· Fachbeitrag · Energieversorgung
Versorgungsunterbrechung wegen Zahlungsverzug durchsetzen
| Für viele private Haushalte stellen die gestiegenen Preise für Strom und Gas eine finanzielle Herausforderung dar. Nach Ermittlung des Statistischen Bundesamts lebten in 2024 rund 4,2 Millionen Menschen in Haushalten, die bei Strom- oder Gasanbietern im Zahlungsverzug waren. Als Folge droht eine Unterbrechung der Versorgung. Die Energieversorger stehen dann oft vor der Frage, wie sie die Sperrung der Versorgung tatsächlich und zeitnah durchsetzen können, vor allem, wenn die Kunden den notwendigen Zugang zu den Strom- und Gaszählern verweigern. Eine Entscheidung des OLG Celle zeigt, wie sich das Verfahren entwickeln kann. |
Sachverhalt
Der Energieversorger hat die Schuldner mit Strom und Gas beliefert (Grundversorgung). Die Schuldner befanden sich mit ihren Zahlungspflichten hieraus in erheblichem Verzug, sodass die Voraussetzungen für eine Unterbrechung der Strom- und Gasversorgung vorlagen. Dabei überstiegen die Rückstände das Doppelte der monatlichen Abschlagsbeträge sowie die gesetzliche Mindestgrenze von 100 EUR (§ 19 Abs. 2 S. 8 und 9 Strom-/GasGVV). Mit Schreiben vom 11.3.25 mahnte der Energieversorger die Rückstände, drohte die Unterbrechung der Versorgung an und wies auf Möglichkeiten hin, die Sperre abzuwenden ‒ einschließlich des Abschlusses einer Abwendungsvereinbarung und der Geltendmachung von Unverhältnismäßigkeitsgründen. Entsprechende Einwendungen, vor allem eine Gefährdung von Leib oder Leben, wurden weder vorgetragen noch waren solche Umstände ersichtlich. Die gesetzliche Vierwochenfrist nach § 19 Abs. 2 S. 1 Strom-/GasGVV war abgelaufen.
Mit weiterem Schreiben vom 26.3.25 kündigte der Energieversorger die Versorgungsunterbrechung gemäß § 19 Abs. 4 S. 1 Strom-/GasGVV fristgerecht an und informierte die Schuldner ordnungsgemäß über den Grund der Maßnahme sowie die voraussichtlichen Kosten der Unterbrechung und Wiederherstellung (§ 19 Abs. 6 Strom-/GasGVV). Er hat dann den zuständigen Netzbetreiber mit der Sperrung der Versorgung beauftragt. Den Zugang zu den Messeinrichtungen (Strom- und Gaszähler) haben die Schuldner verweigert.
Entscheidungsgründe
Das EVU hat beantragt, den Zugang mittels einstweiliger Verfügung zu sichern und das OLG hat dem stattgegeben (30.7.25, 13 W 24/25, Abruf-Nr. 251104).
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Der Erlass einer einstweiligen Verfügung ist in §§ 935 ff. ZPO geregelt. Damit kann Eilrechtsschutz gewährt werden, um den Antragsteller vor wesentlichen Nachteilen zu schützen, bis in der Hauptsache entschieden ist. Zuständig ist das AG oder LG, das auch für die Hauptsache zuständig wäre (§ 937 Abs. 1 ZPO). Dazu müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein.
- Verfügungsanspruch: Der Antragsteller muss einen materiellen Anspruch glaubhaft machen, der durch die Verfügung gesichert werden soll, z. B. einen Anspruch auf Unterlassung, Herausgabe, Duldung oder Zahlung.
- Verfügungsgrund: Es muss ein dringendes Bedürfnis für eine sofortige Regelung bestehen, weil ohne sie die Verwirklichung des Anspruchs vereitelt oder wesentlich erschwert würde (§§ 935, 940 ZPO).
- Glaubhaftmachung (§ 936 i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO): Sowohl Anspruch als auch Grund müssen glaubhaft gemacht werden. Das Gericht entscheidet auf Grundlage summarischer Prüfung, also ohne vollständige Beweisaufnahme.
- Keine Vorwegnahme der Hauptsache: Die einstweilige Verfügung (§§ 935 ff. ZPO) dient nur der Sicherung oder vorläufigen Regelung eines Anspruchs. Sie darf die Hauptsache nicht endgültig entscheiden.
Das OLG hat diese Voraussetzungen als gegeben angesehen. Die Voraussetzungen für eine Unterbrechung der Stromversorgung gemäß § 19 Abs. 2 bis 6 StromGVV sowie der Gasversorgung nach § 19 Abs. 2 bis 6 GasGVV lagen nach dem unstreitigen Sachverhalt vor. Der Verfügungsanspruch war daher begründet.
Darüber hinaus hat das OLG Celle auch den erforderlichen Verfügungsgrund bejaht. Die Befugnis des Grundversorgers nach § 19 Abs. 2 S. 1 Strom-/GasGVV, bei Nichterfüllung einer Zahlungsverpflichtung trotz Mahnung die Grundversorgung mit Strom oder Gas unterbrechen zu lassen, stelle eine besondere Ausprägung des Leistungsverweigerungsrechts nach §§ 273, 320 BGB dar (BGH 3.7.91, VIII ZR 190/90). Dieses gesetzliche Zurückbehaltungsrecht werde durch die Regelungen der §§ 19 Abs. 2 bis 6 Strom-/GasGVV modifiziert und konkretisiert.
Zur tatsächlichen Ausübung dieses Rechts sei regelmäßig die Sperrung des Strom- oder Gaszählers erforderlich (BVerfG 29.9.81, 1 BvR 581/81). Ein Energieversorgungsunternehmen könne seine Leistung technisch nicht auf andere Weise zurückhalten, sodass der Zutritt zum Zähler zwingende Voraussetzung für die Durchsetzung des Leistungsverweigerungsrechts sei.
Die Unterbrechung der Versorgung sei für die Antragstellerin auch dringend erforderlich, da ohne diese Sofortmaßnahme die Durchsetzung ihres Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert worden wäre. Ein Zuwarten auf eine Entscheidung in der Hauptsache sei ihr nicht zuzumuten, da ohne die Sperrung ein weiteres Anwachsen der Zahlungsrückstände drohte und regelmäßig auch der vollständige Ausfall der offenen Forderungen zu befürchten sei.
Umstritten ist bislang die Frage, ob mit einer Versorgungsunterbrechung eine Vorwegnahme der Hauptsache begründet wird. Das OLG Celle verneint diese Frage mit eingehender Begründung. Mit dem Erlass einer auf die Duldung der Zählersperrung gerichteten einstweiligen Verfügung werde zwar das Recht des Energieversorgers durchgesetzt, die Grundversorgung unterbrechen zu lassen. Insoweit seien die Anträge in einem einstweiligen Verfügungsverfahren und in einem entsprechenden Hauptsacheverfahren gleichlautend. Entgegen einer streng formalen Betrachtungsweise liege die Hauptsache jedoch nicht im Erlass eines auf Duldung der Zählersperrung gerichteten Titels (LG Potsdam 2.5.08, 13 T 23/08; LG Lübeck 7.0.14, 1 T 64/13). Bei wertender Betrachtung sei vielmehr die Bezahlung der Energielieferungen als Hauptsache anzusehen. Diese werde durch die Verpflichtung zur Duldung der Versorgungsunterbrechung gerade nicht vorweggenommen (OLG Koblenz 14.12.04, 8 W 826/04).
Die Duldungspflicht des Kunden stelle nur einen Annex zur Durchsetzung des Leistungsverweigerungsrechts des Energieversorgers dar (OLG Karlsruhe 31.1.23, 9 W 71/22). Mit der einstweiligen Verfügung solle nur die Möglichkeit geschaffen werden, weitere Zahlungsrückstände zu verhindern. Die bereits entstandenen Forderungen blieben davon unberührt und seien weiterhin im Hauptsacheverfahren geltend zu machen.
Die durch die einstweilige Verfügung zu ermöglichende Versorgungsunterbrechung sei für die Antragstellerin zudem so eilbedürftig, dass ohne diese Sofortmaßnahme die Durchsetzung ihres Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert worden wäre. Ein Zuwarten auf eine Entscheidung in der Hauptsache sei ihr nicht zuzumuten, da andernfalls ein weiteres Anwachsen der Zahlungsrückstände und häufig auch der vollständige Forderungsausfall drohten.
Die vom Antragsgegner zu duldende Unterbrechung der Energieversorgung stelle daher regelmäßig keine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache dar (vgl. OLG Koblenz 14.12.04, 8 W 826/04; OLG Karlsruhe 18.5.16, 14 U 172/15; 31.1.23, 9 W 71/22).
Relevanz für die Praxis
Dem Schuldner kann nur geraten werden, von der Möglichkeit einer Abwendungsvereinbarung Gebrauch zu machen, also eine Zahlungsvereinbarung zu treffen. Ist er nach seinem Einkommen und Vermögen objektiv nicht in der Lage, die Energiekosten zu tragen, wird er die Beantragung von Wohngeld oder ergänzender Grundsicherung (Bürgergeld) in Betracht ziehen müssen. Viele Energieversorger unterhalten zu diesen Fragen ein Sozialmanagement.
Dem Energieversorger ist als Gläubiger dagegen die Möglichkeit eröffnet, den für eine Versorgungsunterbrechung notwendigen Zugang zu den Messeinrichtungen durch einstweilige Verfügung durchzusetzen. Allzu renitente Kunden werden sich auch davon wenig beeindruckt zeigen und den Zugang weiterhin verweigern. Die Durchsetzung kann dann nur im Wege der Zwangsvollstreckung erfolgen.