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  • · Fachbeitrag · EGBGB

    Versorgungsausgleich bei Ausländerbeteiligung

    von VRiOLG Hartmut Wick, Celle

    | Durch die EU-Verordnung Nr. 1259/2010 vom 20.12.10 (sog. Rom III-VO) ist ein neues europäisches Scheidungskollisionsrecht geschaffen worden. Die VO regelt, welches Recht im Fall eines Auslandsbezugs auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwenden ist. Es handelt sich hierbei um in Deutschland unmittelbar geltendes Recht. |

    1. Gegenstand der Rom-III-VO

    Die VO ist nach ihrem Art. 21 S. 2 seit dem 21.6.12 in Kraft. Danach ist, wenn die Eheleute keine (grundsätzlich zulässige) Rechtswahl getroffen haben, auf die Scheidung in erster Linie das Recht des Staates anwendbar, in dem sie beide ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben oder zuletzt hatten. Die Staatsangehörigkeit der Ehegatten wird nur noch in Ausnahmefällen bedeutsam sein. Das auf die Scheidungsfolgen anzuwendende Recht regelt die VO nicht.

    2. Neufassung des Art. 17 EGBGB

    Mit dem am 29.1.13 in Kraft getretenen Gesetz zur Anpassung der Vorschriften des Internationalen Privatrechts vom 23.1.13 (BGBl. 2013 I, S. 101) ist u.a. Art. 17 EGBGB geändert worden. Art. 17 Abs. 1 EGBGB n.F. regelt jetzt nicht mehr das Scheidungsstatut, sondern das auf die vermögensrechtlichen Scheidungsfolgen anzuwendende Recht. Es wird an das nach der Rom III-VO anzuwendende Scheidungsrecht geknüpft, soweit nicht in Sondervorschriften etwas anderes geregelt ist. Art. 17 Abs. 3 EGBGB enthält auch in seiner Neufassung besondere Bestimmungen für den Versorgungsausgleich (VA). Diese wurden an die Rom III-VO angepasst.

    3. Das VA-Statut des Art. 17 Abs. 3 EGBGB

    Nach Art. 17 Abs. 3 S. 1 HS. 1 EGBGB n.F. unterliegt der VA weiterhin dem auf die Scheidung anzuwendenden Recht. Ist auf die Scheidung deutsches Recht anwendbar, richtet sich daher auch der VA nach deutschem Recht. Da in der Rom III-VO vorrangig an den gewöhnlichen Aufenthalt und nicht an die Staatsangehörigkeit angeknüpft wird, dürften sich die Scheidung und damit auch der VA in Fällen mit Ausländerbeteiligung häufiger als bisher nach deutschem Recht richten. Selbst bei gemeinsamer ausländischer Staatsangehörigkeit können die Ehegatten die Anwendung deutschen Rechts nur durch eine Rechtswahlvereinbarung nach Art. 5 Rom III-VO verhindern. Diese bedarf nach Art. 46d EGBGB n.F. der notariellen Beurkundung.

    4. Scheidung nach deutschem Recht

    Richten sich die Scheidung und damit auch der VA nach deutschem Recht, gilt bei Ausländerbeteiligung Folgendes, Art. 17 Abs. 3 S. 1 HS. 2 EGBGB n.F.:

     

    • Hat nur ein Ehegatte eine ausländische, der andere die deutsche Staatsangehörigkeit, ist stets ein VA nach deutschem Recht durchzuführen.
    • Haben beide eine ausländische Staatsangehörigkeit, ist ein VA nur durchzuführen, wenn ihn das Recht eines der Staaten kennt, denen die Ehegatten im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags angehören.

     

    Ob ein ausländisches Recht einen VA „kennt“, ist u.U. schwierig festzustellen, weil die Reichweite ausländischer Regelungen meist mehr oder weniger deutlich hinter derjenigen des deutschen Rechts zurückbleibt. Ein dem deutschen VA ähnliches Rechtsinstitut findet sich nur in wenigen Rechtsordnungen, z.B. in Kanada, den Niederlanden, der Schweiz und Großbritannien. Der BGH verlangt, dass der Kerngehalt des betreffenden ausländischen Rechtsinstituts mit den wesentlichen Strukturmerkmalen des VA vergleichbar ist (Wick, FK 09, 135). Die ausländischen Bestimmungen müssen darauf gerichtet sein, die wesentlichen in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechte unabhängig von Bedürfnis, Leistungsfähigkeit und Güterstand der Ehegatten angemessen aufzuteilen und dem Ausgleichsberechtigten möglichst eigene Ansprüche gegen einen Versorgungsträger zu verschaffen. Allerdings reicht es grundsätzlich aus, wenn das ausländische Sachrecht nur einen dem deutschen schuldrechtlichen VA vergleichbaren Ausgleichsmechanismus vorsieht (BGH FamRZ 09, 681; Wick, FK 09, 135). Gleichwohl hat der BGH eine Adäquanz des niederländischen VA verneint. Denn nach niederländischem Recht unterliegen zwar deutsche gesetzliche Rentenanwartschaften dem VA, nicht aber die - nach deutschem Recht in den VA einzubeziehenden - Anrechte auf die niederländische AOW-Pension. Dadurch würde der Halbteilungsgrundsatz erheblich verletzt. Da Art. 17 Abs. 3 EGBGB insbesondere den angemessenen Ausgleich deutscher Versorgungsanrechte sicherstellen solle, müsse das berufene ausländische Sachrecht auch einen mit dem deutschen Recht strukturell vergleichbaren Ausgleich „ausländischer“ (d.h. insoweit also deutscher) Anrechte und einen angemessenen Gesamtausgleich sämtlicher Versorgungsanrechte vorsehen.

    5. Scheidung nach ausländischem Recht

    Richtet sich die Scheidung nach ausländischem Recht, ist ein deutscher VA gemäß Art. 17 Abs. 3 S. 1 HS. 1 EGBGB grundsätzlich nicht durchzuführen. Das Familiengericht braucht daher bei Rechtshängigkeit eines Scheidungsantrags von Amts wegen keine VA-Folgesache einzuleiten und keine Ermittlungen hinsichtlich von Versorgungsanrechten anzustellen.

     

    Art. 17 Abs. 3 S. 2 EGBGB n.F. übernimmt jedoch aus dem bisherigen Recht die Regelung, dass jeder Ehegatte die Durchführung des VA nach deutschem Recht beantragen kann. Auf iranische Ehegatten ist diese Vorschrift allerdings gemäß Art. 8 Abs. 3 des deutsch-iranischen Niederlassungsabkommens nicht anwendbar (BGH FamRZ 05, 1666). Der Antrag muss im Verbundverfahren bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz gestellt werden. Ist dies nicht geschehen, kann er auch später noch in einem selbstständigen Verfahren nachgeholt werden (BGH FamRZ 07, 996, 1000). Der Antrag ist nicht an eine Frist gebunden. Auch eine Verjährung nach § 194 Abs. 2 BGB ist ausgeschlossen (OLG Karlsruhe FamRZ 02, 1633). Der Antrag unterliegt im Scheidungsverbund dem Anwaltszwang, denn § 114 Abs. 4 Nr. 7 FamFG enthält insoweit keinen Dispens. Er hat nur verfahrensrechtliche Bedeutung. Ein Sachantrag braucht daher nicht gestellt zu werden.

     

    Materielle Voraussetzung für die Durchführung des VA ist nach der Neufassung des Art. 17 Abs. 3 S. 2 EGBGB (nur noch), dass (mindestens) einer der Ehegatten in der Ehezeit ein Anrecht bei einem inländischen (also deutschen) Versorgungsträger erworben hat. Ob ein solches Anrecht vorliegt und welchen Ausgleichswert dieses hat, ermittelt das Familiengericht von Amts wegen. Der Wertausgleich bei der Scheidung erstreckt sich nur auf inländische Anrechte. Denn ausländische Anrechte gelten gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 4 VersAusglG generell als nicht ausgleichsreif und können gemäß § 19 Abs. 4 VersAusglG nur schuldrechtlich ausgeglichen werden.

     

    Merke |Das Gericht muss aber ermitteln, ob die Ehegatten ausländische Anrechte erworben haben. Haben diese eine gewisse Werthaltigkeit, behält das Gericht auch inländische Anrechte einem späteren schuldrechtlichen VA vor (§ 19 Abs. 3 VersAusglG; vgl. dazu Wick in Fachanwaltskommentar Familienrecht, 5. Aufl., § 19 VersAusglG, Rn. 19 ff.).

     

    Wie bisher sind die inländischen Anrechte auch nach Art. 17 Abs. 3 S. 2 EGBGB n.F. nur auszugleichen, soweit die Durchführung des VA insbesondere im Hinblick auf die beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse während der gesamten Ehezeit der Billigkeit nicht widerspricht. Im Rahmen der Billigkeitserwägungen sind alle wirtschaftlichen Gesichtspunkte bedeutsam (BGH FamRZ 00, 418). Darauf beschränkt sich die Prüfung jedoch nicht. Die Billigkeitsklausel soll bei Auslandsberührung eine den Belangen aller Beteiligten entsprechende gerechte Lösung in jedem Einzelfall eines berechtigten Bedürfnisses nach einem VA ermöglichen. Eine Herabsetzung oder ein Ausschluss des VA kommt insbesondere in Betracht, wenn ein Ehegatte inländische Anrechte abgeben müsste, obwohl der andere zur Alterssicherung geeignete sonstige Vermögenswerte im Ausland besitzt. Diese können nicht in den VA einbezogen werden oder sind nicht zu ermitteln (BGH FamRZ 94, 825).

     

    Im Rahmen der Billigkeitsprüfung ist auch zu berücksichtigen, wenn ein ausländisches Anrecht bereits durch eine im Inland zu beachtende ausländische Gerichtsentscheidung ausgeglichen worden ist. Dasselbe gilt auch bei einer durch eine im Rahmen des ausländischen Scheidungsverfahrens verbindlich getroffenen Parteivereinbarung (BGH FamRZ 09, 681, 683). Auch wenn Art. 17 Abs. 3 S. 2 EGBGB der Durchführung des VA nach deutschem Recht nicht entgegensteht, kann die allgemeine Härteklausel des § 27 VersAusglG anzuwenden sein (BGH FamRZ 94, 825, 827; 07, 996, 1000).

    6. Aufhebung einer Lebenspartnerschaft

    Bei Aufhebung einer Lebenspartnerschaft gelten nach Art. 17b Abs. 1 S. 4 EGBGB n.F. entsprechende Regelungen.

     

    Weiterführender Hinweis

    • FK 09, 135 zum Ausgleichsstatut bei ausländischen Ehegatten
    Quelle: Ausgabe 11 / 2013 | Seite 196 | ID 38555220