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  • 14.09.2012

    Finanzgericht Münster: Urteil vom 17.01.2012 – 5 K 1240/09 E

    1) Ist eine Nutzung des Dienstwagens zwar arbeitsvertraglich untersagt, ist jedoch die Mitbenutzung des Dienstwagens durch den Ehegatten des Arbeitnehmers gestattet, so ist von einer auch privaten Nutzung des Fahrzeugs auszugehen. Dies erst recht, wenn das arbeitsvertragliche Verbot von niemand überwacht worden ist. Mangels eines Fahrtenbuchs ist dann die 1%-Regelung anzuwenden.

    2) Bleibt streitig, wo der Dienstsitz des Arbeitnehmers tatsächlich liegt und sind faktisch zahlreiche Fahrten an eine nicht am Wohnort befindlichen andere Arbeitsstätte durchgeführt worden, so ist auch von einer lohnsteuerpflichtigen Überlassung des Dienstwagens für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte auszugehen.


    Im Namen des Volkes

    URTEIL

    In dem Rechtsstreit

    hat Vorsitzender Richter am Finanzgericht … als Einzelrichter des 5. Senats nach § 6 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 17.01.2012 für Recht erkannt:

    Tatbestand

    Streitig ist, ob und in welchem Umfang eine Nutzung eines Dienstfahrzeugs zu privaten Zwecken und für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu versteuern ist.

    Die Kläger (Kl.) sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Sie hatten in den Streitjahren 2003 und 2004 ihren Wohnsitz in W, …. Der Kläger (Kl.) hatte am 01.04.2001 mit der E GmbH i.G., X-Straße …, F (im Folgenden: E) einen Geschäftsführervertrag abgeschlossen, auf den Bezug genommen wird (Gerichtsakte – GA – Bl. 87 ff). Der Kl. war der alleinige Geschäftsführer der E. Die E wurde am 24.08.2001 in das Handelsregister eingetragen. Als Sitz, Niederlassung, Zweigniederlassung war im Handelsregister F angegeben. Der Kl. war nach seinen Angaben außerdem bei der Muttergesellschaft der E, der E T AG, Schweiz angestellt.

    Die Kl. reichten ihre Einkommensteuer-Erklärungen für die Streitjahre in 2004 und 2005 ein. Hinweise auf eine Fahrzeuggestellung ergaben sich aus den Erklärungen nicht. Die Einkünfte des Kl. aus nichtselbständiger Arbeit wurden entsprechend der Lohnsteuerbescheinigungen der E der Besteuerung zugrunde gelegt. Die Einkommensteuer-Bescheide für 2003 vom 09.08.2004 und für 2004 vom 24.04.2005 wurden bestandskräftig.

    In 2005 fand bei der E eine Lohnsteuer-Außenprüfung durch das Finanzamt F-West statt. Dieses stellte fest, dass die E dem Kl. ein Dienstfahrzeug Mercedes E-Klasse, Listenpreis 35.000 Euro zur Verfügung gestellt hatte. Das Fahrzeug war im Kreis I, im Wohnsitzkreis des Kl., zugelassen. Ein Fahrtenbuch für den Mercedes wurde dem Lohnsteueraußenprüfer nicht vorgelegt. Der Berater der E, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater S, teilte dem Finanzamt F-West mit Schriftsatz vom 29.08.2005 mit, der Kl. habe ein Fahrtenbuch führen sollen. Da er dies nicht getan habe, solle eine Mitteilung an sein Wohnsitzfinanzamt ergehen. Der Außenprüfer nahm einen geldwerten Vorteil aus der Fahrzeugüberlassung an und errechnete für die Privatnutzung jährlich 4.200 Euro (35.000 Euro × 1 % × 12) und für die Fahrten Wohnung/Arbeitsstätte jährlich 17.136 Euro (35.000 Euro × 0,03 % × 136 km × 12). Der Beklagte änderte die Einkommensteuer-Festsetzungen für die Streitjahre gemäß § 173 Abs. Nr. 1 AO und erhöhte die Lohneinkünfte des Kl. jeweils um 21.336 Euro (Einkommensteuer-Änderungsbescheide für 2003, 2004 vom 13.08.2007).

    Dagegen legten die Kl. fristgemäß Einspruch ein, den sie damit begründeten, dass die Privatnutzung des Fahrzeugs ausgeschlossen gewesen sei. Sie behaupteten, ein Fahrtenbuch sei monatlich mit der Reisekostenabrechnung der E eingereicht worden und legten eine „Car Policy” vor, aus der sich das Verbot der Privatnutzung ergeben sollte. Die „Car Policy” enthält auszugsweise folgende Regelungen:

    „Der Geschäftsleitung der E GmbH wird bei überwiegender Außendienst-Tätigkeit ein Firmenfahrzeug zur Verfügung gestellt.

    Die Nutzung erstreckt sich nicht auf den privaten Bereich.

    Der Gesetzgeber verlangt eine Versteuerung des geldwerten Vorteils. Dieser beträgt z. Zt. 1 % des Brutto-Listenpreises des genutzten Fahrzeugs, soweit Dienstsitz des Mitarbeiters gleich Wohnsitz ist, entfällt eine Versteuerung ebenfalls für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Sollten betriebliche Notwendigkeiten eine Änderung erforderlich machen, werden diese gemäß den gesetzlichen Regelungen vorgenommen… Das Fahrzeug darf ausschließlich durch den Mitarbeiter genutzt werden. Im Bedarfsfall wird der Ehegatte (Lebenspartner) zugelassen…”

    Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die „Car Policy” Bezug genommen.

    Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 18.03.2009 als unbegründet zurück.

    Dagegen richtet sich die Klage.

    Die Kl. behaupten, bei den Vorbesprechungen zum Anstellungsvertrag sei ein Herr C zugegen gewesen. Dabei sei festgelegt worden, dass der Dienstsitz des Kl. in W sein sollte. Das ergebe sich auch aus dem Handelsregister. Bei den Vorgesprächen sei auch festgelegt worden, dass das Dienstfahrzeug ausschließlich beruflich genutzt werden dürfe. Die „Car-Policy”, mit der die Privatnutzung ausgeschlossen sei, sei dem Kl. am 13.02.2002 überreicht worden. Der Kl. habe sämtliche Dienstfahrten für die Reisekostenabrechnungen monatlich aufgeführt und der E zur Abrechnung übergeben. Der Dienstsitz des Kl. habe in W gelegen. Am Standort der E habe er kein eigenes Büro gehabt. Sämtliche Tätigkeiten seien von W oder bei den Kunden ausgeführt worden. Der Hauptsitz der E in F sei keine regelmäßige Arbeitsstätte des Kl. gewesen, weil er nicht 20 % seiner Arbeitszeit dort verbracht habe. Der Kl. habe in Erfüllung seiner Aufgaben auch Geschäfte mit dem Mutterkonzern und weiteren Tochterunternehmen des Mutterkonzerns unter derselben Adresse wie die E getätigt. Die Fahrten nach F seien somit immer betrieblich veranlasst gewesen. Selbst wenn W als Betriebsstätte nicht anzunehmen wäre, hätte der Kl. eine Einsatzwechseltätigkeit ausgeübt. Das Fahrzeug sei auch gar nicht privat genutzt worden, denn die Privatnutzung sei in der „Car-Policy” ausgeschlossen worden. Auch sei ein privates Nutzungsverbot durch N mündlich ausgesprochen worden. Das Nutzungsverbot sei von Frau B überwacht worden, die dies bezeugen könne. Diese habe in der Buchhaltung gesessen und die Reisekostenabrechnungen überprüft. Die Privatnutzung könne auch nicht nach den Grundsätzen des sogenannten Anscheinsbeweises unterstellt werden. Der Kl. habe durch seine Reisekostenabrechnungen, aus denen sich die Dienstfahrten ergäben, den Anscheinsbeweis erschüttert. Der Beklagte habe letztlich auch keinen Werbungskostenabzug für die Fahrten Wohnung/Arbeitsstätte berücksichtigt. Der Kl. habe Reisekosten nur im Hinblick auf Verpflegungsmehraufwendungen und Benzin abgerechnet. Die E habe in den Streitjahren gar keine eigenen Geschäftsräume in F gehabt. Erst Ende 2004 seien die neuen Geschäftsräume X-straße … bezogen worden. Was die Lohnsteuer-Außenprüfung in 2005 festgestellt habe, entziehe sich der Kenntnis des Kl. weil ihm zum 31.12.2004 gekündigt worden sei. Soweit bei der E in den Streitjahren Mietaufwendungen gebucht worden seien, könne dies nur für Schulungsräume, möglicherweise in der L-straße …, F, erfolgt sein. Von angemieteten Büroräumen sei dem Kl. nichts bekannt. Dem Kl. sei auch nicht bekannt, dass die E außer ihm weitere Mitarbeiter gehabt habe. Er habe keine Arbeitsverträge abgeschlossen.

    Die Kl. beantragen,

    die Einkommensteuer-Bescheide für 2003 und 2004 vom 13.08.2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.03.2009 dergestalt zu ändern, dass die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit jeweils um 21.336 Euro gekürzt werden.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er trägt vor, es sei nicht mehr geprüft worden, ob die im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen dem Lohnsteuer-Außenprüfer bei der E vorgelegen hätten, weil es sich jedenfalls nicht um Fahrtenbücher handele. Aus den vorgelegten Unterlagen könnte keine Angaben zum Werbungskostenansatz für Fahrten Wohnung/Arbeitsstätte entnommen werden. Die Behauptung des Kl. die E habe keine eigenen Büroräume gehabt, sei unzutreffend, denn die Büroräume seien im Rahmen der Lohnsteuer-Außenprüfung besichtigt worden. Es seien laut Prüfungsbericht und gemäß den Lohnkonten sieben Arbeitnehmer beschäftigt gewesen. Die GuV Rechnungen der E, die inzwischen in D GmbH umbenannt worden sei, wiesen ab 2002 Mietaufwendungen auf. Es müssten demnach Betriebsräume vorhanden gewesen sein. Der Schriftverkehr mit der E sei über die Adresse X-straße …, F erfolgt. Dies ergebe sich aus der Abrechnung der Kraftfahrversicherung des Betriebsfahrzeugs des Kl. vom 12.02.2004 (GA Bl. 219). Auch die Lohnsteuerbescheinigung enthalte die Adresse X-straße 26, F. Der Kl. behaupte auch selbst, dass er seine Reisekostenabrechnungen beim Arbeitgeber eingereicht habe. Es müsse also eine Firmenstruktur vorhanden gewesen sein. Auch die Angabe des Kl., es habe keine anderen Arbeitnehmer in den Streitjahren bei E gegeben, sei unzutreffend. Der Kl. habe selbst vorgetragen, er sei nur für den Vertrieb verantwortlich gewesen. Frau B und N seien für alle anderen Geschäftsfelder zuständig gewesen. Gemäß der Mitteilung der D GmbH (vormals E) sei die E in den Räumen eines anderen Unternehmens „untergebracht” gewesen. Das von der E angemietete Grundstück L-straße … sei ein Bürogebäude mit Geschäftslokalen.

    Die Kl. legten im Klageverfahren Betriebskostenabrechnungen und Reisekostenabrechnungen vor. Diese enthalten den Vermerk „aufgestellt und gerechnet 24.03.2009”. Es wird wegen der Einzelheiten auf diese Unterlagen Bezug genommen (GA Bl. 55 – 86).

    In einem am 0710.2010 vor dem damaligen Berichterstatter durchgeführten Erörterungstermin reichte der Kl. andere Reisekostenabrechnungen für die Streitjahre ein, die angeblich schon in den Streitjahren der E übermittelt worden seien sollen. Die nunmehr vorgelegten Reisekostenabrechnungen enthalten zusätzlich Kilometerstände und geänderte Daten für Aufstellung und Errechnung. Zusätzlich wurden für einzelne Monate „Reisekosten- und Auslagenabrechnungen” vorgelegt. Es wird auf die vorgenannten Unterlagen Bezug genommen (GA Bl. 183 – 181).

    Der Rechtsstreit ist dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden.

    Die Sache wurde am 17.01.2012 vor dem Einzelrichter mündlich verhandelt. Es wird auf die Protokolle des Erörterungstermins vom 07.10.2010 und das Sitzungsprotokoll vom 17.01.2012 Bezug genommen.

    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist teilweise begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Kl. in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

    Der Beklagte hat zwar dem Grunde nach zu Recht die Einkünfte des Kl. aus nichtselbständiger Arbeit um den Wert der Privatnutzung des Dienstfahrzeugs und für Fahrten Wohnung/Arbeitsstätte erhöht (§ 8 Abs. 2 Satz 2 EStG). Der Ansatz für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ist jedoch zu hoch. Außerdem musste ein Werbungskostenansatz erfolgen, der nicht vollständig durch die Arbeitgebererstattung saldiert werden kann.

    Die Änderungsbefugnis gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO liegt vor. Dem Beklagten ist erst nachträglich aufgrund der bei der E durchgeführten Außenprüfung bekannt geworden, dass dem Kl. ein Dienstfahrzeug zur Verfügung gestellt wurde, wofür kein Sachbezug versteuert wurde. Die Änderungsbefugnis wird von den Kl. auch nicht bestritten.

    Für das dem Kl. vom Arbeitgeber überlassene Fahrzeug ist gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG die Privatnutzung im Wege der sogenannten 1 %-Regel zu ermitteln. Der Kl. hat für das Fahrzeug in den Streitjahren kein Fahrtenbuch geführt. Dies ergibt sich schon aus dem Schreiben des Beraters der E an das für die E zuständige Finanzamt F-West vom 29.08.2005, mit dem der Berater mittteilt, dass der Kl. kein Fahrtenbuch geführt habe. Die vom Kl. im Klageverfahren eingereichten Abrechnungen erfüllen nicht die Voraussetzungen für ein Fahrtenbuch im Sinne der o.g. Vorschriften. Es spricht viel dafür, dass die Abrechnungen vom Kl. nacherstellt worden sind. Die zunächst vorgelegten Aufstellungen weisen den Vermerk „aufgestellt und gerechnet 24.03.2009” auf. Die im Erörterungstermin eingereichten Unterlagen weisen demgegenüber Aufstellungs- und Rechnungsdaten aus den Streitjahren auf. Zusätzlich sind Kilometerangaben enthalten. Eine Erklärung dafür, warum der Kl. zunächst unvollständige Aufstellungen mit „falschen” Druckdaten eingereicht hat, ist nicht erkennbar. Letztlich kann das Gericht diese Frage aber dahinstehen lassen, weil die Aufstellungen jedenfalls die Voraussetzungen für ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nicht erfüllen. Die mittels einer Excel-Tabelle erstellten Aufstellungen sind nicht unabänderbar. Sie sind auch nicht in einer geschlossenen Form erstellt worden und enthalten auch keine nachvollziehbaren Angaben zum Reisezweck.

    Entgegen der Ansicht des Kl. ist eine Privatnutzung des Dienstfahrzeugs vertraglich nicht ausgeschlossen gewesen. Schon in der „Car-Policy” ist geregelt, dass der Ehegatte (Lebenspartner) zur Nutzung des Fahrzeugs zugelassen ist. Die unentgeltliche Benutzung durch Familienangehörige ist privat veranlasst. Die Einschränkung, dass – wie der Kl. in der mündlichen Verhandlung behauptet hat – eine Nutzung des Fahrtzeugs durch den Ehepartner nur für dienstliche Zwecke des Kl. erfolgen durfte, ist aus dem Wortlaut der „Car-Policy” nicht erkennbar.

    Selbst wenn eine Privatnutzung ausdrücklich verboten worden wäre, so wäre dieses Verbot jedenfalls steuerlich nicht anzuerkennen, denn es ist nicht überwacht worden. Der Kl. war alleiniger Geschäftsführer der E und nach seinen eigenen Angaben auch alleiniger Mitarbeiter. Es fragt sich daher, wer das Nutzungsverbot hätte überwachen sollen. Die vom Kl. benannte Zeugin B erbrachte ihre Leistung in F. Das Fahrzeug befand sich aber in der ausschließlichen Verfügungsgewalt des Kl. in W. Eine wirksame Überwachung durch Frau B, die zudem nach der Behauptung des Kl. gar nicht bei der E beschäftigt gewesen sein soll, war somit nicht möglich. Die angeblichen Absprachen im Vorfeld des Geschäftsführer-Vertrags und das angeblich mündlich von N ausgesprochene Privatnutzungsverbot haben gemäß § 9 Abs. 2 Geschäftsführervertrag keine Wirkung, weil der Geschäftsführervertrag solche mündlichen Vereinbarungen nicht zulässt. Das Gericht ist nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens daher davon überzeugt, dass der Kl. das Fahrzeug auch privat nutzen durfte. Dies begründet den Beweis des ersten Anscheins dafür, dass die Privatnutzung, die im Streitfall erlaubt oder jedenfalls nicht wirksam verboten worden ist, auch ausgeführt wurde (BFH vom 21.04.2010 VI R 46/08, Juris). Die vorgelegten Reisekostenunterlagen können den Anscheinsbeweis nicht erschüttern, denn eine Überprüfung der Eintragungen ist wegen ihrer Aussagelosigkeit nicht möglich. Die bloße Behauptung das Fahrzeug nicht privat genutzt zu haben, ist unerheblich (BFH a.a.O.).

    Der Beklagte hat auch dem Grunde nach zu Recht einen Sachbezug für die Überlassung des Fahrzeugs für Fahrten zwischen Wohn- und Arbeitsstätte angenommen. Das Gericht schenkt der Behauptung des Kl., die E habe in F gar keine Betriebsstätte gehabt, keinen Glauben. Dagegen sprechen die vielen Fahrten des Kl. nach F, die Tatsache, dass dort Post eingegangen ist und der Kl. selbst vorträgt, seine Reisekostenabrechnungen „dem Arbeitgeber” zugemailt zu haben. Auch sei Frau B in der Buchhaltung tätig gewesen und habe Reisekostenabrechnungen überprüft. Auch die Handelsregistereintragung weist als Sitz/Niederlassung F aus. Ob die E selbst die Räumlichkeiten angemietet hat oder ihr diese von der Konzernmutter unentgeltlich überlassen wurde, ist unerheblich. Eine Arbeitsstätte von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG ist jede ortsfeste dauerhafte betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, die der Arbeitnehmer nicht nur gelegentlich sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit fortdauernd und immer wieder aufsucht. Ausreichend ist ein Besuch pro Woche (BFH vom 04.04.2008 VI R 85/04, BStBl. II 2008, 887). Diese Voraussetzungen liegen zur Überzeugung des Gerichts im Streitfall vor. Der Kl. ist nach seinen eigenen Reisekostenabrechnungen in 2003 106mal und in 2004 134-mal nach F zur E gefahren. Als alleiniger Geschäftsführer der E musste der Kl. auch deshalb die Räumlichkeiten in F aufsuchen, weil dort die Post einging und der Kl. behauptet, die E habe außer ihm keine Mitarbeiter gehabt. Das Gericht hält den vom Kl. in der mündlichen Verhandlung dazu gegebenen Erklärungsversuch, die Post sei ihm von Mitarbeitern anderer Unternehmen immer per E-Mail nach Hause geschickt worden, nicht für glaubhaft. Letztlich hat der Kl. in der mündlichen Verhandlung auch selbst ausgeführt, dass in den Schulungsräumen der E unter Beteiligung des Kl. Besprechungen stattgefunden hätten und er dort Schulungen durchgeführt habe.

    Der vom Beklagten vorgenommene Ansatz für die Fahrten ist jedoch zu hoch. Da der Kl. weniger als 180-mal pro Jahr nach F gefahren ist, muss eine Einzelbewertung der Fahrten in analoger Anwendung des § 8 Abs. 2 Satz 5 EStG erfolgen. Das Gericht folgt insoweit dem BFH-Urteil vom 04.04.2008 VI R 85/04, BStBl. II 2008, 887, nach der der Zuschlag gemäß § 8 Abs. 2 EStG als Korrekturposten zum pauschalen Werbungskostenabzug zu verstehen ist. Werbungskostenabzug und Korrekturposten müssen sich im Hinblick auf den Ansatz der zu berücksichtigenden Fahrten entsprechen. Für die tatsächlich durchgeführten Fahrten ist ein Zuschlag von 0,002 % des Listenpreises pro Kilometer anzusetzen (BFH a.a.O.).

    Es ist für die durchführten Fahrten ein Werbungskostenabzug gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG vorzunehmen. Dieser Werbungskostenabzug ist jedoch zu saldieren mit den auf diese Fahrten entfallenden Reisekostenerstattungen, die der Kl. bezogen hat.

    Es ergibt sich somit folgende Berechnung:

    Fahrten Wohnung/Arbeitsstätte20032004
    tatsächliche Fahrten106134
    einfache Entfernung136 km136 km
    km-Satz0,002 %0,002 %
    Zuschlag gem. § 8 Abs. 2 S. 3 EStG10.091 EUR12.757 EUR
    Privatnutzung4.200 EUR4.200 EUR
    1 % × 35.000 Euro × 12 Monate
    Brutto-Einkünfte für Pkw-Nutzung14.291 EUR16.957 EUR
    Werbungskosten gem. § 9 Abs. 1136 km × 106 Fahrten x136 km × 134 Fahrten
    Nr. 4 EStG:0,30 EUR = 4.325 EURx 0,30 EUR = 5.467 EUR
    Saldierung mit Fahrtkostenerstattung für Wohnung/Arbeitsstätte gefahrene km gesamt:61.582 km64.186 km
    km Erstattung für Fahrtkosten
    gesamt:8.599,05 EUR4.990,66 EUR
    pro gefahrenen km:0,14 EUR0,08 EUR
    auf Fahrten Wohnung/Arbeitsstätte106 Fahrten × 136 km x134 Fahrten × 136 km
    entfallend2 × 0,14 EUR = 4.036 EURx 2 × 0,08 EUR = 2.916 EUR
    anzusetzende Werbungskosten289 EUR2.551 EUR
    anzusetzende zusätzliche Einkünfte14.001 EUR14.406 EUR
    Steuerberechnung

    20032004
    zvE ohne Sachbezug… EUR… EUR
    zvE mit Sachbezug lt. Urteil… EUR… EUR
    ESt lt. Splittingtabelle lt. Urteil… EUR… EUR
    Die Nebenentscheidungen folgen aus § 136 Abs. 1 FGO, § 151 Abs. 3 FGO, § 155 FGO i. V. m. § 708 Nr. 10 ZPO, § 711 ZPO.

    VorschriftenEStG § 6 Abs 1 Nr 4, EStG § 8 Abs 2 Satz 2

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