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  • Immobiliarvollstreckung

    Vermeiden Sie Probleme bei der Zwangsversteigerung

    von Michael App, Straßburg

    Seitdem die Pfändungsfreigrenzen zum 1.1.02drastisch angehoben wurden und dadurch die klassische Lohnpfändungpraktisch bedeutungslos geworden ist, müssen Gläubiger nacheffektiveren Vollstreckungsmöglichkeiten suchen. Eine davon istdie Vollstreckung in Immobilien, was die ständig steigende Zahlder anhängigen Verfahren bei Gericht belegt. Umso wichtiger istes, sich frühzeitig mit dieser komplizierten Materie zubeschäftigen. Der folgende Beitrag erläutert die Grundlagender Zwangsversteigerung. In der nächsten Ausgabe von„Vollstreckung effektiv“ wird über dieMöglichkeiten der Verfahrenseinstellung berichtet.

    Zweck der Zwangsversteigerung

    Mit der Zwangsversteigerung verfolgt einGläubiger das Ziel, sich aus dem Substanzwert des Grundstückszu befriedigen. Will er darüber hinaus auf Erträge desGrundstücks zugreifen zum Beispiel Mieten, Früchte, kann erparallel die Zwangsverwaltung beantragen.

    Hinweis: DemZwangsversteigerungs-Verfahren liegt einGläubiger-Schuldner-Verhältnis zu Grunde. Daneben gibt es einso genanntes unechtes Versteigerungsverfahren. Dies kommt vor allem beider Auseinandersetzung bzw. Aufhebung von Gemeinschaften vor etwa beiMiteigentums-, Bruchteils- oder Erbengemeinschaften; Teilungsversteigerung.Bei dieser Verfahrensart gibt es keinGläubiger-Schuldner-Verhältnis über dieTeilungsversteigerung wird „Vollstreckung effektiv“ ineiner der nächsten Ausgaben berichten.

    Außer über Grundstücke kann einZwangsversteigerungsverfahren auch über Erbbaurechte,Wohnungseigentum und Miteigentumsanteile an Grundstücken,eingetragenen Schiffen und Luftfahrzeugen eröffnet werden.

    Vier Grundsätze des Zwangsversteigerungsverfahrens

    Das Zwangsversteigerungs-Verfahren wird von folgenden vier Grundsätzen beherrscht:

    • Amtsprinzip nach Anordnung

      Nach einem entsprechenden Antrag §15 ZVG wird das Verfahren von Amtswegen durchgeführt. Es besteht allerdings die Möglichkeit, dasVerfahren auf Bewilligung des Gläubigers oder Antrag des Schuldners –im Wege des Vollstreckungsschutzes – einzustellen.     
    • Deckungsgrundsatz

      Im Versteigerungstermin abgegebene Gebote sind nach unten hin begrenzt.Das heißt, dass alle dem bestrangig betreibenden Gläubiger vorgehendenAnsprüche zum Beispiel Nießbrauch, Grundschuld, öffentliche Lastengedeckt, also ausgeboten, sein müssen. Dies geschieht entweder durchBarzahlung oder durch Übernahme dieser so genannten bestehen bleibendenRechte. Maßgeblich ist hierbei die Rangfolge des § 10 ZVG.     
    • Übernahmegrundsatz § 53 ZVG, § 416 BGB

      Soweit solche Rechte, für die der Schuldner persönlich haftet zumBeispiel eine Grundschuld, an dem Grundstück bestehen bleiben, wirddurch den Eigentumserwerb durch Zuschlag §§ 89, 90 ZVG kraft Gesetzesauch eine persönliche Haftung des Erstehers begründet. Daneben bleibtdie Haftung des ursprünglichen Schuldners     
    • Umwandlungsgrundsatz

      Soweit ein dingliches Recht, etwa eine Grundschuld, erlischt, wandeltes sich in einen Anspruch auf Befriedigung aus dem Erlös – soweitausreichend vorhanden – um. Reicht der Erlös nicht aus, kann derAnspruch nicht durchgesetzt werden.     

    Einleiten des Zwangsversteigerungsverfahrens

    Zuständig für die Zwangsversteigerungist grundsätzlich das AG, in dessen Bezirk das Grundstückliegt, das versteigert werden soll § 1 ZVG. DieLandesregierungen können aber einem AG dieZwangsversteigerungssachen für die Bezirke mehrerer AG zuweisen.

    Über den Antrag auf Durchführung desZwangsversteigerungsverfahrens entscheidet das Vollstreckungsgerichtdurch Beschluss so genannter Anordnungsbeschluss. Dieser wird demGrundstückseigentümer und dem Gläubiger von Amts wegenzugestellt. Zugleich wird das Grundbuchamt – zur Sicherung desöffentlichen Glaubens § 892 BGB – um Eintragung desVersteigerungsvermerks ersucht § 19 ZVG. Da dieVersteigerungs-Anordnung eine Vollstreckungsmaßnahme ist, ergehtsie nur,

    • wenn die allgemeinen und gegebenenfalls besonderenVollstreckungsvoraussetzungen Titel, Klausel, Zustellung, Kalendertag,Sicherheitsleistung etc. gegeben sind
    • und der zur Duldung derZwangsvollstreckungsmaßnahme verpflichtete Titel-Schuldner alsEigentümer im Grundbuch eingetragen oder
    • Erbe des eingetragenen Eigentümers ist vgl. § 17 ZVG.

    Praxishinweis: Ist derSchuldner zwar Eigentümer des Grundstücks, aber als solchernoch nicht im Grundbuch eingetragen, muss der Gläubiger zuvorgrundsätzlich das Grundbuch berichtigen lassen, falls er dieVollstreckung wegen eines persönlichen Anspruchs betreibt. Eine Ausnahmebesteht bei Glaubhaftmachung der Erbfolge, zum Beispiel durchTestament, Erbschein bzw. wegen Offenkundigkeit. Darüber hinausgilt bei einem dinglichen Anspruch, etwa einer auf dem Grundstücklastenden Grundschuld, dass der Gläubiger stets sein Recht gegenden im Grundbuch eingetragenen Eigentümer geltend machen kannvgl. § 1148, § 1192 Abs. 1 BGB.

    Beitritt bei bereits angeordneter Versteigerung

    Ist die Versteigerung eines Grundstücksbereits für einen anderen Gläubiger angeordnet, nennt man denweiteren Antrag eines Gläubigers auf Anordnung derZwangsversteigerung „Beitritt“ § 27 Abs. 1 ZVG.Dieser kann nur bis zur Rechtskraft des Zuschlagbeschlusses zugelassenwerden Stöber, Zwangsvollstreckung in das unbeweglicheVermögen, 7. Aufl., Rn. 135. Der Beitrittsgläubiger hatdieselben Verfahrensrechte wie der Anordnungsgläubiger. Sie sindso genannte betreibende Gläubiger.

    Kosten der Beantragung bzw. des Beitritts

    Der Gläubiger, der den Antrag aufZwangsversteigerung gestellt hat oder dem Verfahren beigetreten ist,muss hierfür eine Anordnungsgebührvon 51 EUR zahlen § 53 Abs. 1 GKG, Nr. 5210 KV GKG. Sie wird mitder Entscheidung des Vollstreckungsgerichts über den Antragfällig § 62 Abs. 1 GKG. Der Gläubiger kann dieseKosten im Verfahren als Kosten der Rechtsverfolgung in der Rangklasseseiner Hauptforderung geltend machen.

    Bedeutung und Wirkung der Anordnung der Zwangsversteigerung

    Die Anordnung der Versteigerung bewirkt eine so genannte Beschlagnahmedes Grundstücks zu Gunsten des Gläubigers § 20 Abs. 1ZVG. Sie begründet allein kein Pfandrecht, sondern nur einVorzugsrecht für die Befriedigung aus dem Grundstück und denmithaftenden Gegenständen s.u.. Sie wird zu dem Zeitpunktwirksam, in dem der Anordnungsbeschluss dem Schuldner zugestellt wird§ 22 Abs. 1 ZVG oder das Ersuchen um Eintragung desVersteigerungsvermerks beim Grundbuchamt eingeht, sofern die Eintragungdemnächst erfolgt §§ 19, 22 Abs. 1 ZVG.Maßgebend ist der jeweils frühere Zeitpunkt. Im Wesentlichenhat die Beschlagnahme für Gläubiger folgende Auswirkungen:

    • Sie bewirkt zum Schutz des jeweils betreibenden Gläubigers ein relatives Veräußerungsverbot§ 23 Abs. 1 ZVG, §§ 135, 136 BGB. Das bedeutet, dassalle vom Schuldner hiernach vorgenommenen Verfügungen demGläubiger gegenüber unwirksam sind. Dies hat zur Folge, dassder Schuldner als Eigentümer weiterhin das Grundstückveräußern oder es mit Grundpfandrechten, Dienstbarkeitenoder einem Nießbrauch belasten kann, wenn hierdurch die Rechtedes Gläubigers nicht beeinträchtigt werden. Es tritt alsokeine Grundbuchsperre ein. Im Versteigerungsverfahren und bei derVerteilung des Versteigerungserlöses werden jedoch eine eventuelleVeräußerung oder Belastung des Grundstücks sobehandelt, als ob sie nicht stattgefunden hätten.
    • DieBeschlagnahme erstreckt sich nicht allein auf das Grundstückselbst, sondern auch auf die wesentlichen und unwesentlichenBestandteile §§ 93, 94, 95 BGB, auf die Rechtsbestandteile§ 96 BGB und auf die Gegenstände, auf die sich beiGrundstücken die Hypothek erstreckt § 20 Abs. 2 ZVG; sogenannter Hypothekenhaftungsverband,namentlich auf Erzeugnisse des Grundstücks und aufGrundstückszubehör § 1120 BGB; etwa Maschinen bei einemgewerblich genutzten Grundstück, § 98 Nr. 1 BGB. Es werdendamit also auch vom Grundstück getrennte Erzeugnisse undBestandteile, soweit sie nicht in das Eigentum eines Dritten gelangtsind, dem Schuldner gehörendes Zubehör §§ 97, 98BGB, § 865 Abs. 2 ZPO und Versicherungsforderungen erfasst.

    Praxishinweis: Nichthierunter fallen Gegenstände, die aus dem Haftungsverband freigeworden sind §§ 1121, 1122 BGB. So wird etwa ein Traktorals Zubehör von der Haftung frei, wenn er vor der Beschlagnahmeveräußert und räumlich vom Grundstück entferntwird. Gleiches gilt, wenn die Maschine zum Verkauf ausgeschrieben wird,weil sie nicht mehr benötigt und benutzt wird § 1122 Abs. 2BGB.

    • Obwohl die dem Schuldner nicht gehörenden, zum Beispieldie unter Eigentumsvorbehalt gekauften und noch nicht voll bezahltenZubehörstücke, nicht von der Beschlagnahme erfasst sind,erstreckt sie sich gleichwohl auf diese Gegenstände § 55Abs. 2 ZVG. Ein Ersteher erwirbt somit hieran Eigentum § 90 Abs.2 ZVG. Der wahre Eigentümer der Zubehörstücke kann sichgegen die Mitversteigerung dieser Gegenstände dadurch wehren, dasser insoweit die Aufhebung bzw. einstweilige Einstellungherbeiführt § 55 Abs. 2, § 37 Nr. 5 ZVG. Dies kann zumeinen auf Bewilligung des betreibenden Gläubigers § 29 ZVGoder mit Hilfe einer Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPOGoebel, VE 5/02, 62; 6/02, 82 geschehen.

    Praxishinweis: Nichtunter die Beschlagnahme fallen Miet- und Pachtforderungen desEigentümers gegenüber Mietern bzw. Pächtern desGrundstücks oder Grundstücksteilen § 21 Abs. 2 ZVG.Will ein Gläubiger ihre Beschlagnahme erreichen, muss er dieZwangsverwaltung beantragen § 148 Abs. 1 S. 1 ZVG oder diePfändung der Mietbzw. Pachtforderung betreiben Goebel, VE 8/02,114. Diese Vollstreckungsmaßnahmen sind neben dem Antrag auf Zwangsversteigerung möglich § 866 Abs. 2 ZPO.

    Darüberhinaus bewirkt eine Beschlagnahme nicht, dass der Schuldner alsEigentümer das Recht zur Verfügung über bewegliche Sachenvöllig einbüßt. Er darf etwa die auf demBetriebsgelände hergestellten Fertigprodukte § 23 Abs. 1 S.2 ZVG im Rahmen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft verkaufen.Dasselbe gilt für die Verwaltung und Nutzung des Grundstücks§ 24 ZVG. Er kann also zum Beispiel Erzeugnisse, die zumBeschlagnahmezeitpunkt noch nicht geerntet waren und daherbeschlagnahmt sind und trotz Trennung beschlagnahmt bleiben,veräußern und dann auf den Erlös zugreifen.

    Quelle: Vollstreckung effektiv - Ausgabe 09/2002, Seite 121

    Quelle: Ausgabe 09 / 2002 | Seite 121 | ID 107575