· Wettbewerbsrecht
Unzulässige Hervorhebung von Anwaltsinkasso

| Die Einziehung einer fremden Forderung stellt nach § 2 Abs. 2 RDG eine Inkassodienstleistung dar, die ein Unterfall einer Rechtsdienstleistung ist. Die Inkassodienstleistung wird von Rechtsanwälten und von Inkassodienstleistern erbracht, die sich insoweit als Konkurrenten gegenüberstehen. Das stellt beide in ein unmittelbares Wettbewerbsverhältnis. Folge: Bei der Eigenwerbung müssen die Grenzen des unlauteren Wettbewerbs in besonderer Weise beachtet werden, wenn Abmahnungen vermieden werden sollen. Dies zeigt eine aktuelle Entscheidung des LG Darmstadt. |
Sachverhalt
Der Kläger, ein qualifizierter Wirtschaftsverband im Sinne des § 8b UWG mit mehr als 75 Inkassodienstleistern als Mitgliedsunternehmen, begehrt von dem Beklagten Ersatz von Kosten einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung. Der Beklagte ist Rechtsanwalt und bewarb auf seinem Internetauftritt anwaltliche Inkassodienstleistungen mit folgenden Aussagen: „Sie zahlen zunächst weder einen Gebühren- noch einen Auslagenvorschuss, auch keinen Mitglieds- oder Vereinsbeitrag, wie dies bei vielen Inkassobüros üblich ist ... Bei der Beauftragung eines Inkassounternehmens dürfen nach überwiegender Rechtsprechung vom Schuldner keine Inkassokosten verlangt werden. Aus diesem Grund sind Inkassounternehmen für den Gläubiger meist teurer als ein Anwalt. Denn Rechtsanwaltsgebühren dürfen geltend gemacht werden ... Ihre Vorteile und Ihr Gewinn beim Anwaltsinkasso: Mahnung, Titulierung, Vollstreckung ‒ alles aus einer Hand, im Erfolgsfall keinerlei Gebühren und Auslagen, keine überflüssigen Kosten eines Inkassounternehmens, die Sie selbst tragen, keine Mitglieds- oder Vereinsbeiträge, bei Erfolglosigkeit des Anwaltsinkasso fallen nur die Pauschalgebühr und bare Auslagen an.“
Im Disclaimer auf dem Internetauftritt des Beklagten hieß es wie folgt: „Als Dienste-Anbieter sind wir gemäß § 7 Abs. 1 TMG für eigene Inhalte auf diesen Seiten nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich. Nach §§ 8 bis 10 TMG sind wir als Dienste-Anbieter jedoch nicht verpflichtet, übermittelte oder gespeicherte fremde Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen.“
Der Kläger mahnte den Beklagten mit Schreiben vom 3.9.24, dem insgesamt 42. Schreiben dieser Art im Jahr 2024, ab. Der Beklagte verweigerte die Abgabe einer Unterlassungserklärung. Der Kläger verfolgte die geltend gemachten Unterlassungsansprüche im Wege eines einstweiligen Verfügungsverfahrens, in dem der Kläger eine verfahrensfremde eidesstattliche Versicherung vorlegte. Die Parteien legten diesen beim Landgericht Darmstadt geführten Rechtsstreit einvernehmlich durch einen Vergleich bei.
Der Kläger nahm den Beklagten im Folgenden auf Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch. Der Kläger ist der Ansicht, ihm stehe ein Aufwendungserstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 UWG in Höhe von 297,50 EUR zu. Das LG hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der Auffassung, das klägerische Verhalten stelle sich als missbräuchlich im Sinne von § 8c Abs. 1 und 2 Nr. 2 UWG dar.
Entscheidungsgründe
Das LG hat die Unterlassungsansprüche und in der Folge dessen den Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten als begründet angesehen.
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(Abruf-Nr. 248586) |
Der Kläger hat einen Anspruch auf Ersatz eines Betrags in Höhe von 297,50 EUR gemäß § 13 Abs. 3 UWG. Er hat den Beklagten mit Schreiben vom 3.9.24 im Sinne von § 13 Abs. 1 UWG berechtigt abgemahnt, wobei die Voraussetzungen von § 13 Abs. 2 UWG beachtet wurden. Der Kläger ist nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG auch anspruchsberechtigt, da er in die Liste nach § 8b UWG eingetragen ist und ihm eine erhebliche Zahl von Unternehmen unmittelbar oder mittelbar angehören, die auf dem hier sachlich und räumlich maßgeblichen Markt der Inkassodienstleistungen tätig sind, und er nach seiner Ausstattung seine satzungsmäßigen Aufgaben auch tatsächlich wahrnehmen kann.
Der Kläger hatte einen Unterlassungsanspruch aus §§ 3, 3a, 8 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 2 UWG. An die Aussagen des Beklagten zum Anwaltsinkasso und zur Beauftragung eines Inkassounternehmens, die Teil des Internetauftritts des Beklagten waren, sind die im Hinblick auf den sog. Systemvergleich entwickelten Maßstäbe anzulegen. Denn eine Bezugnahme zu einem bestimmten Inkassounternehmen war dem Internetauftritt des Beklagten nicht zu entnehmen.
Ein Systemvergleich ist grundsätzlich zulässig. Er ist jedoch nach §§ 3, 5 UWG unzulässig, wenn er gegen das Sachlichkeitsgebot verstößt. Ein solcher Verstoß liegt vor, wenn zu den mit jedem Werbevergleich verbundenen (negativen) Wirkungen für die Konkurrenz besondere Umstände hinzutreten, die den Vergleich in unangemessener Weise abfällig, abwertend oder unsachlich erscheinen lassen (OLG Frankfurt am Main 22.2.01, 6 U 203/00; Eck/Ikas, in: Hasselblatt, MAH Gewerblicher Rechtsschutz, 6. Aufl., § 22 IV 2, Rn. 27). Insbesondere darf durch die Hervorhebung bestimmter Eigenschaften kein falsches Gesamtbild, also kein „schiefes Bild“ entstehen (OLG Hamburg 20.8.02, 5 U 151/02) und der Vergleich muss nachprüfbar sein (Dreyer, in: Harte- Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 5. Aufl., Rn. 1373).
Zahlreiche Aussagen des Beklagten zum Anwaltsinkasso und zur Beauftragung von Inkassounternehmen stellen sich danach als unzulässig dar:
- Der Beklagte führte aus, dass die Beauftragung von Inkassounternehmen meist teurer sei als die Beauftragung eines Anwalts mit Inkassodienstleistungen, weil nach überwiegender Rechtsprechung vom Schuldner keine Inkassokosten verlangt werden dürfen. Die Aussage ist falsch: Hierdurch wird dem Verbraucher ein unzutreffender Eindruck im Hinblick auf die Ersatzfähigkeit von mit der Beauftragung von Inkassounternehmen verbundenen Kosten vermittelt, zumal die Tätigkeit von Inkassodienstleistern im Gesetz über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen (RDG, BGBl. I 07 2840) ausdrücklich gesetzlich Anerkennung fand, und das BVerfG bereits im Jahr 2011 festgestellt hat, dass Kosten eines Inkassobüros „nach vielfacher höchst- und obergerichtlicher Rechtsprechung und h. M. in der Literatur, unbeschadet bestimmter Einschränkungen, als Verzugsschaden geltend gemacht werden [können]“ (7.9.11, 1 BvR 1012/11).
- Beachten Sie | Die Erstattungsfähigkeit von Inkassokosten hat der BGH aktuell (19.2.25, VIII ZR 138/23, Abruf-Nr. 247475) bestätigt. Aus § 13e RDG ergibt sich dazu, dass Inkassokosten bis zur Höhe der einem Rechtsanwalt zustehenden Vergütung vom Schuldner zu erstatten sind. Es entspricht deshalb der heutigen Praxis, dass Inkassounternehmen eine Vergütung in Höhe der Gebühren und Auslagen nach dem RVG vereinbaren. Zum Vorteil des Gläubigers muss dieser die Vergütung allerdings nicht bar zahlen, sondern erfüllt seine Verpflichtung durch die Abtretung des Erstattungsanspruchs gegen den Schuldner nach § 364 BGB an Erfüllungs statt. Da sich der Erstattungsanspruch nicht in jedem Fall realisieren lässt, zahlt der Gläubiger im Übrigen eine Erfolgsprovision als eine Art Versicherungsprämie für die Übernahme des Liquiditätsrisikos. Der Begriff Erfolgsprovision ist insoweit irreführend, da es sich um eine selbstständige Vergütung für die Übernahme des Liquiditätsrisikos handelt, die als solche dann tatsächlich nicht erstattungsfähig ist. Der Gläubiger hat aber den Vorteil, dass er schlechtem Geld (Offene Forderung) nicht noch gutes (für die Rechtsverfolgungskosten) hinterherwerfen muss.
- Die weitere Aussage „Im Erfolgsfall keinerlei Gebühren und Auslagen“ unter der Überschrift „Ihre Vorteile und Ihr Gewinn beim Anwaltsinkasso“ vermittelt bei einem Verbraucher den unzutreffenden Eindruck, dass dann, wenn der Schuldner nach Einschaltung eines Rechtsanwalts die Forderung bezahlt, mit deren Geltendmachung der Rechtsanwalt beauftragt war, auf den Auftraggeber keine Kosten zukommen. Dies ist insofern unzutreffend, als der Auftraggeber des Rechtsanwalts weiter für dessen Gebühren und Auslagen haftet, wenn der Schuldner sie nicht zahlt bzw. nicht zahlen kann.
- Die Aussage „Keine überflüssigen Kosten eines Inkassounternehmens, die Sie selbst tragen“, vermittelt einem Verbraucher den unzutreffenden Eindruck, dass Kosten eines Inkassounternehmens als solche überflüssig und von dem Auftraggeber zu tragen sind.
- Die Aussage „Keine Mitglieds- oder Vereinsbeiträge“ vermittelt den falschen Eindruck, bei der Inanspruchnahme eines Inkassounternehmens seien zumindest in der Regel Mitglieds- oder Vereinsbeiträge zu entrichten.
Es konnte dahinstehen, ob die Abmahnung auch im Hinblick auf die Angaben im Impressum berechtigt war oder nicht. Denn eine von einem Wettbewerbsverband geltend gemachte Kostenpauschale ist auch in voller Höhe zu zahlen, wenn die Abmahnung nur teilweise berechtigt ist (BGH 11.3.09, I ZR 194/06).
Das LG vermochte einen Verstoß gegen das Verbot der missbräuchlichen Geltendmachung aus § 8c Abs. 1, Abs. 2 UWG nicht zu erkennen. Grundsätzlich ist es Sache des Abgemahnten, Tatsachen für das Vorliegen eines Missbrauchs darzulegen und dafür Beweis anzutreten. Dies gilt auch für das Vorgehen eines Verbands, für den die Vermutung spricht, seinen satzungsmäßigen Zwecken nachzugehen. Ist diese Vermutung allerdings durch entsprechenden Tatsachenvortrag erschüttert, muss der Abmahnende substanziiert die Gründe darlegen, die gegen einen Missbrauch sprechen (BGH 7.3.24, I ZR 83/23).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist von einem Rechtsmissbrauch nicht auszugehen. Soweit der abgemahnte Rechtsanwalt darauf hinweist, dass der abmahnende Wettbewerbsverband offensichtlich „Massenabmahnungen“ praktiziere, verfange dies nicht. Vielmehr spreche der Umstand, dass es sich bei dem hier streitgegenständlichen Abmahnschreiben um das 42. Schreiben dieser Art im Jahr 2024 handelte, gegen die Annahme, dass der Kläger massenhaft Abmahnungen versendet, und die Abmahntätigkeit außer Verhältnis zur Geschäftstätigkeit des Verbandes steht.
Das LG folgt dem Abgemahnten auch nicht darin, dass an der Verfolgung der in Rede stehenden Wettbewerbsverstöße bei objektiver Betrachtung kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse neben dem Gebührenerzielungsinteresse bestehen könne. Die wettbewerbswidrigen Aussagen des Beklagten betreffen die Branche der Inkassounternehmen im Allgemeinen und können Verbraucher davon abhalten, sich überhaupt an Inkassounternehmen zu wenden.
Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass der Wettbewerb zwischen Anwälten und Inkassodienstleistern nicht unmittelbar auf der Ebene der Vergütung geführt werden kann. Die beiden Rechtsdienstleister bieten dem Grundsatz nach identische Vergütungsmodelle auf der Basis des RVG an. Da der Inkassodienstleister, anderes als der Rechtsanwalt, aber in der Gestaltung von Erfolgsprovisionen berufsrechtlich freier ist, kann der Inkassodienstleister dem Gläubiger auf der Erfüllungsebene für den Vergütungsanspruch weiter entgegenkommen, als es ein Rechtsanwalt kann. Welches Modell für einen Gläubiger günstiger ist, ist eine Frage des jeweiligen Einzelfalls und hängt auch von den erwarteten oder tatsächlichen Realisierungsquoten ab.
Relevanz für die Praxis
Für den nicht auf Inkassodienstleistungen spezialisierten Anwalt bietet sich sogar eine Zusammenarbeit mit einem Inkassodienstleister in der nachgerichtlichen Forderungseinziehung an. Viele Mandanten, vor allem solche, die rechtsschutzversichert sind, sind unzufrieden, wenn nach drei erfolglosen Vollstreckungsversuchen kein Einziehungserfolg verbucht werden konnte und die Rechtsschutzversicherung keine weiteren Versuche finanziert. Hier können wirtschaftlich kostenneutrale Modelle der Langzeitüberwachung durch einen Inkassodienstleister ungeachtet der dann fälligen Vergütung für die Übernahme des Liquiditätsrisikos allein im Erfolgsfall interessant sein.