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  • · Fachbeitrag · Arbeitsrecht

    Schuldner muss sich an vorformulierten Zeugnistext halten

    | Wer für einen Gläubiger einen Zeugnisanspruch durchsetzen will, muss aufpassen: Nur wenn im Titel der gewünschte Zeugnistext komplett vorgegeben ist, ist man auf der sicheren Seite. Sonst kann es geschehen, dass der Schuldner eine gewisse Freiheit hat und der Vollstreckungstitel wertlos ist, wie zwei aktuelle Fälle anschaulich zeigen. |

    1. Der Fall des LAG Köln

    Die Parteien hatten sich vergleichsweise geeinigt: Die Schuldnerin sollte demnach ein Arbeitszeugnis erstellen und sich dabei an einen Zeugnistext halten, der vollständig im Titel vorformuliert wurde.

     

     

    Das LAG entschied: Die Schuldnerin hatte ihre Pflicht aus dem Vergleich nicht erfüllt, das verhängte Zwangsgeld war rechtens (12.9.17, 9 Ta 184/17, Abruf-Nr. 199580). Unabhängig von der Frage, ob die verlangte Gestaltung hier überhaupt vollstreckbar war (jeweils Absätze, bzw. eine Aufzählung mit Spiegelstrichen), wich der Schuldner in seinem dann erteilten Zeugnis von der vorformulierten Form im Titel ab. Datiert das Ausstellungsdatum zudem, wie hier, mehr als acht Monate nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses, kann dies auch darauf schließen lassen, dass das Zeugnis erst nach einem Rechtsstreit erteilt wurde.

    2. Der Fall des LAG Schleswig-Holstein

    Auch dieser Rechtsstreit endete vergleichsweise mit der Einigung darauf, dass ein Arbeitszeugnis mit einem genauen Wortlaut erteilt wird (25.7.17, 1 Ta 78/17, Abruf-Nr. 199581). In dem dann erteilten Zeugnis wechselte der Schuld-ner jedoch in einem Absatz vom Präsens in die Vergangenheitsform („genoss“ das Vertrauen der Mitarbeiter; „verstand“ es, Kollegen zu motivieren). In solchen Fällen kommt es nicht darauf an, ob die abweichende Form das Zeugnis tatsächlich abwertet. Der Gläubiger muss sich hierzu im Vollstreckungsverfahren auch nicht äußern. Denn hat sich der Schuldner auf einen genau festgelegten Wortlaut verpflichtet, muss er diesen Anspruch genau so erfüllen.

    3. So müssen sich Schuldner verhalten

    Wird ein kompletter Zeugnistext tituliert, darf der Schuldner diesen zum einen weder ändern noch Wörter weglassen. Zum anderen muss er sich an die vorgegebene Textgestaltung halten, darf also Wörter nicht abkürzen oder ggf. kursiv oder in Anführungszeichen setzen. Daher ist ein bereits in der Klageschrift oder im Vergleich vollständig geschriebener Zeugnistext .‒ von der Überschrift bis zum Ausstellungsort und Datum ‒ das einzig sichere Vorgehen.

     

    Wichtig | Es genügt also nicht, vom Schuldner ein Zeugnis in einer bestimmten Form zu verlangen. Denn hier lauert jene Falle, die den Vollstreckungserfolg von vornherein gefährdet: Der Vollstreckungstitel enthält zwar Vorgaben, ist aber letztendlich zu unbestimmt. Die folgende Grafik zeigt das Problem:

     

     

    Ist der Titel zu unbestimmt, kann er auch nicht vollstreckt werden. Da der Titel einmal in der vorliegenden Form ergangen ist, ist auch ein „Nachbessern“ nicht möglich. Der Gläubiger ist dann gezwungen, seinen Zeugnisanspruch in einem erneuten Erkenntnisverfahren in der gewünschten Form titulieren zu lassen. Der Gläubiger hat im übrigen keinen Anspruch auf ein ungeknicktes und ungetackertes Zeugnis (LAG Rheinland-Pfalz 9.11.17, 5 Sa 314/17, Abruf-Nr. 199577).

     

    Weiterführender Hinweis

    • So setzen Sie einen titulierten Zeugnisanspruch schnell durch, VE 16, 165
    Quelle: Ausgabe 04 / 2018 | Seite 62 | ID 45100006