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  • · Fachbeitrag · Gesellschaft bürgerlichen Rechts

    1.1.24: Das MoPeG ändert die Vollstreckung bei der GbR

    von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz

    | Am 1.1.24 wird das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG; BGBl. I 21, 3482) in Kraft treten. Dadurch verändert sich die Vollstreckung in Bezug auf die GbR. Der folgende Beitrag klärt auf. |

    1. Zwangsvollstreckung nach neuem Recht

    Die am Rechtsverkehr teilnehmende GbR ist rechtsfähig, § 705 Abs. 2 BGB n. F. und grundbuchfähig (BGH NJW 09, 594). § 722 BGB n. F. ersetzt den derzeit geltenden § 736 ZPO.

     

    • Im Wortlaut: § 722 BGB n. F.
    • (1) Zur Zwangsvollstreckung in das Vermögen der Gesellschaft ist ein gegen die Gesellschaft gerichteter Vollstreckungstitel erforderlich.
    • (2) Aus einem gegen die Gesellschaft gerichteten Vollstreckungstitel findet die Zwangsvollstreckung gegen die Gesellschafter nicht statt.
     

    Beachten Sie | § 722 Abs. 1 BGB n. F. übernimmt inhaltlich § 124 Abs. 2 HGB a. F., wonach für eine Vollstreckung in das Gesellschaftsvermögen notwendige und hinreichende Voraussetzung ein gegen die Gesellschaft gerichteter Vollstreckungstitel ist. Aus einem gegen einen Gesellschafter gerichteten Titel kann dagegen nur in dessen Privatvermögen vollstreckt werden. Das gilt auch, wenn der Gläubiger einen Titel gegen sämtliche Gesellschafter erwirkt. Denn zum einen kann im formalisierten Zwangsvollstreckungsverfahren nicht der materielle Schuldgrund des Vollstreckungstitels geprüft werden (OLG Schleswig WM 06, 583; Wertenbruch, ZIP 19, 2082). Zum anderen ist es dem Gläubiger zuzumuten, sich auch einen Titel gegen die Gesellschaft zu beschaffen, sofern er sich die Vollstreckung in deren Vermögen offenhalten will.

     

    § 722 Abs. 2 BGB n. F. übernimmt inhaltlich § 129 Abs. 4 HGB a. F. Danach bedarf es zur Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Gesellschafters eines gegen ihn gerichteten Vollstreckungstitels. Damit trägt die Regelung der rechtlichen Verselbstständigung der Gesellschaft und der damit verbundenen Unterscheidung zwischen dem Personenverband und seinen Mitgliedern sowie zwischen Gesellschaftsverbindlichkeiten und der Gesellschafterhaftung für diese Verbindlichkeiten Rechnung (BT-Drucksache, 19/27635 S. 169).

    2. Vollstreckungsrechtliche Folgen

    Aus dem Wegfall von § 736 ZPO folgt: Einem Gesellschaftsgläubiger, der wegen der persönlichen Haftung der Gesellschafter für eine Gesellschaftsverbindlichkeit einen Vollstreckungstitel gegen alle Gesellschafter erwirkt hat, wird die zusätzliche Vollstreckungsmöglichkeit in das Gesellschaftsvermögen genommen. Denn künftig ist für die Vollstreckung in das Vermögen einer GbR ein gegen die Gesellschaft gerichteter Vollstreckungstitel erforderlich. Damit dürfte sich auch eine hybride Titelschaffung bei der GbR erledigt haben.

     

    a) Gesamttitel gegen alle Gesellschafter vor 1.1.24 erwirkt

    § 45 Abs. 1 EGZPO regelt allerdings, dass zur Zwangsvollstreckung in das Vermögen einer rechtsfähigen GbR im Sinne von § 705 Abs. 2 BGB n. F. ein gegen alle Gesellschafter gerichteter Vollstreckungstitel genügt, wenn dieser vor dem 1.1.24 erwirkt wurde. Für solche „Alttitel“ bleibt daher die Möglichkeit erhalten, in das Gesellschaftsvermögen zu vollstrecken.

     

    b) Das neue GBR-Gesellschaftsregister

    Um der GbR Publizität zu geben, die dem Rechtsverkehr Gewissheit über Haftung und Vertretungsverhältnisse verschafft, wird ein Gesellschaftsregister eingeführt, in das GbR eingetragen werden können (§ 707 BGB n. F.). Die Eintragungen genießen ‒ wie auch das Handelsregister ‒ eine Art öffentlichen Glauben (BT-Drucksache 19/27635, S. 3). Die Registeranmeldung ist grundsätzlich freiwillig und die Eintragung ist keine Voraussetzung für die Erlangung der Rechtsfähigkeit der GbR. Lediglich für die Eintragung der Gesellschaft als Berechtigte in sog. Objektregistern, insbesondere im Grundbuch, wird ein Voreintragungserfordernis aufgestellt.

     

    Beachten Sie | Das neue Gesellschaftsregister, soweit es genutzt wird, wird Erleichterungen auch für die Zwangsvollstreckung mit sich bringen. Denn dadurch, dass sich aus dem Register der Name, der Sitz, die Anschrift der GbR, sowie die Gesellschafter und die Vertretungsbefugnis der GbR ersehen lassen, werden Zweifel bei der Parteiidentiät eines Vollstreckungstitels kaum mehr auftreten. Denn wie die Vorlage eines Handelsregisters in der Vollstreckung zur Parteiidentität üblich ist, wird dies ebenso künftig auch durch Vorlage eines Gesellschafterregisterauszugs möglich sein.

     

    c) Titel erwirkt, bevor GbR ‒ nachträglich ‒ eingetragen wird

    Dieser Fall wird künftig durch § 736 ZPO n. F. geregelt. Dieser lautet wie folgt:

     

    • Im Wortlaut: § 736 ZPO n. F.

    Die Zwangsvollstreckung für oder gegen eine im Gesellschaftsregister eingetragene GbR findet auch aus einem Vollstreckungstitel für oder gegen eine nicht im Gesellschaftsregister eingetragene GbR statt, wenn

    • 1. der in dem Vollstreckungstitel genannte Name und Sitz oder die Anschrift der Gesellschaft identisch sind mit dem Namen und Sitz oder der Anschrift der im Gesellschaftsregister eingetragenen Gesellschaft und
    • 2. die ggf. in dem Vollstreckungstitel aufgeführten Gesellschafter der Gesellschaft identisch sind mit den Gesellschaftern der im Gesellschaftsregister eingetragenen Gesellschaft.
     

    Beachten Sie | § 736 ZPO n. F. will den Nachweis der Identität einer nachträglich in das Gesellschaftsregister eingetragenen GbR erleichtern (BT-Drucksache, a. a. O., S. 202): Ist nämlich eine Gesellschaft in das Gesellschaftsregister eingetragen und soll die Vollstreckung aufgrund eines bereits für oder gegen die nicht registrierte Gesellschaft erwirkten Titels durchgeführt werden, ist eine Umschreibung des Vollstreckungstitels nicht erforderlich. Dem Vollstreckungsgericht ist dann nur nachzuweisen, dass die unter § 736 Nr. 1 und 2 ZPO n. F. genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Dies gilt für Fälle, in denen die GbR Gläubigerin oder Schuldnerin ist. Die Aufzählung in Nr. 1 und 2 ist abschließend.

     

    § 736 Nr. 1 ZPO n. F. erfordert, dass der im Vollstreckungstitel genannte Name mit dem im Gesellschaftsregister eingetragenen übereinstimmt. Der im Vollstreckungstitel angegebene Sitz oder die angegebene Anschrift muss mit dem im Gesellschaftsregister angegebenen Sitz oder der Anschrift übereinstimmen.

     

    • Beispiel 1

    Gläubiger G. ist im Besitz eines Vollstreckungstitels gegen die A., B., C.-GbR mit Sitz in Koblenz, X.-Straße 1, 56068 Koblenz; die GbR wird nachträglich im Gesellschaftsregister wie folgt eingetragen: A., B., C.-GbR mit Sitz in Koblenz, X.-Straße 1, 56068 Koblenz. Lösung: Hier ist eine Titelumschreibung nicht erforderlich, da die im Vollstreckungstitel genannten Daten mit den Daten der im Gesellschaftsregister eingetragenen Gesellschaft identisch sind.

     

    Die Voraussetzungen von § 736 Nr. 2 ZPO n. F. gelten für den Fall, dass im Vollstreckungstitel zusätzlich zum Namen der Gesellschaft alle Gesellschafter namentlich aufgeführt sind. In diesem Fall müssen dann auch die im Vollstreckungstitel genannten Gesellschafter mit den Gesellschaftern der im Gesellschaftsregister eingetragenen Gesellschaft identisch sein, damit aus dem Vollstreckungstitel die Zwangsvollstreckung betrieben werden kann.

     

    • Beispiel 2

    Gläubiger G. ist im Besitz eines Vollstreckungstitels gegen die A., B., C.-GbR, vertreten durch die Gesellschafter A., B. und C. mit Sitz in Koblenz, X.-Straße 1, 56068 Koblenz; die GbR wird nachträglich im Gesellschaftsregister wie folgt eingetragen: A., B., C.-GbR, vertreten durch die Gesellschafter A., B. und C. mit Sitz in Koblenz, X.-Straße 1, 56068 Koblenz. Lösung: Eine Titelumschreibung ist nicht erforderlich, da die im Vollstreckungstitel genannten Gesellschafter mit den Gesellschaftern der im Gesellschaftsregister eingetragenen Gesellschaft identisch sind.

     

    Beachten Sie | Bei der folgenden Konstellation kann es allerdings zu Problemen und Komplikationen kommen:

     

    • Beispiel 3

    In Abwandlung zum Beispiel 2 scheidet der Gesellschafter C. aus und wird durch Gesellschafter D. ersetzt. Die GbR wird nachträglich im Gesellschaftsregister wie folgt eingetragen: A., B., C.-GbR, vertreten durch die Gesellschafter A., B. und D. mit Sitz in Koblenz, X.-Straße 1, 56068 Koblenz. Lösung: Eine Titelumschreibung ist jetzt erforderlich, da die im Vollstreckungstitel genannten Gesellschafter mit den Gesellschaftern der im Register eingetragenen Gesellschaft nicht identisch sind.

     

    Beachten Sie | Insofern besteht eine Ungleichbehandlung zwischen Vollstreckungstiteln, bei denen die Gesellschafter namentlich aufgeführt sind und solchen, bei denen dies nicht der Fall ist: Im Beispiel 2 stimmt die Registereintragung mit den Titeldaten überein, sodass § 736 ZPO n. F. anwendbar ist und eine Titelumschreibung nicht erforderlich ist. Die Gesellschafterkonstellation spielt hier also keine Rolle. Dies ist im Beispiel 3 anders. Die Abweichung des Titels mit den Registereintragungen machen eine Titelumschreibung erforderlich. Dies kostet den Gläubiger Zeit, ist teuer und kostet u. U. den Vollstreckungserfolg, wenn andere Gläubiger zuvorkommen. Doch dieses Problem ist lösbar:

     

    • Vollstreckungsorgan ermittelt selbst: Die Vollstreckungsorgane sind stets berechtigt, die Frage der Identität der Parteien zu prüfen. Besteht daher Zweifel an der Parteiidentiät, kann das Vollstreckungsorgan (Rechtspfleger) die Identität der Parteien mit den in der Vollstreckungsklausel genannten Personen im Wege eigener Ermittlungen feststellen (BGH VE 11, 174). Dies wird es allerdings in den wenigsten Fällen tun, da dies keine Verpflichtung darstellt.

     

    • Rechtsnachfolgeklausel analog § 727 ZPO beantragen: Der Wechsel der Gesellschafter der GbR ist zwar kein Fall einer Rechtsnachfolge, weil Schuldnerin bzw. Gläubigerin des Titels die GbR ist und ihre Stellung als Schuldnerin bzw. Gläubigerin durch den Wechsel der Gesellschafter keine Änderung erfährt. Das heißt: Die Identität der Gesellschaft bleibt unberührt. Veränderungen im Gesellschafterbestand sind allerdings durch eine Rechtsnachfolgeklausel analog § 727 ZPO nachzuweisen (BGH VE 11, 68). Insofern wird für alle Beteiligten für Rechtssicherheit gesorgt.

     

    Beachten Sie | In Beispiel 3 ist daher eine Rechtsnachfolge analog § 727 ZPO wie folgt zu beantragen. Damit bleibt der Vollstreckungstitel vollstreckbar.

     

    Musterformulierung / Antrag auf Rechtsnachfolgeklausel (Änderung Gesellschafterbestand)

    An das AG/LG …

     

    In Sachen: …, Az. … überreiche ich in der Anlage Vollmacht sowie die vollstreckbare Ausfertigung des … (genaue Titelbezeichnung) vom … und beantrage:

     

    • in analoger Anwendung nach § 727 ZPO die Erteilung einer Rechtsnachfolgeklausel, die dem geänderten Bestand der Gesellschafter der im beigefügten Vollstreckungstitel entspricht.

     

    Gründe

    Im beigefügten Vollstreckungstitel (genaue Bezeichnung) sind die (genaue Bezeichnung der Gesellschafter) … als GbR eingetragen. Im Bestand der Gesellschaft hat außerhalb Vollstreckungstitels ein Wechsel dadurch stattgefunden, dass der Gesellschafter … (genaue Bezeichnung) aus der Gesellschaft ausgeschieden und … (genaue Bezeichnung) als neuer Gesellschafter in die GbR eingetreten ist.

     

    Zum Nachweis des geänderten Bestands der Gesellschafter füge ich den notariellen Gesellschaftervertrag des Notars … vom …, Urk. Nr. … bei.

     

    Durch Beschluss vom 2.12.10 (VE 11, 68) hat der BGH entschieden, dass Veränderungen im Gesellschafterbestand durch eine Rechtsnachfolgeklausel analog § 727 ZPO nachzuweisen sind. Es wird um antragsgemäße Entscheidung gebeten.

     

    Rechtsanwalt

     

    PRAXISTIPP | Wurde der Titel entsprechend § 727 ZPO umgeschrieben, muss noch eine Zustellung an den geschäftsführungsbefugten Gesellschafter erfolgen. Im Zweifel sollten Sie jedoch an alle aufgeführten Gesellschafter zustellen.

     

    Bei der Erteilung der Klausel ist des Weiteren zu beachten, dass diese durch den Rechtspfleger (§§ 20 Abs. 1 Nr. 12, 26 RpflG) des den Titel erlassenden Gerichts (§§ 795, 724 Abs. 2 ZPO) oder des Gerichts, das die Urkunde aufbewahrt (§ 797 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), bzw. den Notar (bei notariellen Urkunden; § 797 Abs. 1 Nr. 2a ZPO) erteilt werden muss. Andernfalls ist die Vollstreckung angreifbar.

     
    Quelle: Ausgabe 10 / 2023 | Seite 176 | ID 49672114