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  • · Fachbeitrag · Neue Pfändungsmöglichkeit

    Dezember-Soforthilfe: Unpfändbar ‒ aber nicht immer

    | Das Gesetz über eine Soforthilfe für Letztverbraucher von leitungsgebundenem Erdgas und Kunden von Wärme ist am 19.11.22 in Kraft getreten (Erdgas-Wärme-Soforthilfegesetz ‒ EWSG; BGBl. I S. 2051). Haushaltskunden sowie bestimmte Unternehmen sollen dadurch im Monat Dezember 2022 durch eine sog. Soforthilfe einmalig entlastet werden, um dadurch zugleich eine finanzielle Überbrückung bis zur regulären Einführung der Gaspreisbremse zu ermöglichen. Die zu erwartenden Zahlungen rücken damit auch in den Fokus von Gläubigern. Der folgende Beitrag klärt auf. |

    von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz

    1. Eckpunkte der Soforthilfezahlungen

    Die Soforthilfezahlungen können nach § 3 EWSG als vorläufige Leistung des Erdgaslieferanten bei sog. SLP-Kunden (Standard-Last-Profil) und bei sog. RLM-Kunden (Registrierende Leistungsmessung) als endgültige Leistung (sog. Kompensation; § 4 Abs. 1 S. 1 EWSG) erfolgen.

     

    a) Entfallen der Voraus- bzw. Abschlagszahlung bei Gaskunden

    Für SLP-Kunden von leitungsgebundenem Erdgas kann die Leistung wie folgt erfolgen:

     

    aa) Vertragliche Vorauszahlung/Abschlagszahlung für Dezember 2022

    Nach § 3 Abs. 2 S. 1 EWSG kann der Erdgaslieferant die für Dezember 2022 erfolgte vereinbarte Voraus- oder Abschlagszahlung unverzüglich bis spätestens zum 31.12.22 an den Kunden (Schuldner) zurücküberweisen.

     

    Beachten Sie | Für den Fall, dass die Zahlungen durch den Schuldner jedoch weiterhin ‒ freiwillig ‒ erfolgen, ist der Erdgaslieferant nicht zur unverzüglichen Rückerstattung verpflichtet. Die Zahlungen sind vielmehr bei der nächsten Abrechnung zu berücksichtigen und zu verrechnen (§ 3 Abs. 2 S. 2 EWSG).

     

    Die Gutschrift darf jedoch nicht in Form von Gutscheinen erfolgen (BT-Drucksache 20/3438, 18). Ebenso darf nicht mit mit Gegenansprüchen des Erdgaslieferanten aufgerechnet werden (§ 2 Abs. 4 EWSG).

     

    bb) Keine vertragliche Vorauszahlung/Abschlagszahlung für Dezember 2022

    Ist für Dezember 2022 keine vertragliche Vorauszahlung/Abschlagzahlung vereinbart, besteht für den Erdgaslieferanten u.a. die Möglichkeit, eine für Januar 2023 vereinbarte Abschlags- bzw. Vorauszahlung als Soforthilfe bis zum 31.1.23 an den Schuldner gesondert auszuzahlen.

     

    b) Kompensationspflicht bei Wärmekunden

    Wärmeversorgungsunternehmen sind zu einer finanziellen Kompensation ihrer Kunden für deren im Dezember 2022 zu leistenden Zahlung verpflichtet. Die Leistung an den Kunden (Schuldner) kann auch hier u. a. durch Rückzahlung erfolgen (§ 4 Abs. 1 S. 2 EWSG).

     

    Beachten Sie | Die Gutschrift muss ebenfalls bis zum 31.12.22 erfolgen (§ 4 Abs. 1 EWSG) und darf nicht in Form von Gutscheinen erfolgen (BT-Drucksache 20/3438, 22). Ebenso darf auch keine Aufrechnung mit offenen Forderungen ‒ nicht Gegenansprüchen, wie bei Erdgaslieferanten ‒ des Wärmeversorgungsunternehmens erfolgen.

     

    Anders als bei leitungsgebundenem Erdgas erfolgt die Entlastung für den Dezember 2022 durch eine pauschale Zahlung, die sich an der Höhe des im September gezahlten Abschlags bemisst (§ 4 Abs. 3 EWSG):

     

    • Monatliche Abschlagszahlungen: Die Kompensation beträgt 120 Prozent des Betrags der im September 2022 an das Wärmeversorgungsunternehmen geleisteten monatlichen Abschlagszahlung.

     

    • Fehlende bzw. unangemessene Abschlagszahlungen: Hier ist ein monatlicher Durchschnitt zu bilden. Dieser ermittelt sich aus der Summe der Abschlagszahlungen, die der Kunde für seinen Wärmebezug im letzten Abrechnungszeitraum zu zahlen verpflichtet war, geteilt durch die Zahl der auf diesen Abrechnungszeitraum entfallenden Monate. Sind mit der Durchschnittsbildung jahreszeitliche Verbrauchsschwankungen nicht angemessen berücksichtigt, ist der Abschlag heranzuziehen, den vergleichbare Kunden zahlen.

     

    • Keine Abschlagszahlungen vereinbart: Hier bestimmt sich die Höhe der Kompensation nach der Grundlage der Abrechnungen.

    2. Unpfändbarkeit an der Quelle

    Damit die Soforthilfe als Entlastung tatsächlich bei allen Bürgern ankommt, auch bei überschuldeten Haushalten, ist sie unpfändbar (§ 12 EWSG).

     

    Beachten Sie | Dies betrifft aber zunächst nur die Pfändung an der Quelle. Der Gläubiger kann also nicht mittels eines PfÜB den Anspruch des Schuldners (Energiekunde) gegenüber dem Energieunternehmen bzw. Vermieter/Verpächter pfänden. Ein solcher Antrag ist als unzulässig zurückzuweisen.

    3. Pfändung beim P-Konto

    Die Frage der (Un-)Pfändbarkeit wird allerdings die Vollstreckungsgerichte im Rahmen von Kontofreigabeanträgen beschäftigen, wenn die Soforthilfe als Gutschrift auf das Pfändungsschutzkonto (P-Konto) von Schuldnern ausgezahlt wurde und dort der vorgemerkte unpfändbare P-Konto-Freibetrag überschritten wird. Hier gilt es Folgendes zu beachten:

     

    a) Schuldner hat nur Auszahlungsanspruch gegenüber Kreditinstitut

    Das Kreditinstitut als Drittschuldner muss die bestehende Unpfändbarkeit nach § 12 EWSG grundsätzlich nicht beachten. Grund: Auch unpfändbare Ansprüche verlieren ihre Unpfändbarkeit mit der Gutschrift auf dem P-Konto. In diesem Moment erlischt nämlich der Anspruch des Schuldners auf diese Zahlungen und wird zu einem Auszahlungsanspruch des Schuldners gegen das Kreditinstitut in derselben Höhe.

     

    b) Besonderheit

    Da die Unpfändbarkeit der Soforthilfe in dem jeweiligen Gesetz ‒ nämlich § 12 EWSG ‒ geregelt ist, also in dem Gesetz, in dem auch die Gewährung der Geldleistung festgelegt ist, unterfällt damit die Gutschrift auf dem P-Konto § 902 S. 1 Nr. 6 ZPO.

     

    Folge: Die Zahlung wird ‒ aber nur ‒ bei Nachweis durch den Schuldner als Erhöhungsbetrag nicht von der Pfändung des Guthabens auf dem P-Konto erfasst. Dies bedeutet im Klartext, dass der Schuldner aktiv werden muss! Das Kreditinstitut darf daher die Soforthilfe nur bei Vorliegen der Voraussetzung nach § 902 S. 1 Nr. 6 ZPO an den Schuldner auszahlen. Hierzu müssen die Erdgaslieferanten, Wärmeversorgungsunternehmen, Vermieter/Verpächter oder Wohnungseigentümergemeinschaften dem Schuldner nach § 903 Abs. 3 ZPO auf Antrag eine Bescheinigung über die Zahlung ausstellen. Denn sie sind die Einrichtung, die mit der Gewährung der Geldleistung im Sinne von § 902 S. 1 ZPO befasst ist.

     

    Im Zweifel muss das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Schuldners nach § 905 ZPO über die Unpfändbarkeit entscheiden.

     

    • Beispiel

    Schuldner S. ist im Besitz eines P-Kontos. Er bezieht monatlich eine Rente i. H. v. 1.100 EUR. Die Gutschrift erfolgt Ende Dezember 2022 auf das P-Konto. Zum 31.12. erfolgt eine Gutschrift von 300 EUR als Soforthilfe vom Vermieter.

     

    Lösung

    Im Dezember 2022 ist eine Gesamtgutschrift von 1.400 EUR auf dem P-Konto erfolgt. S. hat nur einen Auszahlungsanspruch gegenüber seinem Kreditinstitut. Dieses muss die Regelungen zum P-Konto (vgl. §§ 899 ff. ZPO) beachten. Dem S. steht als alleinstehende Person ein Grundfreibetrag von derzeit 1.340 EUR zu. Somit muss das Kreditinstitut die Differenz von 60 EUR (= 1.400 EUR - 1.340 EUR) an den Pfändungsgläubiger auszahlen.

     

    Beachten Sie | Das gilt jedoch nicht, wenn S. die Unpfändbarkeit der Soforthilfe von 300 EUR nach § 902 S. 1 Nr. 6, § 903 ZPO gegenüber dem Kreditinstitut nachweist. In diesem Fall erhält der Gläubiger nichts. Denn durch den Unpfändbarkeitsnachweis der Soforthilfe bleibt auch die Rentenzahlung i. H. v. 1.100 EUR unpfändbar, da diese den Grundfreibetrag von 1.340 EUR nicht überschreitet.

     

    4. Soforthilfe wird Nicht-P-Konto gutgeschrieben

    Besitzt der Schuldner kein P-Konto, ist die gutgeschriebene Soforthilfe zunächst komplett pfändbar. Helfen kann nur ein Schutzantrag nach § 765a ZPO, was allerdings eine Sittenwidrigkeit bzw. Unzumutbarkeit (Einzelfallprüfung) erfordert.

     

    Beachten Sie | Bevor jedoch ein Gläubiger pfändbare Beträge beanspruchen kann, ist die temporäre Auszahlungssperre § 900 Abs. 1 ZPO zu beachten: Danach darf der Drittschuldner bei einem Schuldner als natürliche Person erst nach Ablauf des Kalendermonats, der auf die jeweilige Gutschrift erfolgt, an den Gläubiger leisten oder den Betrag hinterlegen. Damit soll dem Schuldner ausreichend Zeit eingeräumt werden, nachträglich ein P-Konto einzurichten bzw. einen Schutzantrag nach § 765a ZPO bzw. eine einstweilige Anordnung gemäß § 732 Abs. 2 ZPO zu erwirken. Die Auszahlungssperre gilt aber nur einmalig hinsichtlich solcher Guthaben, die bei Zustellung des Überweisungsbeschlusses noch vorhanden sind (BT-Drucksache 16/7615, S. 18).

    5. Soforthilfe wird Drittkonto gutgeschrieben

    Nutzt der Drittschuldner ein Drittkonto, z. B. das des Ehegatten, Lebensgefährten etc., kann der Gläubiger den Auszahlungsanspruch des Schuldners gegenüber dem Dritten gemäß § 667 BGB pfänden (BGH VE 08, 118; BVerfG VE 15, 206).

     

    Dem Schuldner steht in dieser Konstellation nur der Weg über ein (eigenes) P-Konto offen, wenn er Gelder auf Konten vor einer Pfändung schützen will. Diesem Schutz entzieht er sich aber, indem er es unterlässt, dafür zu sorgen, dass die Zahlungen auf seinem P-Konto eingehen, und er allein aufgrund des fehlenden P-Kontos den Fall einer besonderen Härte im Sinne des § 765a ZPO herbeiführen möchte.

     

    Zudem gilt, dass § 765a ZPO im Verhältnis zwischen Gläubiger und Drittschuldner nicht ‒ auch nicht mittelbar ‒ anwendbar ist. Insofern kann sich der Drittschuldner nicht auf § 765a ZPO berufen. Es ist daher Sache des Schuldners, ggf. einen solchen Antrag für die Zukunft ‒ nicht rückwirkend ‒ zu stellen.

     

    Leser-Erfahrungsaustausch: Haben Sie zu dieser Problematik schon Erfahrungen gemacht? Teilen Sie uns dies bitte mit (ve@iww.de). Im Rahmen unserer Berichterstattung kommen wir in einer der nächsten Ausgaben von „Vollstreckung effektiv“ darauf zurück.

    Quelle: Ausgabe 02 / 2023 | Seite 29 | ID 48958569