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  • 21.02.2012 · IWW-Abrufnummer 120519

    Finanzgericht Münster: Urteil vom 09.11.2011 – 2 K 862/09 F

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Münster

    2 K 862/09 F
    Tenor:
    Der Beklagte wird unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 08.01.2009 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.02.2009 verpflichtet, den verbleibenden Verlustabzug zum 31.12.2007 zur Einkommensteuer auf 7.054 EUR festzustellen.

    Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte zu 80 % und der Kläger zu 20 %.

    Die Revision wird zugelassen.

    Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung ohne Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

    Tatbestand
    Streitig ist die Berücksichtigung der Kosten eines Erststudiums.
    Der am 11.11.1981 geborene Kläger ist unverheiratet. Er erzielte im Streitjahr 2007 Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit. Bis August 2006 war der Kläger als Beamtenanwärter tätig. Nachdem er in 2005 die Abschlussprüfung erfolglos absolviert hatte, blieb er auch bei Ablegen der Wiederholungsprüfung in 2006 erfolglos.
    Im Streitjahr nahm der Kläger zum Sommersemester 2007 ein Studium auf. Er studierte ... - Management an der ... - Schule (... - Schule) in J. Dieses Studium schloss er im April 2010 mit Erfolg ab. Seitdem bewirbt er sich auf entsprechende Stellen.
    Im Rahmen seiner am 02.09.2008 eingereichten Einkommensteuererklärung machte der Kläger Werbungskosten für das Studium i.H.v. 12.575 EUR einkünftemindernd geltend. Zu den einzelnen Werbungskosten wird auf die Anlage zur Erklärung verwiesen.
    Der Beklagte setzte die Einkommensteuer für das Jahr 2007 mit Bescheid vom 23.10.2008 auf 0 EUR fest. Dabei berücksichtigte er nur den Arbeitnehmer-Pauschbetrag i.H.v. 920 EUR. Er erfasste die Berufsausbildungskosten mit dem gesetzlichen Höchstbetrag i.H.v. 4.000 EUR bei den Sonderausgaben.
    Mit seinem Einspruch beantragte der Kläger den Erlass eines Bescheides zum 31.12.2007 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Einkommensteuer. Die geltend gemachten Aufwendungen seien als Fortbildungskosten nach § 9 Einkommensteuergesetz (EStG) anzuerkennen. Da der Kläger in den Jahren 2002 bis 2006 eine Ausbildung zum Beamten absolviert habe, sei die Vorschrift des § 12 Nr. 5 EStG, die den Abzug von Kosten einer Erstausbildung, die nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfinde, versage, nicht einschlägig. Der Umstand, dass der Kläger die Erstausbildung nicht mit Erfolg habe abschließen können, sei ohne Bedeutung. Im übrigen bestünden hinsichtlich der Regelung des § 12 Nr. 5 EStG verfassungsrechtliche Bedenken.
    Unter dem 08.01.2009 erließ der Beklagte einen Bescheid über die Ablehnung der Durchführung der Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zum 31.12.2007 zur Einkommensteuer. Der hiergegen eingelegte Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 12.07.2009 als unbegründet zurückgewiesen.
    Mit seiner Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er verweist zunächst zur Begründung auf den Vortrag im Verwaltungsverfahren. Der Kläger beabsichtige, nach dem Abschluss seines Studiums Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit als Manager im ... - Bereich zu erzielen. Die geltend gemachten Aufwendungen seien als vorweggenommene Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit zu berücksichtigen. Das Studium stelle auch keine erstmalige Ausbildung dar, da ihm ein Studium an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung in N vorausgegangen sei. Der Kläger habe im Rahmen dieses Studiums alle in der Prüfungsordnung vorgesehenen Prüfungen abgelegt. Der Kläger habe sich nach Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses im August 2006 zwangsläufig beruflich neu orientieren müssen. Dies ergebe sich aus der Mitteilung zur Beendigung des Beamtenverhältnisses vom 05.09.2006.
    Die Nichtberücksichtigung der Studienkosten verstoße zudem gegen das Nettoprinzip. Denn die streitigen Aufwendungen seien allein im Hinblick auf eine spätere Berufsausübung getätigt worden. Sie seien deshalb beruflich veranlasst, ohne dass ein Zusammenhang zur privaten Lebensführung bestehe.
    Sollte das selbstfinanzierte Studium entgegen der Auffassung des Klägers als Erststudium i.S.v. § 12 Nr. 5 EStG gewertet werden, liege auch ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz vor. Denn es gebe keinen sachlichen Grund dafür, Kosten für ein Zweitstudium oder Aufwendungen für ein Studium im Rahmen eines Dienstverhältnisses als Werbungskosten anzuerkennen, während sie im Streitfall nicht berücksichtigt würden. Insoweit werde auf die anhängigen Revisionsverfahren beim BFH unter den Aktenzeichen VI R 79/06, VI R 6/07 und VI R 31/07 verwiesen.
    Der Kläger beantragt,
    den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 08.01.2009 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.02.2009 zu verpflichten, die Kosten seines Erststudiums im Rahmen der Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zum 31.12.2007 zur Einkommensteuer zu berücksichtigen und auf 7.054 EUR festzustellen.
    Der Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
    Der Beklagte ist der Auffassung, dass die Anerkennung der i.H.v. 10.838 EUR unstreitig gestellten Werbungskosten aus Rechtsgründen zu versagen sei. Er bezieht sich zur Begründung weiter auf seine Einspruchsentscheidung und auf die Aussagen in dem BMF-Schreiben vom 04.01.2005, BStBl. I 2005, 955. Hiernach liege bei fehlendem Abschluss einer vorangegangenen Ausbildung ein Erststudium i.S.v. § 12 Nr. 5 EStG vor. Dies gelte im Streitfall auch für das Studium an der ... - Schule. Das Urteil des BFH 28.07.2011 VI R 7/10, DB 2011, 1836 und DStR 2011, 1559 könne er nicht anwenden.
    Wegen des weiteren Sachvortrags der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze und auf die Steuerakten des Beklagten verwiesen.
    Das Verfahren hat im Hinblick auf das anhängige Revisionsverfahren VI R 7/10 geruht. Mit Schreiben vom 22.08.2011 hat der Kläger die Wiederaufnahme des Verfahrens im Hinblick auf das BFH-Urteil vom 28.07.2011 VI R 7/10, aaO beantragt. Dem Antrag ist mit der unter dem 26.09.2011 erfolgten Ladung stattgegeben worden.
    Der Senat hat die Sache am 09.11.2011 mündlich verhandelt. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung ist unstreitig, dass Werbungskosten i.H.v. 10.838 EUR (7.885 EUR, 316 EUR, 63 EUR, 1.608 EUR und 966 EUR) anzuerkennen wären. Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen.
    Entscheidungsgründe
    Die zulässige Klage ist begründet.
    Die Ablehnung der Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zum 31.12.2007 zur Einkommensteuer durch Bescheid vom 08.01.2009 ist rechtswidrig. Hierdurch wird der Kläger in seinen Rechten verletzt, § 101 Finanzgerichtsordnung (FGO).
    Nach der Entscheidung des BFH vom 28.07.2011 VI R 7/10, aaO sind Aufwendungen für ein im Anschluss an das Abitur durchgeführtes Medizinstudium auch unter Geltung des § 12 Nr. 5 EStG als vorab entstandene Werbungskosten anzuerkennen.
    Diese Grundsätze gelten erst recht im Streitfall, in dem der Kläger nach erfolglos abgeschlossener vierjähriger Erstausbildung ein weiteres Studium absolviert hat.
    Es steht auch zur Überzeugung des Senates fest, dass die Aufwendungen für das Studium einen hinreichend konkreten Veranlassungszusammenhang zur angestrebten Berufstätigkeit aufweisen. Ein solcher Veranlassungszusammenhang ist regelmäßig gegeben, wenn das Studium Berufswissen vermittelt und damit auf die Erzielung von Einnahmen gerichtet ist (vgl. BFH-Urteile vom 20.07.2006 VI R 26/05, BStBl II 2006, 764 und vom 18.06.2009 VI R 14/07, BStBl. II 2010, 816).
    Im Streitfall ist nach dem glaubhaften Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung unstreitig, dass er nach Abschluss des Studiums in 2010 eine Tätigkeit im Bereich ... anstrebt. So bewirbt er sich seit dem Abschluss des Studiums auf entsprechende Stellen. Außerdem spricht die Höhe der Aufwendungen dafür, dass der Kläger diese im Hinblick auf die künftige Erzielung von Einnahmen durch eine Tätigkeit als Manager im ... - Bereich aufgewendet hat.
    Zu der streitigen Rechtsfrage hat der BFH in seinem Urteil vom 28.07.2011 VI R 7/10, aaO, dem der erkennende Senat folgt, ausgeführt:
    "Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Nach Angleichung des Begriffs der Werbungskosten an den der Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 4 EStG (BFH-Urteil vom 4.03.1986 VIII R 188/84, BStBl II 1986, 373) liegen Werbungskosten vor, wenn sie durch den Beruf oder durch die Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen veranlasst sind. Nach dem einkommensteuerrechtlichen Nettoprinzip ist für die Abgrenzung beruflicher Aufwendungen das Veranlassungsprinzip maßgebend. Die Aufwendungen sind danach beruflich veranlasst, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht und die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des Berufs geleistet werden (Urteil des BVerfG vom 9.12.2008 2 BvL 1/07 u.a., BVerfGE 122, 210; BFH-Beschluss vom 21.09.2009 GrS 1/06, BStBl II 2010, 672). Dabei ist ausreichend, wenn die Ausgaben den Beruf des Arbeitnehmers im weitesten Sinne fördern (Urteile des BFH vom 04.12.2002 VI R 120/01, BStBl II 2003, 403; vom 17.12.2002 VI R 137/01, BStBl II 2003, 407; jeweils m.w.N.).
    Dies gilt nach ständiger Rechtsprechung des BFH grundsätzlich auch dann, wenn der Steuerpflichtige gegenwärtig noch keine Einnahmen erzielt. Dann sind die Aufwendungen als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar, wenn sie in einem hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren Veranlassungszusammenhang mit späteren Einnahmen stehen (BFH-Urteile vom 18.04.1996 VI R 89/93, BStBl II 1996, 449; vom 19.04.1996 VI R 24/95, BStBl II 1996, 452).
    Nach der zitierten Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 04.12.2002 VI R 120/01 und 17.12.2002 VI R 137/01, aaO) kann der erforderliche Veranlassungszusammenhang auch bei berufsbezogenen Bildungsmaßnahmen erfüllt sein. Denn § 9 EStG enthält keine Sonderregelung zu Berufsbildungskosten. Entscheidend bleibt daher nach den vorgenannten Grundsätzen auch insoweit, ob die Aufwendungen in einem hinreichend konkreten Veranlassungszusammenhang zur nachfolgenden auf die Erzielung von Einkünften gerichteten Berufstätigkeit stehen.
    Der Werbungskostenabzug ist gegenüber dem Abzug von Aufwendungen als Sonderausgaben vorrangig. Das ist ein allgemeiner, für alle Sonderausgaben durch den Einleitungssatz zu § 10 Abs. 1 EStG normierter Grundsatz. Wie der BFH schon früher entschieden hatte (Urteile vom 04.12.2002 VI R 120/01 und 17.12.2002 VI R 137/01, aaO), steht § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG dem Abzug der Berufsbildungskosten als Werbungskosten nicht entgegen. Denn nach dem Einleitungssatz zu § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG sind Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine Berufsausbildung nur dann Sonderausgaben, "wenn sie weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind".
    Dieser Vorrang für den Werbungskostenabzug gilt unverändert und insbesondere auch nach der Neuregelung des Abzugs der Berufsausbildungskosten und der Einführung des § 12 Nr. 5 EStG durch das Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und weiterer Gesetze vom 21. Juli 2004 (BGBl I 2004, 1753). Denn auch § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG i.d.F. dieses Änderungsgesetzes (BGBl I 2004, 1753) sieht den Abzug der Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine Berufsausbildung nur dann als Sonderausgaben vor, "wenn sie weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind". Danach entfaltet § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG unverändert keine Sperrwirkung gegenüber dem Werbungskostenabzug (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 18.06.2009 VI R 14/07, aaO m.w.N.). Der Abzug der Aufwendungen als Erwerbsaufwendungen bleibt danach vielmehr gegenüber deren Abzug als Sonderausgaben vorrangig.
    Auch § 12 Nr. 5 EStG lässt den Vorrang des Werbungskostenabzugs gegenüber dem als Sonderausgaben unberührt und steht daher dem Abzug der Berufsbildungskosten als Werbungskosten nicht entgegen. Dies gilt nicht nur für den vom BFH schon entschiedenen Fall, dass der Ausbildung oder dem sog. Erststudium eine abgeschlossene Berufsausbildung vorangegangen ist (vgl. BFH-Urteil 18.06.2009 VI R 14/07, aaO), sondern auch dann, wenn die Ausbildung eine Erstausbildung ist und die dafür getätigten Aufwendungen in einem hinreichend konkreten Veranlassungszusammenhang mit der späteren, der Einkünfteerzielung dienenden Berufstätigkeit stehen.
    Nach § 12 Nr. 5 EStG sind Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine erstmalige Berufsausbildung und für ein Erststudium nur insoweit weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen, als "in § 10 Abs. 1 Nr. 1, 2, 4, 6, 7 und 9, § 10a, § 10b und §§ 33 bis 33c nichts anderes bestimmt ist". § 12 Nr. 5 EStG schließt damit nicht per se und ausnahmslos den Betriebsausgaben- und Werbungskostenabzug aus, wie dies etwa § 4 Abs. 5 Satz 1 Nrn. 1 bis 11 EStG i.V.m. § 9 Abs. 5 EStG als allgemeines einkommensteuerrechtliches Regelungsmodell zur Begrenzung des Abzugs normiert, wenn der Aufwand zugleich auch die private Lebenssphäre berührt (Urteil des BVerfG vom 9.12.2008 2 BvL 1/07, aaO unter C.II.1.). § 12 Nr. 5 EStG steht vielmehr - wie auch § 12 Nrn. 1 bis 4 EStG und vergleichbar mit § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG-- unter dem Anwendungsvorbehalt seines Einleitungssatzes. Danach bestimmt der dort in Bezug genommene § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG insoweit etwas anderes, als die Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung als Sonderausgaben abgezogen werden können, wenn sie weder Werbungskosten noch Betriebsausgaben sind. Wenn indessen § 12 Nr. 5 EStG den vorrangigen Sonderausgabenabzug anordnet, der vorrangige Sonderausgabenabzug aber seinerseits - wie dargelegt - unter dem Vorbehalt steht, dass die Aufwendungen nicht als Erwerbsaufwendungen (Werbungskosten, Betriebsausgaben) zu beurteilen sind, bleibt im Ergebnis auch durch § 12 Nr. 5 EStG der vorrangige Werbungskostenabzug grundsätzlich unberührt. Deshalb sind Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung auch unter Geltung des § 12 Nr. 5 EStG als Werbungskosten abziehbar, sofern ein hinreichend konkreter Veranlassungszusammenhang zwischen den Aufwendungen und der späteren, auf Einkünfteerzielung gerichteten Berufstätigkeit besteht.
    Das (klarstellende) Abzugsverbot in § 12 Nr. 5 EStG ist damit allerdings nicht gegen-standslos. § 12 Nr. 5 EStG hat eine ähnliche Funktion wie der systematisch gleichrangige § 12 Nr. 1 EStG. § 12 Nr. 5 EStG begrenzt den Werbungskostenabzug in keinem größeren Umfang als etwa § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG, der zwar privat veranlasste Kosten im einkommensteuerrechtlich Unerheblichen belässt, aber deren beruflich veranlassten Teil nicht vom Werbungskostenabzug ausnimmt, so etwa die dem beruflichen Teil zuzuordnenden Reise-, PKW- oder Telefonkosten (BFH-Beschluss vom 21.09.2009 GrS 1/06, aaO). Der BFH (Urteile vom 04.12.2002 VI R 120/01 und 17.12.2002 VI R 137/01, aaO) hatte bereits vor Ergänzung des § 12 EStG durch dessen Nr. 5 entschieden, dass § 12 Nr. 1 Satz 1 und Satz 2 EStG einem Abzug der Aufwendungen für ein aus beruflichen Gründen aufgenommenes Erststudium als Werbungskosten nicht entgegensteht, weil solche Kosten nicht zugleich Aufwendungen für die private Lebensführung darstellten, welche die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt. § 12 Nr. 1 EStG wolle insbesondere verhindern, dass ein Steuerpflichtiger die Aufwendungen für seine Lebensführung nur deshalb steuerlich geltend machen könne, weil er einen entsprechenden Beruf habe, während andere Steuerpflichtige gleichartige Aufwendungen aus versteuerten Einkommen decken müssten. Sind die Aufwendungen indessen aus beruflichen Gründen entstanden, liegen eben keine Aufwendungen der privaten Lebensführung vor, die i.S. des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG die wirtschaftliche und gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt. Das die Aufwendungen auslösende, maßgebliche Moment entstammt dann der beruflichen und nicht der privaten Sphäre (so zuletzt BFH-Urteil vom 18.06.2009 VI R 14/07, aaO, m.w.N.). Die Aufwendungen sind dann als Werbungskosten abziehbar; das gebietet nicht zuletzt auch das Gebot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (BFH-Beschluss vom 21.09.2009 GrS 1/06, aaO).
    In vergleichbarer Weise regelt § 12 Nr. 5 EStG den Bereich der Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung. Danach sind allgemeine Bildungsaufwendungen, die in keinem hinreichend konkreten Veranlassungszusammenhang zu einer gegenwärtigen oder künftigen beruflichen Tätigkeit stehen, auf Grundlage des Anwendungsvorbehalts des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG als Sonderausgaben abziehbar. Besteht indessen ein hinreichend konkreter Veranlassungszusammenhang zwischen diesen Aufwendungen und einer beruflichen Tätigkeit, schließt § 12 Nr. 5 EStG mit seinem ausdrücklichen Verweis auf § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG den dort normierten Anwendungsvorrang des Betriebsausgaben- und Werbungskostenabzugs nicht aus.
    Das FA und das beigetretene BMF können sich zur Begründung ihrer entgegenstehenden Rechtsauffassung nicht auf den Willen des Gesetzgebers stützen. Denn die allein im Ausschussbericht (BTDrucks 15/3339, S. 10 f.) erkennbar gewordene Auffassung, nach der jedenfalls die Ausschussmehrheit die Aufwendungen für die erste Berufsausbildung den Kosten der Lebensführung zurechnen wollte, bildet sich nicht in einer Weise hinreichend konkret in dem an § 12 EStG angefügten Nr. 5 und dem im Übrigen unveränderten Normengefüge ab, dass darauf gestützt der Werbungskostenabzug für Aufwendungen der ersten Berufsausbildung auch dann ausgeschlossen ist, wenn die Aufwendungen einen hinreichend konkreten Veranlassungszusammenhang zur späteren Berufstätigkeit und den damit erzielten Einkünften aufweisen. Im Zweifel ist mangels eindeutiger gesetzlicher Regelungen bei der Auslegung der Norm dem Wortlaut und dem systematischen Zusammenwirken der §§ 9 Abs. 1, 10 Abs. 1 Nr. 7, 12 EStG sowie dem für den Werbungskostenabzug tragenden Veranlassungsprinzip der Vorzug zu geben.
    Ausweislich der Einzelbegründung zu § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG und § 12 Nr. 5 EStG (BTDrucks 15/3339, S. 10 f.) sollte die jüngste Rechtsprechung des BFH zur einkommensteuerrechtlichen Behandlung der Ausbildungskosten zum Anlass genommen werden, diese einkommensteuerrechtliche Behandlung neu zu ordnen, um die Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für seine Ausbildung in erheblich größerem Umfang als bisher gesetzlich zu berücksichtigen. Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 04.12.2002 VI R 120/01, vom 17.12.2002 VI R 137/01, aaO und vom 27.05.2003 VI R 33/01, BStBl II 2004, 884), welche die Aufwendungen für eine Umschulungsmaßnahme, die Aufwendungen für ein berufsbegleitendes erstmaliges Hochschulstudium sowie die Aufwendungen für eine - nach abgebrochenem Studium - erstmalige Berufsausbildung als Pilot jeweils als Werbungskosten qualifizierte, sollte sich die Neuordnung der Berufsausbildungskosten weitgehend an diesem grundsätzlichen Ansatz des BFH orientieren. Andererseits gehöre - so die Begründung - auch in einer modernen entwickelten Gesellschaft die erste Berufsausbildung typischerweise zu den Grundvoraussetzungen für eine Lebensführung. Das Erlernen der Grundlage eines Berufs diene dem Erwerb einer selbständigen und gesicherten Position, so dass die Aufwendungen für die erste Berufsausbildung und für ein Erststudium ebenso wie die für Erziehung und andere Grundbedürfnisse schwerpunktmäßig und untrennbar zu den Kosten der Lebensführung gehörten.
    Der neu geschaffene § 12 Nr. 5 EStG setzt jedoch, wie dargelegt, nach Wortlaut und systematischem Zusammenhang das für den Werbungskostenabzug tragende Veranlassungsprinzip nicht außer Kraft. Aber auch unter Berücksichtigung der vorgefundenen Gesetzesmaterialien lässt sich kein grundlegender Systemwechsel erkennen, der das gesamte und insbesondere unverändert fortgeltende übrige Normengefüge des Werbungskosten- und Sonderausgabenabzugs (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nrn. 1 bis 11, § 9 Abs. 1, 5, § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG) außer Kraft setzen sollte. Denn zum einen sollten danach die aus § 9 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG hergeleiteten Grundsätze der Rechtsprechung des BFH zu dem für den Werbungskostenabzug erforderlichen und für die Zuordnungsentscheidung tragenden Veranlassungszusammenhang zwischen Berufsausbildungskosten und späteren Einkünften offenbar unverändert fortgelten. Zum anderen ordnet sogar der mit der Neuregelung geschaffene § 12 Nr. 5 2. Halbsatz EStG selbst die Aufwendungen für eine auch erste Berufsausbildung nicht vorrangig dem Sonderausgabenabzug zu. Die Neuregelung selbst geht damit offensichtlich davon aus, dass solche Aufwendungen jedenfalls dann Werbungskosten sein können, soweit sie im Rahmen eines Dienstverhältnisses entstehen, also offenkundig einen hinreichend konkreten Veranlassungszusammenhang zur Berufstätigkeit aufweisen. Und dieses Wortlautverständnis wird gerade durch die Begründung zu § 12 Nr. 5 2. Halbsatz EStG bestätigt. Denn danach dienen diese Kosten unmittelbar dazu, Einnahmen in einem bestehenden Dienstverhältnis zu erzielen, und werden daher zu mit positiven Einkünften verrechenbaren Werbungskosten erklärt (BTDrucks 15/3339, S. 11).
    Ein grundlegender Systemwechsel setzt die Schaffung eines wirklich neuen Regelwerks voraus. Davon kann insbesondere dann nicht ausgegangen werden, wenn trotz Bekundungen im Gesetzgebungsverfahren bei der Neuregelung im Übrigen unverändert an bisherigen Grundentscheidungen und Grundprinzipien festgehalten wird. Lässt sich aus der neu geschaffenen materiellen Rechtslage ein solcher grundlegender Systemwechsel nicht entnehmen, kann nach dem Urteil des BVerfG zur Verfassungswidrigkeit der Pendlerpauschale (Urteil des BVerfG vom 9.12.2008 2 BvL 1/07, aaO zur Neuregelung des § 9 Abs. 2 Sätze 1, 2 EStG i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 2007 vom 19. Juli 2006, BGBl I 2006, 1652) die gesetzliche Neuregelung mangels verfassungsrechtlich erforderlicher Folgerichtigkeit verfassungswidrig sein. Vergleichbar damit bietet mangels eines festzustellenden grundlegenden Systemwechsels allein eine Äußerung im Gesetzgebungsverfahren auch noch keine tragfähige Grundlage für eine Auslegung, die aus den vorgenannten Gründen dem Wortlaut und einer im Übrigen erkennbar beibehaltenen Systematik zuwiderläuft.
    Angesichts dessen kann hier dahinstehen, ob und inwieweit der Gesetzgeber von Verfassungs wegen berechtigt wäre, abweichend von der bisherigen einfachrechtlichen einkommensteuerrechtlichen Qualifikation der Berufsausbildungsaufwendungen als Werbungskosten diese als privat mitveranlasst anzusehen und insoweit den Betriebsausgaben- und Werbungskostenabzug auszuschließen. Denn auch bei einem auf multikausale und multifinale Wirkungszusammenhänge gestützten weiten Typisierungsspielraum des Gesetzgebers (Urteil des BVerfG vom 9.12.2008 2 BvL 1/07, aaO, C.II.4.) wäre zu beachten, dass die einkommensteuerrechtliche Berücksichtigung privat veranlassten Aufwands nicht ohne weiteres zur Disposition des Gesetzgebers steht. Nach der Rechtsprechung des BVerfG kommt es nicht auf die einfachrechtliche Differenzierung zwischen beruflichem und privatem Veranlassungszusammenhang an, sondern auf die Unterscheidung zwischen freier oder beliebiger Einkommensverwendung einerseits und zwangsläufigem und pflichtbestimmtem Aufwand andererseits (Urteil des BVerfG vom 9.12.2008 2 BvL 1/07, aaO, C.I.3.c, m.w.N.).
    Auf dieser Grundlage sind die unstreitig gestellten Werbungskosten des Klägers i.H.v. 10.838 EUR anzuerkennen. Danach ergibt sich ein festzustellender Verlustabzug zum 31.12.2007 i.H.v. 7.054 EUR (Gesamtbetrag der Einkünfte 2.864 EUR zuzüglich 920 EUR abzüglich 10.838 EUR).
    Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 151 Abs. 3 und 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10 und 711 Zivilprozessordnung. Die Entscheidung über die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

    RechtsgebietFinanz- und Abgabenrecht

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