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  • 01.03.2007 | Basiswissen kompakt

    Vollstreckungsvereitelung: Das müssen Sie wissen

    von Rechtsfachwirt Martin Winarzki, Siegburg

    In VE 06, 86, haben wir den Straftatbestand der Vereitelung der Zwangsvollstreckung (§ 288 StGB) dargestellt. Die Checkliste schließt hieran an:  

     

    Checkliste: Das müssen Sie zur Vollstreckungsvereitelung wissen

    1. § 288 StGB: Abgrenzung zu den Insolvenzstraftaten 

    Der Anwendungsbereich des § 288 StGB und der in den §§ 283 ff. StGB geregelten Insolvenzstraftaten ist fließend und teilweise überlappend: So kann in einigen Fällen Idealkonkurrenz zwischen den Normen bestehen, wenn z.B. der in der Krise befindliche Schuldner Vermögensgegenstände vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens (jedoch nach oder kurz vor einer Zahlungseinstellung) oder nach Abweisung des Insolvenzverfahrens mangels Masse veräußert oder beiseite schafft. Auch wenn § 288 StGB insoweit theoretisch Vorrang genießt, stellt sich dies in der Praxis vielfach genau umgekehrt dar, da vollstreckungsvereitelnde Maßnahmen des Schuldners häufig erst bei finanzieller Schieflage ergriffen werden und somit meist die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach sich ziehen. Die Praxis lehrt: Es werden in der Regel – obschon die Tatbestände sowohl der §§ 283 ff. wie auch des § 288 StGB erfüllt sind – nur die Insolvenzstraftaten weiterverfolgt.  

     

    Praxishinweis: Dies schließt jedoch die Herleitung von Ansprüchen durch Einzelgläubiger nach § 288 StGB nicht aus. Voraussetzung der Geltendmachung eventueller Ersatzansprüche des Gläubigers auch während des laufenden Insolvenzverfahrens ist, dass diese aus einem Individualschaden resultieren und nicht etwa aus einem gemäß § 92 InsO durch den Insolvenzverwalter weiterzuverfolgenden Gesamtschaden.  

     

    2. Vorgehensweise, wenn die Voraussetzungen des § 288 Abs. 1 StGB erfüllt sind  

    2.1 Strafanzeige  

    Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt (§ 288 Abs. 2 StGB). Dabei ist im Hinblick auf den Straftatbestand der falschen Verdächtigung (§ 164 StGB) unbedingt darauf zu achten, dass man keine Spekulationen äußert, sondern sich strikt an die Tatsachen halten und nur die für eine Vermögensverschiebung sprechenden Indizien und Tatumstände aufzeigen sollte. Das Strafmaß beträgt gemäß § 288 Abs. 1 StGB bis zu zwei Jahre. Der Tatgehilfe macht sich nach § 27i.V.m. § 288 StGB der Beihilfe schuldig und sieht sich somit gleichfalls mit strafrechtlichen Sanktionen konfrontiert.  

     

    2.2 Anfechtbarkeit der Rechtshandlung  

    Eine Verfügung des Schuldners kann nach Maßgabe der näheren Bestimmungen des AnfG anfechtbar sein (Goebel, VE 01, 23, 37), wenn sie vor der Anfechtung innerhalb der letzten  

     

    • zehn Jahre durch den Schuldner mit dem Vorsatz der Gläubigerbenachteiligung vorgenommen wurde und der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte (§ 3 Abs. 1 AnfG). Diese Kenntnis wird vermutet, wenn dem anderen die drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners sowie die aus der Handlung resultierende Gläubigerbenachteiligung bekannt war;
    • vier Jahre unentgeltlich erfolgte (§ 4 Abs. 1 AnfG) und es sich dabei nicht lediglich um ein gebräuchliches Gelegenheitsgeschenk geringen Werts handelt (§ 4 Abs. 2 AnfG);

     

    • zwei Jahre entgeltlich mit einer i.S.d. § 138 InsO nahestehenden Person getroffen wurde und durch diese Handlung die Gläubiger unmittelbar benachteiligt werden. Eine Anfechtung ist jedoch ausgeschlossen, wenn der Vertragspartner zur Zeit des Vertragsschlusses den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners nicht kannte (§ 3 Abs. 2 AnfG).

     

    Praxishinweis: Die Fristen sind von dem Zeitpunkt aus zurückzurechnen, in dem der Anfechtungsanspruch gerichtlich geltend gemacht wird (§ 7 Abs. 1 AnfG). Hat der Gläubiger jedoch bereits vor Fälligkeit seiner Forderung oder Erwirkung eines Vollstreckungstitels dem Schuldner schriftlich mitgeteilt, dass er die Rechtshandlung anzufechten beabsichtigt, werden die Anfechtungsfristen vom Zeitpunkt des Zugangs der Mitteilung beim Schuldner zurückgerechnet. Dies gilt allerdings nur, wenn der Schuldner bereits zu diesem Zeitpunkt unfähig war, den Gläubiger zu befriedigen, und dieser vor Ablauf von zwei Jahren ab Zugang der Mitteilung die Anfechtbarkeit gerichtlich geltend macht (§ 7 Abs. 2 AnfG). Bei Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Schuldnervermögen geht jedoch das Anfechtungsrecht gemäß § 16 Abs. 1 AnfG auf den Insolvenzverwalter über. Ein zu diesem Zeitpunkt über den Anfechtungsanspruch anhängiges Gerichtsverfahren wird nach § 17 Abs. 1 AnfG unterbrochen und kann nur durch den Verwalter aufgenommen werden. Gerade bei Scheingeschäften des Schuldners mit Dritten kann aber eine Anfechtung des Rechtsgeschäfts von Vorteil sein, da die Voraussetzungen einer Anfechtbarkeit i.d.R. leichter zu beweisen sind als die Scheinnatur des Rechtsgeschäfts.  

     

    2.3 Nichtigkeit der Rechtshandlung  

    Da es sich bei § 288 StGB um ein Verbotsgesetz handelt, kommt eine Nichtigkeit des gegen diese Norm verstoßenden Rechtsgeschäfts wegen Verbotsverstoßes gemäß § 134 BGB in Betracht. Mit Blick auf die Möglichkeiten des AnfG als lex specialis ist jedoch eine Anwendbarkeit von § 134 BGB regelmäßig auszuschließen (BGH NJW 93, 2041). Gleiches gilt für eine mögliche Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB.  

     

    Praxishinweis: Der Umstand allein, dass der andere Teil die Vereitelungsabsicht des Schuldners kannte oder kennen musste, begründet noch keine Sittenwidrigkeit, da dies zum Normaltatbestand jeder Absichtsanfechtung gehört. Die Nichtigkeit wird daher auf die Fälle beschränkt sein, in denen der Schuldner planmäßig mit eingeweihten Helfern zusammenarbeitet, um sein wesentliches pfändbares Vermögen vor dem Gläubigerzugriff zu retten (BGH BGHZ 130, 314). Dies ist jedoch vom Gläubiger substanziiert vorzutragen. Auch wenn besondere über den Tatbestand des AnfG hinausgehende Umstände vorliegen (z.B. außergewöhnliche Größe der den Gläubigern durch die Handlung des Schuldners drohenden Gefahr oder besonders gewissenlose Einstellung des Schuldners hierzu), kann ein auf Gläubigerbenachteiligung abzielendes Rechtsgeschäft nichtig sein (BGH NJW 95, 1668). Ein geradezu klassischer Fall ist das kollusive Zusammenwirken zwischen Kreditschuldner/Sicherungsgeber und dem Kreditgeber/Sicherungsnehmer zum Schaden dritter Gläubiger:  

     

    Tipp: Die Geltendmachung der Nichtigkeit eines gläubigerbenachteiligenden Rechtsgeschäfts neben möglichen Anfechtungs- und Schadenersatzansprüchen kann interessant sein, wenn über das Vermögen des begünstigten Dritten ein Insolvenzverfahren droht oder bereits eröffnet wurde. Die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts begründet dann nämlich einen Aussonderungsanspruch (§ 47 InsO) zugunsten des Schuldners, auf den der Gläubiger im Wege der Zwangsvollstreckung zugreifen kann.  

     

    2.4 Schadenersatz  

    Da § 288 StGB ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB ist, kann der Gläubiger bei einem Verstoß zudem Schadenersatz aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung (BGH NJW-RR 91, 467) oder vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB beanspruchen.  

     

    Die Schadenersatzverpflichtung trifft nicht nur den Täter, sondern auch den Tatgehilfen. Es bietet sich hier also für den Gläubiger nicht nur die Möglichkeit, seinen Anspruch auf eine insolvenzfeste Grundlage (§ 302 InsO) zu stellen. Auch eine Erweiterung des für die Forderung haftenden Personenkreises ist möglich.  

     

    Quelle: Ausgabe 03 / 2007 | Seite 51 | ID 91376