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  • · Fachbeitrag · Berufsrecht

    Robe ist keine zulässige Werbefläche

    von RA Christian Dahns, Geschäftsführer BRAK, Berlin

    • 1. Ein Rechtsanwalt darf vor Gericht keine mit seinem Namen und der Internetadresse seiner Kanzlei bestickte Anwaltsrobe tragen.

    Sachverhalt

    Ein Anwalt erkundigte sich bei seiner Rechtsanwaltskammer, ob es zulässig sei, die eigene Anwaltsrobe mit seinem Namen und der Internetadresse der Kanzlei zu besticken, zu bedrucken oder die Schrift aufzubügeln. Er beabsichtigte, die Robe vor Gericht zu tragen. Der Anwalt hatte sich die Robe bereits anfertigen lassen und fügte der Anfrage ein Foto bei. Das Bild zeigte eine Robe mit den Aufschriften „Kanzlei Dr. (…)“ und „www.dr-(...).de“ im oberen Bereich des Rückens. Der Anwalt fragte auch, ob er die Robe jedenfalls an den Gerichten tragen dürfe, an denen keine Robe getragen werden müsse. Die Kammer belehrte den Anwalt, es sei nicht mit dem anwaltlichen Berufsrecht (§ 43b BRAO in Verbindung mit § 6 Abs. 1 BORA) vereinbar, eine Robe nach diesem Muster zu tragen. Er müsse es unterlassen. Der Anwalt erhob eine Anfechtungsklage. Der AGH Köln wies die Klage als unbegründet ab.

     

    Entscheidungsgründe

    Die Rechtsanwaltskammer vertritt zu Recht die Auffassung, dass das Tragen einer im oberen Rückenbereich beschrifteten Robe vor Gericht berufsrechtlich unzulässig ist. Das Tragen einer solchen Robe vor Gericht verstößt gegen § 20 BORA. Diese Norm hat folgenden Zweck:

     

    Anwälte tragen eine Robe, damit sie sich äußerlich in einer gerichtlichen Verhandlung von dem Kreis der übrigen Teilnehmer unterscheiden. Es soll sichtbar gemacht werden, dass sie als unabhängiges Organ der Rechtspflege agieren. Allen Beteiligten soll verdeutlicht werden, dass Rechtsanwälte im Verfahren besondere Rechte und Pflichten innehaben. Mittelbar soll die Robe nach dem BVerfG auch dazu dienen, im Prozess Recht und Wahrheit zu finden (18.2.70, 1 BvR 226/69, Abruf-Nr. 145120): Die Situation im Verhandlungsraum werde übersichtlicher. Es werde eine ausgeglichene und objektive Atmosphäre geschaffen. Aus diesem Zweck folgt, dass die anwaltliche Robe frei von werbenden Zusätzen sein muss. Jegliche Werbung auf der vor Gericht getragenen Anwaltsrobe ‒ selbst die sachliche (!) ‒ ist ausgeschlossen.

     

    Es geht nicht bloß darum, den Rechtsanwalt (gegenüber den anderen Beteiligten der Verhandlung) leichter kenntlich zu  machen. Hierfür besteht im Rahmen einer Gerichtsverhandlung schon deshalb kein Bedürfnis, weil der betreffende Text auf dem Rücken der Anwaltsrobe angebracht ist. Die aus acht Metern lesbaren Aufschriften des Namens und der Internetadresse haben vielmehr einen werbenden Charakter.

     

    Soweit es nicht üblich ist, eine Robe vor Gericht (z.B. vor dem AG in Zivilsachen) zu tragen, stellt sich das vom Kläger aufgeworfene Problem nicht. Möchte ein Anwalt vor Gericht eine Robe tragen, auch wenn es berufsrechtlich nicht vorgeschrieben ist, muss die Robe so aussehen, wie es ihrem Sinn entspricht. Auch die freiwillig getragene Robe muss also werbefrei sein.

     

    Praxishinweis

    § 20 BORA verpflichtet jeden Rechtsanwalt, vor Gericht eine Robe tragen. Dies gilt allerdings nur, soweit dies üblich ist. Das Berufsrecht stellt klar, dass vor dem AG in Zivilsachen grundsätzlich keine Pflicht besteht, in Robe zu erscheinen. Die Satzungsversammlung wollte mit dieser Norm bewusst keine weiteren Bekleidungsdetails vorgeben, z.B. betreffend Hemd oder Krawatte. Das Verhältnis zwischen der genannten berufsrechtlichen Vorgabe zu etwaigen landesgesetzlichen Vorschriften oder dem Gewohnheitsrecht einzelner Gerichte ist äußerst umstritten:

     

    • Nach herrschender Auffassung in der Literatur ist § 20 BORA vorrangig: Der Bundesgesetzgeber habe von seiner Gesetzgebungskompetenz nach § 74 Abs. 1 Nr. 1 GG Gebrauch gemacht, indem er die Rechtsanwälte ermächtigt hat, eine anwaltliche Berufsordnung zu erlassen. Fragen der anwaltlichen Amtstracht habe er damit allein dem anwaltlichen Berufsrecht überantwortet. Daher könnten landesrechtliche Bestimmungen keine Rechtswirkung mehr entfalten (z.B. Scharmer in Hartung, BORA/FAO, 5. Aufl., § 20 Rn. 34; Prütting in Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl., § 20 BORA Rn. 7; a. A. VG Berlin NJW 07, 793; OLG München NJW 06, 3079).

     

    • Das Land Baden-Württemberg hat deshalb inzwischen auf Amtstrachtvorschriften für Anwälte verzichtet. In diesem Sinne ist am 1.8.14 die geänderte Verordnung des Justizministeriums über die Amtstracht bei den Gerichten des Landes Baden-Württemberg (Amtstrachtverordnung) in Kraft getreten. Dass auf Vorschriften zur Amtstracht von Anwälten verzichtet wird, begründet das Land auch mit § 20 BORA. Ferner wird klargestellt, dass berufsrechtlich nicht vorgeschrieben sei, beim AG in Zivilsachen in einer Robe zu erscheinen.

     

    • In Bayern wurde aktuell anders entschieden (LG Augsburg 30.6.15, 031 O 4554/14, Abruf-Nr. 144961): Ein Anwalt muss vor dem AG Augsburg eine Robe tragen, obwohl § 20 BORA diese Pflicht einschränkt. Es entspreche dem Gewohnheitsrecht, dass Rechtsanwälte vor dem AG Augsburg eine Robe tragen. Daran ändere auch § 20 BORA nichts. Die Frage, ob eine Robe getragen werden muss, lasse sich nicht ausschließlich von dem Berufsrecht beantworten.

     

    Dass das LG Augsburg auf das Gewohnheitsrecht zurückgreift, ist problematisch. Mit § 20 BORA existiert seit zwanzig Jahren eine dem Gewohnheitsrecht vorrangige Vorschrift im anwaltlichen Berufsrecht. Schließlich war es das BVerfG, das in den grundlegenden Bastille-Beschlüssen (AnwBl 87, 598) ausgeführt hat, grundsätzliche Erwägungen sprächen dagegen, im Bereich eines kodifizierten Rechtsgebiets Gewohnheitsrecht anzunehmen.

     

    Im Jahr 2011 hat der ehemalige EU-Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen Michel Barnier auf eine parlamentarische Anfrage zur Frage der anwaltlichen Robenpflicht vor den Gerichten der Mitgliedstaaten geantwortet: Regelungen zur Robenpflicht seien grundsätzlich den Mitgliedstaaten vorbehalten. Das Tragen einer Robe vor Gericht unterfalle mithin den nationalen Bestimmungen, insbesondere den Vorschriften der Gerichte des Aufnahmestaats. Ein Anwalt, der in einem anderen Mitgliedstaat vor Gericht auftritt, müsse in dieser Frage daher die dortigen Vorschriften beachten (BRAK, Nachrichten aus Brüssel, Ausgabe 6/11 vom 17.3.11, S. 4).

     

    Weiterführende Hinweise

    • AK 15, 110: Erklärvideos als Werbemaßnahme
    • AK 15, 76: Werben als „Spezialist“: Lohnt sich der neue Weg im anwaltlichen Werberecht?
    • AK 15, 57: So grenzen Sie zulässige Werbemaßnahmen von unzulässiger Schockwerbung ab
    • AK 14, 177: Aktiv werben, aber sachlich: So nutzen Sie die neuen Möglichkeiten aus!
    • In einer der folgenden Ausgaben von AK berichten wir näher zur aktuellen Entscheidung des AG Augsburg (a.a.O).
    Quelle: Ausgabe 09 / 2015 | Seite 146 | ID 43541549