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  • 03.08.2012 · IWW-Abrufnummer 122353

    Finanzgericht Münster: Urteil vom 10.05.2012 – 2 K 1947/00 E

    1) Gemäß § 12 Nr. 3 EStG werden Erstattungszinsen zur Einkommensteuer (§ 233a AO) dem nichtsteuerbaren Bereich zugewiesen.

    2) § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG i. V. mit § 52a Abs. 8 EStG vermag daran nichts zu ändern.


    FG Münster v. 10.05.2012

    2 K 1947/00 E

    Tatbestand
    Zu entscheiden ist, ob im Verlustentstehungsjahr 1992 gezahlte Erstattungszinsen gem. § 52a Abs. 8 und § 20 Abs. 1 Nr. 7 Nr. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2010 (n.F.) einkommensteuerpflichtig sind oder ob ein in das Streitjahr 1990 zurückgetragener Verlustabzug entsprechend zu erhöhen ist.

    Die Kläger sind zusammenveranlagte Eheleute. Der Kläger erzielte im Verlustentstehungsjahr Einkünfte aus Gewerbebetrieb, aus nichtselbständiger Arbeit und aus Kapitalvermögen.

    Mit der am 26.07.1995 eingereichten Einkommensteuererklärung 1992 erklärte er Einkünfte aus Kapitalvermögen wegen Erstattung von Einkommensteuern der Jahre 1989 und 1990 i.H.v. 273.170 DM. Bei den Sonderausgaben erklärte er Zinsen für Nachforderung und Stundung von Steuern sowie Aussetzung der Vollziehung i.H.v. 57.456 DM.

    Der Beklagte veranlagte die Kläger insoweit erklärungsgemäß. Wegen anderer Streitpunkte führten die Kläger einen Rechtsstreit, der unter dem Aktenzeichen 2 K 1948/00 E anhängig war. Dieser Rechtsstreit ist im Hinblick auf noch anhängige und vorgreifliche Einspruchsverfahren beim Finanzamt L ausgesetzt worden. Zuletzt ist unter dem 28.06.2010 ein Änderungsbescheid ergangen. Danach betrug der Gesamtbetrag der Einkünfte. /. 679.050 DM. Anschließend ist dieses Verfahren durch Klagerücknahme beendet worden. Der Einstellungsbeschluss datiert vom 15.11.2010.

    Das Klageverfahren wegen Einkommensteuer 1990 war ebenfalls im Hinblick auf noch anhängige und vorgreifliche Einspruchsverfahren beim Finanzamt L ausgesetzt. Den negativen Gesamtbetrag der Einkünfte des Jahres 1992 hat der Beklagte mit Bescheid vom 28.06.2010 bei der Festsetzung der Einkommensteuer des Streitjahres als Verlustrücktrag aus 1992 steuermindernd berücksichtigt.

    Mit Schreiben vom 11.11.2010 beantragen die Kläger, den nach § 10d Abs. 1 Einkommensteuergesetz 1992 in das Streitjahr 1990 zurückgetragenen Verlust (= negativer Gesamtbetrag der Einkünfte für 1992), um den Betrag von. /. 273.170 DM zu erhöhen. Zur Begründung berufen sie sich auf das Urteil des BFH vom 15.06.2010 VIII R 33/07, BStBl 2011 II S. 503 wonach Zinsen nicht der Einkommensteuer unterliegen, soweit die zugrunde liegende Steuer nach § 12 Nr. 3 EStG nicht abgezogen werden dürfe. Eine solche nicht abzugsfähige Steuer i.S. des § 12 Nr. 3 EStG sei unstreitig die Einkommensteuer.

    Das Verfahren hat zunächst auf übereinstimmenden Antrag der Beteiligten bis zum Ergehen einer die Instanz abschließenden Entscheidung des BFH in dem Verfahren VIII R 1/11 geruht.

    Das Gericht hat das Verfahren auf Antrag der Beteiligten mit Beschluss vom 09.05.2012 wieder aufgenommen. Denn anders als im Streitfall betrifft das vor dem BFH anhängige Verfahren VIII R 1/11 ein Streitjahr (2001), in dem ein Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG i.d.F. des Steuerreformgesetzes 1990 (a.F.) nicht mehr möglich war.

    Nach Auffassung der Kläger unterfallen die Zinsen auch nicht der Vorschrift des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG n.F. Insbesondere sei die in § 52a Abs. 8 EStG begründete echte Rückwirkung des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 n.F. unzulässig.

    Eine echte Rückwirkung sei aus Gründen des Vertrauensschutzes grundsätzlich verfassungsrechtlich unzulässig. Eine der Ausnahmen, bei denen das Vertrauen des Steuerpflichtigen ausnahmsweise nachrangig sei, liege nicht vor. Im Streitfall sei weder eine Bagatelle oder eine unklare bzw. verworrene Rechtslage zu regeln. Auch liege keine verfassungswidrige Lücke oder eine gefestigte Rechtsprechung und Rechtspraxis vor, auf deren Fortbestand zu keiner Zeit habe vertraut werden dürfen. Schließlich fehlten auch zwingende Gründe des Allgemeinwohls.

    Vorliegend habe keine unklare oder verworrene, sondern eine korrekturbedürftige Rechtsprechung vorgelegen. Der BFH habe in seiner Entscheidung vom 15.06.2010 VIII R 33/07, aaO erstmals erkannt, dass § 12 Nr. 3 EStG die Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG a.F. für die dort genannten Steuern und die darauf gezahlten Zinsen sperre. Es könne nicht argumentiert werden, § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG n.F. schließe eine verfassungswidrige Lücke, die sich eröffne, wenn es bei Sonderausgabenabzug von Nachzahlungszinsen bleibe, ohne dass Erstattungszinsen als Kapitaleinkünfte zu versteuern seien. Wenn die Aufhebung der Symmetrie in der steuerlichen Behandlung der Nachzahlungszinsen in der Vergangenheit durch Aufhebung des § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG a.F. zum 01.01.1999 verfassungsrechtlich unbedenklich gewesen sei, könne nichts anderes in der spiegelbildlichen Rechtslage gelten, wenn Erstattungszinsen nicht steuerbar seien, gleichzeitig aber die Abzugsfähigkeit von Nachzahlungszinsen erhalten bleibe.

    Die mit § 52 Abs. 8 Satz 2 EStG angeordnete echte Rückwirkung des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG n.F. habe nicht lediglich eine Gesetzeslage geschaffen, die vor dem Urteil des BFH vom 15.06.2010 VIII R 33/07, aaO der gefestigten Rechtsprechung und Rechtspraxis entsprochen hätte. So könne die vom BFH in seinem Urteil vom 15.07.2010 VIII R 33/07 aaO erstmals erkannte gesetzgeberische Grundentscheidung, dass Erstattungszinsen schlechthin dem nichtsteuerbaren Bereich zuzuordnen seien, nicht durch richterliche Rechtsfortbildung zulässig überwunden werden. Sowohl das FG Düsseldorf als auch das Schleswig-Holsteinische FG bezweifelten in ihren Beschlüssen vom 05.09.2011, 1 V 2325 (E), EFG 2012, 120 und vom 27.01.2012 1 V 226/11, EFG 2012, 619, ob durch die die Einführung des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG n.V. ein Rechtszustand bzw. eine Gesetzeslage wieder hergestellt worden sei, die vor Ergehen des BFH-Urteils vom 15.06.2010 VIII R 33/07, aaO bestanden habe. Die Steuerpflichtigen hätten vielmehr vor der neuen Regelung des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG n.F. eine Rechtsposition inne gehabt, die nicht rückwirkend entzogen werden dürfe, auch wenn die Rechtsprechung diese noch nicht erkannt habe.

    Schließlich beziehe sich das Bundesverfassungsgericht in seinem Nichtannahmebeschluss vom 15.10.2008 1 BvR 1138/06, in dem es den Vertrauensschutz bei echter Rückwirkung für die rückwirkende Festschreibung einer bestehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung und finanzbehördlichen Praxis eingeschränkt habe, auf Entscheidungen, die Fälle unechter Rückwirkung beträfen. Im übrigen verweise es auf Entscheidungen ( Beschluss des BVerfG vom 23.01.1990 1 BvR 4-7/87, BStBl 1990 II S. 483 Ergänzungsbeschlüsse des BFH vom 21.05.1987 zu den Vorlagebeschlüssen vom 21.10.1986 VIII R 194/94, VIII R 194/94, VIII R 311/84), die deutlich anders gelagerte seien als der streitgegenständliche Sachverhalt.

    Dem Klagebegehren stehe nicht entgegen, dass der Gesetzgeber bei der Einführung des § 233a AO ersichtlich von der Steuerbarkeit von Erstattungszinsen ausgegangen sei. Denn die Gesetzeslage, die durch die Regelung des § 12 Nr. 3 EStG bestehe, verdränge den entgegenstehenden Willen des Gesetzgebers. Dem Gesetzgeber stehe es zwar frei, seinen Willen in entsprechenden gesetzlichen Regelungen mit Wirkung für die Zukunft, nicht aber rückwirkend umzusetzen.

    Soweit in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung argumentiert werde, dass in den Jahren vor 1999 eine Gesetzessymmetrie bestanden habe, weil die Nachzahlungszinsen noch abzugsfähig gewesen seien, könne dem jedenfalls für den Streitfall nicht gefolgt werden. Denn die im Verlustentstehungsjahr 1992 gezahlten Nachzahlungszinsen i.H.v. 57.456 DM seien wegen der Vorschrift des § 2 Abs. 3 und 4 i.V.m. § 10d Abs. 1 EStG a.F. trotz des in 1992 noch möglichen Sonderausgabenabzugs nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG zu Lasten der Kläger unberücksichtigt geblieben. Es stelle sich aber auch die Frage, ob die Rechtslage vor 1999 überhaupt als „Gesetzessymmetrie” verstanden und als gleichmäßige steuerliche Behandlung von Nachzahlungs- und Erstattungszinsen umschrieben werden dürfe.

    Die Kläger beantragen,

    den Einkommensteuerbescheid 1990 vom 28.06.2010 dahingehend zu ändern, dass ein um 273.170 DM erhöhter Verlustabzug aus 1992 berücksichtigt wird.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

    Er ist der Auffassung, die Vorschrift des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG sei gem. § 52a Abs. 8 EStG n.F. in allen offenen Fällen rückwirkend anzuwenden. Denn hierdurch werde eine Gesetzeslage geschaffen, die vor der Rechtsprechungsänderung mit Urteil vom 15.06.2011 VIII R 33/07, aaO einer gefestigten Rechtsprechung und Rechtspraxis entsprochen habe (FG Münster Urteil vom 16.12.2010 5 K 3626/03 E, EFG 2011, 649). Zudem entspreche sie dem Willen des Gesetzgebers bei Einführung es § 233a AO. Außerdem seien die Rechtsgrundsätze des BFH-Urteils vom 15.06.2010 VIII R 33/07, aaO im Streitfall nicht einschlägig. Denn in 1992 habe es noch ein symmetrisches Normengefüge gegeben. Der Steuerpflicht von Erstattungszinsen habe die Abzugsfähigkeit der Nachzahlungszinsen als Sonderausgaben entsprochen. Diese sei erst durch die Aufhebung des § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG a.F. mit Wirkung ab 1999 entfallen. Die ursprünglichen gesetzgeberischen Erwägungen hätten damit weiterhin Bestand.

    Wegen des weiteren Sach- und Rechtsvortrags der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.



    Entscheidungsgründe
    Die zulässige Klage, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gem. § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist begründet. Die Kläger werden durch den angefochtenen Einkommensteuerbescheid in ihren Rechten verletzt, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO. § 12 Nr. 3 EStG entzieht die Erstattungszinsen dem steuerbaren Bereich auch im Veranlagungszeitraum 1992 mit der Folge, dass der Verlustabzug im Streitjahr 1990 entsprechend zu erhöhen ist.

    Gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG n.F. gehören auch die Erstattungszinsen im Sinne des § 233a AO zu den Erträgen nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Satz 1 EStG und damit zu den Einkünften aus Kapitalvermögen. Erstattungszinsen zur Einkommensteuer werden aber nach der gesetzgeberischen Grundentscheidung in § 12 Nr. 3 EStG dem nichtsteuerbaren Bereich zugewiesen.

    Auf die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG n.F. rückwirkend auf das Streitjahr Anwendung finden kann, kommt es nicht an. Dies wäre nur der Fall, wenn § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG n.F. dem § 12 Nr. 3 EStG als Spezialvorschrift vorginge. Diesen Vorrang sieht der erkennende Senat nicht. Denn nach dem Willen des Gesetzgebers sollte durch das Einfügen von Satz 3 in den § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG nur eine klarstellende Regelung zu § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 EStG vorgenommen werden (BT-Drs. 17/3549, S. 17). Es bedurfte jedoch keiner Klarstellung zu § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 EStG. Denn der BFH hat in seinem Urteil vom 15.06.2010 VIII R 33/07, aaO nicht die Natur der Erstattungszinsen als Kapitalerträge i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 EStG in Frage gestellt. Soweit das Schleswig-Holsteinische FG in seinem Beschluss vom 01.06.2011 2 V 35/11, EFG 2011, 1687 in § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG eine Spezialregelung gegenüber § 12 Nr. 3 EStG sieht und dabei auf die Entstehungsgeschichte der Vorschrift im Nachgang zu dem BFH-Urteil vom 15.06.2010 VIII R 33/07, aaO sowie den vermeintlich eindeutig in der Neuregelung zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Willen abstellt, geht der erkennende Senat mit dem BFH in seinem Urteil vom 15.06.2010 VIII R 33/07, aaO davon aus, dass dieser Wille schwerpunktmäßig in § 12 Nr. 3 EStG zum Ausdruck kommt. Der BFH hat § 12 Nr. 3 EStG nicht nur dahingehend verstanden, dass ein symmetrisches Normengefüge für Nachzahlungszinsen und Erstattungszinsen geschaffen werden sollte, sondern auch berücksichtigt, dass § 12 Nr. 3 EStG als eine den einzelnen Einkunftsarten systematisch vorangestellte Vorschrift auch dem § 20 Abs. 1 EStG vorgeht (vgl. FG Münster Beschluss vom 27.10.2011 2 V 913/11 E, EFG 2012, 118 m.w.N.).

    Nach § 12 Nr. 3 EStG gehören die Steuern vom Einkommen grundsätzlich zu den nichtabzugsfähigen Ausgaben; dies gilt auch für die auf diese Steuern entfallenden Nebenleistungen. § 12 Nr. 3 EStG entfaltet nach seinem Wortlaut unmittelbare Wirkung zwar nur für die Nichtabziehbarkeit von Ausgaben; die Steuerbarkeit von Einnahmen ist dort nicht ausdrücklich geregelt. Unstreitig werden indes vom Finanzamt erstattete nicht abziehbare Steuern nicht als Einnahmen i.S. von § 8 Abs. 1 EStG erfasst. Die Rechtfertigung dafür, dass jedenfalls nach § 12 Nr. 3 EStG nicht abziehbare Steuern im Fall ihrer Erstattung beim Empfänger nicht zu Einnahmen führen, liegt darin, das für bestimmte Steuern in § 12 Nr. 3 EStG nicht lediglich ein gesetzliches Abzugsverbot geregelt ist, sondern dass die Norm diese Steuern schlechthin dem nichtsteuerbaren Bereich zuweist. Diese gesetzgeberische Grundentscheidung strahlt auf den umgekehrten Vorgang der Erstattung solcher Steuern in der Weise aus, dass sie dem Steuerpflichtigen nicht „im Rahmen einer der Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 Nr. 4 bis 7” zufließen (vgl. § 8 Abs. 1 EStG). Erstattungszinsen teilen als steuerliche Nebenleistungen i.S. von § 3 AO insofern das Schicksal der Hauptforderung, als sie in § 12 Nr. 3 EStG ebenfalls dem nicht steuerbaren Bereich zugewiesen werden (BFH-Urteil vom 15.06.2010 VIII R 33/07, aaO). Diesen Ausführungen folgt der erkennende Senat auch für den Streitfall.

    Allerdings meint der BFH in seinem Urteil vom 15.06.2010 VIII R 33/07, aaO, der Gesetzgeber sei bei Einführung des § 233a AO davon ausgegangen, dass Erstattungszinsen im Sinne dieser Vorschrift steuerlich als Einnahmen aus Kapitalvermögen zu erfassen seien. Zudem habe der Gesetzgeber dies auch so gewollt. Diesen ursprünglichen gesetzgeberischen Erwägungen hat der BFH in seinem Urteil vom 15.06.2010 VIII R 33/07, aaO für die Auslegung des § 12 Nr. 3 EStG deshalb keine entscheidungserhebliche Bedeutung zugemessen bzw. zumessen müssen, weil der damals in § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG zugleich geregelte Sonderausgabenabzug für Nachzahlungszinsen i.S.v. § 233a AO mit Wirkung ab 1999, d.h. auch für das Streitjahr des BFH (2000) entfallen war. Der BFH kommt deshalb zu dem Schluss, dass mit der – gebotenen – Auslegung des § 12 Nr. 3 EStG, wonach diese gesetzgeberische Grundentscheidung auf Erstattungen zur Einkommensteuer und auf die hierauf entfallenden Erstattungszinsen ausstrahle, ab 1999 außerdem ein sachlicher Gleichklang insoweit gewährleistet sei, als Nachzahlungs- und Erstattungszinsen einheitlich dem nicht steuerbaren Bereich zugeordnet seien. Auf die ursprünglichen Vorstellungen des Gesetzgebers bei Einführung des § 233a AO komme es deshalb nicht an.

    Aus dieser – zusätzlichen – Erwägung des BFH zum sachlichen Gleichklang zwischen fehlender Abzugsfähigkeit der Nachzahlungszinsen und Ausschluss der Erstattungszinsen aus dem steuerbaren Bereich für sein Streitjahr, kann jedoch nach Auffassung des erkennenden Senates nicht im Umkehrschluss gefolgert werden, dass Erstattungszinsen – entgegen der gesetzgeberischen Grundentscheidung in § 12 Nr. 3 EStG – steuerbar sind, solange die Nachzahlungszinsen – wie im Streitjahr 1996 – gem. § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG noch als Sonderausgaben abzugsfähig waren. Diese Auslegung des § 12 Nr. 3 EStG würde die Grenzen der dem Gericht eingeräumten Kompetenzen aus Art. 20 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Grundgesetz (GG) überschreiten.

    Soweit es um die Wahrung dieser Grenzen nach Art. 20 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG geht, muss das Fachgericht bei der Rechtsfindung die gesetzgeberische Grundentscheidung respektieren und von den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung in vertretbarer Weise Gebrauch machen. Art. 20 Abs. 2 GG verleiht dem Grundsatz der Gewaltenteilung Ausdruck und schließt damit aus, dass die Gerichte Befugnisse beanspruchen, die die Verfassung dem Gesetzgeber übertragen hat. Dabei verbieten es diese Verfassungsgrundsätze dem Richter zwar nicht, das Recht fortzuentwickeln. Der Aufgabe und Befugnis zur schöpferischen Rechtsfindung und Rechtsfortbildung sind allerdings mit Rücksicht auf den aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit unverzichtbaren Grundsatz der Gesetzesbindung der Rechtsprechung Grenzen gesetzt. Diese Grenzen werden durch den Wortlaut und den Gesetzeszweck vorgegeben.

    Eine verfassungsrechtlich unzulässige richterliche Rechtsfortbildung ist dadurch gekennzeichnet, dass sie, ausgehend von einer teleologischen Interpretation, den klaren Wortlaut des Gesetzes hintanstellt, ihren Widerhall nicht im Gesetz findet und vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich – oder bei Vorliegen einer planwidrigen Gesetzeslücke – stillschweigend gebilligt wird. Richterliche Rechtsfortbildung überschreitet die verfassungsrechtlichen Grenzen, wenn sie deutlich erkennbare, möglicherweise sogar ausdrücklich im Wortlaut dokumentierte gesetzliche Entscheidungen abändert oder ohne ausreichende Rückbindung an gesetzliche Aussagen neue Regelungen schafft.

    Zwar verletzt der Richter seine Gesetzesbindung gem. Art. 20 Abs. 3 GG nicht durch jede Auslegung, die nicht im Wortlaut des Gesetzes vorgegeben ist. Art. 3 GG verpflichtet die Gerichte, „nach Recht und Gesetz” zu entscheiden. Eine bestimmte Auslegungsmethode oder gar eine reine Wortlautinterpretation schreibt die Verfassung nicht vor. Der Wortlaut des Gesetzes zieht im Regelfall keine starre Auslegungsgrenze. Zu den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung gehört auch die teleologische Reduktion. Diese muss aber vom Willen des Gesetzgebers gedeckt sein (BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 26.09.2011 2 BvR 2216/06, 2 BvR 469/07, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 2012, 669 m.w.N.).

    Nach diesen Grundsätzen erscheint es dem erkennenden Senat nicht zulässig, die gesetzgeberische Grundentscheidung in § 12 Nr. 3 EStG, wonach bestimmte Steuern und die hierauf entfallenden Nebenleistungen dem steuerbaren Bereich entzogen sind, für Erstattungszinsen zur Einkommensteuer dahingehend einzuschränken, dass diese steuerbar bleiben bzw. wieder steuerbar werden, solange entsprechende Steuern und Nebenleistungen als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG abzugsfähig waren bzw. es wieder werden. Ein entsprechender gesetzgeberischer Wille lässt sich weder eindeutig aus der Entstehungsgeschichte des § 233a AO, des § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG (vgl. hierzu Prof. Dr. Günter Söffing, Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Nichtabziehbarkeit von Nachforderungszinsen nach § 233a AO, Betriebsberater 2002, 1456ff) oder aus Sinn und Zweck des § 12 Nr. 3 EStG ableiten.

    So war Rechtfertigung für die Einführung der Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen nach § 233a AO zunächst, einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass die Steuern bei den einzelnen Steuerpflichtigen, aus welchen Gründen auch immer, zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und fällig werden. Dabei wurde mit der Vorschrift des § 233a AO erstmals eine – zunächst nur auf vier Jahre begrenzte – Verzinsung eingeführt, die unabhängig war von der Fälligkeit einer Steuerforderung (vgl. BR-Drs. Vom 23.03.1988 unter Begründung, II. Besonderer Teil, Zu Artikel 14 (Abgabenordnung), Zu Nr. 4 (§ 233a AO), S. 403ff).

    Bei der steuerlichen Behandlung der Nachforderungs- und Erstattungszinsen ist der damalige Gesetzgeber des § 233a AO aber davon ausgegangen, dass § 12 Nr. 3 EStG nur den Abzug der Nachforderungszinsen sperrt. Dass diese Vorschrift auch auf Erstattungszinsen ausstrahlt, hat er nicht erkannt. Da Erstattungszinsen grundsätzlich – auch nach der Auffassung des BFH in seinem Urteil vom 15.06.2010 VIII R 33/07, aaO – Einkünfte aus Kapitalvermögen sind, konnte der damalige Gesetzgeber die wohl als ungerechtfertigt erkannte steuerliche Ungleichbehandlung von Nachforderungs- und Erstattungszinsen – auf der Grundlage des damaligen Rechtsverständnisses zu § 12 Nr. 3 EStG – nur durch die Aufnahme der Erstattungszinsen in den Katalog der steuerfreien Einkünfte des § 3 EStG oder durch Zulassung der Abziehbarkeit der Zinsen als Sonderausgaben in § 10 EStG beseitigen. Nicht feststellbar ist jedoch, wie er Erstattungs- und Nachzahlungszinsen geregelt hätte, wenn er den Regelungsgehalt des § 12 Nr. 3 EStG nach der Auslegung des BFH-Urteil vom 15.06.2010 VIII R 33/07, aaO gekannt hätte. Er hätte es bei der – erstmals so ausgelegten – Regelung belassen können, mit der Folge, dass Erstattungszinsen und Nachforderungszinsen gleichermaßen dem nicht steuerbaren Bereich zugeordnet blieben. Er hätte diese Zinsen aber auch ausdrücklich von der gesetzgeberischen Grundentscheidung des § 12 Nr. 3 EStG ausnehmen und deren Steuerbarkeit wie auch die Abziehbarkeit in oder unter Bezugnahme auf § 12 Nr. 3 EStG positiv regeln können. Da es keine Anhaltspunkte gibt, welchen Weg der damalige Gesetzgeber des § 233a AO bei richtigem Verständnis des § 12 Nr. 3 EStG beschritten hätte, kann dies der erkennende Senat als an Recht und Gesetz gebundenes Fachgericht auch heute nicht – durch teleologische Reduktion des § 12 Nr. 3 EStG – dahingehend feststellen, dass der bis 1998 geltende Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG eine Erfassung der Erstattungszinsen erlaubt.

    Wenn es zudem zur Begründung der Beseitigung des Sonderausgabenabzugs durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24.03.1999 heißt, dass der Sonderausgabenabzug von Zinsen und Steuernachforderungen, Stundungszinsen und Aussetzungszinsen im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens zum Steuerreformgesetz 1990 „zur Erleichterung der Einführung der Vollverzinsung” in den § 10 EStG eingefügt worden sei, dass die Einführungsphase nun vorbei sei, der Zweck des Sonderausgabenabzugs erreicht und eine weitere Gewährung des Abzugs nicht erforderlich und dass die bisherige Regelung sogar systemwidrig gewesen sei (vgl. BT-Drs. 14/23 vom 09.11.1998, Begründung, II. Zu den einzelnen Vorschriften, Zu Nummer 11 (§ 10 Abs. 1), Zu Buchstabe a (Nummer 5)), wird dies zwar der bei Einführung des § 233a AO und des § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG vorliegenden gesetzgeberischen Motivationslage wohl kaum gerecht. Allerdings indiziert diese Begründung, dass der – spätere – Gesetzgeber eine Korrespondenz zwischen der Erfassung von Erstattungszinsen als Einkünfte und der Abzugsfähigkeit der Nachzahlungszinsen als Sonderausgaben nicht gesehen und den Abzug als Sonderausgaben sogar als Systembruch bezeichnet hat.

    So weisen die Kläger zu Recht darauf hin, dass die im Verlustentstehungsjahr 1992 gezahlten Nachzahlungszinsen i.H.v. 57.456 DM wegen der Vorschrift des § 2 Abs. 3 und 4 i.V.m. § 10d Abs. 1 EStG a.F. trotz des in 1992 noch möglichen Sonderausgabenabzugs nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG zu Lasten der Kläger unberücksichtigt bleiben. Von einer „echten” Gesetzessymmetrie in dem Sinne, dass sich steuerbare Einnahmen und abzugsfähige Ausgaben nach dem Nettoprinzip gegenüber gestanden haben, kann daher nicht ausgegangen werden. Auch dies spricht gegen eine Auslegung des § 12 Nr. 3 EStG dahingehend, dass Erstattungszinsen im Hinblick auf den bis 1998 bestehenden Sonderausgabenabzug noch oder wieder steuerbar sein könnten.

    Aus Wortlaut oder Sinn und Zweck des § 12 Nr. 3 EStG lässt sich eine solche Auslegung ebenfalls nicht ableiten. Denn die Regelungen in § 12 Nr. 3 EStG und § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG stehen rechtlich nicht in unmittelbarer Wechselbeziehung.

    Die Vorschrift des § 12 EStG grenzt grundsätzlich die Privatsphäre von der Erwerbssphäre ab. Dabei wird geregelt, dass und in welchem Umfang Ausgaben der Privatsphäre und nicht der steuerbaren Erwerbssphäre zugehören. Die privat veranlassten Ausgaben dürfen – vorbehaltlich der außerhalb der Erwerbssphäre liegenden und ausdrücklich in § 12 Satz 1 EStG genannten Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen – die Bemessungsgrundlage für die festzusetzenden Steuern nicht mindern. Die Regelungen in § 12 EStG, insbesondere die in § 12 Nr. 3 EStG, stehen damit weder nach ihrem Wortlaut noch nach Sinn und Zweck der Vorschrift in Korrespondenz zu den – außerhalb der Erwerbssphäre liegenden – Abzugsmöglichkeiten nach §§ 10 ff oder 33 ff EStG.

    Der erkennende Senat verkennt nicht, dass sich durch die Qualifizierung der Erstattungszinsen als nicht steuerbar nach § 12 Nr. 3 EStG bei verbleibender Abzugsfähigkeit von Nachzahlungszinsen ein vom Gesetzgeber des § 233a AO und des § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG möglicherweise nicht gewollter „Ausgabenüberhang” ergeben kann. Weder Wortlaut noch der Zweck dieser Vorschriften erlauben oder gebieten es jedoch, dieses u.U. unbefriedigende Ergebnis – im Wege zulässiger richterlicher Rechtsfortbildung – durch Auslegung zu korrigieren. Denn es folgt ausdrücklich aus § 12 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung, in dem u.a. auf die dem § 12 Nr. 3 EStG vorgehende Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG verwiesen und damit bestimmt ist, dass Zinsen nach den §§ 233a, 234 und 237 AO als Sonderausgaben abgezogen werden können.

    Soweit der BFH in seinem Urteil vom 15.06.2010 VIII R 33/07, aaO zutreffend entschieden hat, dass § 12 Nr. 3 EStG auch auf den umgekehrten Vorgang der Erstattung von nichtabzugsfähigen Steuern und die auf diese Steuern entfallenden Nebenleistungen ausstrahlt, lässt sich § 12 Nr. 3 EStG nicht entnehmen, dass diese gesetzgeberische Grundentscheidung schon dann keine Gültigkeit haben soll, wenn, soweit bzw. solange Nachzahlungszinsen nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG abzugsfähig sind oder waren. Erst recht lässt sich diesen Vorschriften nicht entnehmen, dass die Abzugsfähigkeit von Nachzahlungszinsen als Sonderausgaben wegen der Nichtsteuerbarkeit von Erstattungszinsen (ganz oder teilweise) entfallen müsste.

    Denn der in § 10 EStG geregelte Sonderausgabenabzug ist gerade dadurch gekennzeichnet, dass hier private Ausgaben, die nicht in wirtschaftlichem Zusammenhang mit einer der sieben Einkunftsarten, d.h. mit der Erwerbssphäre, stehen, zum Abzug zugelassen werden. Solche Privatausgaben sind deshalb von der Einkommensteuer abziehbar, weil der Gesetzgeber dies wegen der unvermeidbaren bzw. förderungswürdigen Minderung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ausdrücklich vorgesehen hat. Ob bzw. inwieweit eine die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zweifellos mindernde Zahlung von Nachzahlungszinsen auf private Steuern nur in Abhängigkeit von der Steuerbarkeit von Erstattungszinsen förderungswürdig ist, muss einer ausdrücklichen Entscheidung des Gesetzgebers vorbehalten bleiben.

    Die Berechnung der Einkommensteuer wird gem. § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem Beklagten übertragen.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO. Der Beklagte ist nur zu einem geringen Teil unterlegen.

    Die Zulassung der Revision folgt aus § 115 Nr. 1 und 2 FGO. Die Sache hat grundsätzliche Bedeutung. Außerdem erfordert die Sache eine Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. So sind wegen vergleichbarer Rechtsfragen bereits die Revisionsverfahren VIII R 1/11, VIII R 36/10 und VIII R 48/11 anhängig.

    RechtsgebietEStGVorschriftenEStG § 52a Abs 8 EStG § 12 Nr 3 AO § 233a EStG § 20 Abs 1 Nr 7

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