· Fachbeitrag · Interessenvertretung
Was machen eigentlich medizinische Fachgesellschaften?
von Yvonne Willibald, Medienbüro Medizin (MbMed), Hamburg
| Am 10. November 2012 feierte die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) ihr 50-jähriges Jubiläum. Sie ist der größte europäische Dachverband nationaler Fachgesellschaften: 163 Gesellschaften verschiedener medizinischer Fachrichtungen sind in ihr organisiert. Doch was genau machen die medizinischen Fachgesellschaften? Und wozu brauchen sie eine Dachorganisation? |
Fachgesellschaften: Vertreter eines Fachgebiets
Fachgesellschaften sind Zusammenschlüsse von Wissenschaftlern und Forschern eines Fachgebiets. Es gibt sie unter anderem für Medien- und Politikwissenschaftler, Mathematiker, Biologen sowie Mediziner verschiedener Fachrichtungen. So haben sich etwa Internisten in der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) zusammengeschlossen und Hausärzte in der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (DEGAM). Die Fachgesellschaften organisieren unter anderem fachliche oder themenspezifische Jahrestagungen und Kongresse, bieten Weiterbildungen und Stipendien an und veröffentlichen meist kontinuierlich Berichte und Projektfortschritte, die sie auf ihren Websites oft als Volltext zur Verfügung stellen. Einige von ihnen publizieren auch wissenschaftliche Zeitschriften - so etwa die DGIM, die unter anderem Mitherausgeber der Publikationen „Der Internist“, „Der Diabetologe“ und „Der Nephrologe“ ist.
Darüber hinaus nehmen die Fachgesellschaften auch am politischen Diskurs teil, wenn ihr Fachgebiet betroffen ist, etwa indem sie Stellungnahmen und Pressemitteilungen veröffentlichen. Manchmal beziehen Politiker sie auch direkt in die Entscheidungsfindung ein. Einige Fachgesellschaften bieten zudem Informationen für Patienten an, beispielsweise die DEGAM. Die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) hat auf ihrer Website sogar eine Liste mit Links und Adressen verschiedener Selbsthilfegruppen, Kliniken und Praxen veröffentlicht.
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Medizinische Leitlinien sind systematisch entwickelte Entscheidungshilfen für Ärzte. Sie sollen eine individuelle und angemessene Patientenversorgung ermöglichen, sind aber nicht bindend. Ärzte müssen die Behandlung daher auch immer auf den individuellen Einzelfall abstimmen. Medizinische Leitlinien unterliegen einem transparenten Entwicklungsprozess und sind wissenschaftlich fundiert. Das heißt: Sie sollten auf einer aktuellen, umfassenden Literaturrecherche und -analyse beruhen. In Deutschland steuert die AWMF den Prozess der Leitlinienentwicklung. Inzwischen gibt es zusätzlich auch Patientenleitlinien: Sie informieren Patienten über die aktuellen Behandlungsempfehlungen. |
AWMF: Dachorganisation der Fachgesellschaften
In der AWMF sind derzeit 163 wissenschaftliche Fachgesellschaften aus allen Bereichen der Medizin zusammengeschlossen. Die AWMF wurde vor 50 Jahren von 16 Fachgesellschaften gegründet, um gemeinsame Interessen besser gegenüber der Politik und den Körperschaften der ärztlichen Selbstverwaltung, wie Ärztekammern und Kassenärztliche Vereinigungen, vertreten zu können. Der eingetragene, gemeinnützige Verein vertritt seine Mitglieder unter anderem im Council for International Organizations of Medical Sciences (CIOMS) der Weltgesundheitsorganisation (WHO).
Die AWMF nimmt Stellung zu aktuellen gesundheitspolitischen Themen und Plänen, wie etwa dem Entwurf zum neuen Patientenrechtegesetz. Das kann problematisch sein, wenn die Mitgliedsgesellschaften verschiedene Meinungen vertreten. Allerdings ist das nicht allein ein Problem der AWMF, sondern aller Interessenvertreter: So kann auch eine Fachgesellschaft nicht die Meinung aller Ärzte ihres Fachbereichs vertreten. Zudem bemüht sie sich um fruchtbare Zusammenarbeit mit den anderen Einrichtungen des Gesundheitswesens - im Interesse einer zukunftsorientierten Weiterentwicklung der medizinischen Wissenschaften und deren Umsetzung in der ärztlichen Praxis.
Doch die AWMF versteht sich nicht nur als Interessenvertreterin ihrer Mitglieder. Sie bündelt auf ihrer Website auch alle Leitlinien und Patienteninformationen ihrer Mitgliedsgesellschaften und erleichtert Besuchern so den Überblick. Zusätzlich veröffentlicht die Dachorganisation der Fachgesellschaften Kongresstermine und bietet ihren Mitgliedern ein fachübergreifendes E-Journal für den Gesamtbereich der Medizin, das German Medical Science (GMS). Es richtet sich an alle, die an und mit wissenschaftlichen Publikationen arbeiten. So bündelt die AWMF alle wichtigen medizinwissenschaftlichen Informationen.
DGIM: Fachgesellschaft der Internisten
Die DGIM wurde im April 1882 gegründet und ist mit mehr als 22.000 Mitgliedern eine der größten medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften in Europa. Sie vertritt nach eigenen Angaben die Anliegen der Internisten in Klinik und Praxis, Forschung und Lehre, Fort- und Weiterbildung. Sie bezieht dabei sowohl Position gegenüber der Politik und Öffentlichkeit als auch gegenüber Behörden und Organisationen der ärztlichen Selbstverwaltung, wie den Ärztekammern und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV).
Ein besonderes Anliegen der DGIM ist die Förderung des internistischen Nachwuchses. Mit verschiedenen, teils hoch dotierten, wissenschaftlichen Preisen und Stipendien schafft die Fachgesellschaft Anreize für den wissenschaftlichen Nachwuchs, sich in der Inneren Medizin und insbesondere in der internistischen Forschung zu engagieren. Das Ziel ist es, wissenschaftliche Erkenntnisse mittels ihrer Publikationen und Leitlinien in die angewandte Heilkunde zu übertragen. So sollen die Fortschritte der Inneren Medizin unmittelbar den Patienten zugutekommen.
DEGAM: Fachgesellschaft der Hausärzte
Die DEGAM ist die Fachgesellschaft der Allgemeinmediziner. Sie wurde 1966 gegründet und vertritt die Interessen der Hausärzte in Deutschland. Mit rund 4.000 Mitgliedern ist sie eine der kleineren Fachgesellschaften. Das selbsterklärte Ziel der DEGAM ist es, die Allgemeinmedizin in Praxis und Wissenschaft zu fördern. Die DEGAM hat bislang 15 Behandlungsleitlinien zu allgemeinmedizinischen Krankheitsbildern veröffentlicht, darunter etwa „Brennen beim Wasserlassen“, „Kreuzschmerzen“ und „Demenz“. Darüber hinaus hat sie an verschiedenen interdisziplinären Leitlinien mitgearbeitet, zum Beispiel zur Koronaren Herzkrankheit und zu Osteoporose. Neben den Behandlungsleitlinien und Fortbildungsangeboten für ihre Mitglieder bietet die DEGAM auch Patienteninformationen an. Damit möchte die Fachgesellschaft die Hausärzte in ihrer Aufgabe unterstützen, die ersten Ansprechpartner für alle Patienten zu sein. Zudem veröffentlicht die DEGAM eine eigene Publikation für ihre Mitglieder: die Zeitschrift für Allgemeinmedizin (ZFA). Sie erscheint im Deutschen Ärzte-Verlag.
Arbeitsgruppe WiForMFA
Das Besondere an der DEGAM: Sie spricht nicht nur Ärzte und Patienten an, sondern möchte auch die Medizinischen Fachangestellten in den wissenschaftlichen Prozess einbinden. Hierzu haben einige MFA die Arbeitsgruppe „Wissenschaft und Forschung für Medizinische Fachangestellte“ (WiForMFA) ins Leben gerufen. Derzeit führt diese die erste deutschlandweite Online-Befragung zum Berufsbild der MFA durch. So möchte sie herausfinden, was sich außer der Berufsbezeichnung noch geändert hat, seit Arzthelferinnen zu MFA geworden sind. Unter anderem geht es um folgende Fragen:
- Wie zufrieden sind MFA mit ihrem Beruf?
- Welche Aspekte ihrer Tätigkeit sind den MFA wichtig?
- Wie schätzen sie ihre Entwicklungsmöglichkeiten ein?
- Wie beurteilen sie ihren Einfluss auf die Patientenbetreuung?
Ziel der WiForMFA ist es, das Berufsbild der MFA und deren Arbeit zu professionalisieren, im Berufsalltag von wissenschaftlichen Erkenntnissen zu profitieren und die Arbeit von Teams in Hausarztpraxen zu verbessern.
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Interessierte MFA können derzeit noch an der Umfrage der Arbeitsgruppe WiForMFA teilnehmen. Zur Umfrage gelangen Sie entweder direkt über den Link www.surveymonkey.com/s/DJXXRWW oder über die Website der DEGAM (www.degam.de > WiForMFA > Bundesweite Online-Studie). In der PDF finden Sie dann den entsprechenden Link zur Umfrage. |
PPA verfolgt die Online-Studie für Sie und veröffentlicht nach deren Erscheinen die Umfrageergebnisse.