· Schriftliche Dokumentation einer Willensentscheidung
Nicht umsatzsteuerbare Entnahme und Veräußerung von Ausstellungsstücken

Die Veräußerung eines Gegenstands ‒ hier: ein zuvor ohne Vorsteuerabzug eingelegtes Fahrzeug ‒ erfolgt nur dann im Rahmen des Unternehmens, wenn der betreffende Gegenstand vorher dem Unternehmen zugeordnet worden war und wenn er nicht vor der Veräußerung bereits aus dem Unternehmen wieder entnommen worden ist (Anschluss des Finanzgerichts an die Rechtsprechung des BFH). Für eine vorherige nicht umsatzsteuerbare Entnahme bedarf es objektiver Anhaltspunkte und einer gewissen Zeitspanne zwischen Entnahme und Verkauf. Der Umstand, dass die Entnahme zeitlich mit der Lieferung am gleichen Tag erfolgt sein soll, spricht gegen eine Entnahme. Die nach außen erkennbare Entnahme eines Gegenstands aus dem unternehmerischen Bereich hat zeitlich vor dem Verkauf zu erfolgen, wobei es dabei zur erforderlichen eindeutigen Abgrenzung auf den Zeitpunkt des ersten Angebots zum Verkauf des Gegenstands bzw. die erste Verkaufsbemühung ankommt. |
Sachverhalt
Der Steuerpflichtige betrieb zunächst ein Handelsgeschäft mit Kfz-Teilen sowie Kfz- und Caravan-Zubehör. Seit Mai 2018 umfasst seine angemeldete unternehmerische Tätigkeit auch die Vermietung und den Handel mit Wohnmobilen sowie den Handel und Verkauf von Kraftfahrzeugen und Zweirädern. Seinen Gewinn ermittelte der Steuerpflichtige in den Streitjahren durch Einnahmen-Überschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG.
Auf den Steuerpflichtigen wurde im Mai 2015 der erstmalig im Jahr 2003 zugelassene Pkw der Marke Volkswagen T5 Multivan Comfortline (nachfolgend „der VW“) zugelassen. Im November 2015 legte der Steuerpflichtige den VW aus seinem Privatvermögen in das Betriebsvermögen ein und ordnete ihn seinem Unternehmensvermögen zu. Ein Vorsteuerabzug erfolgte nicht. Im Jahr 2016 ließ der Steuerpflichtige den VW umfassend reparieren. Aus den Reparaturaufwendungen und den laufenden Betriebskosten für den VW machte er die Vorsteuern geltend. Mit einem „ADAC-Kaufvertrag für den privaten Verkauf eines gebrauchten Kraftfahrzeugs“ veräußerte er im Oktober 2016 das Fahrzeug. Im Kaufvertrag wurde keine Umsatzsteuer ausgewiesen. In der Buchhaltung des Steuerpflichtigen wurde noch im Oktober 2016 eine Entnahme des VW erfasst (Buchungskonto 4605 „Entnahme von Gegenständen ohne USt“) mit dem Buchungstext „Entnahme VW TDI ohne USt da Einlage ohne USt“. In seiner Umsatzsteuer-Jahreserklärung für 2016 erklärte der Steuerpflichtige die steuerpflichtigen Lieferungen und sonstigen Leistungen ohne Berücksichtigung des VW und auch keine steuerbare Entnahme des VW oder seiner Bestandteile.
Auf den Steuerpflichtigen wurde im Jahr 2014 erstmalig das Wohnmobil der Marke Fiat Ducato KNAUS Sky Wave (nachfolgend „der Fiat“) zugelassen. Im Januar 2018 legte er den Fiat aus seinem Privatvermögen in das Betriebsvermögen ein und ordnete das Fahrzeug seinem Unternehmensvermögen zu. Ein Vorsteuerabzug erfolgte nicht. In der Folgezeit vermietete der Steuerpflichtige das Fahrzeug im Rahmen seines Unternehmens. Aus den laufenden Reparaturaufwendungen machte der Steuerpflichtige Vorsteuerbeträge geltend. Mit einem „ADAC-Kaufvertrag für den privaten Verkauf eines gebrauchten Wohnmobils“ veräußerte der Steuerpflichtige den Fiat im August 2018. In seiner Buchhaltung wurde eine Entnahme des Wohnmobils erfasst (Buchungskonto 4605 „Entnahme von Gegenständen ohne USt“) mit dem Buchungstext „Verkauf Fiat Ducato WoMo (ohne USt, privat gekauft + Einlage)“. In seiner Umsatzsteuer-Jahreserklärung für 2018 erklärte der Steuerpflichtige die steuerpflichtigen Lieferungen und sonstigen Leistungen ohne Berücksichtigung des Fiats und auch keine steuerbare Entnahme des Fiats.
Nach einer Betriebsprüfung stellte das Finanzamt u. a. fest, dass die beiden streitgegenständlichen Fahrzeuge zum Zeitpunkt der Veräußerung Unternehmensvermögen des Steuerpflichtigen dargestellt hätten. Beide seien nicht aus dem Unternehmensvermögen entnommen worden, sodass die Veräußerungen umsatzsteuerpflichtig zum allgemeinen Steuersatz seien. Aufgrund der engen zeitlichen Zusammenhänge liege kein ausreichender Nachweis einer Entnahmehandlung vor. Die buchhalterische Erfassung allein genüge nicht. Die Indizienlage spreche insoweit jeweils gegen eine Veräußerung aus dem Privatvermögen. Aus den Verkaufspreisen sei daher die Umsatzsteuer herauszurechnen. Mit den Änderungsbescheiden hob das Finanzamt die Vorbehalte der Nachprüfung auf.
Mit seiner Einspruchsentscheidung wies das Finanzamt die Einsprüche des Steuerpflichtigen gegen die Umsatzsteuerbescheide als unbegründet zurück. Zur Begründung führte das Finanzamt aus, dass die Entnahmen der Fahrzeuge aus dem Unternehmensvermögen nicht nachgewiesen wurden und die Verkäufe daher umsatzsteuerpflichtige Lieferungen darstellen.
Entscheidung
Das FG wies die Klage ab. Bei Würdigung der gesamten Umstände des Streitfalls kann das Finanzgericht nicht feststellen, dass der Steuerpflichtige die streitgegenständlichen Fahrzeuge bereits vor der Veräußerung wieder ‒ mangels Vorsteuerabzugs nicht steuerbar (§ 3 Abs. 1b Satz 2 UStG) ‒ aus dem unternehmerischen Bereich entnommen hätte. Vielmehr bedarf es objektiver Anhaltspunkte für eine vorherige Entnahme und einer gewissen Zeitspanne zwischen Entnahme und Verkauf im vorgenannten Sinne. Beides ist im Streitfall nicht gegeben. Dies beruht auf folgenden Einzelerwägungen:
Veräußerung des VW
Der Steuerpflichtige hatte den VW im November 2015 für Zwecke der Umsatzsteuer insgesamt seinem Unternehmen zugeordnet. Dies ist zwischen den Beteiligten im Übrigen auch nicht streitig.
Der Steuerpflichtige hat den VW mit privatem Kaufvertrag vom 22.10.2016 ohne Umsatzsteuer veräußert. Das zivilrechtliche Erfüllungsgeschäft erfolgte mit Einigung und Übergabe des VW am 25.10.2016. Die Entnahme des VW wurde buchhalterisch zum selben Tag, den 25.10.2016 erfasst.
Dagegen, dass im Streitfall eine solche Entnahme aus dem Unternehmen des Steuerpflichtigen vor der Veräußerung erfolgt ist, spricht schon der Umstand, dass diese nach dem Vortrag des Steuerpflichtigen zeitlich mit der Übergabe des VW am gleichen Tag erfolgt sein soll. Zudem wurde in der ‒ wann auch immer ‒ erfolgten buchhalterischen Behandlung des Steuerpflichtigen eine Entnahme erst zum 25.10.2016 und damit nach Abschluss des Kaufvertrags vom 22.10.2016 erfasst.
Hinzu kam im Streitfall, dass nach Meinung des Finanzgerichts die Absicht des Steuerpflichtigen zum Verkauf des VW spätestens seit Juli 2016 bestand. Dies ergab sich aus der vom Finanzamt vorgelegten Heftung mit Ausdrucken von „mobile.de“ bezüglich des VW. Danach hatte der Steuerpflichtige unstreitig Verkaufsanzeigen auf „mobile.de“ geschaltet.
Eine davor erfolgte Entnahme des VW aus dem unternehmerischen Bereich hat der Steuerpflichtige nicht nachgewiesen. Zwar hat der Steuerpflichtige in der mündlichen Verhandlung einen Ausdruck einer E-Mail aus Juni 2016 vorgelegt, die an eine Mitarbeiterin der Steuerkanzlei seiner Prozessbevollmächtigten gerichtet war und in der es heißt, dass er die Mitarbeiterin bitte, den VW zum 30.6.2016 zum damaligen Zeitwert auszubuchen. Dem steht jedoch entgegen, dass daraufhin tatsächlich keine Entnahme des VW buchhalterisch zum 30.6.2016 erfasst wurde, sondern erst zum 25.10.2016. Überdies wurden in der Buchhaltung des Steuerpflichtigen auch nach diesem Zeitpunkt für den VW Kfz-Reparaturen für Juli 2016 sowie laufende Kfz-Betriebskosten für die Monate Juli, August und September 2016 erfasst. Der Steuerpflichtige hat insofern den Vorsteuerabzug geltend gemacht, was ebenfalls gegen eine Entnahme des VW aus dem Unternehmensvermögen des Steuerpflichtigen zum 30.6.2016 spricht.
Auch der Hinweis des Steuerpflichtigen, dass zuletzt am 8. oder 17.9.2016 Kraftfahrzeugkosten für den VW geltend gemacht worden seien, belegte für das FG keine Entnahmehandlung, sondern spricht im Gegenteil dafür, dass der Steuerpflichtige die Zuordnung des VW zu seinem Unternehmen trotz seiner E-Mail vom 30.6.2016 bis dahin hat bestehen lassen, obwohl er bereits zuvor und damit aus seinem Unternehmen heraus Verkaufsbemühungen unternommen hat.
Auch die Überschrift des Vertrags vom 22.10.2016 als „Kaufvertrag für den privaten Verkauf eines gebrauchten Kraftfahrzeugs“ und der Vortrag des Steuerpflichtigen standen der Auffassung des FG nicht entgegen, dass er von Anfang an durch das Inserat die private Veräußerung und damit die Entnahme beabsichtigt habe, auch um die Gewährleistungen über das Fahrzeug einzuschränken. Allein der Wille, keine Rechnung mit Umsatzsteuer erteilen zu wollen, ist umsatzsteuerlich keine Entnahme.
Veräußerung des Fiats
Der Steuerpflichtige hatte den Fiat im Januar 2018 für Umsatzsteuerzwecke insgesamt dem Unternehmen zugeordnet. In der Folgezeit hat der Steuerpflichtige das Wohnmobil im Rahmen seines Unternehmens vermietet und daraus steuerpflichtige Erlöse erzielt. Darüber besteht zwischen den Beteiligten im Übrigen auch kein Streit.
Der Steuerpflichtige hat das Wohnmobil mit privatem Kaufvertrag vom 25.8.2018 ohne Umsatzsteuer veräußert. Das zivilrechtliche Erfüllungsgeschäft erfolgte mit Einigung und Übergabe des Wohnmobils am 29.8.2018. Die Entnahme des Wohnmobils wurde buchhalterisch zum 25.8.2018 erfasst.
Dagegen, dass im Streitfall eine solche Entnahme aus dem Unternehmen des Steuerpflichtigen vor der Veräußerung erfolgt ist, spricht schon der Umstand, dass diese nach dem Vortrag des Steuerpflichtigen zeitlich mit dem Abschluss des Kaufvertrags vom 25.8.2018 und der behaupteten Übergabe am gleichen Tag erfolgt sein soll.
Zudem wurde in der ‒ wann immer ‒ erfolgten buchhalterischen Behandlung des Steuerpflichtigen eine Entnahme zum 25.8.2018 und damit zum Tag des Abschlusses des Kaufvertrags vom 25.8.2018 erfasst.
Dabei ist insbesondere auch zu berücksichtigen, dass die unternehmerische Tätigkeit des Steuerpflichtigen im Streitjahr 2018 die Vermietung und den Handel mit Wohnmobilen umfasste. Seit Mai 2018 hatte der Steuerpflichtige dies auch in seiner Gewerbe-Anmeldung angegeben. Überdies war in dem Kaufvertrag ausdrücklich ausgewiesen, dass der Fiat als Mietwohnmobil gewerblich genutzt wurde.
Bei dieser Sachlage sprach im Streitfall objektiv nichts dafür, dass eine Veräußerung des Fiats aus dem nichtunternehmerischen Bereich erfolgt. Vielmehr umfasste sein Unternehmen gerade auch den Handel mit Wohnmobilen.
PRAXISTIPP | Das Urteil zeigt wieder einmal, wie wichtig es ist, steuerlich bedeutsame Willensentscheidungen objektiv nachvollziehbar und damit schriftlich zu dokumentieren. |
Allein der Wille, keine Rechnung mit Umsatzsteuer erteilen zu wollen, ist umsatzsteuerlich keine Entnahme.
Beachten Sie | Das Urteil ist trotz Revisionszulassung rechtskräftig geworden.
Fundstelle
- FG Niedersachsen 3.4.25, 5 K 15/24, iww.de/astw, Abruf-Nr. 250507