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  • 06.10.2008 | Der praktische Fall

    Folgen nicht gerechtfertigter Steuerklassenwahl

    von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz

    In der Praxis versuchen (Insolvenz-)Schuldner des Öfteren (Insolvenz-)Gläubigern ein Schnippchen zu schlagen, indem sie ihr pfändbares Einkommen durch eine ungünstige Wahl der Steuerklasse praktisch auf Null reduzieren und letztlich dem nicht insolventen Ehegatten hierdurch einen Vorteil zukommen lassen. Der BGH hat dieser taktischen Maßnahme endgültig ein Ende gesetzt (3.7.08, IX ZB 65/07, Abruf-Nr. 082906).  

     

    Auf Antrag des Schuldners S. wurde über sein Vermögen im Jahr 2005 das (Regel-)Insolvenzverfahren eröffnet, in dem er Restschuldbefreiung begehrt. Gleichzeitig wurden dem S. die Kosten des Insolvenzverfahrens gestundet. Das Insolvenzgericht hat dem S. die Verfahrenskostenstundung nach § 4c Nr. 5 InsO entzogen, weil er seine Mitwirkungspflichten im Verfahren verletzt habe, indem er die Wahl der für die Insolvenzgläubiger G. und die Staatskasse ungünstigen Steuerklasse V nicht geändert habe und auch nicht bereit gewesen sei, den vom Insolvenzverwalter X. unter Zugrundelegung der Steuerklasse IV berechneten pfändbaren Betrag in Höhe von insgesamt 2.962,80 EUR an die Masse zu zahlen. Die gegen die Aufhebung gerichtete Beschwerde hatte im Ergebnis keinen Erfolg. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt S. sein Begehren weiter, den Widerruf der Verfahrenskostenstundung aufzuheben.  

     

    Der Schuldner ist im Hinblick auf die Subsidiarität der Stundung der Verfahrenskosten verpflichtet, seine Steuerklasse so zu wählen, dass sein pfändbares Einkommen nicht zum Nachteil der Gläubiger und der Staatskasse auf Null reduziert wird. Hat er – wie im o.g. Fall – ohne einen sachlichen Grund die Steuerklasse V gewählt, um seinem nicht insolventen Ehegatten die Vorteile der Steuerklasse III zukommen zu lassen, ist ihm in Hinblick auf die Verfahrenskostenstundung zuzumuten, in die Steuerklasse IV zu wechseln, um sein liquides Einkommen zu erhöhen (AG Kaiserslautern ZVI 02, 378; Ernst, ZVI 03, 107; Braun/Lang, InsO, 3. Aufl., § 290 Rn. 23; Graf-Schlicker/Kexel, InsO, § 4a Rn. 28; HK-InsO/Kirchhof, 4. Aufl., § 4a Rn. 17; Jaeger/Eckardt, InsO, § 4a Rn. 26; Kübler/Prütting/Wenzel, InsO, § 4a Rn. 33a; Mohrbutter/Ringstmeier/Pape, Handbuch der Insolvenzverwaltung, 8. Aufl., § 18 Rn. 14). Ob der Ehegatte bereit ist, dabei mitzuwirken, ist unbeachtlich, zumal dem Schuldner gegen diesen ein Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss zusteht (MünKo/Ganter, InsO, 2. Aufl,. § 4a Rn. 13).  

     

    Entsprechend den Grundsätzen der Individualzwangsvollstreckung, nach denen analog § 850h Abs. 2 ZPO eine missbräuchliche Steuerklassenwahl den Gläubigern gegenüber unbeachtlich ist (BGH VE 06, 38; BAG ZInsO 08, 758; Musielak/Becker, ZPO, 6. Aufl., § 850e Rn. 3), muss sich auch der Schuldner bei der Verfahrenskostenstundung so behandeln lassen, als hätte er keine die Staatskasse benachteiligende Steuerklassenwahl getroffen. Die Aufforderung des Insolvenzverwalters an den Schuldner, in die Masse einen Betrag von 2.962,80 EUR, der die Verfahrenskosten gedeckt hätte, einzuzahlen, der der Schuldner nicht nachgekommen ist, war deshalb gerechtfertigt.