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  • · Fachbeitrag · Auswertung des Vermögensverzeichnisses

    Anwartschaftsrechte als Zugriffsobjekte

    von RechtsfachwirtMichael Wohlgemuth, MüllerNöthen Rechtsanwälte, Koblenz

    |a Gläubiger müssen das durch den Schuldner abgegebene Vermögensverzeichnis analytisch auswerten, um letztendlich erfolgreich vollstrecken zu können. Der folgende Beitrag zeigt auf, welche Zugriffsmöglichkeiten bei Sachen bestehen, die auf Abzahlung unter Eigentumsvorbehalt gekauft wurden. |

    1. Auf Abzahlung unter Eigentumsvorbehalt gekaufte Sachen

    Im Vermögensverzeichnis muss der Schuldner unter Abschnitt A Nr. 10a) die Sachen angeben, die er auf Abzahlung unter Eigentumsvorbehalt gekauft hat. Hierbei muss der Schuldner insbesondere Name und Anschrift des Verkäufers, Kaufpreis und die valutierende Restschuld bekanntgeben. Er erwirbt an den Sachen, die er unter Eigentumsvorbehalt gekauft hat, ein sogenanntes Anwartschaftsrecht. Das Anwartschaftsrecht stellt ein Vermögensrecht des Schuldners dar. Somit kann darauf im Rahmen der Zwangsvollstreckung zugegriffen werden.

    2. Basiswissen kompakt: Wesen des Eigentumsvorbehalts

    Der Eigentumsvorbehalt ist ein Sicherungsmittel für den Verkäufer einer 
beweglichen Sache. Er stellt das mit Abstand am weitesten verbreitete und das in seiner Umsetzung einfachste Sicherungsmittel dar. Für die Vollstreckung besonders bedeutsam ist der sog. einfache Eigentumsvorbehalt.

     

    In aller Regel verliert der Verkäufer einer Ware sein Eigentum mit der Übereignung der Ware an den Käufer, also mit der Einigung, das Eigentum auf den Käufer zu einem bestimmten Zeitpunkt übergehen zu lassen, und der tatsächlichen Übergabe. Bei Geschäften des täglichen Lebens ist dies völlig unproblematisch, wie z.B. beim morgendlichen Brötchenkauf: Hier wird das Eigentum in dem Augenblick übereignet, in dem der Käufer das entsprechende Entgelt auf die Ladentheke legt und die Brötchen an sich nimmt.

     

    Nicht alle Geschäfte, z.B. Ratenzahlungskäufe, funktionieren auf diese Weise. Um diesem Problem vorzubeugen, kann in der Praxis meist durch Nutzung bereits vorformulierter AGB ein Eigentumsvorbehalt vereinbart werden. Rechtlich handelt es sich dabei um eine schlichte Bedingung, dass das 
Eigentum erst zu einem bestimmten Termin in der Zukunft an den Käufer fallen und der Verkäufer bis dahin alleiniger Eigentümer bleiben soll. Der bestimmte Zeitpunkt kann an jeden erlaubten Zweck geknüpft werden. 


    In aller Regel wird er freilich an die vollständige Kaufpreiszahlung durch den Käufer geknüpft sein und dies entspricht auch dem gesetzlichen Normalfall (§ 449 Abs. 1 BGB). Folge: Hat der Käufer dann alle Raten bezahlt, fällt das Eigentum an der gekauften Sache ohne weiteres Zutun des Verkäufers automatisch an den Käufer. Es handelt sich also, vereinfacht gesprochen, nur um einen Aufschub des Eigentumserwerbes beim Käufer.

     

    Für Käufer (Verbraucher), die selbst Waren beziehen, die unter Eigentumsvorbehalt verkauft werden, ist jedoch eine abgesicherte Rechtsposition wichtig. Es ließe sich nach dem bisher Gesagten argumentieren, dass der Eigentumsvorbehaltskäufer schlecht gestellt wird, denn er erhält erst bei vollständiger Zahlung Eigentum an der Sache. Streng genommen hätte er also, wenn er 100 Raten zu zahlen hätte, nach Zahlung der 99. Rate noch keine Eigentümerstellung erlangt und wäre damit auch nicht befugt, mit der Sache wie ein Eigentümer zu verfahren. Der Käufer hätte demnach nicht einmal einen Anspruch darauf, den gekauften Gegenstand zu benutzen oder auch nur in seinem Besitz zu haben.

     

    Dass dieses Ergebnis unbillig wäre, liegt auf der Hand. Deshalb hat sich die Rechtsprechung dieses Problems angenommen und das sogenannte 
Anwartschaftsrecht beim Käufer entwickelt, das dem vorbehaltenen Eigentum beim Verkäufer identisch gegenübersteht. Der Käufer eines Vorbehaltsgutes erwirbt danach ein Anwartschaftsrecht in dem Moment, in dem der Verkäufer einen Eigentumsvorbehalt vereinbart.

     

    Der Verkäufer hat so lange Eigentum an der Sache, bis eine Vollzahlung erfolgt ist. Folge: Mit jeder Zahlung steigt das Anwartschaftsrecht in seinem Wert, weil umso weniger für den Eigentumserwerb zu zahlen ist.

     

    • Beispiel

    A. kauft von B. im Januar ein Auto zum Preis von 10.000 EUR. Der B. behält sich, weil A. nicht den kompletten Kaufpreis auf einmal zahlen will, das Eigentum bis zur vollständigen Zahlung vor. Es wird vereinbart, dass A. jeden Monat 1.000 EUR zahlt und dann mit Zahlung der letzten Rate im Oktober das Eigentum vollständig übergeht. Mit jeder Zahlung wächst also die Anwartschaft des A. wertmäßig an. Der A. hat also mit der Bedingung, dass er erst dann Eigentum erhalten soll, wenn er auch voll gezahlt hat, bereits ein Anwartschaftsrecht an der Kaufsache erworben. Dieses Anwartschaftsrecht ist auch unabhängig von einer ersten Teilzahlung. Allein die bedingte Übereignung ergibt bereits ein solches Anwartschaftsrecht.

     

    Das Anwartschaftsrecht, das heißt, die Forderung, unterliegt der Pfändung nach den §§ 857, 829 ZPO. Die wirksame Beschlagnahme erfordert jedoch die Ergänzung der Rechtspfändung durch eine Sachpfändung des Gerichtsvollziehers, also die Pfändung der unter Eigentumsvorbehalt stehenden Sache (Doppelpfändung, BGH NJW 54, 1325; Gottwald/Mock, Zwangsvollstreckung, 6. Aufl., § 857 Rn. 16).

     

    Die Pfändung des Anwartschaftsrechts mit anschließender Sachpfändung ermöglicht dem Gläubiger - später - die Befriedigung aus dem Gegenstand, der durch Restzahlung des Kaufpreises erworben werden kann.

     

    PRAXISHINWEIS | Die Befriedigungsaussichten einer späteren Verwertung hängen maßgeblich davon ab, welche Zahlungen der Schuldner an den Verkäufer 
bereits geleistet hat. Einen praktischen Wert hat die Pfändung nur, wenn der zu erwartende Versteigerungserlös über den noch zu zahlenden Kaufpreisraten liegt. Nur dann „lohnt“ sich für den Gläubiger eine Ablösung der Restforderung. Achtung: Ist die Sachpfändung unzulässig (§ 811 ZPO), darf auch das Anwartschaftsrecht nicht gepfändet werden (LG Berlin DGVZ 65, 91).

     

    Die Pfändung des Anwartschaftsrechts erfolgt durch Pfändungsbeschluss, der dem Drittschuldner zuzustellen ist (§ 829 Abs. 3 ZPO). Drittschuldner ist der Eigentümer des Gegenstands (Gottwald/Mock, a.a.O., § 857 Rn. 17). Mit der Zustellung an ihn ist die Pfändung bewirkt. Mit der Pfändung und der Überweisung zur Einziehung (eine Überweisung an Zahlungs statt verbietet sich, da das Anwartschaftsrecht keinen Nennwert hat, § 835 Abs. 1 ZPO) erwirbt der Gläubiger nur ein auf das Anwartschaftsrecht selbst bezogenes Pfandrecht. Das Pfandrecht setzt sich - bei Eintritt der Bedingung und Eigentumserwerb durch den Schuldner - nicht an dem Gegenstand fort. Der Schuldner erwirbt das 
Eigentum vielmehr unbelastet. Deshalb ist neben der Rechtspfändung auch eine Sachpfändung durch den Gerichtsvollzieher notwendig. Solange keine Sachpfändung erfolgt ist, kann der Schuldner über den Gegenstand verfügen (nicht über das Anwartschaftsrecht). Die Pfändung des Anwartschaftsrechts allein verbietet nur die Übertragung desselben seitens des Schuldners. Dem Schuldner bleibt es überlassen, Zahlungen an den Eigentümer zu leisten.

     

    Der Gläubiger erlangt durch die Pfändung - allein des Anwartschaftsrechts - die Befugnis, den Restkaufpreis an den Eigentümer des Gegenstands zu zahlen und dadurch den Eigentumsübergang auf den (seinen) Schuldner herbeizuführen. Weder kann der Eigentümer die Annahme der Zahlung verweigern, noch kann der Schuldner der Zahlung seitens des Gläubigers widersprechen (§ 267 BGB). Schließlich gibt die Pfändung ihm das Recht auf Auskunft (§ 840 ZPO), was für die Strategie des Gläubigers von Bedeutung sein kann. Eine Verwertung nur des Anwartschaftsrechts, die durch Veräußerung möglich wäre (§ 844 ZPO), ist im Grunde uninteressant, da das Anwartschaftsrecht für Dritte keinen eigenständigen wirtschaftlichen Wert hat, weil es mit der 
Erstarkung zum Vollrecht untergeht.

     

    Die - notwendige - Sachpfändung erfolgt durch den Gerichtsvollzieher nach den allgemeinen Bestimmungen (§§ 808 ff. ZPO). Sie kann vor oder nach Pfändung des Anwartschaftsrechts vorgenommen werden. Nach Pfändung des 
Anwartschaftsrechts kann der Drittschuldner der Pfändung nicht nach § 771 ZPO widersprechen, wenn entweder der Schuldner die vereinbarten Raten weiterzahlt oder der Gläubiger sich zur Zahlung derselben bereit erklärt.

     

    PRAXISHINWEIS |  Mit der Pfändung der Sache erwirbt der Gläubiger ein Pfändungspfandrecht an dieser (§ 804 Abs. 1 ZPO). Für dieses wahrt die zuvor erfolgte Pfändung des Anwartschaftsrechts keinen Rang (Stöber, Forderungspfändung, 
15. Aufl., Rn. 1496; MüKo/Smid, ZPO, § 857 Rn. 21). Bei mehrfacher Sachpfändung geht das durch die frühere Sachpfändung begründete Pfandrecht dem späteren ohne Rücksicht darauf vor, in welcher Reihenfolge das Anwartschaftsrecht an derselben gepfändet wurde.

     

    Der Eigentümer kann der Verwertung (§§ 814 ff. ZPO) der Sache widersprechen, solange die Leistungspflichten des Schuldners ihm gegenüber nicht voll erfüllt sind (§ 771 ZPO). Die Beträge, die der Gläubiger für die Zahlung der Restschuld an den Drittschuldner anstelle des Schuldners aufgewandt hat, gehören zu den notwendigen Kosten der Zwangsvollstreckung 788 ZPO). Sie können daher vom Versteigerungserlös vorweg abgezogen werden.

     

    PRAXISHINWEIS |  Mit dem Anwartschaftsrecht sollten gleichzeitig der Herausgabeanspruch (§ 846 ZPO) sowie der schuldrechtliche Anspruch auf Rückgewähr des Schuldners an der Sache gepfändet werden.

     

    Dies ist insbesondere ratsam, wenn sich die Sache im Besitz eines Dritten befindet und der Gläubiger den Dritten namentlich kennt. In diesem Fall ist der Dritte dann zusätzlich als Drittschuldner zu benennen.

     

    3. Musterformulierungen

    Die Pfändung des Anwartschaftsrechts erfolgt auf dem seit dem 1.3.13 verbindlichen Vordruck unter Buchstabe G (Sonstige). Auf Seite 3 des Vordrucks sind sowohl der Vorbehaltsverkäufer/Kreditgeber als auch der Schuldner selbst als Drittschuldner aufzuführen.

     

    Die Formulierung auf Seite 6 bzw. 7 des amtlichen Vordrucks könnte wie folgt aussehen:

     

    Musterformulierung /  Pfändung eines Anwartschaftsrechts

    Anspruch G (an Sonstige) 

     

    • das angebliche Anwartschaftsrecht des Schuldners auf den Erwerb des Eigentums des … (Bezeichnung des 
Gegenstands) aus dem Kaufvertrag vom … (Datum des Kaufvertrags einsetzen)
    • sämtliche dem Schuldner zustehenden Rückvergütungsansprüche für den Fall des bereits erfolgten oder noch erfolgenden Rücktritts des Vorbehaltsverkäufers vom Kaufvertrag oder infolge sonstiger Vertragsauflösung
    • der Anspruch auf Herausgabe der beweglichen Sache(n) (§§ 846, 847 ZPO, wenn Drittbesitzer als Drittschuldner namentlich bekannt ist)
     

    Wichtig | Im Zusammenhang mit der Pfändung und Überweisung des 
Anspruchs auf Herausgabe gemäß §§ 846, 847 ZPO ist auf den Seiten 8 bzw. 9 zusätzlich unter der Rubrik „sonstige Anordnungen“ Folgendes einzu-
tragen:

     

    Musterformulierung /  Zusätzliche Anordnung bei Pfändung eines Anwartschaftsrechts

    Es wird angeordnet, dass 

     

    die Sache an einen vom Gläubiger zu beauftragenden Gerichtsvollzieher herauszugeben ist (§ 847 Abs. 1 ZPO).

    Quelle: Ausgabe 05 / 2013 | Seite 81 | ID 38943550