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  • · Fachbeitrag · Unterhaltsvollstreckung

    Bevorrechtigte Unterhaltsvollstreckung des Landes nach UVG jetzt durch VB doch möglich

    | Der BGH hat vor gut 2 Jahren entschieden: Die Vollstreckungsprivilegierung nach § 850d Abs. 1 S. 1 ZPO kann nicht durch Vollstreckungsbescheid nachgewiesen werden. Um den Nachweis der Vollstreckungsprivilegierung eines Unterhaltsanspruchs zu erbringen, sollte der Gläubiger vielmehr einen Titel vorlegen, aus dem sich ‒ gegebenenfalls im Wege der Auslegung ‒ ergibt, dass der Vollstreckung ein Unterhaltsanspruch der in § 850d Abs. 1 S. 1 ZPO genannten Art zugrunde liegt. Was viele nicht wissen: Diese Rechtsprechung ist durch eine Gesetzesänderung in § 7 UVG seit dem 18.8.17 obsolet geworden. |

    1. Bevorrechtigte Ansprüche nach § 7 UVG

    Bevorrechtigt sind Unterhaltsansprüche, die bestimmten Angehörigen kraft Gesetzes zustehen. Dazu gehört auch der Kindesunterhalt. Der Unterhaltsanspruch behält seinen Vorrang auch bei einem Übergang auf die Unterhaltsvorschusskasse gemäß § 7 Abs. 1 UVG.

     

    MERKE | Das „Gesetz zur Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ab dem Jahr 2020 und zur Änderung haushaltsrechtlicher Vorschriften“ (BGBl. I 17, 3122) hat § 7 Abs. 5 UVG neu eingefügt. Danach muss das Land, das die Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid betreibt, zum Nachweis des nach § 7 Abs. 1 UVG übergegangenen Unterhaltsanspruchs den Bescheid dem Vollstreckungsantrag gemäß § 9 Abs. 2 UVG beifügen. Diese Gesetzesänderung ist ausweislich der Gesetzesmaterialien als Reaktion auf die Rechtsprechung des BGH (VE 16, 116, Abruf-Nr. 185837) zu verstehen (BT-Drucksache 18/12589, S. 157).

     

    Damit hat der Gesetzgeber also deutlich gemacht, dass er ‒ abweichend von der grundsätzlichen Verteilung der Aufgaben zwischen Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren (vgl. BGH NJW 13, 239) ‒ dem Gläubiger im Vollstreckungsverfahren die Möglichkeit geben will, die Vollstreckungsprivilegierungen eines Unterhaltsanspruchs nach § 850 d Abs. 1 S. 1 ZPO zu behaupten und nachzuweisen. Insofern nähert der Gesetzgeber die Zwangsvollstreckung dieser übergegangenen Ansprüche der Vollstreckung öffentlich-rechtlicher Titel an, bei denen sich das Vollstreckungsorgan auf Angaben der an Recht und Gesetz gebundenen Verwaltung verlässt (LG Dresden 8.12.17, 2 T 981/17).

     

    2. Handlungsempfehlungen

    Festzuhalten bleibt: Bundesländer als Unterhaltsgläubiger dürfen nach § 7 UVG trotz ihrer in einem Vollstreckungsbescheid titulierten Ansprüche gemäß § 850d Abs. 1 ZPO bevorrechtigt in das Arbeitseinkommen des Schuldners vollstrecken. Hierzu muss dem Vollstreckungsgericht nur der Vollstreckungs- sowie der Bewilligungsbescheid nach § 9 Abs. 2 UVG vorgelegt werden. Wichtig ist dabei, dass die Nachweisfunktion auch Vollstreckungsbescheide erfasst, die vor dem 18.8.17 erlassen wurden. Sie gilt für alle Forderungsarten, auf die § 850d ZPO unmittelbar oder mittelbar anwendbar ist (LG Dessau-Roßlau 14.2.18, 1 T 12/18).

     

    Wichtig | Das alles gilt nicht, wenn der Unterhaltsgläubiger selbst vollstreckt, wie schon aus dem eindeutigen Wortlaut des § 7 Abs. 1 UVG folgt. Insoweit hat sich die Rechtsprechung des BGH in diesem Fall keineswegs überholt.

     

    Im Einzelnen kann es für das jeweilige Bundesland als Unterhaltsgläubiger zu folgenden Situationen kommen:

     

    a) Vollstreckungsgericht erlässt Zwischenverfügung

    Gibt das Gericht dem Gläubiger einen Hinweis, dass mittels Vollstreckungsbescheid der Unterhaltsanspruch nicht nachgewiesen werden kann, sollte der Gläubiger auf eine rasche rechtsmittelfähige Entscheidung über die Herabsetzung des Pfändungsfreibetrags nach § 850d ZPO drängen und im Übrigen um Erlass des beantragten PfÜB gemäß § 850c ZPO bitten. Grund: Hierdurch sichert sich der Gläubiger zumindest gegenüber potenziellen anderen Gläubigern rangwahrend (vgl. § 804 Abs. 3 ZPO) sein Pfandrecht hinsichtlich der Beträge nach der Lohnpfändungstabelle, die auch für andere Gläubiger pfändbar sind.

     

    b) Vollstreckungsgericht erlässt PfÜB nach § 850c ZPO ‒ Beschwerdefrist ist noch nicht abgelaufen

    Erlässt das Vollstreckungsgericht den PfÜB nach § 850c ZPO (sog. Blankettbeschluss), lehnt also eine bevorrechtigte Pfändung nach § 850d ZPO ab, sollte der Gläubiger hiergegen innerhalb der Notfrist von 2 Wochen sofortige Beschwerde einlegen (§ 793 ZPO) und zur Begründung auf die eingetretene Gesetzesänderung hinweisen.

     

    Wichtig | Das Gericht muss über das zulässige Rechtsmittel ausdrücklich belehren (§ 232 ZPO). Die Praxis zeigt, dass dies nicht immer erfolgt. Versäumt der Gläubiger also die 2-Wochen-Notfrist, weil das Gericht die vorgeschriebene Belehrung nicht oder falsch erteilt hat, muss er sein fehlendes Verschulden nicht glaubhaft machen (vgl. § 232 S. 2 ZPO). Die Vermutung ist unwiderleglich, gilt aber nur, wenn der ursächliche Zusammenhang zwischen Belehrungsmangel und Fristversäumnis glaubhaft gemacht ist (BGHZ 180, 199). Eine Wiedereinsetzung ist daher ausgeschlossen, wenn der Gläubiger wegen vorhandener Kenntnis über seinen Rechtsbehelf keiner Unterstützung durch eine Rechtsbehelfsbelehrung bedarf, z. B. bei anwaltlicher Vertretung (BT-Drucksache 17/10490, 14) oder bei Behörden (BGH NJW 13, 1308).

     

    c) Vollstreckungsgericht erlässt PfÜB nach § 850c ZPO ‒ Beschwerdefrist ist bereits abgelaufen

    Erlässt das Vollstreckungsgericht den PfÜB nach § 850c ZPO und der Gläubiger versäumt trotz ordnungsgemäßer Belehrung durch das Vollstreckungsgericht, sofortige Beschwerde einzulegen, ist der Beschluss rechtskräftig. Allerdings kann der Gläubiger auf seine Rechte aus dem PfÜB zu verzichten (§ 843 ZPO; vgl. Mock, VE 18, 77) und einen erneuten PfÜB-Antrag gemäß § 850d zu stellen und hierbei auf die eingetretene Gesetzesänderung hinweisen.

     

    PRAXISTIPP | Die Gefahr bei einem solchen Vorgehen besteht allerdings darin, dass der Unterhaltsgläubiger durch den Verzicht u. U. seine erste Rangposition verliert, und so ggf. nachrangige Gläubiger aufrücken. Der neu erlassene PfÜB nach § 850d ZPO sichert dem Unterhaltsgläubiger zwar dann pfändbare Beträge, auf die ein nach § 850c ZPO pfändender Gläubiger nicht zugreifen kann. Allerdings können diese mitunter geringer sein, als die Beträge, die ihm nach § 850c ZPO zugestanden haben.

     
    • Beispiel

    S. verdient monatlich 2.500 EUR netto und ist ledig. G. 1 pfändet wegen übergegangener gesetzlicher Unterhaltsansprüche gemäß § 7 UVG in die Lohnansprüche des Schuldners beim D. Der PfÜB wird dem D. am 9.2.18 zugestellt. G. 2 pfändet wegen eines Darlehensanspruch ebenfalls in den Lohn. Das Gericht erlässt für G. 1 einen Beschluss nach § 850c ZPO und lehnt die bevorrechtige Pfändung gemäß § 850d ZPO ab.

     

    Lösung

    D. muss die zuerst zugestellte Pfändung von G. 1 nach § 850c Abs. 3 ZPO beachten.

     

    G. 1 erhält folgende Beträge:

    pfändbarer Betrag gem. Lohnpfändungstabelle Spalte 0 bei monatlich 2.500 EUR

    998,28 EUR

    unpfändbarer Betrag (2.500 EUR ./. 998,28 EUR)

    1.501,72 EUR

    G. 2 erhält erst nach Befriedigung des G. 1 pfändbare Beträge

     
    • Abwandlung

    In Abwandlung zu Beispiel 1 verzichtet G. 1 nach fruchtlosem Ablauf der Rechtsmittelfrist auf sein Pfandrecht und beantragt unter Hinweis auf die Gesetzesänderung in § 7 UVG erneut die Pfändung gemäß § 850d ZPO. Das Gericht erlässt den PfÜB und setzt den Freibetrag gemäß § 850d ZPO auf 850 EUR fest.

     

    Lösung

    Infolge des Verzichts muss D. nun den ursprünglichen G. 2 zuerst bedienen. Dieser rückt aufgrund des Verzichts auf und steht somit vor dem G. 2 (ehemals G. 1).

     

    G. 1 (aufgerückter Gläubiger) erhält folgende Beträge:

    pfändbarer Betrag gem. Lohnpfändungstabelle Spalte 0 bei monatlich 2.500 EUR

    998,28 EUR

    unpfändbarer Betrag (2.500 EUR ./. 998,28 EUR)

    1.501,72 EUR

    G. 2 (Unterhaltsgläubiger) erhält als nachrangiger Gläubiger die Differenz zwischen dem unpfändbaren Betrag nach § 850c Abs. 3 ZPO

    1.501,72 EUR

    und dem notwendigen Selbstbehalt gemäß § 850d Abs. 1 ZPO

    - 850,00 EUR

    pfändbar somit

    651,72 EUR

     

    Folge:

    G. 2 erhält somit als bevorrechtigter Gläubiger weniger. Denn hätte er auf sein Pfandrecht als ehemaliger vorrangiger Gläubiger nicht verzichtet, stünden ihm anstatt 651,72 EUR insgesamt 998,28 EUR zu.

     
    Quelle: Ausgabe 06 / 2018 | Seite 96 | ID 45272419