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  • 07.05.2013 · IWW-Abrufnummer 131510

    Finanzgericht Münster: Urteil vom 07.08.2012 – 15 K 4623/09 U

    1. Die Überlassung von Standplätzen an die Beschicker der jeweiligen Kirmesveranstaltung stellt eine einheitliche nach § 4
    Nr. 12 Buchst. a UStG steuerfreie Vermietungsleistung dar, die nicht in eine steuerpflichtige und eine steuerfreie Leistung
    aufzuteilen ist.
    2. Die darüber hinaus erbrachten Leistungen wie die Festsetzung eines Termins und die Organisation der jeweiligen Kirmes,
    ggf. Werbung, sowie die Be- und Entwässerung stellen demgegenüber nur Nebenleistungen zur Hauptleistung „Vermietung” dar.


    Im Namen des Volkes
    URTEIL
    In dem Rechtsstreit
    hat der 15. Senat in der Besetzung: Vorsitzender Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … Richterin am Finanzgericht
    … ehrenamtlicher Richter … ehrenamtlicher Richter … auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 07.08.2012 für Recht
    erkannt:
    Tatbestand:
    Streitig ist, ob die Überlassung von Standflächen auf Kirmessen nach § 4 Nr. 12 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG)
    steuerfreie Leistungen sind.
    Die Klägerin, eine Stadt, erzielte in den Streitjahren Einnahmen aus der Überlassung von Standflächen auf öffentlichen Flächen
    bei Wochenmärkten und Kirmessen.
    In der am 10.03.2004 abgegebenen nicht zustimmungsbedürftigen Umsatzsteuer(USt)-Erklärung 2003 sowie in der am 18.04.2005
    abgegebenen USt-Erklärung 2004, der der Beklagte am 03.05.2005 zustimmte, führte die Klägerin Umsätze aus Wochenmärkten und
    Kirmessen nicht auf. Am 12.04.2007 erließ der Beklagte für beide Jahre nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung geänderte USt-Bescheide,
    in denen er den Umsätzen die Einnahmen aus Kirmessen und Wochenmärkten mit 14.926 EUR für 2003 und 21.841 EUR für 2004 hinzurechnete
    sowie zusätzliche Vorsteuern für das Jahr 2003 i.H.v. 1.950,00 Euro und für das Jahr 2004 i.H.v. 1.419,60 Euro berücksichtigte.
    Hiergegen legte die Klägerin am 11.05.2007 Einspruch ein.
    In der am 24.05.2007 abgegebenen nicht zustimmungsbedürftigen USt-Erklärung 2006 erklärte die Klägerin nach § 4 Nr. 12 UStG
    steuerfreie Umsätze i.H.v. 41.322 EUR (26.477 EUR aus Marktveranstaltungen und 14.845 EUR aus Kirmessen). Der Beklagte sah
    die Umsätze aus den Standgeldern auf Kirmessen in voller Höhe als umsatzsteuerpflichtig sowie die Umsätze aus den Standgeldern
    auf Märkten i.H.v. 25 % als umsatzsteuerpflichtig an und erließ am 14.02.2008 einen entsprechenden USt-Änderungsbescheid,
    gegen den sich die Klägerin mit Einspruch vom 14.03.2008 wandte.
    In der am 14.04.2008 abgegebenen nicht zustimmungsbedürftigen USt-Erklärung 2007 erklärte die Klägerin nach § 4 Nr. 12 UStG
    steuerfreue Umsätze i.H.v. 40.304 EUR (30.332 EUR aus Marktveranstaltungen und 9.972 EUR aus Kirmessen). Der Beklagte behandelte
    auch für dieses Jahr die Umsätze aus den Standgeldern auf Kirmessen in voller Höhe als umsatzsteuerpflichtig sowie die Umsätze
    aus den Standgeldern auf Märkten i.H.v. 25 % als umsatzsteuerpflichtig und erließ am 21.05.2008 einen entsprechenden USt-Änderungsbescheid,
    der von der Klägerin mit Einspruch vom 05.06.2008 angefochten wurde.
    In der ebenfalls nicht zustimmungsbedürftigen USt-Erklärung 2008 erklärte die Klägerin nach § 4 Nr. 12 UStG steuerfreie Umsätze
    i.H.v. 39.748 EUR (26.904 EUR aus Marktveranstaltungen und 12.844 EUR aus Kirmessen). Der Beklagte sah für dieses Jahr lediglich
    die Umsätze aus den Standgeldern auf Kirmessen in voller Höhe als umsatzsteuerpflichtig an und erließ am 10.07.2009 einen
    entsprechenden USt-Änderungsbescheid. Auch gegen diesen Bescheid wandte sich die Klägerin mit Einspruch vom 24.07.2009.
    In sämtlichen USt-Erklärungen machte die Klägerin keine Vorsteuern in Zusammenhang mit den Umsätzen aus Marktveranstaltungen
    und Kirmessen geltend.
    Am 03.09.2009 erließ der Beklagte für die Streitjahre 2003, 2004, 2006 und 2007 geänderte USt-Bescheide, in denen die Umsätze
    aus den Wochenmärkten als steuerfreie Umsätze erfasst wurden. Für die Jahre 2003 und 2004 kürzte er entsprechend die abziehbare
    Vorsteuer.
    Mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 23.11.2009 wurden die Einsprüche dann als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung führte
    der Beklagte im Wesentlichen Folgendes aus: Der Bundesfinanzhof (BFH) habe mit Urteil vom 24.01.2008 V R 13/05 entschieden,
    dass die Überlassung von Standplätzen durch den Veranstalter von Wochenmärkten an die Markthändler als einheitliche Vermietungsleistung
    angesehen werden könne, die gem. § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG steuerfrei sei. Auf dieses Urteil habe das Bundesministerium der
    Finanzen (BMF) mit Schreiben vom 15.01.2009 (BStBl I 2009, 69) reagiert. Abschnitt 80 Abs. 1 und Abs. 3 der Umsatzsteuerrichtlinien
    (UStR) sei danach nicht mehr anzuwenden. Das BMF-Schreiben stelle aber auch klar, dass Abschnitt 81 Abs. 2 Nr. 3 UStR, der
    ausdrücklich die Grundstücksüberlassung für Jahrmärkte, an denen neben Verkaufsbetrieben überwiegend Gaststätten, Vergnügungs-
    und Schankbetriebe teilnehmen würden, in vollem Umfang für umsatzsteuerpflichtig erkläre, weiterhin Anwendung finde. Durch
    die Änderungsbescheide seien die Umsätze aus Wochenmärkten steuerfrei gestellt worden, die Umsätze aus der Überlassung von
    Stellflächen auf Kirmessen würden jedoch steuerpflichtig bleiben. Für eine Kirmes sei prägend, dass gerade und überwiegend
    Vergnügungs- und Schankbetriebe teilnehmen würden. Der Charakter eines Marktes, bei dem es um den Verkauf von Lebensmitteln
    und Gegenständen des täglichen Bedarfs gehe, trete bei einer Kirmes deutlich zurück. Es sei zu unterscheiden, ob auf einem
    Wochenmarkt durch den Marktbetreiber Strom zur Verfügung gestellt werde, oder ob, wie es bei Kirmessen üblich sei, die meisten
    Stände mit Starkstrom sowie Be- und Entwässerung versorgt werden müssten. Hier würde die Gebrauchsüberlassung des Grundstücks
    gegenüber anderen wesentlicheren Leistungen zurücktreten, so dass das Vertragsverhältnis ein einheitliches, unteilbares Ganzes
    darstelle, für das keine Steuerbefreiung in Betracht komme.
    Die Klägerin hat am 21.12.2009 Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie Folgendes vor: Sie begehre die Aufhebung der angefochtenen
    USt-Bescheide, durch die die USt abweichend von den jeweiligen Erklärungen festgesetzt worden sei. Die USt-Erklärungen seien
    richtig gewesen, USt werde nur in der erklärten Höhe geschuldet. Sie stütze sich hinsichtlich der Umsätze aus der Überlassung
    von Standflächen auch im Rahmen von Kirmessen auf die neuere Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 24.01.2008, V R 12/05 und
    V R 13/05), die die Überlassung von Standplätzen durch den Veranstalter von Wochenmärkten an die Markthändler als einheitliche
    Vermietungsleistung ansehe. Der Beklagte stütze sich auf den überkommenen Abschnitt 81 Abs. 2 Nr. 3 UStR und gehe mit dem
    BMF davon aus, dass ein sogenannten Vertrag besonderer Art vorliege. In seinem Rundschreiben führe das BMF aus, dass Abschnitt
    81 Abs. 2 Nr. 3 UStR weiterhin uneingeschränkt Anwendung finde. Dies widerspreche jedoch eindeutig der Rechtsprechung des
    Bundesfinanzhofs, denn in Abschnitt 81 Abs. 2 Nr. 3 UStR werde auf zwei Entscheidungen des BFH Bezug genommen, von denen sich
    der BFH mittlerweile ausdrücklich distanziert habe. Der BFH führe aus, dass die ältere Rechtsprechung des Senats, wonach bei
    Wochenmärkten, Jahrmärkten und ähnlichen Veranstaltungen unter Umständen eine Aufteilung in Betracht zu ziehen sei, überholt
    sei. Die Aufgabe der Differenzierung führe der BFH maßgeblich auf das europäische USt-Recht zurück, welches vom Europäischen
    Gerichtshof (EuGH) maßgeblich auszulegen sei und ausgelegt worden sei. Für die Sichtweise des Beklagten sei kein Raum mehr.
    Auch die steuerrechtliche Kommentierung nehme mit der Rechtsprechung des BFH an, dass die bisherige Unterscheidung in gemischte
    Leistungen und Verträge besonderer Art vollumfänglich aufgegeben sei. Vorliegend komme hinzu, dass die Erwägungen des Beklagten
    nicht einschlägig seien. Der Beklagte übersehe, dass sie, die Klägerin, tatsächlich bei den streitigen Kirmesveranstaltungen
    im Wesentlichen dieselben Leistungen erbringe bzw. nicht erbringe, wie bei Marktveranstaltungen. Es werde ebenso wie bei Marktveranstaltungen
    die Wasser- und Abwasserversorgung bereit gestellt. Allerdings werde im Gegensatz zu Marktveranstaltungen der Stromverbrauch
    nicht über sie, die Klägerin, sondern über den örtlichen Versorger abgerechnet. Es könne keine Rede davon sein, dass erhebliche
    und umfangreiche Nebenleistungen erbracht würden, die den prägenden Charakter einer entgeltlichen Grundstücksüberlassung überlagern
    würden.
    Die Vermietung von Stellflächen auf Wochenmärkten und die Vermietung auf Kirmessen und Jahrmärkten seien im Wesentlichen gleichgelagert.
    Abzustellen sei darauf, welche Elemente des Vertragsverhältnisses, also die gegenseitigen Rechte und Pflichten und die gegenseitigen
    Interessen der Vertragsparteien, prägend seien. Bei den Verträgen, die sie, die Klägerin, mit den Betreibern der Stände abschließe,
    handele es sich um reine Mietverträge mit einzeln ausgestalteten Nebenpflichten. Es sei eine übliche, marktgängige Vertragsgestaltung
    gewählt, die auch sonst im Bereich der Vermietung an Gewerbetreibende üblich sei. Hauptleistungspflicht der Klägerin sei die
    Überlassung von Standflächen, die des jeweiligen Bewerbers die Zahlung der vorgesehenen Standmiete. Nebenleistungspflichten
    würden nicht gesondert abgegolten und würden das Vertragsverhältnis nicht prägen. Hinzu komme, dass wesentliche Nebenbedürfnisse,
    wie etwa die Stromversorgung, vom Platzbewerber selbstorganisiert und durch gesonderten Vertrag sichergestellt werden müssten.
    Soweit der Beklagte der Ansicht sei, dass Kirmessen in größeren Abständen stattfinden und daher ein größeres Publikum anlocken
    würden, sei nicht ersichtlich, dass hieraus Rückschlüsse auf den Charakter des Vertragsverhältnisses zwischen der Klägerin
    und den Platzbewerber geschlossen werden könnten. Dies gelte auch für den vom Beklagten behaupteten erhöhten organisatorischen
    Aufwand bei Kirmessen.
    Der Beklagte hebe weiter darauf ab, dass die Platzbewerber verpflichtet seien, das angemeldete Geschäft auch zu betreiben.
    Auch dies stelle eine bei der Vermietung von Flächen oder Räumlichkeiten an Gewerbetreibende übliche Klausel dar. In gewerblichen
    Mietverträgen etwa über Geschäfte in Einkaufszentren oder ähnlichen seien entsprechende Klauseln durchweg zu finden, da so
    sichergestellt werde, dass das Preisniveau für die vermieteten Flächen gehalten werden könne. Die vom Beklagten angeführte
    Rückzahlung von Standgeldern sei ebenfalls nicht unüblich. Hier werde nur die gesetzliche Rechtsfolge der Nichtleistung wiedergegeben.
    Die Vertragsklausel enthalte lediglich eine in Mietverträgen mit Gewerbetreibenden zulässige Beschränkung von Schadensersatzansprüchen.
    Es sei festzuhalten, dass sie, die Klägerin, ein Vertragsverhältnis umsatzsteuerlich als Vermietungsleistung behandelt wissen
    wolle, welches üblichen Gestaltungsmitteln des Zivilrechts folge, die eindeutig einem Mietvertrag nach § 535 ff des Bürgerlichen
    Gesetzbuchs (BGB) entsprechen würden.
    Die Klägerin beantragt,
    die USt-Bescheide 2003 und 2004 vom 12.04.2007, den USt-Bescheid 2006 vom 14.02.2008 und den USt-Bescheid 2007 vom 21.05.2009,
    sämtliche Bescheide in der Fassung der Änderungsbescheide vom 03.09.2009, und den USt-Bescheid 2008 vom 10.07.2009 und die
    Einspruchsentscheidung vom 23.11.2009 aufzuheben.
    Der Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen,
    hilfsweise, die Revision zuzulassen.
    Zur Begründung verweist er auf die Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend Folgendes vor: Der BFH habe in seinem Urteil
    vom 24.01.2008 seine Rechtsauffassung nur hinsichtlich der Überlassung von Wochenmarkt-Standplätzen revidiert, in dem er klargestellt
    habe, dass eine einheitliche Vermietungsleistung vorliegen könne. Dies gelte jedoch nur dann, wenn die Überlassung der Standplätze
    das wesentliche Element der Leistungen der Klägerin an die Händler sei. Im Streitfall handele es sich jedoch um die Überlassung
    von Standflächen auf Kirmessen, die im Gegensatz zu Wochenmärkten eine straffere Organisation durch die Klägerin erforderten
    und eine größere Anziehungskraft auf das Publikum ausüben würden. Deshalb stehe der Eventcharakter im Vordergrund, mit der
    Folge, dass keine reine Grundstücksüberlassung gegeben sei. Die in dem Mustervertrag der Klägerin getroffenen Vereinbarungen
    deuteten darauf hin, dass es der Klägerin bei Abschuss der Verträge mit den Platzbeziehern nicht darauf ankomme, den Festplatz
    durch entgeltliche Überlassung von Teilflächen zum Gebrauch zu nutzen, sondern darauf, durch zweckdienliche Auswahl und ansprechende
    Aufmachung dem Festplatz als Ganzem für die Dauer der Veranstaltung eine äußere Gestaltung zu geben, die eine ausreichende
    Anziehungskraft auf die Bevölkerung gewährleiste. Den Platzbeziehern komme es nicht entscheidend auf die Überlassung eines
    Grundstücksteils zum Gebrauch für ihre gewerblichen Zwecke an, sondern es gehe vielmehr um die Möglichkeit, die im Rahmen
    der Organisation der Veranstaltung gegebenen, besonders günstigen Bedingungen für ihre gewerblichen Betätigungen auszunutzen.
    Dafür spreche u.a., dass bei Kirmessen über den Veranstaltungsort hinaus Werbung gemacht werde, diese in der Regel nur ein
    bis zweimal jährlich stattfinden würden und daher ein größeres Publikum anlocken würden, sowie, dass der organisatorische
    Aufwand für die Klägerin bei Kirmessen deutlich höher sei. Anders als bei reinen Grundstücksüberlassungen seien die Platzbezieher
    verpflichtet, zu den Kirmessen zu erscheinen und die Geschäfte während des Kirmesbetriebes uneingeschränkt zu betreiben. Gezahlte
    Standgelder würden erstattet, wenn die Kirmessen nicht durchgeführt werden könnten. Da solche Vereinbarungen bei reinen Grundstücksüberlassungen
    unüblich seien, müsse davon ausgegangen werden, dass gemischte Leistungen oder Leistungen besonderer Art vorliegen würden,
    die zu einer Umsatzsteuerplicht führen würden.
    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge
    des Beklagten Bezug genommen.
    Entscheidungsgründe:
    Die Klage ist zulässig und begründet.
    Die USt-Bescheide 2003 und 2004 vom 12.04.2007, der USt-Bescheid 2006 vom 14.02.2008 und der USt-Bescheid 2007 vom 21.05.2009,
    sämtliche Bescheide in der Fassung der Änderungsbescheide vom 03.09.2009, der USt-Bescheid 2008 vom 10.07.2009 sowie die Einspruchsentscheidung
    vom 23.11.2009 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung
    – FGO –).
    Entgegen der Auffassung des Beklagten sind die Umsätze aus der Überlassung von Standflächen auf Kirmessen durch die Klägerin
    in den Streitjahren nach § 4 Nr. 12 Buchtst. a UStG umsatzsteuerfrei.
    § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG befreit die „Vermietung und Verpachtung von Grundstücken” und beruht auf der insoweit wortlautgleichen
    Bestimmung des Art. 13 Teil B Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG bzw. nunmehr Art. 135 Abs. 1 Buchst. l der Richtlinie 2006/12/EG.
    Die Begriffe Vermietung und Verpachtung von Grundstücken verweisen daher nicht auf die §§ 535 ff. BGB, sondern stellen eigenständige
    Begriffe des Gemeinschaftsrechts dar, die als Tatbestandsmerkmale einer USt-Befreiungsvorschrift eng auszulegen sind (vgl.
    z.B. EuGH-Urteil vom 06.12.2007 C-451/06, Walderdorff, Slg 2007, I-10637 Rn. 16, 18 m.w.N.). Nach der Rechtsprechung des EuGH
    und des BFH ist wesentliches Merkmal dieser gemeinschaftsrechtlichen Begriffe „Grundstücksvermietung” bzw. „Grundstücksverpachtung”,
    dass dem Mieter (Pächter) vom Vermieter (Verpächter) eines Grundstücks auf bestimmte Zeit gegen eine Vergütung das Recht eingeräumt
    wird, dieses Grundstück so in Besitz zu nehmen, als ob er dessen Eigentümer wäre, und jede andere Person von diesem Recht
    auszuschließen (vgl. z.B. EuGH-Urteile vom 12.06.2003 C-275/01, Sinclair Collis Ltd., Slg. 2003, I-5965 Rdnrn. 22, 25; vom
    03.03.2005 C-428/02, Fonden Marselisborg Lystbadehavn, Slg. 2005, I-1527, Rdnrn. 27, 30; vom 06.12.2007 C-451/06, Walderdorff,
    Slg 2007, I-10637 Rn. 17; BFH-Urteile vom 24.01.2008 V R 12/05, BFHE 221, 310, BStBl II 2009, 60, vom 12.05.2011 V R 50/10,
    BFH/NV 2011, 1407).
    Die Überlassung der Standplätze durch die Klägerin an die Beschicker der jeweiligen Kirmes erfüllt diese Voraussetzungen.
    Es handelt sich dabei nach Auffassung des Senats um eine einheitliche nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG steuerfreie Vermietungsleistung,
    die nicht in eine steuerpflichtige und eine steuerfreie Leistung aufzuteilen ist.
    Für die Annahme einer einheitlichen Leistung sind nach der Rechtsprechung des EuGH und des BFH im Wesentlichen folgende Grundsätze
    maßgeblich: Jede Dienstleistung ist in der Regel als eigene, selbständige Leistung zu betrachten; andererseits darf aber eine
    wirtschaftlich einheitliche Dienstleistung nicht künstlich aufgespalten werden (vgl. EuGH-Urteil vom 25.02.1999 C-349/96,
    Card Protection Plan Ltd., Slg. 1999, I-973; BFH-Urteile vom 02.03.2006 V R 25/03, BFHE 213, 134, BStBl II 2006, 788, vom
    10.02.2010 XI R 49/07, BFHE 228, 456, BStBl II 2010, 1109). Bei einem aus einem Leistungsbündel bestehenden Umsatz ist daher
    für die Frage, ob der Unternehmer mehrere selbständige Hauptleistungen oder eine einheitliche Leistung erbringt, im Rahmen
    einer Gesamtbetrachtung auf das Wesen des Umsatzes abzustellen (vgl. BFH-Urteil vom 24.01.2008 V R 12/05, BFHE 221, 310, BStBl
    II 2009, 60, BFH-Urteil vom 15.01.2009 V R 91/07 BFHE 224, 172, BStBl. II 2009, 615). Eine Leistung ist danach als Nebenleistung
    zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers im Vergleich zu der Hauptleistung
    nebensächlich ist, mit ihr eng –im Sinne einer wirtschaftlich gerechtfertigten Abrundung und Ergänzung–zusammenhängt und üblicherweise
    in ihrem Gefolge vorkommt. Sie darf für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck haben, sondern sie muss das Mittel darstellen,
    um die Hauptleistung des Leistenden unter optimalen Bedingungen in Anspruch nehmen zu können (BFH-Urteil vom 15.01.2009 V
    R 91/07 BFHE 224, 172, BStBl. II 2009, 615).
    Der BFH hat in den Urteilen vom 24.01.2008 V R 12/05 (BFHE 221, 310, BStBl II 2009, 60) und V R 13/05 (HFR 2008, 733) auch
    ausdrücklich ausgeführt, dass die Rechtsprechung des Senats (z.B. BFH-Urteile vom 7. April 1960 V 143/58 U, BFHE 71, 41, BStBl
    III 1960, 261, unter 2.; vom 25. April 1968 V 120/64, BFHE 93, 393, BStBl II 1969, 94), wonach bei Wochenmärkten, Jahrmärkten
    und ähnlichen Veranstaltungen unter Umständen eine Aufteilung in Betracht zu ziehen ist, überholt sei und für die Steuerbefreiung
    entscheidend sei, ob eine einheitliche Leistung vorliege, und wenn dies zutreffe, ob die Vermietungsteilleistung prägend sei.
    Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist in der Überlassung der Standplätze aufgrund des von der Klägerin bei den jeweiligen Umsätzen
    verwendeten Vertrages, der dem Senat als Mustervertrag vorliegt, eine einheitliche Leistung der Klägerin zu sehen. Danach
    ist die Überlassung der Standplätze das wesentliche Element der Leistungen der Klägerin an die Platzbewerber, für die der
    jeweilige Platzbewerber auch das Entgelt zahlt. Dies ergibt sich für den Senat schon daraus, dass die Standgelder nach § 1
    und § 3 des Mustervertrages nach der jeweils in Anspruch genommenen Platzgröße (2 Euro/qm bzw. 1,50 Euro/qm) berechnet werden.
    Die darüber hinaus erbrachten Leistungen wie die Festsetzung des Termins und die Organisation der jeweiligen Kirmes, gegebenenfalls
    Werbung, sowie die Be- und Entwässerung stellen nach Auffassung des Senats demgegenüber nur Nebenleistungen zur Hauptleistung
    „Vermietung” dar. Nach der nach der Rechtsprechung maßgeblichen Perspektive der Platzbewerber (Durchschnittsverbraucher) haben
    die Organisationsleistungen sowie die Zurverfügungstellung von Be- und Entwässerung keinen eigenen Zweck, sondern stellen
    lediglich das Mittel dar, um die Hauptleistung (Überlassung der Standplätze) unter optimalen Bedingungen ausnutzen zu können.
    Dem jeweiligen Platzbewerber kommt es gerade darauf an, unter Ausschluss anderer für die Dauer der Kirmes eine Standfläche
    zu erhalten, auf der er sein jeweiliges Geschäft (Fahrgeschäft, Vertrieb von Waren, Imbiss- bzw. Getränkestand) betreiben
    kann. Die weiteren Leistungen der Klägerin sind für ihre Vertragspartner nur im Hinblick auf den Betrieb ihres jeweiligen
    Geschäfts im Rahmen ihres Standplatzes von Nutzen und haben für diese keinen eigenen Zweck.
    Für den Senat besteht insoweit kein Unterschied zur Überlassung von Standplätzen auf Wochenmärkten durch die Klägerin, die
    vom Beklagten inzwischen als einheitliche steuerfreie Vermietungsleistung angesehen wird. Die Klägerin handelt bei der Überlassung
    von Standplätzen auf Wochenmärkten auf der gleichen Rechtsgrundlage (Satzung über die Wochen- und Krammärkte sowie Volksfeste
    (Kirmessen) vom 14.12.2001). Nach ihrem unwidersprochenen Vortrag erbringt sie bei den Wochenmärkten sogar noch weitere Leistungen,
    wie die Zurverfügungstellung von Strom, für den bei den Kirmessen der jeweilige Platzbewerber sogar selbst sorgen muss. Der
    Senat vermag insbesondere auch nicht der Auffassung des Beklagten
    folgen, dass eine Kirmes eine straffere Organisation und höheren Aufwand durch die Klägerin und somit eine Leistung der Klägerin
    an die Platzbewerber erfordere, die es rechtfertigen würde, die Überlassung der Standplätze nur als Teil einer Leistung besonderer
    Art zu sehen.
    Auch die Einlassung der Klägerin, die Platzbewerber seien verpflichtet, ihre Geschäfte auf der jeweiligen Kirmes uneingeschränkt
    zu betreiben, führt insoweit nicht weiter. Denn nach der o.g. Rechtsprechung ist insoweit die Sicht des Leistungsempfängers
    und nicht die Sicht des Leistenden maßgeblich. Im Übrigen handelt es sich auch nicht um eine für ein gewerbliches Mietverhältnis
    ungewöhnliche Klausel.
    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151
    Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
    Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.

    VorschriftenUStG § 4 Nr 12 Buchst. a