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  • · Fachbeitrag · AEAO-Änderungen (Teil 1)

    Die Finanzverwaltung erhält neue Anweisungen zum Gemeinnützigkeitsrecht

    von RAin und Fachanwältin für Steuer- und Sozialrecht Gabriele Ritter, Ritter&Partner mbB, Rechtsanwälte und Steuerberater, Wittlich

    | Mit Schreiben vom 31.1.19 (IV A 3 - S 0062/18/10005) hat das BMF den Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) umfassend überarbeitet. Der AEAO ist eine interne Verwaltungsanweisung für die Finanzbehörden. Die Änderungen betreffen zu einem großen Teil das Gemeinnützigkeitsrecht und sind daher für Stiftungen von Bedeutung. |

    1. Was wurde geändert bzw. ergänzt?

    Mit dem aktuellen Schreiben des BMF wurden folgende gemeinnützigkeitsrechtlichen Bestimmungen überarbeitet:

     

    • § 58 AO (Steuerlich unschädliche Betätigungen)
    • § 59 AO (Voraussetzungen der Steuervergünstigung)
    • § 60a AO (Feststellung der satzungsmäßigen Voraussetzungen)
    • § 61 AO (Satzungsmäßige Vermögensbindung)
    • § 64 AO (Steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe)

     

    Berücksichtigt werden insbesondere neuere Entwicklungen in der Rechtsprechung, aber auch neue politische Rahmenbedingungen. Der erste Teil des Beitrags beschäftigt sich mit den Anpassungen der §§ 51bis 61 AO.

    2. Steuerbegünstigte Körperschaft (§ 51 AO)

    Die Änderungen zu § 51 AO betreffen redaktionelle Änderungen sowie die Einbeziehung der Rechtsprechung des BFH zu § 53 Abs. 3 AO. Das Urteil vom 14.3.18 (V R 36/16, Abruf-Nr. 200984) behandelt die Steuerbegünstigung extremistischer Körperschaften. Ob eine solche als extremistisch gilt, richtet sich nach den §§ 3 und 4 BVerfSchG.

     

    Der BFH stellte in seinen Urteilsgründen fest, dass im Rahmen einer entsprechenden Prüfung die Leistungen der Körperschaft für das Gemeinwohl nicht im Wege einer Gesamtschau gegen Anhaltspunkte für eine verfassungsfeindliche tatsächliche Geschäftsführung abzuwägen sind. Ist eine Körperschaft im Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eines Landes ausdrücklich als extremistisch eingestuft, ist eine Steuerbegünstigung im Regelfall ausgeschlossen. Dies kann nur durch den vollen Beweis des Gegenteils widerlegt werden; eine Erschütterung reicht nicht aus.

     

    Auf dieses Urteil weist der AEAO durch Zusätze in Nr. 9 und Nr. 10 des AEAO zu § 51 Abs. 2 AO hin.

    3. Gemeinnützige Zwecke (§ 52 AO)

    Breiten Raum nehmen die Änderungen zu den in § 52 AO geregelten gemeinnützigen Zwecken ein.

     

    3.1. Vorführen von Filmen (Nr. 2.2. AEAO zu § 52 AO)

    Das Vorführen von Filmen allein ist noch keine gemeinnützige Tätigkeit. Kommunale Kinos können gleichwohl gemeinnützig sein, wenn bestimmte weitere Voraussetzungen erfüllt sind. Dazu zählt,

    • ob ein kommunaler Kinoverein öffentliche Zuschüsse erhält,
    • ob er in die gesamte Kulturarbeit der Kommune integriert ist,
    • ob sich das Programm inhaltlich, konzeptionell und formal von etwa vorhandenen gewerblichen Kinos am Ort unterscheidet,
    • ob die Filme in bestimmten Sachzusammenhängen gezeigt und ob sie inhaltlich aufbereitet werden, z. B. durch begleitende Vorträge.

     

    Dabei reicht es aus, wenn ‒ so der AEAO ausdrücklich weiter ‒ der Kinoverein einige der genannten Kriterien erfüllt. Auf die künstlerische Qualität der einzelnen gezeigten Filme kommt es nicht an.

     

    Soweit der AEAO von „Kinoverein“ spricht, soll dadurch u. E. keine Begrenzung auf die Rechtsform des Vereins begründet werden. Es sind keine Gesichtspunkte erkennbar, weshalb diese Kriterien z. B. nicht auch auf eine kommunale Stiftung anwendbar sein sollten.

     

    3.2. Gemeinnützigkeit von Anglervereinen (neue Nr. 2.4 AEAO zu § 52 AO)

    Vereine, deren satzungsmäßige Zwecke die Förderung der nicht gewerblichen Fischerei ist (Anglervereine), können unter dem Gesichtspunkt der Förderung des Naturschutzes und der Landschaftspflege als gemeinnützig anerkannt werden.

     

    Ihre Tätigkeit ist im Wesentlichen auf die einheitliche Ausrichtung und Vertretung der Mitgliederinteressen bei der Hege und Pflege des Fischbestands in den Gewässern in Verbindung mit Maßnahmen zum Schutz und zur Reinhaltung dieser Gewässer, sowie die Erhaltung der Schönheit und Ursprünglichkeit der Gewässer i. S. d. Naturschutzes und der Landschaftspflege gerichtet.

     

    Beachten Sie | Wettfischveranstaltungen sind nicht mit dem Tierschutzgesetz und mit der Gemeinnützigkeit vereinbar.

     

    Diese neue Ergänzung muss ‒ trotz des wiederholten Bezugs auf die Rechtsform des Vereins ‒ auch für Stiftungen gelten, wenngleich die Bedeutung auch hier nicht groß sein dürfte.

     

    3.3 Gemeinnütziger Vertriebenenverband (Nr. 2.5 AEAO zu § 52 AO)

    Das BMF stellt Kriterien auf, ab wann noch von einer gemeinnützigen Zweckverfolgung a„Fürsorge für Vertriebene“ und ab wann von einer Verfolgung individueller Rechtsansprüche ausgegangen werden kann.

     

    Für die Gemeinnützigkeit eines Vertriebenenverbands ist es nach Auffassung des BMF unschädlich, wenn er nach seiner Satzung allgemein ‒ im Sinne einer Wiederherstellung der allgemeinen Gerechtigkeit ‒ auch Zwecke wie „Wiedergutmachung des Vertreibungsunrechts“ oder „Rückgabe des konfiszierten Vermögens auf der Basis eines gerechten Ausgleichs“ fördert.

     

    Zu beanstanden sind jedoch Formulierungen, die nach Satzungszweck z. B. mit „Anspruch der Volksgruppen und der einzelnen Landsleute auf Rückerstattung des geraubten Vermögens und die sich daraus ergebenden Entschädigungsansprüche zu vertreten“ definieren. Vertriebenenverbände mit diesem oder einem ähnlich formulierten Satzungszweck können nicht als gemeinnützig behandelt werden.

     

    Satzungszwecke wie „Wiedervereinigung mit den Vertreibungsgebieten“ oder „Eingliederung der Vertreibungsgebiete“ sind ebenfalls schädlich für die Gemeinnützigkeit eines Vertriebenenverbandes. Die Verfolgung dieser Ziele ist keine Förderung der Allgemeinheit, weil solche Bestrebungen im Widerspruch zu den völkerrechtlich verbindlichen Verträgen der Bundesrepublik Deutschland mit ihren östlichen Nachbarstaaten und zum Grundgesetz stehen (vgl. BFH-Beschluss vom 16.10.91, I B 16/91, BFH/NV 1992 S. 505).

     

    3.4 Gemeinnützigkeit von Turnierbridge (jetzt Nr. 2.8 AEAO zu § 52 AO)

    Turnierbridge wird als vergleichbarer Zweck i. S. d. § 52 Abs. 2 Nr. 2 AO mit aufgenommen. Wird nach dem Regelwerk der World Bridge Federation gespielt, ist dies nach Auffassung des BFH gemeinnützig (BFH SB, 17, 138, Abruf -Nr. 191424).

     

    3.5 Gemeinnützigkeit von Internetvereinen (Nr. 3 AEAO zu § 52 AO)

    Überarbeitet worden sind die Hinweise zu Freiwilligenagenturen. Dies sind Körperschaften, die Menschen für freiwilliges, unentgeltliches Engagement bei steuerbegünstigten Körperschaften oder Körperschaften des öffentlichen Rechts qualifizieren und ihnen die entsprechenden Tätigkeiten vermitteln. Sie treten auch unter der Bezeichnung „Freiwilligenzentren“ oder „Ehrenamtsbörsen“ auf. Sie können wegen der Förderung der Bildung (§ 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO) gemeinnützig sein, weil das Schwergewicht ihrer Tätigkeit in der Aus- und Weiterbildung der Freiwilligen liegt. Die Vermittlung der Freiwilligen in das gewünschte Betätigungsfeld ist lediglich Endpunkt und Abschluss eines Qualifizierungsprozesses.

     

    Erhält die Agentur mit der Vermittlung von Freiwilligen ein Entgelt für ihre Leistungen, liegt ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb (wGB) vor, der sowohl die Ausbildungsleistung als auch die Vermittlung umfasst. Dieser ist jedoch als Zweckbetrieb (§ 65 AO) zu behandeln, weil das Entgelt für die Gesamtleistung ‒ mit Schwergewicht auf der Ausbildung ‒ gezahlt wird.

     

    3.6 Gemeinnützigkeit von Erfinderclubs (neu Nr. 4 AEAO zu § 52 AO)

    Erfinderclubs verfolgen in der Regel die Förderung von Bildung. Gemeinnützigkeit ist nur gegeben, wenn der Verein selbst forscht (Gebot der Unmittelbarkeit). Entscheidend ist, dass es sich nicht lediglich um einen Zusammenschluss von Personen handelt, die durch Erfindungen, Patente und ihre Verwertung persönliche Einkünfte erzielen wollen.

     

    Im Rahmen der Eigenforschung ist es allerdings unschädlich für die Steuerbegünstigung, wenn die Forschungsergebnisse zum Patent angemeldet werden und die Forschungsergebnisse der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden.

     

    3.7 Gemeinnützigkeit von Sport (Nr. 7 AEAO zu § 52 AO)

    Die Förderung des Sports wird nun in Nr. 7 neu gefasst, ist aber mit inhaltlichen Veränderungen nicht verbunden.

    4. Mittelverwendung (§ 55 AO)

     

    • Nr. 2 AEAO wird folgender Satz angefügt:

    Dies gilt nicht für Leistungen der steuerbegünstigten Einrichtung aus einem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 64 AO).

     

    4.1 Leistungen einer Eigengesellschaft (Nr. 2 AEAO zu § 55 AO)

    Zur Selbstlosigkeit einer eingesetzten Eigengesellschaft enthält der bisherige AEAO die Aussage, dass eine Steuerbegünstigung grundsätzlich nur in Betracht kommt, wenn die von der Eigengesellschaft erbrachten Leistungen angemessen vergütet werden. Maßstab ist das Entgelt, das von einem ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter auch mit einem Nichtgesellschafter als Auftraggeber vereinbart worden wäre. Dazu muss das Entgelt:

     

    • regelmäßig die Kosten ausgleichen und
    • einen marktüblichen Gewinnaufschlag beinhalten.

     

    Beachten Sie | Bei steuerbegünstigten Einrichtungen ist allerdings aufgrund der fehlenden Gewinnorientierung die Erhebung eines Gewinnaufschlags in der Regel nicht marktüblich, d. h. auch nicht erforderlich.

     

    Durch den hinzugekommenen Zusatz wird klargestellt, dass dies nicht für Leistungen gilt, die aus einem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb stammen.

     

    Konkret bedeutet dies: Hält eine gemeinnützige Stiftung eine 100%ige Beteiligung an einer ebenfalls gemeinnützigen (Tochter-)Gesellschaft, muss die Tochtergesellschaft an ihre gemeinnützige Muttergesellschaft (also die Stiftung) ein marktübliches Entgelt inkl. eines Gewinnaufschlags verlangen, wenn es sich um Leistungen handelt, die nicht unter die Steuerbegünstigung fallen, z. B. im Rahmen der Erbringung von Abrechnungsdiensten.

     

    4.2 Tätigkeitsvergütungen von Vorständen (Nr. 24 des AEAO zu § 55 AO)

    Werden an Vorstandsmitgliedern von Vereinen sowie Stiftungen Tätigkeitsvergütungen gezahlt, ist eine entsprechende Regelung in der Satzung erforderlich. Das BMF weist jetzt auf ein neueres Schreiben des BMF vom 21.11.14, BStBl 14 I S. 1581. Inhaltliche Änderungen sind damit nicht verbunden.

     

    4.3 Zeitnahe Mittelverwendung (Nr. 28 des AEAO zu § 55 AO)

    Die überarbeitete Nr. 28 betrifft die zeitnahe Mittelverwendung. Bei der Nachprüfung der Mittelverwendung ist ‒ entsprechend dem Urteil des BFH SB 18, 132, Abruf-Nr. 195795) ‒ nicht auf die einzelne Zuwendung, sondern auf die Gesamtheit aller zeitnah zu verwendenden Mittel und sonstigen Einnahmen bzw. Vermögenswerte der Körperschaft abzustellen. Diese müssen also nicht die Verwendung der einzelnen Mittel detailliert nachweisen. Es gilt eine Saldo- bzw. Globalbetrachtung.

    5. Steuerlich unschädliche Betätigungen (§ 58 AO)

    Nr. 1 AEAO zu § 58 AO nimmt nunmehr eine sehr wünschenswerte Regelung für Förderkörperschaften bzw. Mittelüberlassungskörperschaften auf. Im Rahmen von Mittelüberlassungen (z. B. bei Umstrukturierungen) konnte eine Übertragung von Vermögenswerten häufig deshalb nicht umgesetzt werden, weil die Mittel zu einem Zeitpunkt angeschafft wurden, zu dem die Körperschaft noch nicht die Fördertätigkeit als Satzungsgegenstand geregelt hatte.

     

    Für solche Körperschaften, z. B. Förderstiftungen, wird nun klarstellend ergänzt, dass weitergabefähige Mittel nicht nur solche sind, die bereits mit dem Ziel der Weitergabe beschafft wurden. Gemeinnützigkeitsunschädlich ist die Weitergabe sämtlicher Mittel, soweit die Satzung im Zeitpunkt der Weitergabe über eine entsprechende Satzungsregelung verfügt und die Zwecke der hingebenden und empfangenden Körperschaft insoweit identisch sind.

    6. Vermögensbindung (§ 61 AO)

    Nr. 1 des AEAO zu § 61 AO ist dahin gehend ergänzt worden, dass eine satzungsmäßige Vermögensbindung auch vorliegt, wenn in der Satzung eine in einem EU-/EWR-Staat ansässige juristische Person des öffentlichen Rechts als Anfallsberechtigte aufgeführt wird. Eine in einem EU-/EWR-Staat ansässige juristische Person des privaten Rechts ist hingegen nicht genannt, was möglicherweise gegen EU-Recht verstoßen könnte.

     

    Eine Stiftung könnte somit als anfallsberechtigte Körperschaft in ihrer Satzung eine in einem anderen EU-Staat ansässige Stiftung des öffentlichen Rechts, nicht aber eine solche des privaten Rechts benennen.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Der Beitrag wird in SB 07/2019 mit den weiteren Änderungen des AEAO zur Gemeinnützigkeit fortgesetzt.
    Quelle: Ausgabe 06 / 2019 | Seite 113 | ID 45932705