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  • · Fachbeitrag · Auskunft im VA-Verfahren

    Zwangsweise Durchsetzung der Auskunftspflicht

    von VRiOLG a.D. Hartmut Wick, Celle

    | Ist ein Scheidungsantrag bei Gericht rechtshängig, müssen die Ehegatten auf Verlangen des Gerichts Auskunft über ihre Versorgungsanrechte erteilen, auch wenn sie das Vorliegen der Voraussetzungen für die Scheidung bestreiten. Es liegt im Ermessen des Gerichts, zur Durchsetzung der Auskunftspflicht Zwangsmittel auch schon festzusetzen, bevor geklärt ist, ob der Scheidungsantrag begründet ist. Das hat der BGH entschieden. |

     

    Sachverhalt

    Zwischen den Eheleuten M und F ist ein Scheidungsverbundverfahren rechtshängig. Beide haben Scheidungsanträge gestellt, die F bestreitet jedoch den Vortrag des M, dass die Eheleute seit mehr als einem Jahr in der Ehewohnung getrennt leben würden. Das AG hat noch keinen Verhandlungstermin bestimmt. Es hat die Ehegatten aufgefordert, den ausgefüllten Fragebogen über ihre in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechte vorzulegen. Nachdem die F dieser Aufforderung trotz Androhung von Zwangsmaßnahmen nicht nachgekommen war, hat es gegen sie ein Zwangsgeld i. H. v. 500 EUR, ersatzweise Zwangshaft, festgesetzt. Ihre Beschwerde und die zugelassene Rechtsbeschwerde blieben erfolglos (BGH 30.9.20, XII ZB 438/18, Abruf-Nr. 219087).

     

    Entscheidungsgründe

    Das Gericht kann im VA-Verfahren von den Ehegatten Auskünfte über Grund und Höhe der erworbenen Versorgungsanrechte einholen, § 220 Abs. 1 FamFG. Die Ehegatten sind verpflichtet, den gerichtlichen Ersuchen um Auskunftserteilung Folge zu leisten, § 220 Abs. 5 FamFG. Nach allgemeiner Ansicht, der sich der BGH anschließt, knüpft die Auskunftspflicht allein an die Einleitung des VA-Verfahrens an und besteht deshalb auch, wenn zwischen den Beteiligten streitig ist, ob die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Ehescheidung vorliegen und ob der im Verbund gestellte Scheidungsantrag damit Aussicht auf Erfolg hat.

     

    Aus dem Wortlaut des § 220 FamFG ergeben sich keine Einschränkungen. Die Vorschrift soll es dem Gericht erleichtern, seine mit der Verfahrenseinleitung einhergehende Pflicht zur Amtsermittlung (§ 26 FamFG) zu erfüllen und das Verfahren dadurch effizienter zu gestalten. Dem würde es zuwiderlaufen, wenn das Gericht zunächst aufwendig zur Begründetheit des Scheidungsantrags ermitteln müsste, bevor es die Ehegatten auffordern dürfte, Auskünfte über ihre Versorgungsanrechte zu erteilen.

     

    Ob etwas anderes gelten kann, wenn ein Scheidungsantrag offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unschlüssig ist, kann hier dahingestellt bleiben. Denn der M hat ein Getrenntleben seit mehr als einem Jahr schlüssig dargelegt. Selbst wenn sein Vortrag zum Scheitern der Ehe nicht hinreichend substanziiert wäre, müsste sich das Gericht zunächst bemühen, den Tatsachenvortrag zu klären und zu vervollständigen, § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i. V. m. § 139 ZPO.

     

    Das Gericht kann die Auskunftspflicht unter den Voraussetzungen des § 35 FamFG auch zwangsweise durchsetzen (BGH FK 18, 174). Ist die Begründetheit des Scheidungsantrags streitig, muss das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden, ob es einen Termin anberaumt, um vorab das Vorliegen der materiell-rechtlichen Scheidungsvoraussetzungen aufzuklären, oder ob es zunächst die Versorgungsanrechte ermittelt und die Auskunftspflicht der Ehegatten ggf. auch mit Zwangsmitteln durchsetzt. Es darf sich dabei maßgeblich durch das Verbundprinzip (§ 137 Abs. 1 FamFG) leiten lassen. Danach muss es über sämtliche im Verbund stehende Folgesachen gleichzeitig und zusammen mit der Scheidungssache verhandeln und ‒ sofern dem Scheidungsantrag stattzugeben ist ‒ durch einheitlichen Beschluss entscheiden.

     

    Schon wenn es aus Sicht des Gerichts möglich erscheint, dass sich der Scheidungsantrag im anzuberaumenden Termin nach Anhörung der Ehegatten oder Erhebung sonstiger Beweise als begründet erweist, handelt es nicht ermessensfehlerhaft, wenn es vorher schon zweckentsprechend zu den Versorgungsanrechten ermittelt, um im Anschluss an den Termin über die Scheidung und die im Verbund stehende Folgesache VA einheitlich zu entscheiden.

     

    Hier kann dahinstehen, ob der Vortrag des M zur räumlichen Trennung innerhalb der Ehewohnung hinreichend substanziiert ist. Denn jedenfalls ist eine auf Dauer angelegte Partnerschaft des M unstreitig und die F hat über das schlichte Bestreiten einer Trennung innerhalb der Wohnung hinaus selbst nichts zu noch bestehenden Gemeinsamkeiten der Eheleute vorgetragen. Darüber hinaus hat sie sogar einen eigenen Scheidungsantrag gestellt, der schon für sich genommen eine verfahrensrechtliche Auskunftspflicht ausgelöst hat.

     

    Lassen sich konkrete Tatsachen dafür feststellen, dass ein Ehegatte mit einem „verfrühten“ Scheidungsantrag in illoyaler Weise bezweckt hat, die für den VA oder den ZGA maßgeblichen Stichtage zu seinen Gunsten vorzuverlagern, kann diesem Umstand in besonders gelagerten Einzelfällen durch § 27 VersAusglG im VA (BGH FK 18, 154) und dadurch begegnet werden, dass von den gesetzlich geregelten Stichtagen im ZGA abgewichen wird (BGH FK 19, 4).

     

    Relevanz für die Praxis

    Die Entscheidung liegt im Interesse des Scheidungswilligen. Sie verhindert, dass der andere Ehegatte durch das Bestreiten materiell-rechtlicher Scheidungsvoraussetzungen (Ablauf des Trennungsjahrs, Scheitern der Ehe, §§ 1565 ff. BGB) seine Auskunft über Versorgungsanrechte und damit das Scheidungsverfahren verzögern kann. Wenn sich der Scheidungsantrag im Termin als begründet erweisen kann, braucht das Gericht nicht sofort zu terminieren. Vielmehr kann es zunächst für den VA ermitteln und zu diesem Zweck die Ehegatten mit Zwangsmitteln anhalten, Auskunft zu erteilen, § 220 Abs. 5 FamFG.

     

    Die Kehrseite der Medaille ist, dass ein Scheidungsantrag vor Ablauf des Trennungsjahrs gestellt und damit das für den VA und den ZGA maßgebliche Ehezeitende manipuliert werden kann, wenn nicht damit gerechnet werden muss, dass das Gericht einen verfrühten Antrag abweist. Jedenfalls im VA ist kaum mit einer Sanktion zu rechnen, da die Härteklausel laut BGH nur „in besonders gelagerten Einzelfällen“ angewendet wird. Eine geringfügige Vorverlagerung des Ehezeitendes dürfte dafür im Allgemeinen nicht ausreichen.

    Quelle: Ausgabe 05 / 2021 | Seite 78 | ID 47112409