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  • 06.04.2010 · IWW-Abrufnummer 101123

    Bundesgerichtshof: Urteil vom 17.02.2010 – XII ZR 104/07

    Hat der unterhaltsberechtigte frühere Ehegatte dem Antrag des Unterhaltspflichtigen auf Durchführung des steuerlichen Realsplittings (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG) zugestimmt und hat er für denselben Veranlagungszeitraum mit einem neuen Ehegatten die Zusammenveranlagung (§§ 26, 26 b EStG) gewählt, so kann er von dem Unterhaltspflichtigen höchstens den Ausgleich des steuerlichen Nachteils verlangen, der ihm bei getrennter Veranlagung (§ 26 a EStG) durch die Besteuerung der Unterhaltsbezüge (§ 22 Nr. 1 EStG) entstanden wäre (im Anschluss an die Senatsurteile vom 29. Januar 1992 - XII ZR 248/90 - FamRZ 1992, 534 und vom 29. April 1992 - XII ZR 50/91 - FamRZ 1992, 1050). Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Unterhaltszahlungen nicht zeitgerecht, sondern verspätet (hier: in dem auf die Wiederheirat folgenden Jahr) geleistet worden sind.


    Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat

    auf die mündliche Verhandlung vom 17. Februar 2010

    durch

    die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und

    die Richter Weber-Monecke, Dose, Dr. Klinkhammer und Schilling

    für Recht erkannt:

    Tenor:

    Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 5. Senats für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 11. Dezember 2006 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 479,59 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26. Februar 2005 zu zahlen.

    Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

    Von Rechts wegen

    Tatbestand:

    Die Parteien streiten um Nachteilsausgleich nach Inanspruchnahme des Realsplittings gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG durch den Beklagten.

    Die Ehe der Parteien wurde im Jahr 1998 geschieden. Durch Urteil vom 22. Februar 2001 wurde der Beklagte unter anderem verurteilt, an die Klägerin nachehelichen Unterhalt zu zahlen, zuletzt in Höhe von monatlich 1.171 DM (598,72 EUR). Die Klägerin hat am 8. Mai 2002 erneut geheiratet. Im Jahr 2003 zahlte der Beklagte ihr rückständigen Unterhalt in Höhe von 10.993 EUR. Für dieses Jahr wählten die Klägerin, die nicht über eigenes Einkommen verfügte, und ihr Ehemann die Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer. Mit Steuerbescheid vom 30. April 2004 setzte das Finanzamt gegen sie für das Jahr 2003 Einkommen- und Kirchensteuer in Höhe von insgesamt 982,44 EUR fest und erstattete einen vom Einkommen des Ehemannes durch Lohnsteuerabzug einbehaltenen Mehrbetrag von 325,76 EUR.

    Im Dezember 2004 bat der Beklagte die Klägerin, die Anlage U zur Einkommensteuererklärung zu unterschreiben. Er versicherte gleichzeitig, der Klägerin alle wirtschaftlichen Nachteile aus dem Realsplitting zu ersetzen. Die Klägerin stimmte dem Antrag des Beklagten zu. Nachdem die Unterhaltsleistungen beim Beklagten als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG berücksichtigt worden waren, setzte das Finanzamt für die Klägerin und ihren Ehemann durch Bescheid vom 6. Januar 2005 deren Steuern neu fest. Auf der Grundlage des sich nunmehr ergebenden Gesamteinkommens, in das auf Seiten der Klägerin die Unterhaltsleistungen abzüglich einer Werbungskostenpauschale von 102 EUR eingeflossen waren, ergab sich eine Steuerschuld von insgesamt 4.051,05 EUR.

    Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin Zahlung des Mehrbetrages von 3.068,61 EUR (4.051,05 EUR ./. 982,44 EUR) verlangt. Sie hat die Auffassung vertreten, die steuerliche Mehrbelastung stelle den wirtschaftlichen Nachteil dar, den der Beklagte ihr zu ersetzen habe. Der Beklagte hält sich dagegen nur in Höhe eines Betrages von 829,59 EUR (816 EUR Einkommensteuer, 13,59 EUR Kirchensteuer) für ersatzpflichtig, der sich ergeben würde, wenn die Klägerin getrennt zur Einkommensteuer veranlagt würde. Er hat den Klageanspruch in Höhe von 466 EUR (816 EUR ./. gezahlter 350 EUR) anerkannt.

    Das Amtsgericht hat den Beklagten unter Berücksichtigung der geleisteten 350 EUR verurteilt, an die Klägerin 2.718,61 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht das angefochtene Urteil teilweise abgeändert und die Klage wegen des 466 EUR nebst Zinsen übersteigenden Betrages abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

    Entscheidungsgründe:

    Die Revision hat nur in geringem Umfang Erfolg. Der Beklagte schuldet der Klägerin als Nachteilsausgleich nicht nur den anerkannten Betrag von 466 EUR (zuzüglich der geleisteten Zahlungen = insgesamt 816 EUR = Einkommensteuerschuld der Klägerin bei getrennter Veranlagung), sondern auch die im Falle der getrennten Veranlagung anfallende Kirchensteuer, die er selbst mit 13,59 EUR beziffert hat. Im Übrigen erweist sich die Revision dagegen als unbegründet.

    1.

    Das Berufungsgericht hat einen über den anerkannten Betrag hinausgehenden Anspruch der Klägerin verneint. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

    Die Freistellungserklärung des Beklagten lasse nicht die Auslegung zu, dass er sich nicht nur zum Ersatz der steuerlichen Nachteile, die der Klägerin durch die Durchführung des begrenzten Realsplitting entstünden, habe verpflichten wollen, sondern auch zum Ersatz der steuerlichen Nachteile ihres Ehemannes. Dieser Würdigung stehe die Kenntnis des Beklagten, dass die Klägerin wiederverheiratet und eine Zusammenveranlagung mit dem neuen Ehemann möglich sei, nicht entgegen. Während die Versteuerung der Unterhaltsleistungen als Einkommen eine unmittelbare gesetzliche Folge der Zustimmung zu dem Realsplitting darstelle, beruhe die aus der Zusammenveranlagung resultierende steuerliche Mehrbelastung auf dieser Veranlagungsart. Sie hänge insbesondere von der Höhe des Einkommens des neuen Ehegatten ab. Die Klägerin habe nicht dargetan, den Beklagten vor Abgabe der Freistellungserklärung darauf hingewiesen zu haben, in welcher Höhe ihr neuer Ehemann steuerpflichtiges Einkommen bezogen habe. Deshalb hafte der Beklagte nach seiner Erklärung und nach § 242 BGB lediglich für den der Klägerin selbst entstandenen steuerlichen Nachteil. Dies gelte unbeschadet des Umstandes, dass rückständiger Unterhalt erst im Jahr nach der Wiederverheiratung der Klägerin gezahlt worden sei. Auch in einem solchen Fall gebe es keine Rechtsgrundlage dafür, dass der beim Ehegattensplitting entstandene Nachteil des Ehemannes zu ersetzen sei. Der Klägerin stehe auch kein Anspruch aus positiver Forderungsverletzung wegen der verspäteten Unterhaltszahlung zu. Geschäftsgrundlage der Freistellungsvereinbarung sei gerade die verspätete Unterhaltszahlung gewesen. Deshalb könne die Klägerin nur den Ausgleich des steuerlichen Nachteils verlangen, der ihr bei getrennter Veranlagung durch die Besteuerung der Unterhaltsbeträge entstanden wäre. Nach der vorgelegten Steuerberechnung betrage die Einkommensteuer dann 816 EUR; Solidaritätszuschlag falle nicht an. Hierauf habe der Beklagte 350 EUR gezahlt, so dass er noch 466 EUR schulde.

    2.

    Diese Ausführungen halten, abgesehen von der vom Berufungsgericht übersehenen fiktiven Belastung der Klägerin durch Kirchensteuer in Höhe von 13,59 EUR, der rechtlichen Nachprüfung stand.

    Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG können Unterhaltsleistungen eines Steuerpflichtigen an den geschiedenen oder getrennt lebenden unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Ehegatten bis zur gesetzlich bestimmten Höchstgrenze (13.805 EUR) im Kalenderjahr als Sonderausgaben abgezogen werden, wenn der Unterhaltspflichtige dies mit Zustimmung des Unterhaltsempfängers beantragt. Ein solcher Antrag ändert den Rechtscharakter der Ausgaben von einkommensteuerrechtlich grundsätzlich unbeachtlichen Unterhaltsleistungen (§ 12 Nr. 2 EStG) in zu berücksichtigende Sonderausgaben und bewirkt die Steuerpflicht beim Empfänger gemäß § 22 Nr. 1 EStG (BFH NV 2008, 792, 793). Ob und in welchem Umfang Nachteile zivilrechtlich auszugleichen sind, die durch die Zustimmung des Unterhaltsempfängers entstehen, können die Ehegatten vertraglich bestimmen. Aber auch unabhängig von einer solchen Regelung steht nach der ständigen Rechtsprechung des Senats der aus § 1353 BGB folgenden Verpflichtung des Unterhaltsberechtigten, dem Antrag des Schuldners auf Durchführung des Realsplittings zuzustimmen, eine Verpflichtung des Schuldners gegenüber, die dem Unterhaltsberechtigten durch die Besteuerung der Unterhaltsleistungen gemäß § 22 Nr. 1 a EStG entstehende Belastung oder Mehrbelastung auszugleichen. Dieser Ausgleichsanspruch wird als Ausfluss des zwischen den geschiedenen oder getrennt lebenden Ehegatten bestehenden gesetzlichen Unterhaltsverhältnisses unter Billigkeitsgesichtspunkten gewährt, um dem Unterhaltsgläubiger die Zustimmung zum Realsplitting zumutbar zu machen. Das ist nur der Fall, wenn gewährleistet wird, dass dem Berechtigten der ihm zustehende Unterhalt im Ergebnis ungeschmälert verbleibt. Der Anspruch erstreckt sich auf Freistellung bzw. Ersatz von solchen Nachteilen, die sich aus der Besteuerung der erhaltenen Unterhaltsleistung bei dem unterhaltsberechtigten Ehegatten ergeben, sowie von sonstigen Nachteilen, etwa im Bereich von Leistungen, die nur bis zu bestimmten Einkommensgrenzen gewährt werden (Senatsurteile vom 23. März 1983 - IVb ZR 369/81 -FamRZ 1983, 576 f.; vom 26. September 1984 - IVb ZR 30/83 - FamRZ 1984, 1211, 1212; vom 9. Oktober 1985 - IVb ZR 39/84 - FamRZ 1985, 1232, 1233; vom 29. Januar 1992 - XII ZR 248/90 - FamRZ 1992, 534; vom 29. April 1992 -XII ZR 50/91 - FamRZ 1992, 1050, 1051; vom 29. April 1998 - XII ZR 266/96 -FamRZ 1998, 953, 954 und vom 11. Mai 2005 - XII ZR 108/02 - FamRZ 2005, 1162, 1163).

    3.

    Nach Auffassung des Berufungsgerichts lässt die Freistellungserklärung des Beklagten nicht die Auslegung zu, dass er sich nicht nur zum Ersatz der der Klägerin selbst durch die Durchführung des Realsplittings entstehenden Nachteile verpflichten wollte, sondern darüber hinaus zur Erstattung der ihrem neuen Ehemann erwachsenen steuerlichen Nachteile. Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.

    Die tatrichterliche Auslegung ist vom Revisionsgericht nur daraufhin nachzuprüfen, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind, der Grundsatz einer nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung beachtet worden ist oder ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht (ständige Rspr., vgl. etwa BGHZ 131, 136, 138). Einen solchen Fehler zeigt die Revision nicht auf. Dass der Beklagte sich in Kenntnis der Wiederverheiratung der Klägerin zum Nachteilsausgleich verpflichtet hat, lässt ohne weitere Anhaltspunkte nicht darauf schließen, er habe eine Verbindlichkeit eingehen wollen, die über den Umfang der unter Billigkeitsgesichtspunkten bestehenden Ausgleichspflicht hinausgeht. Die Revision macht nicht geltend, die Klägerin habe vorgetragen, den Beklagten darauf hingewiesen zu haben, dass sie mit ihrem jetzigen Ehemann für das Jahr 2003 gemäß §§ 26, 26 b EStG zusammen zur Einkommensteuer veranlagt worden sei und auch Ersatz für solche Steuernachteile verlange, die sich aus der Einbeziehung des Unterhalts in die gemeinsamen Einkünfte der Ehegatten ergeben würden.

    4.

    Einen Nachteilsausgleich, der die Steuerschuld übersteigt, die die Klägerin im Fall einer getrennten Veranlagung zu begleichen hätte, schuldet der Beklagte auch unter den für die Zumutbarkeit der Zustimmung zum Realsplitting heranzuziehenden Billigkeitsgesichtspunkten nicht.

    a)

    Der Senat hat bereits entschieden, dass der unterhaltsberechtigte frühere Ehegatte, der für das Jahr der Wiederverheiratung dem Realsplitting zugestimmt und für denselben Veranlagungszeitraum mit seinem neuen Ehegatten die Zusammenveranlagung gewählt hat, von dem Unterhaltspflichtigen höchstens den Ausgleich des steuerlichen Nachteils verlangen kann, der ihm bei getrennter Veranlagung durch die Besteuerung der Unterhaltsbezüge entstanden wäre. Dabei ist maßgeblich darauf abgestellt worden, dass die weitergehende Steuerbelastung als Folge der von den Ehegatten gewählten Zusammenveranlagung eingetreten sei. Durch die Zusammenveranlagung sei aber auch kein steuerlicher Nachteil entstanden, sondern beide in der neuen Ehe verbundenen Steuerpflichtigen hätten hierdurch einen - von ihnen auch erstrebten - Vorteil im Rahmen des Splittingverfahrens erlangt. Dem scheinbaren Nachteil, der in einer Heranziehung der Einkünfte der Ehefrau zu einer gemeinsamen Veranlagung liege, stehe der Vorteil des (neuen) Ehemannes gegenüber, seine zu versteuernden (wesentlich höheren) Einkünfte teilweise gleichsam auf seine Ehefrau verlagern und dadurch einer günstigeren Besteuerung zuführen zu können. Würde der Unterhaltsschuldner auch für die steuerlichen Lasten einstehen müssen, die dem Unterhaltsempfänger aufgrund der Zusammenveranlagung mit einem neuen Ehegatten entstehen, wären die Folgen eines Antrags auf Durchführung des Realsplittings für ihn nicht mehr kalkulierbar. Er kenne im Allgemeinen zwar die Einkommensverhältnisse des Unterhaltsgläubigers, weil diese in der Regel die Unterhaltsbemessung beeinflusst hätten. Die Einkünfte des neuen Ehegatten seien ihm aber meist unbekannt. Insofern helfe ihm auch ein Auskunftsanspruch gegen den früheren Ehegatten nicht weiter, da zum einen dessen Kenntnis nicht vorausgesetzt werden könne und dieser Weg zum anderen versage, wenn die Zustimmung zum Realsplitting bereits vor oder während des Veranlagungszeitraums verlangt werde. Es lasse sich aber nicht rechtfertigen, für den Umfang der Ausgleichsverpflichtung bei der Zustimmung zum Realsplitting danach zu unterscheiden, zu welchem Zeitpunkt der Antrag gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG gestellt worden sei (Senatsurteile vom 29. Januar 1992 - XII ZR 248/90 - FamRZ 1992, 534, 535 und vom 29. April 1992 - XII ZR 50/91 - FamRZ 1992, 1050, 1051).

    b)

    Unter Heranziehung dieser Beurteilung, an der der Senat festhält, ergibt sich für die Klägerin kein Anspruch in Höhe der Differenz zwischen den Beträgen von 3.068,61 EUR (Steuermehrbelastung infolge der Berücksichtigung des Unterhalts) und 829,59 EUR (Steuerschuld der Klägerin bei getrennter Veranlagung). Die höhere Steuerbelastung gemäß Steuerbescheid vom 6. Januar 2005 ist darauf zurückzuführen, dass die Klägerin und ihr jetziger Ehemann die Zusammenveranlagung gewählt haben. Aufgrund dieser Wahl ist auch im vorliegenden Fall kein steuerlicher Nachteil eingetreten. Vielmehr wirkte sich diese Veranlagungsart infolge der Anwendung der Splitting-Tabelle (anstatt der Grundtabelle), der Verdoppelung des Sonderausgabenpauschbetrages (§ 10 c Abs. 1 EStG) und der Höchstbeträge für Vorsorgeaufwendungen (§ 10 Abs. 3 EStG i.d.F. vom 23. Dezember 2003) zugunsten der Ehegatten aus. Das wird bereits daraus erkennbar, dass sich bei einer getrennten Veranlagung des Ehemannes der Klägerin - ohne Berücksichtigung des veränderten Sonderausgabenpauschbetrags und eines geringeren Abzugs beschränkt abziehbarer Sonderausgaben - eine tarifliche Einkommensteuer von 2.905 EUR anstatt der im Steuerbescheid vom 30. April 2004 festgesetzten 954 EUR ergäbe. Unter Einbeziehung der außer Betracht gelassenen Veränderungen sowie der Kirchensteuer und des Solidaritätszuschlags errechnet sich noch eine deutlich höhere Differenz zwischen getrennter Veranlagung und einer Zusammenveranlagung. Dem scheinbaren Nachteil, der sich im Weiteren aus der Einbeziehung des von der Klägerin bezogenen Unterhalts in das Gesamteinkommen der Ehegatten ergibt, steht mithin der Vorteil, der aus der Zusammenveranlagung folgt, gegenüber.

    c)

    Eine andere Betrachtung ist entgegen der Auffassung der Revision nicht deshalb gerechtfertigt, weil der Beklagte die Unterhaltszahlungen nicht zeitgerecht, sondern verspätet geleistet hat. Insofern stellt es für die Frage des Nachteilsausgleichs im Rahmen des Realsplittings grundsätzlich keinen Unterschied dar, ob der bis zur Wiederheirat bestehende gesetzliche Unterhaltsanspruch (§ 1586 Abs. 1 BGB) im Jahr der Wiederheirat - vor oder nach der erneuten Eheschließung - oder erst in einem späteren Jahr erfüllt worden ist.

    Allerdings übersteigt der Gesamtbetrag der Leistungen des Beklagten von 10.933 EUR angesichts des geschuldeten monatlichen Unterhalts von 598,72 EUR auch einen Jahresbetrag des Unterhalts. Dieser Umstand ist für die Anwendung von § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG indessen nicht von Bedeutung. Die Bestimmung knüpft den Abzug für Unterhaltsaufwendungen als Sonderausgaben lediglich an die Voraussetzung, dass die Leistungen der Art nach Unterhaltsleistungen darstellen. Unerheblich ist hingegen, ob es sich um laufende oder einmalige Leistungen bzw. um Nach- oder Vorauszahlungen handelt (BFHE 193, 383, 387). Diese Kriterien sind auch für die Frage des Nachteilsausgleichs ohne Belang. Dem unter Billigkeitsgesichtspunkten zu gewährenden Ausgleich wird auch in solchen Fällen in steuerlicher Hinsicht Genüge getan, wenn der dem Realsplitting zustimmende Ehegatte so gestellt wird, wie er bei einer getrennten Veranlagung stehen würde. In diesem Fall erleidet er selbst keinen steuerlichen Nachteil.

    d)

    Ein solcher ist auch nicht darin zu sehen, dass die Klägerin als Gesamtschuldnerin mit ihrem Ehemann für die gegen beide festgesetzte Steuer haftet (§ 44 Abs. 1 AO). Denn insoweit kann jeder Ehegatte seine Haftung auf den auf ihn rechnerisch entfallenden Anteil begrenzen. Aufteilungsmaßstab ist gemäß § 270 AO die Steuer, die sich bei getrennter Veranlagung ergeben hätte (BFH/NV 2004, 1624; Schmidt/Seeger EStG 28. Aufl. § 26 b Rdn. 30).

    Danach haftet die Klägerin jedenfalls nicht wegen eines 829,59 EUR übersteigenden Betrages (= ca. 20 % der tatsächlichen Steuerschuld von 4.051,05 EUR). Denn die Steuerschuld ihres Ehemannes würde sich bei fiktiver getrennter Veranlagung zumindest auf 3.400 EUR belaufen, so dass auf ihn ein Anteil von ca. 80 % der tatsächlichen Steuerschuld entfiele. Im Innenverhältnis der Ehegatten zueinander gilt dieser Aufteilungsmaßstab entsprechend (Senatsurteil vom 31. Mai 2006 - XII ZR 111/03 - FamRZ 2006, 1178, 1180 f. mit Anm. Wever), weshalb die Klägerin ihrem Ehemann keinen Ausgleich schuldet.

    e)

    Es stellt sich allerdings die Frage, ob der Klägerin dadurch, dass die Steuerlast ihres Ehemannes gestiegen ist, ein eigener Schaden entstanden ist. Denn dies könnte zur Folge gehabt haben, dass geringere Mittel für den Familienunterhalt (§§ 1360, 1360 a BGB) zur Verfügung standen. Ein insoweit - auch unter dem Gesichtspunkt eines Verzugsschadens - denkbarer Nachteil entspricht indessen nicht dem hier geltend gemachten Steuermehrbetrag, da die andernfalls vorhandenen Mittel für den Lebensunterhalt beider Ehegatten verwendet worden wären. Zwischen dem Ehemann der Klägerin und dem Beklagten bestehen aber keine Rechtsbeziehungen, so dass in diesem Verhältnis ein Ausgleichsanspruch ausscheidet. Die Klägerin hat einen unterhaltsrechtlichen Nachteil nicht geltend gemacht. Ein solcher erscheint hier im Ergebnis auch zweifelhaft, weil der Klägerin ab 2003 auch der Betrag der Unterhaltsleistungen zur Verfügung stand.

    f)

    Letztlich gilt aus den bereits im Senatsurteil vom 29. Januar 1992 (XII ZR 248/90 - FamRZ 1992, 534, 535; vgl. 4 a) angestellten Erwägungen auch im vorliegenden Fall, dass die Folgen eines Antrags nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG für den Beklagten nicht kalkulierbar gewesen wären, wenn er auch für die Steuermehrbelastung aufkommen müsste, die aufgrund der Zusammenveranlagung der Klägerin mit ihrem neuen Ehemann entstanden ist.

    5.

    Der vom Berufungsgericht zuerkannte und vom Beklagten anerkannte Nachteilsausgleich umfasst allerdings nur die bei einer fiktiven getrennten Veranlagung der Klägerin anfallende Einkommensteuer von 816 EUR (abzüglich der geleisteten Zahlungen). Festgesetzt worden wäre aber zusätzlich die Kirchensteuer, die der Beklagte nach dem vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Urteil des Familiengerichts von der Klägerin unwidersprochen mit 13,59 EUR beziffert hat. Dieser offensichtlich aus Versehen nicht ausgeurteilte Betrag ist der Klägerin noch zuzuerkennen.

    Hinweise:

    Verkündet am: 17. Februar 2010

    RechtsgebieteBGB, EStGVorschriftenBGB § 1353 EStG §§ 10 Abs. 1 Nr. 1, 22 Nr. 1, 26, 26 a, 26 b