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  • 14.06.2013 · IWW-Abrufnummer 132311

    Finanzgericht Schleswig-Holstein: Urteil vom 17.04.2013 – 5 K 71/11

    Die Heileurythmie ist keine wissenschaftlich nicht anerkannte
    Behandlungsmethode im Sinne des § 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst.
    f EStDV. Zum Nachweis der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen
    reicht im Streitfall die vor den Behandlungen ausgestellte ärztliche
    Verordnung nach § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV aus.


    Tatbestand
    Die Beteiligten streiten darüber, ob Aufwendungen für
    heileurythmische Behandlungen als außergewöhnliche
    Belastungen im Sinne des § 33 Einkommensteuergesetz steuermindernd
    zu berücksichtigen sind.
    Die Klägerin ist Pensionärin. Mit ihrer Einkommensteuererklärung
    für das Jahr 2009 machte sie u. a. folgende Aufwendungen
    als außergewöhnliche Belastungen im Sinne des § 33
    EStG geltend:
    36 heileurythmische Behandlungen a 45 Minuten a 45 Euro = 1.620 s€.
    Hierzu legte die Klägerin ärztliche Verordnungen
    des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. A vom 16. Januar, 25.
    Mai und vom 12. September 2009 vor, auf denen jeweils „12
    x Heileurythmie” verordnet wird und als Diagnose „Z.
    n. Discusprolaps” (= Bandscheibenvorfall) sowie
    chronisch rezidives LWS-Syndrom (= chronisch wiederkehrendes
    Syndrom der Lendenwirbelsäule) vermerkt ist. Darüber
    hinaus reichte die Klägerin drei Rechnungen der Heileurythmistin B
    vom 12. Mai 2009, vom 8. September 2009 und vom 1. März
    2010 über jeweils 12 Behandlungen über 540 € ein.
    Mit Einkommensteuerbescheid für 2009 vom 20. September
    2010 setzte das beklagte Finanzamt die Einkommensteuer auf 3.716 € fest.
    Dabei berücksichtigte es außergewöhnliche
    Belastungen in Höhe von 2.576 €. Die geltend gemachten
    Aufwendungen für heileurythmische Behandlungen berücksichtige das
    Finanzamt dabei nicht.
    Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein. Zur Begründung
    führte sie aus, dass ihre Aufwendungen für die ärztlich
    verordneten Heilbehandlungen berücksichtigt werden müssten,
    da auch zwei Krankenkassen diese Behandlungen aus dem Bereich der
    anerkannten Naturheilverfahren erstatten würden.
    Mit nach § 172 AO aus nicht streitgegenständlichen
    Gründen geändertem Einkommensteuerbescheid für
    2009 wurde die Einkommensteuer auf 3.626 € festgesetzt.
    Mit Einspruchsentscheidung vom 8. März 2011 wurde der
    Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Zur
    Begründung wurde ausgeführt, dass kein hinreichender
    Nachweis bestehe, dass die Behandlungen im Falle der Klägerin
    aus ärztlicher Sicht eine zwingend medizinisch notwendige
    und angemessene Methode zur Behandlung gewesen seien. Hinsichtlich
    der Begründung im Einzelnen wird auf die Einspruchsentscheidung
    Bezug genommen.
    Die Klägerin hat am 8. April 2011 Klage erhoben. Zur
    Begründung trägt sie vor, sie leide seit mehreren
    Jahrzehnten an einem Zustand der Multi-Morbidität u. a.
    mit schwerem chronischem Schmerzsyndrom, Zustand nach operiertem lumbalen
    Bandscheibenvorfall und Polytraumatisierung infolge hochgradiger Gangunsicherheit
    durch zahlreiche Stürze mit Frakturen, Sehnenrissen, schweren
    Prellungen und/oder Gehirnerschütterung. Insoweit
    verweist sie auf die ärztliche Stellungnahme des behandelnden
    Arztes Dr. med. A vom 8. Juni 2011. Aufgrund des angeführten
    chronischen Lendenwirbelsäulensyndroms habe der Arzt Dr.
    A u. a. insgesamt 36 Heileurythmiebehandlungen verordnet. Bei der
    Heileurhythmie handele es sich um eine nichtärztliche Bewegungstherapie
    innerhalb der anthroposophischen Medizin. Sie stelle also eine spezifische Behandlungsmethode
    innerhalb der Therapierichtung der anthroposophischen Medizin dar.
    Sie werde in Einzelbehandlungen von entsprechend qualifizierten Therapeuten
    (Heileurythmisten), die den Patienten in spezifische therapeutische
    Körperbewegungen einweisen, ausgeführt.
    Die Grundelemente der Heileurythmie seien die in Bewegung umgewandelten Laute
    unserer Sprache, die je nach Indikation und therapeutischer Zielsetzung spezifisch
    angewandt würden. Die Gestaltungsdynamik, die in der Lautbildung, d.
    h. im Aussprechen von Vokalen und Konsonanten, enthalten sei, werde
    in der Heileurythmie in Bewegung umgesetzt und erlebbar gemacht.
    Heileurythmie werde seit mehreren Jahrzehnten auf ärztliche
    Verordnung sowohl im ambulanten, stationären und palliativen
    Bereich u. a. bei akuten, chronischen oder degenerativen Erkrankungen
    des Nervensystems, des Herz-Kreislaufssystems, des Stoffwechselsystems
    und des Bewegungsapparates angewendet. Zur näheren Erläuterung
    werde auf die als Anlage 6 beigefügte „Leitlinie
    zur Methode der Heileurythmie” des Berufsverbands Heileurythmie
    e. V. verwiesen.
    Bei der anthroposophischen Medizin handele es sich neben der
    Homöopathie um die Therapierichtung, die als sogenannte „besondere
    Therapierichtung” durch den Gesetzgeber sowohl im Arzneimittelgesetz
    als auch im V. Sozialgesetzbuch (SGB V) eine besondere gesetzliche
    Anerkennung erfahren habe. So werde die anthroposophische Medizin
    an zahlreichen Stellen des SGB V als auch des ANG als besondere
    Therapierichtung vom Gesetzgeber ausdrücklich erwähnt.
    Sie sei damit von anderen Behandlungsmethoden der Alternativmedizin
    oder gar von Außenseitermethoden zu unterscheiden und als
    Therapierichtung gesetzlich besonders hervorgehoben. Die medizinische
    Indikation der Heileurythmie zur Behandlung der vorgenannten diagnostizierten
    Erkrankungen bzw. Beschwerden sei mittlerweile auch durch mehrere
    medizinische Studien nachgewiesen. Insoweit werde auf die als Anlage
    K 7 eingereichte vergleichende Studie aus der Zeitschrift „Der
    Merkurstab”, Heft 5 2008, Seite 435 ff verwiesen. Zudem
    werde auf den als Anlage K 8 eingereichten „Bericht Anthroposophische
    Medizin” des Schweizer Bundesamtes für Sozialversicherung
    vom August 2004 Bezug genommen. Auch in Deutschland sei die Heileurythmie
    als spezifisches Heilmittel der anthroposophischen Medizin im Rahmen
    von Modelprojekten mit verschiedenen Krankenkassen evaluiert worden.
    So habe 1998 bis 2003 im Rahmen eines Modelprojektes der IKK Hamburg
    und weiterer gesetzlicher Krankenkassen eine Basisevaluation der anthroposophischen
    Medizin stattgefunden. Die Abschnitte „Überblick
    und Zusammenfassung” sowie Abschnitt 12.9.11 zur Heileurythmie
    aus dem Abschlussbericht vom Juni 2005 werden als Anlage K 9 beigefügt.
    Darüber hinaus verweist die Klägerin auf eine
    Vielzahl weiterer Studien. Schließlich sei auch eine ganze
    Reihe von gesetzlichen Krankenkassen ausdrücklich in sogenannten „IV-Verträgen” (Verträge
    zur integrierten Versorgung mit anthroposophischer Medizin nach § 140
    a ff SGB V) zur Kostenübernahme von Heileurythmiebehandlungen
    vertraglich verpflichtet, wie sich aus der als Anlage K 10 beigefügten
    Liste der derzeitigen Krankenversicherungen mit IV-Verträgen
    ergebe.
    Wie aus der ärztlichen Stellungnahme des behandelnden
    Arztes Herrn Dr. A vom 8. Juni 2011 ersichtlich, hätten
    die Heileurythmiebehandlungen auch im konkreten Falle der Heilung
    bzw. zumindest Linderung der vorgenannten Erkrankungen der Klägerin
    gedient. Die Schmerzen und damit verbundenen Bewegungseinschränkungen
    hätten in Folge der Behandlungen so stark reduziert werden
    können, dass der Einsatz von Schmerzmitteln vermeidbar
    geworden sei. Außerdem hätten die Heileurythmiebehandlungen
    sich als nebenwirkungsarm und wirkungsvoll erwiesen. Krankengymnastische Übungen
    seien aufgrund der schweren Schmerzsymptomatik bei der Klägerin
    gar nicht durchführbar gewesen.
    Es lägen insoweit Aufwendungen vor, die als außergewöhnliche
    Belastungen gemäß § 33 EStG berücksichtigt
    werden müssten. Im Rahmen von § 33 EStG werde
    verlangt, dass die Behandlung nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft
    anerkannt sei. Hierbei sei allerdings ausreichend, dass die Heilmethode
    von einem bedeutenden Teil der Ärzteschaft als denkbare Behandlungsmethode
    angesehen werde. Bei der anthroposophischen Medizin handele es sich
    um eine besondere Therapierichtung, die zweifelsohne von einem bedeutenden
    Teil der Ärzteschaft als denkbare Behandlungsmethode angesehen
    werde. Die Klägerin habe auch Verordnungen ihres behandelnden Arztes
    eingereicht. Der Einwand der Beklagten, die Klägerin hätte
    keinen ausreichenden Nachweis der medizinischen Indikation der Heileurythmiebehandlungen
    vorgelegt, sei unzutreffend. Wann eine konkrete medizinische Maßnahme
    im Einzelfall notwendig, also indiziert sei, habe in erster Linie
    der behandelnde Arzt zu entscheiden. Dabei komme es darauf an, ob
    zwischen unterschiedlichen Behandlungsmethoden die gewählte
    vertretbar sei. Insoweit werde auf die vorstehenden Ausführungen
    verwiesen. Die Verordnungen des behandelnden Arztes seien daher
    in jedem Fall vertretbar. Darüber hinaus sei insbesondere
    nach der jüngsten Rechtsprechung des BFH die Vorlage eines amtsärztlichen
    Attestes in strittigen Fällen zur Abgrenzung von lediglich gesundheitsfördernden
    Maßnahmen und medizinisch indizierten Behandlungen nicht
    mehr erforderlich (vgl. BFH-Urteile jeweils vom 11. November 2010, Aktenzeichen VI R 16/09, VI R 17/09 und VI R 18/09).
    Der BFH halte damit ausdrücklich nicht mehr an seiner bisherigen
    restriktiven Rechtsprechung fest, nach der in bestimmten Fällen
    Aufwendungen nach § 33 EStG nur abzugsfähig wären,
    wenn die medizinische Indikation der ihnen zu Grunde liegenden Behandlungen
    durch ein amtsärztliches/vertrauensärztliches
    Gutachten oder ein Attest nachgewiesen werde.
    Auch die bislang zur Heileurythmie ergangene finanzgerichtliche
    Rechtsprechung habe stets den Charakter der Heileurythmie als Heilbehandlung
    bejaht. Dies sei im Rahmen von Klagen, die die Frage der Umsatzsteuerfreiheit
    eines Heileurythmisten zum Gegenstand hatten, angenommen worden.
    Dass die Heileurythmie auch von gesunden Personen als vorbeugende
    bzw. die Gesundheit erhaltene Maßnahme oder zur Steigerung
    des allgemeinen Wohlbefindens in Anspruch genommen werde, ändere
    im konkreten Falle nichts daran, dass die Klägerin hier
    zur Linderung ihres mit starken Schmerzen verbundenen chronischen
    Lendenwirbelsäulensyndroms und keineswegs nur zur Verbesserung
    ihres allgemeinen Gesundheitszustandes mit Heileurythmie therapiert worden
    sei. Schließlich würden bspw. auch physiotherapeutische
    Maßnahmen (z. B. Massagen) von Gesunden in Anspruch genommen,
    aber andererseits auch zur Heilung bzw. Linderung von Krankheiten ärztlich
    verordnet und angewendet. Nicht ersichtlich sei auch, woraus der
    Beklagte die Annahme herleite, die Klägerin befände
    sich mindestens seit 1998 in Dauerbehandlung mit Heileurythmie.
    Der seit zwei Jahrzehnten bestehende gravierende Zustand der Klägerin
    zeige, dass die Heileurythmiebehandlungen des chronischen lumbalen Schmerzsyndroms,
    das u. a. zeitweise auch mit gängigen Schmerztherapien
    und Physiotherapie, craniosacraler Therapie, orthopädischen
    Maßnahmen und Injektionstherapie mit anthroposophischen
    Arzneimitteln behandelt worden sei, bei der Klägerin langfristig
    medizinisch notwendig sei.
    Bei der Heileurythmie handele es sich um ein Heilmittel, welches
    grundsätzlich nach dem SGB V als Heilmittel der besonderen
    Therapierichtung der anthroposophischen Medizin erstattungsfähig
    sei. Für den nach § 64 der Einkommensteuerdurchführungsverordnung
    erforderlichen Nachweis der Zwangsläufigkeit bedeute dies,
    dass die Klägerin durch Vorlage der Verordnung des Arztes
    den entsprechenden Nachweis erbracht habe. § 64 Abs. 1
    Ziffer 2 EStDV sei hingegen nicht anwendbar. Diese Vorschrift betreffe
    nur wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethoden, welche
    keine gesetzliche Anerkennung im SGB V erfahren hätten
    im Gegensatz zu der hier im Streit stehenden besonderen Therapierichtung
    der anthroposophischen Medizin. Unter den in Ziffer 2 von § 64
    Abs. 1 EStDV eingeführten wissenschaftlich nicht anerkannten
    Behandlungsmethoden seien z. B. Frisch- und Trockenzellenbehandlungen,
    Sauerstoff-, Gelath- und Eigenbluttherapie einzuordnen. Da im Recht
    der gesetzlichen Krankenversicherungen sowohl die besondere Therapierichtung
    der anthroposophischen Medizin als auch der Homöopathie
    gleichbedeutend mit der sogenannten Schulmedizin seien, wäre
    es nicht systemgerecht, die Heileurythmie der Ziffer 2 von § 64
    EStDV zuzuordnen. Ein vorheriges amtsärztliches Attest sei
    nicht erforderlich, um den Nachweis der Zwangsläufigkeit
    der Aufwendungen für die Heileurythmiebehandlungen zu erbringen.
    Mit Schriftsatz vom 25. August 2011 hat die Klägerin
    die Klage in Höhe von 540 € zurückgenommen,
    da die Rechnung vom 1. März 2010 erst bei der Einkommensteuerfestsetzung
    für 2010 zu berücksichtigen sei.
    Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
    den Einkommensteuerbescheid 2009 vom 8. Dezember 2010 in Gestalt
    der Einspruchsentscheidung vom 8. März 2011 dahingehend
    zu ändern, dass bei den außergewöhnlichen
    Belastungen weitere Aufwendungen in Höhe von 1.080 € berücksichtigt
    werden und die Einkommensteuer entsprechend herabzusetzen.
    Der Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen.
    Der Beklagte verweist zur Begründung zunächst
    auf die Ausführungen in der angefochtenen Einspruchsentscheidung.
    Ergänzend trägt er vor, dass nach der ständigen
    BFH-Rechtsprechung Aufwendungen für eine Heilbehandlung
    auch ohne eine im Einzelfall nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG
    an sich gebotene Prüfung der Zwangsläufigkeit
    dem Grunde und der Höhe nach als außergewöhnliche Belastung
    berücksichtigt werden könnten, wenn die Aufwendungen
    nach den Erkenntnissen und Erfahrungen der Heilkunde und nach den
    Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zur Heilung oder
    Linderung der Krankheit angezeigt seien und vorgenommen würden.
    Ob diese Voraussetzung zutreffe, sei anhand von objektiven Maßstäben
    und nicht nach der subjektiven Einschätzung des Steuerpflichtigen
    festzustellen. Die Forderung, den Nachweis in qualifizierter Weise
    zu führen, diene der Abgrenzung von Aufwendungen im Bereich
    der allgemeinen Gesundheitsvorsorge, für die regelmäßig
    eine Zwangsläufigkeit nicht zu bejahen sei. Im Streitfall
    könne es letztlich dahinstehen, ob es sich bei der Heileurythmie
    tatsächlich um eine Therapie handele, deren Wirksamkeit
    aus medizinisch-therapeutischer Sicht anerkannt sei. Entscheidende
    Bedeutung habe, dass die Heileurythmie ihrer Art nach nicht eindeutig
    eine rein medizinische Maßnahme einer Heilbehandlung darstelle.
    Zwar habe der Hausarzt der Klägerin die Heileurythmie-Therapie
    per Rezept verordnet und nunmehr auch bestätigt, dass gerade
    diese Therapieform sich für seine Patientin als wirkungsvoll
    erweise. Dies reiche jedoch als Nachweis einer medizinischen Notwendigkeit
    der Heileurythmie-Therapie nicht aus. Dabei werde nicht bestritten,
    dass die Behandlungen der Gesundheit der Klägerin dienlich
    gewesen seien. Heileurythmie-Therapien würden aber nicht
    nur von Kranken, sondern auch von Gesunden wahrgenommen, um die
    Gesundheit zu erhalten und das Wohlbefinden zu steigern. Der Berufsverband
    Heileurythmie werbe auf seiner Internetseite gerade auch mit dem
    Hinweis auf den erfolgreichen Einsatz dieser Therapieform als Präventionsmaßnahme.
    Auch in der von der Klägerin eingereichten „Leitlinie
    zur Methode der Heileurythmie” sei die Prophylaxe als Ziel herausgestellt
    worden. Da sich die Klägerin seit mindestens 1998 in Dauerbehandlung
    mit Heileurythmie befinde und in Anbetracht der allgemein bekannten
    Tatsache, dass auch Maßnahmen der Lebensführung
    die physische und psychische Gesundheit bessern können,
    akzeptiere das Finanzamt zwar, dass die Heileurythmie für
    die Klägerin aus medizinischer Sicht sinnvoll sei. Es habe
    jedoch nicht die Überzeugung gewinnen können,
    dass die Dauerbehandlung unabdingbar medizinisch notwendig gewesen
    sei. Es sei daher nicht zu beanstanden, die Klägerin und
    nicht die Allgemeinheit mit den hier geltend gemachten Kosten zu
    belasten, um die Aufwendungen dementsprechend nicht zum Abzug als
    außergewöhnliche Belastung zuzulassen. Auch wenn
    einige Krankenversicherungen die Aufwendungen für nicht
    medikamentöse Behandlungsmethoden der anthroposophischen
    Medizin in einen Vertrag der integrierten Versorgung (IV-Vertrag)
    einbezogen hätten und daher ganz oder teilweise übernehmen
    würden, sei es in Anbetracht des Umstandes, dass diese
    Therapien bisher noch nicht in den Leistungskatalog der gesetzlichen
    Krankenversicherung aufgenommen worden sei, weiterhin angezeigt,
    die Heileurythmie als „alternative Heilmethode” zu
    bezeichnen. Der Nachweis der medizinischen Indikation und damit
    der Zwangsläufigkeit des von der Klägerin geltend gemachten
    Aufwandes sei deshalb nicht in ausreichendem Maße geführt
    worden.
    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Übrigen
    Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte,
    die gewechselten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der
    beigezogenen Rechtsbehelfssteuerakte Bezug genommen.
    Gründe
    Die Klage ist zulässig und begründet.
    Der Einkommensteuerbescheid für 2009 vom 20. September
    2010 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 8. Dezember
    2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. März
    2011 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin daher in ihren
    Rechten, soweit außergewöhnliche Belastungen in
    Höhe von 1.080 € nicht berücksichtigt
    wurden; der angegriffene Bescheid ist daher dementsprechend zu ändern
    100 Abs. 2 FGO).
    Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag
    ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig
    größere Aufwendungen als der überwiegenden
    Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse,
    gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands
    (außergewöhnliche Belastung) erwachsen. Zwangsläufig
    erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen dann, wenn er sich
    ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen
    nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen
    nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen
    33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Ziel des § 33 EStG
    ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den
    existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die
    sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen
    Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem
    Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen
    die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die
    in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag
    abgegolten sind (BFH-Urteil vom 19.04.2012 VI R 74/10, BStBl II 2012,
    577 m.w.N.).
    In ständiger Rechtsprechung geht der BFH davon aus,
    dass Krankheitskosten - ohne Rücksicht auf die Art und
    die Ursache der Erkrankung - dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen
    Gründen zwangsläufig erwachsen. Allerdings werden nur
    solche Aufwendungen als Krankheitskosten berücksichtigt,
    die zum Zwecke der Heilung einer Krankheit (z.B. Medikamente, Operation)
    oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglich
    zu machen, beispielsweise Aufwendungen für einen Rollstuhl
    (BFH-Urteile vom 17.07.1981 VI R 77/78, BStBl II 1981,
    711; vom 13.02.1987 III R 208/81, BStBl II 1987,
    427, und vom 20.03.1987 III R 150/86, BStBl II 1987,
    596).
    Aufwendungen für die eigentliche Heilbehandlung werden
    typisierend als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt,
    ohne dass es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 Satz 1
    EStG an sich gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit des
    Grundes und der Höhe nach bedarf (BFH-Urteile vom 01.02
    2001 III R 22/00, BStBl II 2001,
    543, und vom 03.12.1998 III R 5/98, BStBl II 1999,
    227, m.w.N.). Eine derart typisierende Behandlung der Krankheitskosten
    ist zur Vermeidung eines unzumutbaren Eindringens in die Privatsphäre
    geboten (BFH-Urteil vom 01.02 2001 III R 22/00, BStBl II 2001,
    543). Dies gilt aber nur dann, wenn die Aufwendungen nach
    den Erkenntnissen und Erfahrungen der Heilkunde und nach den Grundsätzen
    eines gewissenhaften Arztes zur Heilung oder Linderung der Krankheit
    angezeigt (vertretbar) sind und vorgenommen werden (vgl. BFH-Urteil
    vom 18.06.1997 III
    R 84/96, BFHE 183, 476, BStBl II 1997,
    805), also medizinisch indiziert sind. Dabei wird nicht nur
    das medizinisch Notwendige im Sinne einer Mindestversorgung von
    der Heilanzeige erfasst. Medizinisch indiziert (angezeigt) ist vielmehr
    jedes diagnostische oder therapeutische Verfahren, dessen Anwendung
    in einem Erkrankungsfall hinreichend gerechtfertigt (angezeigt)
    ist (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 259. Aufl., Indikation).
    Dieser medizinischen Wertung hat die steuerliche Beurteilung zu
    folgen, es sei denn, es liegt ein für jedermann erkennbares
    offensichtliches Missverhältnis zwischen dem erforderlichen
    und dem tatsächlichen Aufwand vor (BFH-Urteil vom 05.10.2011 VI R 49/10, BFH/NV
    2012, 33 m.w.N.).
    Allerdings hat der Steuerpflichtige die Zwangsläufigkeit
    von Aufwendungen im Krankheitsfall in einer Reihe von Fällen
    formalisiert nachzuweisen, nachdem der Gesetzgeber auf die geänderte
    Rechtssprechung des BFH zur Nachweispflicht reagiert hat. Bei krankheitsbedingten
    Aufwendungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel (§§ 2,
    23, 31 bis 33 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch --SGB
    V--) ist dieser Nachweis nach § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV (i.d.F.
    des StVereinfG 2011) durch eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers
    zu führen; bei Aufwendungen für Maßnahmen,
    die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung
    einer Krankheit dienen können und deren medizinische Indikation
    deshalb schwer zu beurteilen ist, verlangt § 64 Abs. 1 Nr.
    2 EStDV ein vor Beginn der Heilmaßnahme oder dem Erwerb
    des medizinischen Hilfsmittels ausgestelltes amtsärztliches
    Gutachten oder eine vorherige ärztliche Bescheinigung eines
    Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (§ 275 SGB
    V). Ein solcher qualifizierter Nachweis ist beispielsweise bei Bade-
    und Heilkuren (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. a EStDV)
    sowie bei wissenschaftlich nicht anerkannten Behandlungsmethoden,
    wie z.B. Frisch- und Trockenzellenbehandlungen, Sauerstoff-, Chelat-
    und Eigenbluttherapie (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst.
    f EStDV), erforderlich.
    Diesem formalisierten Nachweisverlangen ist auch im Streitjahr
    2009 Rechnung zu tragen. Denn nach § 84 Abs. 3f EStDV i.d.F.
    des StVereinfG 2011 ist § 64 Abs. 1 EStDV i.d.F. des StVereinfG
    2011 in allen Fällen, in denen -wie vorliegend- die Einkommensteuer
    noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist, anzuwenden.
    Nach der Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat anschließt, bestehen
    keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die rückwirkende Anwendung
    des § 64 Abs. 1 EStDV (BFH-Urteil vom 19.04.2012 VI R 74/10, BStBl II 2012,
    577 m.w.N.; vgl auch Mellinghoff in Kirchhof, EStG, 12.
    Auflage, § 33 Rn. 52; Loschelder in Schmidt, EStG, 32.
    Auflage, § 33 Rz. 34).
    Der formalisierte Nachweis darf allerdings nur in den § 64
    Abs. 1 EStDV ausdrücklich geregelten Fällen gefordert
    werden. So fordert § 64 Abs. 1 Buchst. f EStDV den strengen
    amtlichen Nachweis nur bei wissenschaftlich nicht anerkannten Behandlungsmethoden,
    nicht aber bei wissenschaftlich umstrittenen Behandlungsmethoden.
    Auch die Behandlungsmethoden der in § 2 Abs. 1 Satz 2 SGB
    V aufgeführten besonderen Therapierichtungen, zu denen
    die Homöopathie, Anthroposophie und Phytotherapie gehören
    (BSG-Urteil vom 22.03.2005 B 1 A 1/03 R,BSGE 94, 221),
    sind wissenschaftlich anerkannte Heilmethoden, die nach festgelegten
    Regeln in der Praxis individuell angewandt und kontinuierlich mit modernen
    wissenschaftlichen Methoden weiter entwickelt werden (Mellinghoff in
    Kirchhof, EStG, 12. Auflage, § 33 Rn. 53; Geserich, DStR 2012, 1490,
    1493).
    Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Klägerin
    die Zwangsläufigkeit der streitigen Aufwendungen in der
    nach § 64 Abs. 1 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 gebotenen
    Form nachgewiesen.
    Ausreichend zum Nachweis der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen
    waren die vor den Behandlungen ausgestellten ärztlichen
    Verordnungen, da der Nachweis im Streitfall von der Klägerin
    nach § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV zu erbringen ist.
    Bei der Heileurythmie handelt es sich um ein Heilmittel im Sinne
    der §§ 2 und 32 SGB-V. Gemäß § 2
    Abs. 1 Satz 2 SGB V sind Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel
    der besonderen Therapierichtungen nicht ausgeschlossen. Qualität
    und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand
    der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt
    zu berücksichtigen (§ 2 Abs. 1 Satz 2 SGB V).
    Nach § 32 Abs. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung
    mit Heilmitteln, soweit sie nicht nach § 34 ausgeschlossen
    sind. Heilmittel sind ärztlich verordnete Dienstleistungen,
    die einem Heilzweck dienen oder einen Heilerfolg sichern sollen und
    nur von entsprechend ausgebildeten, berufspraktisch erfahrenen Personen erbracht
    werden dürfen (Gerlach in Hauck/Noftz, SGB V, § 32
    Rz. 8; BSG-Urteil vom 22.03.2005 B 1 A 1/03 R, BSGE 94, 221).
    Dies ist bei der Heileurythmie der Fall. Die Heileurythmie ist eine
    aktive Bewegungstherapie, die in Einzelbehandlungen mit einem speziell
    dazu ausgebildeten Therapeuten (Heileurythmist) ausgeführt
    wird (vgl. Seite 22 des Abschlussberichts des Teilprojekts der IKK
    Hamburg vom Juni 2005). Als Heilmittel der anthroposophischen Medizin und
    damit einer der besonderen Therapierichtungen ist sie nicht grundsätzlich ausgeschlossen.
    Vielmehr ermöglicht es diese Vorschrift den Krankenkassen, derartige
    Leistungen zu übernehmen, verpflichtet sie aber nicht dazu
    (BFH-Urteil vom 08.03.2012 V R 30/09, BStBl II 2012, 623).
    Dementsprechend hat auch das Bundessozialgericht in seinem oben
    zitierten Urteil vom 22.03.2005 (B 1 A 1/03 R) die Heileurythmie
    als Heilmittel bezeichnet und der BFH hat entschieden, dass es sich
    um eine Heilbehandlung im Sinne des § 4 Nr. 14 UStG handelt
    (BFH-Urteil vom 08.03.2012 V R 30/09, BStBl II 2012,
    623). Außerdem gibt es keinen Leistungsausschluss
    für Heilmittel aus der Rechtsverordnung zu § 34
    Abs. 4 SGB V, nach der Heilmittel von geringem oder umstrittenem
    therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis einen Leistungsanspruch
    ausschließen können (Gerlach in Hauck/Noftz,
    SGB V, § 32 Rz. 20).
    Ein amtsärztliches Gutachten ist dagegen für
    den Nachweis der Zwangsläufigkeit nicht erforderlich. Der
    Senat ist der Auffassung, dass die heileurythmische Behandlung keine
    wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethode im Sinne des § 64
    Abs. 1 Buchst. f EStDV ist, weil sie als eine anthroposophische Behandlungsmethode
    einer der in § 2 Abs. 1 Satz 2 SGB V aufgeführten
    besonderen Therapierichtungen zuzuordnen ist, zu denen die Anthroposophie
    gehört (vgl. oben Mellinghoff in Kirchhof, EStG, 12. Auflage, § 33
    Rn. 53; Geserich, DStR
    2012, 1490, 1493). Auch nach den von der Klägerin
    vorgelegten Studien, die nicht ausschließlich von Vertretern der
    Anthroposophischen Medizin stammen, ist eine Wirksamkeit der Behandlungsmethoden
    der Anthroposophischen Medizin gegeben. Es handelt sich bei der
    Heileurythmie um eine bereits 1921 von Dr. Rudolf Steiner, Dr. med.
    Ita Wegmann und anderen Ärzten als Bestandteil der Anthroposophischen
    Medizin entwickelte Therapieform. Sie wird an mehr als 300 Einrichtungen
    des Gesundheitswesens eingesetzt (vgl. Leitlinie zur Methode der
    Heileurythmie, S. 4). Damit ist diese Behandlungsmethode seit vielen
    Jahrzehnten in Anwendung. Die besondere Anerkennung sowohl der besonderen
    Therapierichtung der anthroposophischen Medizin als auch der Homöopathie
    im Recht der gesetzlichen Krankenversicherungen spricht dagegen,
    die Heileurythmie der Nr. 2 Buchst. f von § 64 Abs. 1 EStDV
    zuzuordnen. Die Heileurythmie ist auch nicht in den Beispielsfällen
    unter den in Ziffer 2 von § 64 Abs. 1 EStDV aufgeführten
    wissenschaftlich nicht anerkannten Behandlungsmethoden, wie Frisch- und
    Trockenzellenbehandlungen, Sauerstoff-, Gelath- und Eigenbluttherapie aufgeführt.
    Der Verordnungsgeber hätte insoweit klarstellen müssen,
    dass die Behandlungsmethoden der besonderen Therapierichtungen generell
    von der Nr. 2 Buchst. f von § 64 Abs. 1 EStDV erfasst sein
    sollen oder die Beispielsliste insoweit ergänzen müssen,
    wenn er ein amtsärztliches Gutachten für den Nachweis
    der Zwangsläufigkeit für erforderlich gehalten
    hätte.
    Für dieses Ergebnis spricht auch die Rechtsprechung
    des Bundesfinanzhofs und des Bundessozialgerichts. So hat der BFH
    in einem vor Inkrafttreten der EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011
    ergangenen Urteil ausgeführt, dass Aufwendungen nur nach § 33
    EStG abgezogen werden können, wenn die Behandlungsmethode auf
    einem nach medizinischen Erkenntnissen nachvollziehbaren Ansatz
    beruht, der die prognostizierte Wirkweise der Behandlung auf das
    angestrebte Behandlungsziel zu erklären vermag, diese Wirkweise
    sonach zumindest wahrscheinlich macht. Dabei könne es allerdings
    nicht darauf ankommen, ob die gewählte Behandlungsmethode
    und die sie tragenden medizinischen Erwägungen von schulmedizinischen
    Erkenntnissen bestimmt würden oder ob sie auf Erkenntnissen
    aufbauten, die in der sogenannten alternativen Medizin entwickelt
    worden seien. Entscheidend sei insoweit vielmehr, ob aus naturheilkundlicher
    Sicht die gewählte Behandlungsmethode anerkannt und nach
    den für die Naturheilkunde geltenden Grundsätzen
    als medizinisch notwendig anzusehen sei. Dabei verstehe es sich
    von selbst, dass es für die auch hier maßgebliche
    medizinische Notwendigkeit nicht auf eine Betrachtung aus schulmedizinischer
    Sicht ankommen könne. Maßstab sei vielmehr insoweit
    nur die naturheilkundliche Lehre selbst (BFH-Urteil vom 05.10.2011 VI R 49/10, BFH/NV
    2012, 33 m.w.N.). Das Bundessozialgericht hat in seinem
    Urteil vom 11.05.2011 (B 6 KA 25/10 R, BSGE 108, 183)
    ausgeführt, dass das Gebot, der therapeutischen Vielfalt
    Rechnung zu tragen, insbesondere bedeute, dass die Eigenheiten besonderer
    Therapierichtungen - soweit dies im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften
    möglich ist – zu berücksichtigen seien.
    Bei der Bewertung der Qualität und Wirksamkeit von Behandlungsmethoden
    und Medikationen sei deshalb der Erkenntnisstand der jeweiligen
    Therapierichtung, also die aus Sicht der Therapierichtung gegebene besondere
    Wirksamkeit zugrunde zu legen (Maßstab der sogenannten
    Binnenanerkennung). Der 1. Senat des Bundessozialgerichts hat in
    seinem oben zitierten Urteil vom 22.03.2005 (B 1 A 1/03
    R) - ebenfalls im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung
    einer Aufsichtsmaßnahme, im Wesentlichen das außerordentlich
    breite Meinungsspektrum zu der Frage, ob und in welcher Weise Leistungen
    der besonderen Therapierichtungen in die gesetzliche Krankenversicherung
    einbezogen sind, aufgezeigt und sich auf die Position zurückgezogen,
    im Wege der Rechtsaufsicht könne keine Festlegung auf eine
    Position erfolgen, wenn die Rechtslage dazu bislang jedenfalls nicht durch
    eine gesicherte höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt
    sei. Ein solches Vorgehen verstoße auch gegen den Grundsatz
    der Verhältnismäßigkeit von Aufsichtsmaßnahmen.
    Die Kosten für Heileurythmie können nach diesem Urteil
    von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet werden. Insgesamt geht aber
    das BSG offenbar davon aus, dass die Heileurythmie keine wissenschaftlich
    nicht anerkannte Behandlungsmethode, sondern sie zumindest eine
    wissenschaftlich umstrittene Behandlungsmethode sei und wohl noch
    Klärungsbedarf bestehe.
    Das Auslegungsergebnis wird schließlich auch durch die
    Rechtsprechung des BFH zur Frage der Umsatzsteuerfreiheit von heileurythmischen
    Leistungen gestützt. So hat der BFH in seinem Urteil vom
    08.03.2012 (V R
    30/09, BStBl II 2012, 623) entschieden, dass
    eine Steuerfreiheit der heileurythmischen Leistungen nach § 4
    Nr. 14 UStG im Streitfall in Betracht komme, wenn der dortige Kläger (als
    Diplom-Heileurythmist) die Teilnahmeberechtigung an den Integrierten Versorgungsverträgen
    von seinem Berufsverband (BVHE - Berufsverband Heileurythmie e.V.)
    erteilt worden sei.
    Wie die Klägerin dargelegt hat, werden Kosten für
    heileurythmische Behandlungen zudem seit einigen Jahren auch tatsächlich
    von einer Anzahl von Krankenkassen erstattet. Es gibt auch keinen
    Leistungsausschluss für Heilmittel aus der Rechtsverordnung
    zu § 34 Abs. 4 SGB V, nach der Heilmittel von geringem oder
    umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis einen Leistungsanspruch
    ausschließen können (Gerlach in Hauck/Noftz,
    SGB V, § 32 Rz. 20).
    Den danach allein nach § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV zu erbringenden
    Nachweis der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen hat die
    Klägerin mit den ärztlichen Verordnungen des Arztes
    für Allgemeinmedizin Dr. A vom 16. Januar und vom 25. Mai
    2009 erbracht. Der Einwand des Beklagten, die Heileurythmie-Therapien würden
    aber nicht nur von Kranken, sondern auch von Gesunden wahrgenommen,
    um die Gesundheit zu erhalten und das Wohlbefinden zu steigern,
    führt im Streitfall zu keiner anderen Beurteilung. Denn
    aus der ärztlichen Stellungnahme des behandelnden Arztes
    Herrn Dr. med. A vom 8. Juni 2011 ist hinreichend ersichtlich, dass
    die Heileurythmiebehandlungen auch im konkreten Falle der Heilung
    bzw. zumindest Linderung der bei der Klägerin vorhandenen Erkrankungen
    gedient haben. Danach hätten die Schmerzen und damit verbundenen
    Bewegungseinschränkungen in Folge der Behandlungen so stark
    reduziert werden können, dass der Einsatz von Schmerzmitteln
    vermeidbar geworden sei. Außerdem hätten die Heileurythmiebehandlungen
    sich als nebenwirkungsarm und wirkungsvoll erwiesen. Krankengymnastische Übungen
    seien aufgrund der schweren Schmerzsymptomatik bei der Klägerin
    gar nicht durchführbar gewesen. Zu Recht weist die Klägerin
    insoweit darauf hin, dass beispielsweise auch physiotherapeutische
    Maßnahmen (wie z. B. Massagen) von Gesunden in Anspruch
    genommen, aber andererseits auch zur Heilung bzw. Linderung von
    Krankheiten ärztlich verordnet und angewendet werden.
    Da der formalisierte Nachweis nach § 64 Abs. 1 Nr. 1
    EStDV von der Klägerin erbracht wurde, besteht aus Sicht
    des Senats kein Anlass, ein Sachverständigengutachten einzuholen.
    Denn das Gericht sieht keine Veranlassung an der Richtigkeit der ärztlichen
    Stellungnahme des behandelnden Arztes Herrn Dr. A vom 8. Juni 2011
    zu zweifeln. Es kann nach Auffassung des Senats auch nicht Sinn des
    formalisierten Nachweises sein, wenn regelmäßig
    nachträglich weitere Sachverständigengutachten
    von den Gerichten einzuholen wären, um die medizinische
    Richtigkeit der vorliegenden ärztlichen Verordnung zu überprüfen.
    Nach alledem war der Klage stattzugeben.
    Die Berechnung des festzusetzenden Betrages konnte der Senat
    auf das Finanzamt übertragen, weil die Ermittlung dieses
    Betrages einen nicht unerheblichen Aufwand erfordert (§ 100
    Abs. 2 Satz 2 FGO).
    Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 FGO. Es
    liegt kostenrechtlich ein Teilunterliegen der Klägerin
    vor, denn sie muss hinsichtlich des Steuerbetrages, um den sie ihren
    Klageantrag eingeschränkt hat, die Kosten tragen (BFH,
    Urteil vom 16. Juli 1969 I
    R 81/66, BStBl II 1970, 15).
    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit
    beruht auf § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708
    Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).
    Die Revision war zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche
    Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO
    hat.

    Vorschriften§ 33 Abs. 1 EStG, § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG, § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV, § 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStDV, § 84 Abs. 3 f EStDV, § 2 Abs. 1 SGB V, § 32 Abs. 1 SGB V, § 34 Abs. 4 SGB V, § 4 Nr. 14 UStG

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