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  • 20.10.2011

    Bundesfinanzhof: Urteil vom 06.04.2011 – IX R 31/10


    Gründe

    1

    I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden für das Jahr 2004 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger und sein Vetter gründeten mit notariellem Vertrag vom Mai 1991 die D GmbH. Sie waren am Stammkapital in Höhe von 100.000 DM jeweils zur Hälfte beteiligt und alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer. Am 31. Oktober 1991 wurde das Stammkapital auf 300.000 DM erhöht, am 28. Dezember 1992 auf 400.000 DM.

    2

    Mit notariellem Geschäftsanteilskauf- und Abtretungsvertrag vom 30. Juli 2004 veräußerte der Kläger seine Geschäftsanteile an der GmbH an den Sohn seines Vetters zu einem Kaufpreis von 1 €. Das am 1. Dezember 2005 beantragte Insolvenzverfahren über die GmbH wurde am 30. Januar 2006 eröffnet.

    3

    In der Einkommensteuererklärung für 2004 machten die Kläger einen Verlust des Klägers aus der Veräußerung seines GmbH-Anteils in Höhe von 184.064,70 € gemäß § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend, der wie folgt ermittelt wurde:
    Anschaffungskosten:
    Anteil am Stammkapital:102.259,00 €
    zuzüglich nachträgliche Anschaffungskosten:
    Verlust von Darlehen in Höhe von 160.000 DM81.806,70 €
    abzüglich Kaufpreis1,00 €

    4

    Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) stellte mit Bescheid vom 6. Juli 2006 den verbleibenden Verlustvortrag zur Einkommensteuer auf den 31. Dezember 2004 in Höhe von 31.114 € unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gesondert fest.

    5

    Mit Einspruchsentscheidung vom 10. Mai 2007 hob das FA den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31. Dezember 2004 auf, da der Anteil am Stammkapital gemäß § 3c Abs. 2 EStG nur zur Hälfte in Höhe von 51.130 € und die Darlehensforderungen in Höhe von 0 € zu berücksichtigen seien.

    6

    Die hiergegen gerichtete Klage, mit der die Kläger nach einer tatsächlichen Verständigung der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) den Ansatz eines Veräußerungsverlustes in Höhe von 162.258 € (ohne Anwendung des Halbabzugsverbots des § 3c Abs. 2 EStG) begehrten, hatte z.T. Erfolg. Das FG entschied mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1589 veröffentlichten Urteil, der Kläger habe einen Veräußerungsverlust gemäß § 17 Abs. 1 und 2 EStG in Höhe der tatsächlichen Verständigung (162.258 €) erzielt, auf den allerdings das Halbeinkünfteverfahren anzuwenden sei.

    7

    Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger, mit der diese die Verletzung materiellen Rechts rügen (§ 17 EStG, § 3c Abs. 2 i.V.m. § 3 Nr. 40 EStG). Die Wertlosigkeit der veräußerten Anteile sei zwischen den Beteiligten unstreitig. Der Veräußerer habe nicht die Erzielung einer Einnahme angestrebt. Es sollten lediglich die Grundsätze eines Kaufvertrages zur Anwendung kommen.

    8

    Die Kläger beantragen,

    1.

    das Urteil des FG Düsseldorf aufzuheben und den Verlustfeststellungsbescheid zum 31. Dezember 2004 insoweit zu ändern, dass der Veräußerungsverlust i.S. des § 17 EStG in Höhe von 162.258 € in voller Höhe berücksichtigt wird;

    2.

    hilfsweise,

    das Verfahren auszusetzen und nach Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) über die Vereinbarkeit des Halbabzugsverbots des § 3c Abs. 2 EStG mit Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG für den Fall von Aufgabe- oder Veräußerungsverlusten einzuholen;

    3.

    hilfsweise,

    das Verfahren auszusetzen und nach Art. 100 GG die Entscheidung des BVerfG über die Vereinbarkeit des Halbabzugsverbots des § 3c Abs. 2 EStG mit Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG für den Fall von Verlusten aus der Veräußerung wertloser Anteile an Kapitalgesellschaften bei Vereinbarung eines symbolischen Kaufpreises von 1 € einzuholen.

    9

    Das FA beantragt,

    die Revision zurückzuweisen.

    10

    Das Halbeinkünfteverfahren sei von dem Grundgedanken geprägt, dass bei seiner Anwendung Gewinne und Verluste gleichermaßen der Einkommensteuer unterliegen sollen. Für eine abweichende Behandlung von Verlusten sei kein Raum. Eine Bagatellgrenze sei insoweit nicht vorgesehen.

    11

    II. Die Revision ist begründet, sie führt zur Aufhebung des Urteils des FG und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zu Unrecht hat das FG die Anschaffungskosten des Klägers für die streitbefangenen Anteile nur zur Hälfte bei der Berechnung von dessen Veräußerungsverlust angesetzt.

    12

    1. Gemäß § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c EStG ist die Hälfte des Veräußerungspreises i.S. von § 17 Abs. 2 EStG steuerfrei. Die hiermit in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Aufwendungen sind nur zur Hälfte abzuziehen (§ 3c Abs. 2 Satz 1 EStG). Bei steuerfreien Einnahmen soll kein doppelter steuerlicher Vorteil durch den zusätzlichen Abzug von unmittelbar mit diesen zusammenhängenden Aufwendungen erzielt werden (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 6. Juli 2005 XI R 61/04, BFHE 210, 332, BStBl II 2006, 163).

    13

    Fallen keine Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen an, ist § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG nicht anzuwenden und der Erwerbsaufwand in vollem Umfang abziehbar (BFH-Urteile vom 25. Juni 2009 IX R 42/08, BFHE 225, 445, BStBl II 2010, 220; vom 14. Juli 2009 IX R 8/09, BFH/NV 2010, 399; BFH-Beschluss vom 18. März 2010 IX B 227/09, BFHE 229, 177, BStBl II 2010, 627).

    14

    Keine Einnahmen liegen vor, wenn objektiv wertlose Anteile zu einem symbolischen Kaufpreis (z.B. von 1 €) veräußert wurden. Zur weiteren Begründung verweist der Senat auf sein Urteil IX R 61/10 vom 6. April 2011, DStR 2011, 1411.

    15

    2. Nach diesen Grundsätzen führt auch im Streitfall der symbolische Kaufpreis von 1 € nicht zu einem Veräußerungspreis i.S. von § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c und mithin nicht zu Einnahmen i.S. von § 3c Abs. 2 EStG, die durch die Beteiligung vermittelt werden; der symbolische Kaufpreis ist nach den gemäß § 118 Abs. 2 FGO den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG einem Veräußerungspreis von 0 € gleich zu erachten. Er wurde nicht als Entgelt für die Werthaltigkeit der übertragenen Anteile vereinbart; die Anteile waren vielmehr wertlos. Anhaltspunkte für eine Schenkung hat das FG trotz des Angehörigenverhältnisses der Vertragsparteien nicht festgestellt.

    16

    3. Die Berechnung des festzustellenden Betrages wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem FA übertragen.

    17

    4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO. Der Antrag, die Zuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, ist im Revisionsverfahren unzulässig (BFH-Urteil vom 10. September 2003 III R 29/02, BFH/NV 2004, 75).

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