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  • 30.04.2010 | Checkliste

    ABC der Immobiliarvollstreckung

    von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz

    Die in VE 07, 85, begonnene Checkliste beenden wir mit den Stichworten „Versteigerungsvermerk“ bis „Zuschlagsversagung“.  

     

    Checkliste: ABC der Immobiliarvollstreckung

    Begriff  

    Bedeutung  

    Bemerkung  

    Verkehrswert-  

    ermittlung  

    Unter dem Begriff Verkehrswert wird der Wert des Grundstücks und der beweglichen Gegenstände, auf die sich die Versteigerung erstreckt, verstanden, der bei einem freihändigen Verkauf im Zeitpunkt der Feststellung zu erzielen ist. Hierunter fällt auch eine der Versteigerung unterliegende Versicherungssumme. Gegenstand der Wertermittlung kann auch ein Grundstücksteil einschließlich seiner Bestandteile, wie Gebäude, Außenanlagen und sonstige Anlagen, sowie des Zubehörs sein. Die Wertermittlung kann sich auch auf einzelne Gegenstände beziehen.  

     

    Nach § 74a Abs. 5 S. 1 ZVG wird der Wert des Grundstücks durch das Vollstreckungsgericht, notfalls nach Anhörung von - amtlich zugelassenen und vereidigten, in Listen eingetragenen - Sachverständigen ermittelt.  

    Der Feststellung des Verkehrswerts kommt in der Praxis eine erhebliche Bedeutung zu, insbesondere bei:  

    • einer Zuschlagsversagung wegen Nichterreichens der 7/10-Grenze nach § 74a ZVG;
    • einer Zuschlagsversagung wegen Nichterreichens der 5/10-Grenze nach § 85a Abs. 1 ZVG;
    • einer Entscheidung über einen Einstellungsantrag des Schuldners, wenn der betreibende Gläubiger durch den Wert innerhalb 7/10 grundpfandrechtlich gesichert ist (§ 30a Abs. 3 ZVG);
    • Verteilung eines im geringsten Gebot stehenden Gesamtrechts (§ 64 ZVG);
    • Verteilung des Erlöses bei einem Gesamtausgebot (§ 112 Abs. 2 ZVG);
    • einer fiktiven Befriedigung des Erstehers nach § 114a ZVG;
    • Berechnung der Gerichts- und Rechtsanwaltskosten (Nr. 3311, 3312 VV RVG);
    • Entscheidung über einen Schutzantrag nach § 765a ZPO bzgl. der Prüfung, ob eine Grundstücksverschleuderung vorliegt.

    Versteigerungsvermerk  

    Nach Verfahrensanordnung hat das Vollstreckungsgericht von Amts wegen unverzüglich das Grundbuchamt um Eintragung der Anordnung in das Grundbuch zu ersuchen (§ 19 Abs. 1 ZVG). Es bleibt bei dieser einmaligen Eintragung, welche die Zwangsversteigerung für alle nach außen hin kenntlich macht, auch wenn später weitere Gläubiger dem Verfahren beitreten.  

    Bei einem Beitritt wird im Grundbuch kein neuer Versteigerungsvermerk eingetragen. Der ursprüngliche bleibt bestehen, auch wenn das Verfahren des Anordnungsgläubigers aufgehoben wird und nur noch das des Beitrittsgläubigers betrieben wird.  

     

    Verteilungstermin  

    Nach der Erteilung des Zuschlags bestimmt das Gericht von Amts wegen den sog. Termin zur Verteilung des Versteigerungserlöses (§ 105 Abs. 1 ZVG). Dieser beinhaltet u.a. die Feststellung der Teilungsmasse, die Feststellung der bestehen bleibenden Rechte, die Feststellung der Schuldenmasse sowie die Zuteilung auf die einzelnen Ansprüche der jeweiligen Berechtigten.  

    Im Gegensatz zum Versteigerungstermin ist der Verteilungstermin nicht öffentlich. Zur Teilnahme sind nur die Beteiligten nach § 9 ZVG und der Ersteher bzw. Meistbietende berechtigt. Nach Anhörung der anwesenden Beteiligten wird sodann der Teilungsplan aufgestellt (§ 113 Abs. 1 ZVG), es wird hierüber verhandelt und eventuelle Widersprüche werden entgegengenommen und hierüber wird erneut verhandelt (§ 115 Abs. 1 ZVG). Es erfolgt die Zahlung des Erstehers (§ 107 Abs. 2 ZVG) und der Teilungsplan wird sodann ausgeführt. Den erschienenen Beteiligten werden hierbei die ihnen zugeteilten Beträge gegen Quittung ausgezahlt. Im Falle einer Hinterlegung des Erlöses kann statt der Zahlung eine Anweisung auf den hinterlegten Betrag erteilt werden (§ 117 Abs. 3 ZVG).  

    Wertermittlungsstichtag  

    Der Wertermittlungsstichtag ist der Tag, auf den sich das Verkehrswertgutachten durch den vom Gericht bestellten Gutachter bezieht. Nach § 3 WertV sind zur Ermittlung des Verkehrswerts eines Grundstücks die allgemeinen Wertverhältnisse auf dem Grundstücksmarkt in dem Zeitpunkt zugrunde zu legen, auf den sich die Wertermittlung bezieht (Wertermittlungsstichtag). Dies gilt auch für den Zustand des Grundstücks, es sei denn, dass aus rechtlichen oder sonstigen Gründen ein anderer Zustand des Grundstücks maßgebend ist.  

    In der Zeit vom Wertermittlungsstichtag des Gutachtens bis zum Versteigerungstermin kann eine längere Zeitspanne liegen. Somit entsprechen manche Bewertungen und Einschätzungen nicht mehr den aktuellen Begebenheiten. Dies betrifft z.B. den Zustand oder die Mieteinnahmen des Objekts. Oft wird ein Objekt erst nach dem Wertermittlungsstichtag vermietet, sodass ein sofortiger Einzug nach dem Zuschlag nicht ohne weiteres möglich ist.  

    Wertfestsetzung  

    Das Gericht hat den Verkehrswert durch Beschluss festzusetzen. Zuvor muss den Beteiligten nach § 9 ZVG rechtliches Gehör gewährt werden. Der Beschluss ist nach Fristablauf zur Erhebung von etwaigen Einsprüchen den Beteiligten von Amts wegen zuzustellen (§ 329 ZPO). Er kann in einem für das Gericht bestimmtem elektronischen Informations- und Kommunikationssystem öffentlich bekannt gemacht werden (§ 38 Abs. 2 ZVG).  

    Die Wertfestsetzung erfolgt für das Verfahren insgesamt, nicht bzgl. jedes einzelnen Gläubigers gesondert. Der festzusetzende Wert ist im Versteigerungstermin bekannt zu machen (§ 66 ZVG). Ein Verstoß führt zu einem - heilbaren - Verfahrensmangel der Zuschlagsversagung (§§ 83 Nr. 1, 84 ZVG).  

    Wertgrenzen  

    Beim ersten Versteigerungstermin gelten die Wertgrenzen grundsätzlich. Hierbei wird unterschieden zwischen Geboten unter 70 Prozent bzw. 50 Prozent des Verkehrswertes. Ein Zuschlagfähiges Gebot darf beim ersten Versteigerungstermin nicht unter 50 Prozent des Verkehrswertes liegen, da diesem Gebot nach § 85a ZVG der Zuschlag von Amts wegen versagt werden muss. Wird beim ersten Termin ein Gebot unter 70 Prozent des Verkehrswertes abgegeben, steht es dem Gläubiger frei, dieses Gebot anzunehmen oder abzulehnen.  

    Wird der Zuschlag versagt, entfallen bei einem zweiten Versteigerungstermin (Wiederholungstermin) sämtliche Wertgrenzen, sodass das Objekt auch unter 50 Prozent erworben werden kann.  

    In der Praxis ist es oft so, dass man bewusst Gebote unter 50 Prozent im ersten Termin abgibt, da dann im zweiten Termin die Chance auf einen Zuschlag wesentlich höher liegt.  

    Wiederholungstermin  

    Wurde in einem früheren Versteigerungstermin wegen nicht Erreichens der 7/10 bzw. der 5/10 Grenze der Zuschlag versagt, kommt es zu einem Wiederholungstermin.  

    Die Wertgrenzen im Wiederholungstermin sind nicht mehr gegeben und ein Zuschlag kann bei einem Gebot unter 50 Prozent des Verkehrswertes liegen. Diesem Gebot muss allerdings der Gläubiger zustimmen, andernfalls er die einstweilige Verfahrenseinstellung bewilligt. Damit muss der Zuschlag versagt werden (§ 33 ZVG).  

    Wohnrecht  

    Ein Grundstück kann in der Weise belastet werden, dass derjenige, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, berechtigt ist, unter Ausschluss des Eigentümers eine bestimmte Wohnung in einem auf dem Grundstück errichteten oder zu errichtenden Gebäude zu bewohnen oder in anderer Weise zu nutzen (Dauerwohnrecht). Das Dauerwohnrecht kann auf einen außerhalb des Gebäudes liegenden Teil des Grundstücks erstreckt werden, sofern die Wohnung wirtschaftlich die Hauptsache bleibt (vgl. Mock, VE 03, 55).  

    Als Inhalt des Dauerwohnrechts kann vereinbart werden, dass das Dauerwohnrecht im Falle der Zwangsversteigerung des Grundstücks auch dann bestehen bleiben soll, wenn der Gläubiger einer dem Dauerwohnrecht im Range vorgehenden oder gleichstehenden Hypothek, Grundschuld, Rentenschuld oder Reallast die Zwangsversteigerung in das Grundstück betreibt (§ 40 Abs. 2 WEG).  

    Wohnungseigentum  

    Wohnungseigentum ist das Sondereigentum an einer Wohnung in Verbindung mit dem Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum, zu dem es gehört.  

    Zur Verbesserung des Rangs der Hausgeldforderungen in der Zwangsversteigerung seit 1.7.07 (VE 09, 81, 104; 08, 26, 78).  

     

    Zubehör  

    Die Beschlagnahmewirkung, die durch die Anordnung der Zwangsversteigerung eintritt, umfasst u.a. auch die Erzeugnisse des Grundstücks sowie das Grundstückszubehör. Nicht dem Schuldner gehörende Zubehörstücke werden von der Zwangsversteigerung erfasst, ein Ersteher erwirbt hieran Eigentum.  

    Der wahre Eigentümer muss sich gegen die Mitversteigerung seiner Zubehörstücke zur Wehr setzen (§§ 55, 37 Nr. 5 ZVG).  

    Zulassung von  

    Geboten  

    Nur ein wirksames Gebot darf vom Vollstreckungsgericht zugelassen werden. Wirksam ist es, wenn es im Versteigerungstermin zu den Versteigerungsbedingungen abgegeben ist und wenn es als erstes mindestens die Höhe des geringsten Gebots hat, oder, wenn es ein schon wirksames Gebot überschreitet (Übergebot § 72 Abs. 1 ZVG) und ihm für den Fall, dass es das letzte bleibt, kein Versagungsgrund besteht, der Zuschlag also erteilt werden kann (§ 71 ZVG). Diese Voraussetzungen sind unmittelbar nach Abgabe des Gebotes durch das Vollstreckungsgericht zu prüfen.  

    Liegen die Voraussetzungen zur Wirksamkeit nicht vor, z.B. wegen fehlender nachgewiesener Vertretungsmacht, Abgabe unter einer Bedingung oder Befristung, fehlender familiengerichtlicher Genehmigung, so hat eine sofortige ausdrückliche Zurückweisung zu erfolgen (§ 71 Abs. 1 ZVG). Auch dann, wenn dies versehentlich nicht geschieht, wird ein einmal unwirksames Gebot nicht wirksam. Die Unwirksamkeit wird dann vielmehr durch Versagung des Zuschlags dokumentiert.  

    Zuschlag  

    Nach § 81 Abs. 1 ZVG ist der Zuschlag grundsätzlich dem Meistbietenden zu erteilen, d.h. demjenigen, der das höchste wirksame Gebot abgegeben hat. Dieser hat nach dem BGH (Rpfleger 90, 471) einen öffentlich-rechtlichen Anspruch hierauf, wenn kein Versagungsgrund vorliegt. Hierdurch wird er zum Ersteher des Grundstücks. Er erwirbt Eigentum an dem Versteigerungsobjekt einschließlich der mitversteigerten Gegenstände (§ 90 ZVG).  

    Die Zuschlagsentscheidung erfolgt entweder im Versteigerungstermin oder in einem bestimmten Verkündungstermin (§ 87 ZVG). Bei der Entscheidung ist das Gericht nicht an Vorentscheidungen gebunden (§ 79 ZVG).  

     

    Zuschlagsversagung  

    Der Zuschlag kann wegen unterschiedlicher Gründe in einem Zwangsversteigerungsverfahren versagt werden.  

    Zuschlagsversagungsgründe:  

     

    • Gebot unterhalb 50 Prozent: Zuschlagsversagung vAw (§ 85a Abs. 1 ZVG),
    • Gebot unterhalb 70 Prozent: Zuschlagsversagung auf Antrag bestimmter Gläubiger (§ 74a Abs. 1 ZVG),
    • Gebot über 70 Prozent: Zuschlagsversagung Antrag bestimmter Gläubiger gegen Schadensersatz mit Sicherheitsleistung (§ 85 ZVG),
    • Gefahr Grundstückverschleuderung: Antrag Schuldner (§ 765a ZPO),
    • bei jedem Gebot, wenn bestrangig betreibender Gläubiger einstweilige Einstellung bewilligt (§ 33 ZVG) und
    • bei jedem Gebot, wenn unheilbare Zuschlagsversagungsgründe vorliegen (z.B. Verfahrensfehler; § 83 ZVG).
     

     

    Quelle: Ausgabe 05 / 2010 | Seite 85 | ID 135390