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  • · Fachbeitrag · EhegattenUnterhalt

    Wahlrecht bei Anlage von Altersvorsorgeunterhalt

    von RiOLG Paul Wesseler, Hamm

    | Der Empfänger von Altersvorsorgeunterhalt ist nicht gehalten, diesen in einer zum Sonderabgabenabzug berechtigenden zertifizierten Rentenversicherung anzulegen. Das hat der BGH klargestellt. |

    Sachverhalt

    Die Beteiligten sind rechtskräftig geschiedene Ehegatten. Sie streiten über den Ausgleich von Steuernachteilen, nachdem das begrenzte Realsplitting durchgeführt wurde. In einer Scheidungsfolgenvereinbarung hatte sich der Ehemann (M) verpflichtet, monatlichen nachehelichen Elementarunterhalt, Altersvorsorgeunterhalt (AVU) und Krankenvorsorgeunterhalt zu zahlen. Die Ehefrau F zahlt die auf die Altersvorsorge entfallenden Unterhaltsbeträge seit Dezember 11 in eine private Rentenversicherung mit Kapitalwahlrecht ein, die ab dem 1.12.24 eine monatliche Rente von 303,14 EUR oder wahlweise eine Kapitalabfindung von 82.514 EUR vorsieht. Die F erteilte dem M die Zustimmung, das begrenzte Realsplitting durchzuführen. Für die Folgejahre bis einschließlich des Veranlagungszeitraums 2016 ersetzte der M der F jeweils auf entsprechende Aufforderung die gegen sie festgesetzten Einkommensteuerbeträge.

     

    In diesem Verfahren begehrt die F den Ausgleich des ihr für 2017 entstandenen Steuernachteils von 466 EUR. Der M begehrt mit seinem Widerantrag die Rückzahlung des von ihm für 2016 geleisteten Erstattungsbetrags von 572 EUR. Er meint, dass die F durch eine steuerlich günstigere Anlage des gezahlten AVU ihre Einkommensteuerpflicht vollständig habe vermeiden können. Das AG hat dem Antrag stattgegeben und den Widerantrag abgewiesen. Das OLG Düsseldorf (13.11.20, 6 UF 92/20) hat die Beschwerde und der BGH die Rechtsbeschwerde des M zurückgewiesen (BGH 22.9.21, XII ZB 544/20, Abruf-Nr. 225294).

    Entscheidungsgründe

    Der BGH stellt kurz seine ständige Rechtsprechung (z. B. 17.2.10, XII ZR 104/07, FamRZ 10, 717) dar. Danach muss der Unterhaltsberechtigte dem begrenzten Realsplitting nur zustimmen, wenn der Unterhaltspflichtige die finanziellen Nachteile ausgleicht, die diesem aus der Zustimmung erwachsen.

     

    Der Unterhaltsberechtigte ist nach Treu und Glauben gehalten, die durch das steuerliche Realsplitting entstehenden Nachteile möglichst gering zu halten. Eine Obliegenheit, die Einkommensteuerbelastung möglichst gering zu halten, trifft beide Beteiligte des Unterhaltsverhältnisses gleichermaßen.

     

    Fraglich ist, ob es dem Unterhaltsberechtigten obliegt, die sich aus dem Realsplitting ergebende Steuerschuld zu vermindern, indem er den ihm gewährten AVU in Form einer zum Sonderausgabenabzug berechtigenden zertifizierten Rentenversicherung (z. B. Rürup-Rente nach § 2 AltZertG) anlegt. Dies ist umstritten:

     

    • Eine Ansicht bejaht dies (OLG Brandenburg FamRZ 16, 1684, Rn. 27 ff; Wendl/Dose/Gutdeutsch, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 10. Aufl., § 4 Rn. 872 f; MüKo/Maurer, BGB, 8. Aufl., § 1578 Rn. 854).

     

    • Dagegen vertreten andere, dass auch in Bezug auf das Realsplitting eine Wahlfreiheit des Unterhaltsberechtigten bestehe (Borth, FamRZ 21, 356 f.; jurisPK-BGB/Clausius [Stand 19.8.21] § 1578 Rn. 82.1).

     

    Zutreffend besteht keine Obliegenheit des Berechtigten, eine zum Sonderausgabenabzug berechtigende zertifizierte Rentenversicherung abzuschließen.

     

    Anlage in gesetzlicher Rentenversicherung oder privater Altersvorsorge

    Der AVU ist gem. § 1578 Abs. 3 BGB ein zweckgebundener, in der Entscheidung besonders auszuweisender Bestandteil des nachehelichen Unterhalts, den der Berechtigte für eine entsprechende Versicherung verwenden muss (st. Rechtsprechung BGH FamRZ 20, 171 Rn. 35). Dem Berechtigten steht es dabei frei, den AVU als freiwillige Leistung in die gesetzliche Rentenversicherung einzuzahlen oder ihn ganz oder teilweise für eine private Altersvorsorge, insbesondere eine private Rentenversicherung, zu verwenden (BGH FamRZ 07, 117).

     

    Wenn der Unterhaltsberechtigte ‒ wie hier ‒ eine private Rentenversicherung mit Kapitalwahlrecht abschließt, hält sich dies im Rahmen der Zweckbindung. Der Zweck des AVU, dass die aus dem angesparten Kapital fließenden Renteneinkünfte im Alter zur Verfügung stehen, um den Bedarf zu decken, wird durch eine optionale Kapitalleistung nicht beeinträchtigt. Dies gilt jedenfalls, wenn die vertragliche Fälligkeit der Kapitalleistung der erstmaligen Fälligkeit der Rentenleistung entspricht und kein vorzeitiger Bezug der vertraglichen Versicherungsleistung möglich ist. Die Möglichkeit der Kapitalleistung als geeignete Altersvorsorge wird auch in § 2 Abs. 2 Nr. 3 Hs. 2 VersAusglG bestätigt, wonach u. a. auch auf Kapitalleistung gerichtete Anrechte dem VA unterliegen können. Eine private Rentenversicherung lässt sich bei Ausübung des Kapitalwahlrechts so behandeln, dass der optional mögliche Rentenbezug nach Treu und Glauben als unterhaltsrechtliches Einkommen des Berechtigten zu berücksichtigen ist.

     

    Anlage in nicht zum Sonderabzug berechtigender Rentenversicherung

    Durch die Anlage des AVU in einer gem. § 10 Abs. 1 Nr. 2 lit b S. 2 EStG aufgrund der Kapitalisierbarkeit des Rentenanspruchs nicht zum Sonderausgabenabzug berechtigenden Rentenversicherung verstößt der Berechtigte auch nicht gegen weitere Obliegenheiten, insbesondere nicht gegen diejenige, die ihm durch das Realsplitting entstehende Steuerbelastung möglichst gering zu halten. Denn es kann in seinem schützenswerten Interesse liegen, eine bereits von ihm unterhaltene zusätzliche Altersvorsorge aufzustocken. Außerdem kann durch die Gestaltung der konkreten Leistungsform vor allem auch seinen individuellen Bedürfnissen Rechnung getragen werden. Dementsprechend bleibt es auch dann dessen freie Entscheidung, welches geeignete Altersvorsorgeprodukt seinen Bedürfnissen am besten gerecht wird, wenn im Einzelfall mit weniger Kosten verbundene oder ertragreichere Anlageformen zur Verfügung stehen.

     

    Dem steht kein überwiegendes Interesse des Unterhaltspflichtigen gegenüber, Steuern zu sparen. Denn sein aufgrund des Realsplittings erzielter Vorteil übersteigt i. d. R. den Nachteil aufseiten des Unterhaltsberechtigten.

     

    Aus der Wahl einer zum Sonderabzug berechtigten privaten Rentenversicherung ergibt sich zudem nur ein beschränkter Steuervorteil, da die mit dem Abzug der Versicherungsbeiträge als Sonderabgaben verbundene Steuerersparnis zum Großteil nur vorläufiger Natur ist. Denn aus dem Sonderausgabenabzug folgt im Wege der nachgelagerten Besteuerung eine Einkommensteuererhebung auf die aus dem jeweiligen Vertrag später bezogenen Rentenleistungen, § 22 Nr. 1 S. 3 lit a, aa EStG. Hingegen wird bei einer nicht zum Sonderabzug berechtigten privaten Anlageform nur der wesentlich niedrigere Ertragsanteil der Rentenleistung besteuert, § 22 Nr. 1 S. 3 lit a, bb EStG.

     

    MERKE | Der BGH lässt sich ein Hintertürchen offen, indem er folgende zwei Ausnahmetatbestände für eine Obliegenheit zur Anlage des AVU in einer zertifizierten Rentenversicherung formuliert: Der Unterhaltsberechtigte

     

    • verpflichtet sich dazu in einer Unterhaltsvereinbarung oder
    • wählt eine vergleichbare Anlageform, wobei der damit verbunden Steuernachteil auch aus seiner Sicht nicht durch andere Vorteile aufgewogen wird.
     

    Relevanz für die Praxis

    Seit Jahren ist klar, dass die staatliche Rente nicht mehr stets auskömmlich ist. Daher wird die sekundäre Altersvorsorge auch im Unterhaltsrecht bedeutsamer. Es häufen sich die Fälle, in denen beim Ehegattenunterhalt nicht mehr nur ein einheitlicher Betrag als Elementarunterhalt, sondern separat auch ein AVU beansprucht wird, der gemäß der vom BGH auch in der vorliegenden Entscheidung angesprochenen Zweckbindung zu verwenden ist. Insoweit hatte der BGH bereits klargestellt, dass der Unterhaltsberechtigte ‒ auch vor dem Hintergrund der Pflicht, die durch das steuerliche Realsplitting entstehenden Nachteile möglichst gering zu halten ‒ frei entscheiden kann, ob er den AVU in eine gesetzlichen Rentenversicherung einzahlt oder in einer privaten Altersvorsorgeform anlegt. Hier werden hinsichtlich der Anlage in einer privaten Altersvorsorgeform in Ansehung der Pflicht des Berechtigten, die steuerlichen Nachteile möglichst gering zu halten, zusätzlich zwei weitere Gesichtspunkt klargestellt:

     

    • Es steht der Obliegenheit, die AVU-Beträge in einer für die spätere Erzielung von Alterseinkünften geeigneten Form anzulegen, nicht entgegen, wenn die private Altersvorsorgeform ein Kapitalwahlrecht vorsieht.

     

    • Im Ergebnis rechtfertigen die berechtigten Interessen des Unterhaltspflichtigen nicht, die Wahlfreiheit des Unterhaltsberechtigten zwischen mehreren geeigneten Formen der zusätzlichen Altersvorsorge einzuschränken. Im Regelfall muss der Unterhaltspflichtige die vom Unterhaltsberechtigten getroffene Wahl vielmehr respektieren.

     

    Damit schafft diese BGH-Entscheidung für die Empfänger von AVU Klarheit, um die Altersvorsorge zu gestalten, ohne sie unnötig im Rahmen ihrer Dispositionen einzuengen. Besonders überzeugt das Argument, dass aus der Wahl einer zum Sonderabzug berechtigenden privaten Rentenversicherung aufgrund der nachgelagerten Besteuerung ohnehin nur ein beschränkter Steuervorteil folgt.

    Quelle: Ausgabe 01 / 2022 | Seite 5 | ID 47782395