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  • · Fachbeitrag · Gestaltungspraxis

    Erbmasse mit dem Gesellschaftsrecht sichern

    von RA Prof. Dr. Wolfgang Burandt, FA FamR und ErbR, Hamburg

    | Neben den bereits dargestellten familien- und erbrechtlichen Gestaltungsoptionen ( EE 12, 173 ; EE 13, 123 ) besteht die Möglichkeit, eine Pflichtteilsreduktion durch gesellschaftsvertragliche Regelungen herbeizuführen. |

    1. Gründung einer Personengesellschaft

    Je nach Gesellschaftsform und den getroffenen Gestaltungen fallen Gesellschafsanteile in den Nachlass oder werden durch Anwachsung verbleibenden Gesellschaftern zugerechnet. Möchte ein Erblasser Personen unbelastet von Pflichtteilsansprüchen Teile seines Vermögens zuwenden, kann er mit der entsprechenden Person eine Personengesellschaft gründen. Die ins Auge gefasste Person bringt dabei nur sich selbst oder einen geringen Anteil als Vermögensbeitrag in die Gesellschaft ein, und der Erblasser stellt das von ihm zu bestimmende Kapital der Personengesellschaft zur Verfügung.

     

    a) Ehegatteninnengesellschaft

    Eine Möglichkeit besteht in der Vereinbarung einer (Ehegatten-) Innengesellschaft. Sie ist ein probates Mittel in Fällen, in denen gemeinschaftlich erwirtschaftete Werte nur in dem Vermögen eines Ehegatten vorhanden sind. Kommt es zur Trennung, führt dies häufig zu als ungerecht empfundenen Ergebnissen. Um dies zu vermeiden, kann ein gesellschaftsrechtlicher Ausgleichsanspruch geschaffen werden, der unabhängig vom Güterstand und vom Trennungsgrund auch auf Erbfälle anzuwenden ist.

     

    Das Bestehen einer Ehegattengesellschaft ist anzunehmen, wenn

    • die Eheleute die berufliche Tätigkeit/eine gleichwertige Tätigkeit im Unternehmen bei gleichberechtigter Beteiligung an den Erträgen ausüben,
    • sie Vermögenswerte zur Schaffung von Einnahmequellen erwerben und
    • eine gemeinsame Zweckverfolgung zum Aufbau eines Unternehmens/einer Vermögensmasse unterstellt werden kann.

     

    • Beispiel

    Ein Ehepaar, A und B, das im Güterstand der Gütertrennung lebt und zwei gemeinsame Abkömmlinge, X und Y, hat, betreibt einen Gewerbebetrieb, der vom Erblasser als Einzelunternehmer geführt wird. A und B bringen sich gemeinschaftlich mit ihrer Arbeit und ihren täglichen Mühen in das Unternehmen ein, das einen beträchtlichen Wert erlangt. Aufgrund permanenter Überlastung stirbt der Prinzipal plötzlich und unerwartet. Um die Höhe der Pflichtteilsansprüche von X und Y zu reduzieren, macht die Ehefrau den Ausgleichsanspruch aus der Ehegatteninnengesellschaft geltend. Erst nach Ausgleich dieses Anspruchs ist die Höhe der Pflichtteilsansprüche der Abkömmlinge zu berechnen.

     

    b) Ergänzungspflichtige Schenkung?

    Die Frage, ob diese Gestaltung eine ergänzungspflichtige Schenkung darstellt, hängt von der rechtlichen Ausgestaltung der Personengesellschaft ab. Es ist zu differenzieren, ob eine Übertragung synallagmatischen Charakters vorliegt, ob eine Gegenleistung kausal oder konditional gegeben ist und in welchem Umfang die Arbeitskraft einer beteiligten Person in die Unternehmung eingebracht wurde. Bei einer GbR wird grundsätzlich das Haftungsrisiko als gering eingeschätzt. Entsprechend wird eine unentgeltliche Mitbeteiligung mit unentgeltlicher Übertragung von Gesellschaftsanteilen als Schenkung betrachtet, die Pflichtteilsergänzungsansprüche auslösen kann.

     

    Bei einer oHG unterstellt die Rechtsprechung eine Gegenleistung für eine unentgeltliche Mitbeteiligung/Übertragung von Anteilen in der Haftungsübernahme oder auch in dem Einsatz der Arbeitskraft im Unternehmen (BGH NJW 81, 1956). Aus diesem Grund stellt eine unentgeltliche Übertragung von Anteilen oder eine Mitbeteiligung an einer oHG keine pflichtteilsrelevante Schenkung dar (Müller in Burandt/Rojahn, Erbrecht, 2011, § 2325 Rn. 60).

     

    Die Zuwendung eines Kommanditanteils einer KG ist nicht mit einer Übertragung eines Haftungsrisikos verbunden. Als Auswirkung der Entscheidungen der unentgeltlichen Übertragung von oHG-Anteilen dürfte daher die unentgeltliche Übertragung eines Kommanditanteils oder eine unentgeltliche Mitbeteiligung an einer KG, einer stillen Beteiligung oder einer Innengesellschaft eine pflichtteilsergänzungspflichtige Schenkung darstellen (Müller in Burandt/Rojahn, a.a.O., § 2325 Rn. 61; BGHZ 112, 40, 45).

     

    In Bezug auf die Zuwendung von Anteilen an Kapitalgesellschaften ist davon auszugehen, dass die Übertragung nicht mit einer unbeschränkten Haftung des Empfängers verbunden ist. Die Haftung verbleibt bei der juristischen Person. Eine unentgeltliche Übertragung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft ist als unentgeltliches Rechtsgeschäft zu betrachten.

     

    c) Folgen des Versterbens eines Gesellschafters für die Gesellschaft

    Das Schicksal einer Gesellschaft nach dem Tod eines Gesellschafters richtet sich nach dem Gesellschaftstyp. Für eine GbR findet gemäß § 727 BGB die Auflösung der Gesellschaft statt, soweit im Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt ist. Die GbR wird zur Abwicklungsgesellschaft und der/die Erben treten zur gesamten Hand anstelle des Erblassers in die Liquidationsgesellschaft ein. Das etwaig entstehende Auseinandersetzungsguthaben wird dem Nachlass zugeschlagen. Eine oHG wird entsprechend § 131 HGB ohne ein Nachrücken der Erben fortgeführt. Bei Versterben/Ausscheiden eines Gesellschafters einer oHG steht den Erben als juristischen Nachfolgern entsprechend den §§ 738, 740 BGB in Verbindung mit § 105 HGB ein Abfindungsanspruch gegen die Gesellschaft zu. Auch die KG wird bei Ableben eines Gesellschafters fortgeführt, jedoch ist zu unterscheiden: War der Erblasser Kommanditist, rücken die Erben in seine Rechtsstellung entsprechend § 177 HGB ein. War er Komplementär, findet eine Rechtsnachfolge durch die Erben in die Komplementärstellung nicht statt. Bei Kapitalgesellschaften wie der AG und GmbH werden die Gesellschaften entsprechend §§ 68, 69 AktG sowie § 15 GmbHG fortgesetzt, sofern nichts anderes vereinbart wurde.

     

    d) Fortsetzungsklausel mit Abfindungsabschluss

    Das Ausscheiden eines Gesellschafters kann auch in anderer Weise geregelt werden. Steht das Ziel der Pflichtteilsvermeidung im Vordergrund, bieten sich Fortsetzungsklauseln mit Abfindungsausschluss an. Wird die Gesellschaft von den übrigen Gesellschaftern fortgeführt, fallen die Gesellschaftsanteile nicht in den Nachlass. Durch das Ausscheiden des Erblassers entsteht ein Abfindungsanspruch, § 738 BGB, dessen Höhe sich an dem „wahren Wert“ des Anteils bemisst, wenn nicht eine Abfindungsklausel im Gesellschaftsvertrag vorgesehen ist. Der Abfindungsanspruch fällt in den Nachlass. Wächst den anderen Gesellschaftern durch eine Fortsetzungsklausel bei Ausscheiden des Erblassers aus einer Gesellschaft dessen Teil an, sind sie entsprechend bereichert. Wird gesellschaftsvertraglich der Ausschluss einer Abfindung vereinbart, ist die Entgeltlichkeit der Anwachsung in Zweifel zu ziehen. Um zu entscheiden, ob eine pflichtteilsrelevante Schenkung vorliegt, kommt es darauf an, wie die Klausel rechtlich zu beurteilen ist.

     

    Wird im Gesellschaftsvertrag geregelt, dass jeder Gesellschafter bei dessen Ausscheiden seine Anteile kompensationslos verliert (mehrseitige Abfindungsklausel), stellt die Anwachsung zugunsten der verbleibenden Gesellschafter keine ergänzungspflichtige Schenkung dar (BGHZ 22, 189, 194). Liegt nur eine einseitige, auf einen/einige Gesellschafter beschränkte Abfindungsausschlussklausel vor, stellen die Anwachsungen der übrigen Gesellschafter ergänzungspflichtige Schenkungen dar (BGH NJW 81, 1956).

     

    PRAXISHINWEIS |  Für die gesellschaftsrechtliche Praxis sollte darauf geachtet werden, Abfindungsausschlussklauseln rechtlich unantastbar zu formulieren. Dabei ist eine Abwägung zwischen der Liquiditätssicherung der Gesellschaft und dem entsprechenden Wagnischarakter einer diesbezüglichen Regelung in den Vordergrund zu stellen. Ist z.B. aufgrund zu hoher Altersunterschiede der Gesellschafter eines Unternehmens eine Risikodisparität vorhanden, stellt die Anwachsung auch bei mehrseitigen Abfindungsausschlussklauseln bei den anderen Gesellschaftern eine pflichtteilsergänzungspflichtige Schenkung dar.

     

    2. Europäisches Recht: Wechsel der Staatsangehörigkeit

    Die Ausführungen basieren auf der Anwendung deutschen Rechts. Auch ein Wechsel der Staatsangehörigkeit/des Erbstatuts kann helfen, Pflichtteilsansprüche zu reduzieren. Nach Art. 25 Abs. 1 EGBGB richtet sich die Rechtsnachfolge von Todes nach dem Recht des Staates der Staatsangehörigkeit des Erblassers zum Todeszeitpunkt. Insbesondere „common law-Länder“ regeln kein Pflichtteilsrecht. Nimmt ein Deutscher die britische Staatsbürgerschaft an, führt dies zur Vermeidung von Pflichtteilsansprüchen. Vermieden werden sollte allerdings eine Nachlassspaltung. Durch die im August 2015 zwingend geltende EU-ErbVO (Rom V) werden weitere Möglichkeiten, Pflichtteilsansprüche zu reduzieren, eröffnet.

     

    Weiterführende Hinweise

     

    Quelle: Ausgabe 08 / 2013 | Seite 136 | ID 39395270