträgt 700 EUR. Nach der Tabelle zu § 850c wären beim Schuldner 1.280 EUR pfändungsfrei, während er tatsächlich 1.480 EUR verdient.  

     

    Lösung:  

    Als privilegierter Pfändungsbereich stehen hier 580 EUR zur Verfügung (1.280 EUR ./. 700 EUR). G.1 kann nach § 850d ZPO hier nur in Höhe von 236 EUR bevorzugt vollstrecken, so dass der nachrangige G.2 unmittelbar 344 EUR (580 EUR ./. 236 EUR) selbst als bevorrechtigter Gläubiger erhält. Den nach § 850c ZPO pfändbaren Betrag, der bei einem Nettoeinkommen von 1.480 EUR und einer unterhaltsberechtigten Person bei 100 EUR liegt, erhält dann wieder der erstrangige G.1 in Höhe seiner verbleibenden Forderung von 84 EUR (320 EUR – 236 EUR), während G.2 weitere 16 EUR erhält.  

     

    Sonderfälle berücksichtigen

    Auch der Unterhaltsanspruch nach § 844 Abs. 2 BGB wegen der Tötung einer gesetzlich unterhaltspflichtigen Person durch den Schuldner unterfällt der Privilegierung des § 850d ZPO. Allerdings wirkt sich das nur dort aus, wo der Schuldner als Schädiger nicht pflichtversichert ist. Anders verhält es sich, wenn der Unterhaltsanspruch auf einen Dritten übergeht, etwa den Erben des Unterhaltsberechtigten oder einen Bürgen. Mit dem Übergang verliert die titulierte Unterhaltsforderung ihren Charakter als Unterhaltsleistung, so dass der Schutzzweck von § 850d ZPO nicht mehr tangiert ist. Der neue Gläubiger kann also nur im Rahmen von § 850c ZPO vollstrecken.  

     

    Beispiel

    Der nach § 850f Abs. 2 ZPO bevorrechtigte, aber nachrangig pfändende Delikts-Gläubiger G.2 erhält also die gesamte Differenz zwischen dem notwendigen Unterhalt und dem nach § 850c ZPO pfändungsfreien Arbeitseinkommen, wenn der vorrangige Unterhaltsgläubiger G.1 verstirbt und noch ausstehender rückständiger Unterhalt nun von den Erben geltend gemacht wird. Diese sind auf die nach der Tabelle zu § 850c ZPO noch pfändbaren Beträge zu verweisen.  

     

    Praxishinweis: Etwas anderes gilt nur, wenn der Dritte seinerseits als weiterer Verpflichteter Unterhalt geleistet hat und die titulierten Ansprüche so auf ihn übergegangen sind. Das gilt vor allem für den nach § 94 Abs. 1 S. 1 SGB XII übergegangenen Anspruch des Sozialhilfeträgers oder den nach § 7 Unterhaltsvorschussgesetz übergangenen Anspruch des Landes. Steht dieser Anspruch allerdings in Konkurrenz zu fortlaufenden weiteren Ansprüchen des Unterhaltsgläubigers, darf der Übergang nicht zu Lasten des Unterhaltsberechtigten geltend gemacht werden. Die öffentliche Hand kann dann also nur nachrangig tätig werden.  

     

    Umfang der Privilegierung

    Die Kosten der Zwangsvollstreckung nach § 788 ZPO nehmen am Vollstreckungsprivileg des § 850d ZPO teil (OLG Hamm RPfleger 77, 109), während dies für die Zinsen auf die Hauptforderung umstritten ist (dafür Schuschke/Walker, Zwangsvollstreckung, 3. Aufl., § 850d ZPO Rn. 2; dagegen Stöber, Forderungspfändung, 14. Aufl., § 850d Rn. 1087). Auch wenn die Zinsen auf Verzug und nicht unmittelbar auf der gesetzlichen Unterhaltspflicht beruhen, besteht doch ein untrennbarer Zusammenhang, der es rechtfertigt, auch für die Zinsen die Vollstreckungsprivilegierung zu gewähren. Auch ist nicht einsehbar, dass die – ferneren – Vollstreckungskosten nach § 850d ZPO berücksichtigt werden, nicht aber die näheren Verzugszinsen.  

     

    Achtung: Privilegierung gilt nur temporär

    Die Privilegierung ist allerdings zeitlich beschränkt (§ 850d Abs. 1 S. 4 ZPO). Für rückständigeUnterhaltsansprüche, die länger als ein Jahr vor dem Antrag auf Erlass eines PfÜB fällig geworden sind, kann der Schuldner die Privilegierung nicht in Anspruch nehmen.  

     

    Beispiel

    Gläubiger G. beantragt am 3.5.06 einen PfÜB zur Pfändung des Arbeitseinkommens des Schuldners S. wegen laufendem Unterhalt von monatlich 400 EUR und rückständigem seit dem 1.11.04. Hier kann die Privilegierung für den laufenden Unterhalt sowie für den rückständigen Unterhalt von Juni 05 an geltend gemacht werden. Der rückständige Unterhalt für November 04 bis einschl. Mai 05 kann nur im Rahmen der Freigrenzen des § 850c ZPO vollstreckt werden. Da der PfÜB am 3.5.06 beantragt wurde, fällt auch die am 1.5.05 fällige Unterhaltsleistung aus der Privilegierung heraus, da diese ein Jahr und zwei Tage und damit länger als ein Jahr vor dem Antrag auf Erlass des PfÜB fällig geworden ist.  

     

    Die Einschränkung gilt aber wiederum nicht, wenn sich der Unterhaltsschuldner seiner Zahlungspflicht bezüglich des rückständigen Unterhalts absichtlich entzogen hat. Eine absichtliche Entziehung liegt vor, wenn der Schuldner trotz Zahlungsmöglichkeit seiner Zahlungspflicht nicht nachkommt (BGH VE 05, 62). Hier trägt der Schuldner die Darlegungs- und Beweislast, dass er sich der Zahlungspflicht nicht absichtlich entzogen hat.  

     

    Praxishinweis: Darin liegt für den Gläubiger eine weitere Vollstreckungsmöglichkeit, wenn der Schuldner seine Vermögensverhältnisse darlegen muss und übersieht, dass sich daraus eine weitere Zugriffsmöglichkeit ergibt. Dabei muss er insbesondere auf Handlungen achten, die nach dem AnfG anfechtbar sind, etwa wenn Vermögensgegenstände auf den neuen Lebensgefährten übertragen wurden.  

     

    Problematisch ist für den Gläubiger in diesem Zusammenhang, dass die Rechtsprechung davon ausgeht, dass das subjektive Element der Absicht entfallen soll, wenn der Schuldner der Auffassung gewesen ist, aus Rechtsgründen nicht zur Unterhaltszahlung verpflichtet zu sein. Solche Einwände gegen die Unterhaltspflicht lassen sich natürlich auch konstruieren.  

     

    Problem: Mehrere Unterhaltsgläubiger vollstrecken

    Vollstrecken mehrere Unterhaltsgläubiger nach § 850d ZPO oder sind andere Unterhaltsgläubiger zu berücksichtigen, richtet sich die Reihenfolge nicht nach § 804 Abs. 3 ZPO, sondern nach § 850d Abs. 2 ZPO:  

     

    • zuerst minderjährige unverheiratete Kinder, Ehegatte, früherer Ehegatte und Elternteil mit seinem Anspruch nach §§ 1615l, 1615n BGB;

     

    Praxishinweis: Für das Rangverhältnis des Ehegatten zu einem früheren Ehegatten gilt § 1582 BGB, so dass der geschiedene Ehegatte regelmäßig dem neuen Ehegatten gegenüber vorgeht, wobei das Vollstreckungsgericht das Rangverhältnis der Berechtigten zueinander auf Antrag des Schuldners oder eines Berechtigten nach billigem Ermessen und nach Anhörung aller Beteiligten in anderer Weise festsetzen kann.

     

    • dann Lebenspartner und früherer Lebenspartner;
    • danach übrige Abkömmlinge, wobei die Kinder den anderen vorgehen;
    • schließlich Verwandte aufsteigender Linie (nähere Grade gehen entfernteren vor).

     

    Praxishinweis: Vorgehende unterhaltsberechtigte Personen sind allerdings nur insoweit zu berücksichtigen, wie der Schuldner diesen tatsächlich Unterhalt leistet. Allein die abstrakte Unterhaltspflicht genügt nicht. Tatsächliche Leistungen an Dritte, die deren Unterhaltspflicht dienen, ohne dass eine gesetzliche Unterhaltspflicht besteht, bleiben dagegen außer Betracht, insbesondere also der tatsächlich geleistete Unterhalt gegenüber Stiefkindern und Lebensgefährten in nichtehelicher Lebensgemeinschaft.  

     

    Es ist jeweils der ungekürzte angemessene Unterhalt des vorrangigen Unterhaltsgläubigers zu erfüllen, ohne dass dieser allein auf Grund des Vollstreckungsrechts einer Kürzung unterliegt. Unter mehreren Unterhaltsgläubigern einer Stufe findet eine gleichmäßige Befriedigung statt.  

     

    Praxishinweis: Soweit der Schuldner für ein zu berücksichtigendes Kind Kindergeld erhält, ist dieses von dem angemessenen Unterhaltsbedarf des Kindes in Abzug zu bringen, da das Kindergeld der Verminderung der Unterhaltslasten dient. Soweit das Kindergeld nicht dem Schuldner, sondern dem anderen Elternteil ausgezahlt wird, muss es gleichwohl anteilig, d.h. zur Hälfte beim Schuldner Berücksichtigung finden.  

     

    Leserservice: In einer der nächsten Ausgaben von „Vollstreckung effektiv“ wird dargestellt, wie sich ein nachfolgender gewöhnlicher Gläubiger verhalten sollte, wenn ein vorrangig pfändender Unterhaltsgläubiger den ihm zustehenden privilegierten Pfändungsbereich nicht nutzt.  

    Quelle: Ausgabe 08 / 2006 | Seite 141 | ID 91490