08.01.2010
Finanzgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 21.06.2005 – 2 K 2744/04
In der für 2000 gültigen Fassung des EStG besteht für ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, ein Anspruch auf Kindergeld, wenn es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, und die Behinderung vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetreten ist. Ein Kind ist dann nicht in der Lage, sich selbst zu unterhalten, wenn die Behinderung einer Erwerbstätigkeit entgegensteht und das Kind über keine anderen bzw. nicht ausreichende andere Einkünfte und Bezüge verfügt.
Für die Feststellung, ob die dem behinderten Kind zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel den gesamten notwendigen Lebensbedarf sichern, ist ein auf den Kalendermonat bezogener Vergleich anzustellen.
Zu den dem Kind zur Verfügung stehenden Mitteln rechnen auch tatsächlich erfolgte Zahlung des Sozialleistungsträgers, wobei es ohne Belang ist, ob die Zahlungen unmittelbar an das Kind geleistet werden oder mittelbar dem Kind zugute kommen. Hilfeleistungen der Eltern sind weder mittelerhöhend noch bedarfsmindernd zu berücksichtigen.
Der gesamte notwendige Lebensbedarf eines behinderten Kindes setzt sich aus dem allgemeinen Lebensbedarf und dem behinderungsbedingten Mehrbedarf zusammen. Die auf die Behinderung zurückzuführenden Aufwendungen sind nur zu erfassen, soweit sie sich in den - auch sonst bei außergewöhnlichen Belastungen i. S. d. § 33 EStG maßgebenden - Grenzen der Angemessenheit halten.
Tatbestand
Das Verfahren befindet sich im zweiten Rechtsgang.
Streitig ist, ob dem Kläger für das Jahr 2000 Kindergeld für seine Tochter Dagmar zusteht.
Für die in 1975 geborene schwerbehinderte, auf einen Rollstuhl angewiesene Tochter Dagmar des Klägers war ursprünglich Kindergeld bis zum 30. September 2012 unter der Voraussetzung, dass sie aufgrund ihrer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, und ihr Lebensunterhalt auch nicht durch Einkünfte und Bezüge von anderer Seite gedeckt wird, festgesetzt worden. Gem. dem bis 2012 gültigen Schwerbehindertenausweis liegt bei Dagmar ein Grad der Behinderung von 100 % vor, und es sind die Merkzeichen „B”, „G”, „aG” und „H” eingetragen. Im streitigen Zeitraum unterfiel sie der Pflegestufe II. (Wegen der Einzelheiten zur Krankheit des Kindes wird auf das sozialmedizinische Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Rheinland-Pfalz vom 09. Oktober 1996, Bl. 63 bis 70 der Verwaltungsgerichts-Prozessakten, Az.: 6 K 1623/00.Nw Bezug genommen.)
Dagmar bezieht eine Erwerbsunfähigkeitsrente, die im Streitjahr bis einschließlich Juni 3067,28 DM und ab Juli 3085,70 DM betrug. Darin waren Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungspflichtbeiträge von monatlich 233,11 DM (bis Juni 2000) bzw. 243,77 DM (ab Juli 2000) enthalten (Bl. 100 der Verwaltungsgerichts-Prozessakten 6 K 1623/00. Nw).
Sie wohnt seit August 1999 in Kaiserslautern in einer behindertengerecht ausgestatteten Eigentumswohnung mit Tiefgaragenstellplatz des Klägers. Sie wird dabei von einem mobilen Pflegedienst, dem MachMitMittwoch Club e.V. (im Folgenden: MMMC) betreut, der sowohl hauswirtschaftliche als auch pflegerische Leistungen erbringt. Gem. einem Pflegeplan der Sozialstation vom 20. April 1999 (Bl. 75 ff der Verwaltungsgerichts-Prozessakten 6 K 1623/00.Nw) wird der Pflegebedarf wie folgt auf insgesamt 5.400,-- DM monatlich beziffert:
Zweimal täglich waschen, einmal wöchentlich duschen, einmal wöchentlich baden, dreimal täglich Zahnpflege, ein- bis zweimal täglich kämmen, mindestens dreimal täglich mundgerechtes Zubereiten einer Mahlzeit, mindestens dreimal täglich füttern, bei Bedarf an- bzw. auskleiden, mindestens dreimal wöchentlich zur Krankengymnastik/Massage/Ergotherapie, zweimal wöchentlich einkaufen, einmal täglich kochen, einmal wöchentlich Reinigung der Wohnung, einmal täglich spülen, einmal wöchentlich Kleiderwäsche, Besuchsdienste in nicht genau genanntem Umfang, durchschnittlich dreimal wöchentlich Bring- bzw. Holdienst zu Ärzten/Verwandten/Veranstaltungen usw. und Spaziergänge bzw. Behördengänge u. ä. je nach Bedarf.
Von den hierfür im Streitjahr entstandenen Kosten hat die Pflegekasse der AOK, bei der Dagmar krankenversichert ist, aufgrund der Einstufung in die Pflegestufe II monatlich 1.800,-- DM übernommen. Die darüber hinausgehenden Aufwendungen für die Pflegedienste des MMMC trug - bis auf von Dagmar zu erbringende Eigenanteile - die Stadt Kaiserslautern (Amt für Soziales und Wohngeld).
Nachdem der Kläger der Familienkasse in 1999 den Bezug der Erwerbsunfähigkeitsrente durch Dagmar mitgeteilt hatte, wurde die ursprüngliche Kindergeldfestsetzung ab dem 01. Juli 1999 mit der Begründung aufgehoben, die der Tochter monatlich zur Verfügung stehenden Geldmittel überstiegen deutlich den maßgeblichen monatlichen Grenzbetrag. Der hiergegen eingelegte Einspruch des Klägers war erfolglos geblieben. Mit Urteil vom 02. März 2001, 3 K 2117/00, hat das daraufhin angerufene Finanzgericht Rheinland-Pfalz den angefochtenen Aufhebungsbescheid dahin geändert, dass die Kindergeldfestsetzung erst ab Januar 2000 aufgehoben wurde. (Wegen der hierzu im einzelnen gemachten Ausführungen des Finanzgerichtes wird auf das o. g. Urteil, abgedruckt in Juris unter Nr. STRE200170980 Bezug genommen.) Auf die nach Zulassung durch den erkennenden Senat eingelegte Revision hob der BFH mit Urteil vom 24. August 2004, VIII R 59/01, BFH/NV 2004, 1715, das Urteil des FG auf, soweit darin die Klage abgewiesen worden war, und verwies die Sache mit dem Hinweis zurück, das Finanzgericht werde unter Mitwirkung des Klägers festzustellen haben, in welcher Höhe der Sozialleistungsträger Zahlungen an die Tochter oder für die Tochter an den Pflegedienst geleistet habe, und der Kläger werde ggf. die tatsächlichen Arztbesuche seiner Tochter nachzuweisen haben. Wegen der weiteren Ausführungen des BFH wird auf das oben zitierte Urteil (Bl. 165 ff Prozessakten) verwiesen.
Unter dem 15. November 2004 beantragte der Kläger daraufhin erneut bei der Beklagten u. a. für das Jahr 2000 die Festsetzung von Kindergeld für seine Tochter Dagmar. Wegen der von ihm hierzu zunächst gefertigten Aufstellung über eigene Mittel und den Bedarf Dagmars im Jahr 2000 wird auf Bl. 175 Prozessakten Bezug genommen. In einem weiteren Schreiben vom 23. Januar 2005 (Bl. 186 ff Prozessakten) hielt er hieran nicht mehr fest, sondern führte unter „Einnahmen 2000” auf: „Rente, Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Haftpflichtversicherung, Unfallversicherung, Hausratversicherung, Rechtsschutzversicherung, Zusatzkrankenversicherung, Auslandskrankenversicherung, VdK, DHAG, Pflege § 69b BSHG bezahlt, Eigenanteil Pflege, Pflegegeld § 69a BSHG bezahlt, Pauschalabzug, Mehrbedarf Erwerbsunfähigkeit, Abzug Regelsatz, Hausnotruf, Telefongrundgebühr, Eingliederungshilfe” und „einmalige Hilfen”. Unter „Ausgaben 2000” setzte er folgende Positionen an: „Grundbedarf § 81 BSHG, Kaltmiete, Nebenkostenpauschale, Stellplatzmiete, Möbelkosten, Fahrtkosten, Fahrten zu Ärzten, Begleitkosten, Behandlung, Pflege nach § 69b BSHG, Pflegegeld” sowie”Urlaub”.
Er ist der Auffassung, das sozialhilferechtlich definierte Existenzminimum sei die Grenze für das einkommensteuerliche Existenzminimum. Einkommen und Bedarf seien daher grundsätzlich zuerst sozialhilferechtlich zu bestimmen. Dabei sei von § 76 BSHG auszugehen, wonach u. a. die Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung sowie die weiteren Beiträge zu öffentlichen und privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen abzusetzen seien. Dazu gehörten die Beiträge zu den o. g. Versicherungen. Nach dieser Vorschrift seien außerdem die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben abzusetzen, worunter die Beiträge zum VdK sowie der Mitgliedsbeitrag der DHAG fielen. Demgegenüber stelle die Hilfe zur Pflege nach § 69b BSHG kein Einkommen i. S. d. § 76 BSHG dar. Dabei sei es allerdings unerheblich, ob man solche Leistungen von vornherein nicht als Einkommen zähle oder sie zwar dem Einkommen hinzurechne, jedoch - wie der BFH - als Bedarf wieder abziehe. Leistungen nach § 69b BSHG seien nur vom Sozialamt Kaiserslautern erbracht worden. Die Leistungen der Pflegekasse seien solche nach SGB XI und damit gerade keine Leistungen nach § 69b BSHG. Außerdem seien die von Dagmar getragenen Eigenanteile einkommensmindernd zu berücksichtigen. Inzwischen seien die Eigenanteilsbescheide aufgehoben und die gezahlten Eigenanteile zurückerstattet worden.
Vom BFH nicht erwähnt, aber gleichwohl zu berücksichtigen sei das Pflegegeld nach § 69a BSHG, das in 2000 monatlich 800,-- DM betragen habe, da Dagmar in Pflegestufe II eingeordnet sei. Deshalb sei dieser Betrag zusätzlich als Bedarf zu berücksichtigen. Tatsächlich sei das Pflegegeld überhaupt nicht ausgezahlt worden, so dass dem entsprechenden monatlichen Bedarf kein Einkommen gegenüber gestanden habe. Die damaligen Bescheide seien jedoch inzwischen aufgehoben und das Pflegegeld für 2000 teilweise gezahlt worden und zwar in Höhe von 120,28 DM von Januar bis Juni 2000 bzw. in Höhe von 121,21 DM von Juli bis Dezember 2000.
Außerdem sei ein Mehrbedarf für Erwerbsunfähige nach § 23 BSHG anzusetzen. Nach einem Urteil des Sozialgerichtes Speyer sei für diesen und ähnliche Bedarfe ein Betrag in Höhe des Regelsatzes der Sozialhilfe vom Einkommen in Abzug zu bringen, dieser betrage monatlich 547,-- bzw. 550,-- DM. Als weitere Hilfen in besonderen Lebenslagen stünden der Tochter die Restkosten des Hausnotrufes und die Eingliederungshilfe sowie die Telefongrundgebühr zu. Diese Leistungen seien kein Einkommen, da sie zweckgebunden seien und deshalb nicht für den Lebensunterhalt zur Verfügung stünden. Die Eingliederungshilfe von 360,-- DM monatlich umfasse die Geldtransportkosten von 72,-- DM und orientiere sich an den Kosten für 12 Fahrten mit dem Behindertenfahrdienst des Deutschen Roten Kreuzes innerhalb Kaiserslautern. Die Kosten betrügen zusammen über 4.700,-- DM. Für das Jahr 2000 sei von den Kosten des Hausnotrufes ein Restbetrag von 25,-- DM von Dagmar selbst getragen worden. Da der Hausnotruf nicht ohne das Telefon funktioniere, sei dieses kein privater Bedarf, sondern behinderungsbedingter Bedarf, was inzwischen auch vom Sozialamt anerkannt werde. Diese Entscheidung sei auch für die Familienkasse bindend. Hinzu komme ein Mehrbedarf von 15 % für einmalige Leistungen in Gestalt von Hilfe zum Lebensunterhalt. Dieser Mehrbedarf sei auch im Grundsicherungsgesetz vorgesehen.
Der Grundbedarf betrage nicht - wie vom Finanzgericht bisher angesetzt - 13.500,-- DM, sondern setze sich wie folgt zusammen: Regelsatz von 547,-- bzw. 550,-- DM zuzgl. 15 des Regelsatzes für einmalige Leistungen zuzgl. Mehrbedarf für Erwerbsunfähige nach § 23 BSHG zuzgl. die oben angegebenen Abzugsbeträge nach § 76 BSHG zuzgl. die Kosten für die Unterkunft und den Stellplatz. %4 der Wohnungskosten sei Rollstuhlbewegungsfläche, also behinderungsbedingt. Der sich danach ergebende Betrag von weit über 20.000,-- DM sei so weit vom Grundbedarf von 13.500,-- DM entfernt, dass dieser nicht mehr zum Maßstab gemacht werden könne. Deshalb sei als Bedarf zunächst ein solcher in Höhe der Einkommensgrenze des § 81 BSHG anzusetzen und betrage daher 1.573,bzw. 1.582,-- DM monatlich. Hinzu komme die angemessene Miete von monatlich 462,-DM zuzgl. Nebenkostenpauschale von 300,-- DM. Der Stellplatz werde für das Rollstuhlzuggerät benötigt, das bis heute nicht durch einen Elektrorollstuhl ersetzt worden sei. Hinzu kämen Mietkosten für Möbel von 647,57 DM monatlich. Die entsprechenden Unterlagen hätten der Finanzverwaltung vorgelegen. Der mehrfach geforderte Nachweis sei von ihm, dem Kläger, nicht zu führen, weil das Gesundheitsamt es ausdrücklich abgelehnt habe, für ihn ein Gutachten zu erstellen. Darüber hinaus habe die Beklagte nachzuweisen, dass das Gesundheitsamt überhaupt eine qualifizierte Stellungnahme abgeben könne.
Die pauschalen Fahrtkosten, die Kosten für Arztfahrten und Begleitkosten für Arztbesuche sowie die Stellplatzkosten seien bereits anerkannt worden. Es gebe nicht die geringste Veranlassung, an ihnen zu zweifeln. Ein Nachweis der Arztbesuche aus dem Jahr 2000 sei heute nicht mehr vollständig möglich, wegen der bisherigen Anerkennung aber auch nicht notwendig. Im Oktober 2000 seien Behandlungskosten von 180,- DM angefallen, die von der Krankenkasse nicht übernommen worden seien.
Der Pflegebedarf nach § 69b BSHG in Höhe von 5.400,-- DM monatlich sei zwar in einem Bescheid des Sozialamtes vom 10. November 1999 festgehalten worden. Dieser Bescheid sei jedoch aufgehoben worden. In späteren Bescheiden tauche der Betrag von 5.400,-- DM wohl nicht mehr auf. Der Betrag sei auch mehrfach überschritten worden, weil die Pflege inzwischen durch Preiserhöhungen der Sozialstation teurer geworden sei. Das Angebot berücksichtige auch nicht den unterschiedlichen Bedarf in den einzelnen Monaten. Es sei ein Mittelding zwischen 30 und 31 Tage-Monaten. Der Betrag sei auch nicht konstant, weil die erhöhte Hausbesuchspauschale nur an Samstagen bzw. Sonntagen anfalle und die Zahl dieser Tage im Monat variiere. Die in dem Pflegeplan angesetzten Werte seien insgesamt sehr ungenaue Werte, da sich ständig etwas ereigne, das dieses Schema durcheinander bringe. Es sei auch pure Phantasie der Beklagten, dass Bring- und Holfahrten zu Ärzten/Verwandten/Veranstaltungen bereits in der Grundpflege enthalten seien.
Selbstverständlich habe seine Tochter auch Kosten für Urlaub gehabt. Dabei seien zwei Arten von Mehrkosten zu unterscheiden, nämlich die Kosten für die Begleitperson und die Mehrkosten, die der Behinderte tragen müsse, da nicht jedes Hotel rollstuhlgerecht ausgestattet sei, sondern vielmehr i. d. R. nur die teureren Hotels. Das Urteil des BFH, in dem von 1.500,-- DM die Rede sei, beziehe sich auf das Jahr 1994. Seit dieser Zeit hätten sich die Kosten erhöht. Urlaubskosten und Kosten für die Begleitperson fielen nicht nur in der Urlaubszeit selbst an, sondern schon deutlich vorher und auch noch nachher. So würden z. B. Zahlungen über Kreditkarten mit Zeitverzögerungen abgebucht. Alle größeren Beträge liefen in der Regel über das Konto des Klägers, weil Dagmar nicht kreditwürdig sei. Diese Kosten würden von der Tochter in den Monaten abgetragen, in denen ihre Einkommenssituation etwas besser sei. Für eine Urlaubsbegleitung 2001 seien Flugkosten von 497,40 DM zuzgl. 20,-- DM Tikketgebühr im November 2000 gezahlt worden. Die Anzahlung für die Begleitperson für einen Kanadaaufenthalt im September bzw. Oktober 2000 in Höhe von 295,48 DM seien dem Konto im August 2000 belastet worden. Außerdem seien eine Reiserücktrittskostenversicherung für die Begleitperson von 55,-- DM und Flugkosten von 1.033,-- DM für die Begleitperson im Juli bzw. August 2000 entrichtet worden. Bei Bedarf könnten die gesamten Unterkunftskosten in Kanada nachgewiesen werden.
Wegen des weiteren Vortrages des Klägers sowie der von ihm anhand der vorgelegten Tabellen angestellten Berechnungen zu den zur Verfügung stehenden Mitteln bzw. dem Bedarf und der von ihm hierzu vorgelegten Unterlagen wird auf Bl. 186 ff Prozessakten verwiesen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid über die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung vom 28. Juni 1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26. Juni 2000, soweit er sich auf das Jahr 2000 bezieht, aufzuheben,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Beklagte, beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, im Rahmen des nunmehr vorliegenden Verfahrens sei der gesamte Prozessstoff in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht erneut zu prüfen und zu würdigen. Dabei könne das Finanzgericht seine frühere Entscheidung auch zum Nachteil des Klägers ändern. Ziehe man die Grundsätze der Revisionsentscheidung des BFH vom 24. August 2004 heran, so sei im Rahmen vorausschauender Bedarfsplanung der vom Kläger geltend gemachte Bedarf auf das Jahr aufzuteilen, da die Aufwendungen insoweit aufs Jahr gesehen vorhersehbar seien.
Der Betrag an Miet- und Mietnebenkosten werde nicht mehr als behinderungsbedingt anerkannt, da er über das hinausgehe, was eine bescheidene Lebensführung erfordere. Eine bescheidene Lebensführung rechtfertige lediglich die Anmietung einer 45 qm, nicht jedoch die einer 60 qm großen Wohnung. Die Kosten für den Hausnotruf seien ebenfalls nicht anzusetzen, da sie von der Krankenkasse getragen würden. Die bisher anerkannten Geldtransportkosten würden ebenfalls nicht mehr anerkannt, da sie anlässlich von Besuchsfahrten miterledigt würden, so dass kein weiterer Aufwand entstehe. Der behinderungsbedingte Mehrbedarf für tatsächlich durchgeführte Urlaubsreisen sei auf 1.500,- DM jährlich begrenzt. Die behinderungsbedingten Fahrtkosten seien bei neuerlicher Prüfung entsprechend der Entscheidung des Finanzgerichtes Rheinland-Pfalz vom 20. April 2004 betreffend das Jahr 2001 mit lediglich 1.560,-- DM jährlich bzw. 130,-- DM monatlich anzusetzen. Aus den in dieser Entscheidung genannten Gründen seien auch Fahrten zu entfernt liegenden Kliniken nicht mehr zu berücksichtigen. Kosten für Hausmeister (Aufzug und Stellplatz) seien noch nachzuweisen. Außerdem seien die Kosten für einen Stellplatz in Höhe von 100,-- DM monatlich nicht angemessen, da dieser von der Tochter nicht genutzt werden könne. Das dort abgestellte Rollstuhlzuggerät sei ausweislich einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz aus dem Jahr 1993 wegen der fortschreitenden Erkrankung der Tochter nicht mehr zu nutzen.
Im übrigen sei der Rechtsauffassung des Klägers, sowohl das Einkommen als auch der Bedarf seien sozialhilferechtlich zu ermitteln, nicht zu folgen. Insbesondere seien auch die Leistungen der Pflegeversicherung in Höhe von 1.800,-- DM monatlich zu berücksichtigen. Der BFH spreche insoweit allgemein von Zahlungen der Sozialleistungsträger, wozu auch die Pflegekasse gehöre. Auch die zurückgezahlten Eigenanteile stellten weitere Leistungen Dritter dar. Der Kläger habe insoweit mitzuteilen, wann die Rückzahlung erfolgt sei. Für die Restkosten von 25,-- DM monatlich für den Hausnotruf sei nachzuweisen, ob diese nicht auch für 2000 durch den Sozialhilfeträger getragen worden seien. Die Geldtransportkosten würden nunmehr im Wege der Eingliederungshilfe vom Sozialhilfeträger erstattet, so dass insoweit keine Kosten verblieben seien. Da der Beklagten Einsicht in Belege des Finanzamtes verweigert worden sei, könnten auch die Mietkosten für Möbel nicht berücksichtigt werden.
Die pauschal geltend gemachten Fahrtkosten seien nach dem Urteil des Finanzgerichtes Rheinland-Pfalz vom 20. April 2004 betreffend das Jahr 2001 lediglich noch mit 3.000 km pro Jahr anzusetzen. Im Rahmen des vorliegenden Verfahrens sei insoweit der Gesamtprozessstoff in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht erneut zu prüfen, zu würdigen und hierbei die Grundsätze dieser Entscheidung zugrunde zu legen. Hinsichtlich der behaupteten Fahrten zu entfernt liegenden Kliniken seien sowohl nach dem Urteil des Finanzgerichtes Rheinland-Pfalz als auch nach dem des BFH die tatsächlichen Nachweise zu erbringen. Außerdem seien in diesem Zusammenhang der Anlass und die Notwendigkeit bzw. Angemessenheit der Reise darzulegen und mögliche Erstattungen von dritter Seite gegenzurechnen.
Soweit nunmehr erstmals Behandlungskosten von 180,-- DM geltend gemacht würden, sei davon auszugehen, dass Kosten dieser Art nicht erforderlich und angemessen gewesen seien, da ansonsten die Kasse bzw. der Sozialleistungsträger diese übernommen hätte.
Mit Schreiben des Gerichtes vom 09. Mai 2005 (Bl. 229 Prozessakten) wurde der Kläger um Mitteilung gebeten, ob außer der Erwerbsunfähigkeitsrente und den an den MMMC erbrachten Zahlungen in 2000 weitere Leistungen von Sozialleistungsträgern an bzw. für Dagmar erfolgten.
Er hat daraufhin wissen lassen, die Beträge von jeweils 1.800,-- DM monatlich seien zweckgebundene Leistungen. Ob weitere Leistungen nach dem SGB XI als Sachleistungen erbracht worden seien, entziehe sich seiner Kenntnis, da die AOK Pflegekasse sich weigere, alle Daten herauszugeben. Es seien einzelne Leistungen nach dem SGB V als Sachleistung erbracht worden. Welche dies genau seien und wann welche Zahlungen geleistet worden seien, entziehe sich seiner Kenntnis, da die AOK Krankenkasse sich weigere, alle Daten herauszugeben. Jedenfalls seien weder die Fahrtkosten zu Arztbesuchen noch die im Schreiben vom 23. Januar 2005 genannten Behandlungskosten von einem Sozialleistungsträger erstattet worden. Nach dem BSHG seien keine weiteren, über die bereits im Schreiben vom 23. Januar 2005 hinausgehenden Leistungen geflossen. Weitere Sozialleistungen seien nicht bekannt.
Mit weiteren Schreiben vom 13. Mai 2005 (Bl. 240, 241 Prozessakten) bat das Gericht sowohl die Pflegekasse der AOK Neustadt als auch die Stadtverwaltung Kaiserslautern (Amt für Soziales und Wohngeld) um Auskunft darüber, welche Sozialleistungen in dem Streitjahr und in den Jahren 2002 bis 2004, wegen denen unter den Aktenzeichen 2 K 2413/03, 2 K 2665/03 und 2 K 2492/04 weitere Klageverfahren anhängig sind, an Frau Dagmar bzw. für deren Pflege erbracht wurden.
Das Referat Soziales der Stadt Kaiserslautern reichte hierzu unter dem 20. Mai 2005 eine Aufstellung der Sozialhilfeleistungen für 2000 bis 2004 ein, wegen der auf BI. 246 Prozessakten Bezug genommen wird.
Die Pflegekasse verweigerte die Beantwortung der Anfrage unter Hinweis darauf, dass der Kläger hierzu zunächst sein Einverständnis erteilen müsse.
Zu der auf den 21. Juni 2005 anberaumten mündlichen Verhandlung wurde der Kläger mit Verfügung vom 18. Mai 2005, zugestellt lt. Postzustellungsurkunde am 19. Mai 2005, geladen.
Mit Schriftsatz vom 06. Juni 2005 meldete sich erstmals das „Schneider Team, Partnerschaft der Steuerberater Hans-Peter Schneider und Peter Hoffmann, Steuerberatungsgesellschaft” für den Kläger und teilte mit, Herr Hans-Peter Schneider sei nun Prozessbevollmächtigter, Herr Peter Hoffmann Unterbevollmächtigter. Der Prozessunterbevollmächtigte beantragte, die „Ladung auf einen später zu bestimmenden Zeitpunkt zu verschieben”. Er führte aus, der Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 11. Januar 2005, 2 BvR 167/02 habe wesentlichen Einfluss auf die vorliegenden Klageverfahren. Dieser Beschluss habe sicherlich auch Auswirkungen über die Sozialversicherungsbeiträge hinaus. Wahrscheinlich müssten auch andere Aufwendungen, z. B. köperbehinderten-notwendige Mehraufwendungen, von den Einkünften und Bezügen des Kindes abgezogen werden. Hier sei abzuwarten, wie der BFH auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes reagieren werde. Da der Kläger optimalen Rechtsschutz zu erhalten suche, wolle er sich von dem Steuerberater vertreten lassen, der die o. g. Entscheidung beim Bundesverfassungsgericht herbeigeführt habe. Dies sei der Prozessbevollmächtigte, der sich bis einschließlich 20. Juni 2005 in Urlaub befinde. Erst danach sei eine entsprechende Einarbeitung und Überprüfung des Sachverhaltes möglich.
Dem Schreiben war ein Fax des Klägers an die Steuerberatungskanzlei H.-P. Schneider und Partner vom 02. Juni 2005 beigefügt, mit dem der Kläger die Kanzlei mit der Vertretung in den o. g. Verfahren beauftragte und hierzu Vollmacht erteilte (Bl. 249 Prozessakten).
Dem Antrag auf Terminverlegung wurde nicht entsprochen. Die Gründe hierfür wurden den Prozessbevollmächtigten mit Schreiben des Vorsitzenden vom 13. Juni 2005 (Bl. 252 Prozessakten) mitgeteilt.
Unter dem 16. Juni 2005 bat der Kläger daraufhin persönlich um eine Verlegung des Gerichtstermins, da er bisher nicht die Gelegenheit gehabt habe, die Zahlen der Stadtverwaltung Kaiserslautern anhand der ihm vorliegenden Unterlagen nachzuvollziehen. Außerdem habe er das Gericht um Hinweise gebeten, damit ein sachgerechter Vortrag möglich sei, diese Hinweise jedoch bisher nicht erhalten. Im übrigen benötige sein Rechtsvertreter Zeit zur Einarbeitung.
Der Senatsvorsitzende ließ hierzu wissen, dass der Termin bestehen bleibe, da er, der Kläger stets um zügige Entscheidung gebeten habe.
In der mündlichen Verhandlung vom 21. Juni 2005 legte der Kläger eine Zusammenstellung der für Dagmar erbrachten Sozialhilfeleistungen vom 01. 01.2000 bis zum 31.12.2004 vor, die sich bis auf ganz unwesentliche Abweichungen mit den durch die Stadt Kaiserslautern (Amt für Soziales und Wohngeld) mitgeteilten Beträgen deckt (Bl. 272, 273 Prozessakten). Darüber hinaus reichte er einen Computer-Ausdruck der AOK Pflegekasse über an Dagmar erbrachte Pflegeleistungen in Euro für die Zeit vom 01. Januar 2000 bis zum 31. März 2004 zu den Akten, wonach außer den o. g. monatlichen an den MMMC geleisteten Zahlungen von 1.800,-- DM in 2000 (bzw. 921,-- € ab dem Jahr 2002) monatlich 17,90 € für das Notrufsystem und eine weitere am 26. August 2000 erbrachte Leistung von 6.14 € aufgeführt sind (Bl. 274 ff Prozessakten).
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift (Bl. 265 ff Prozessakten) und wegen weiterer in der Verhandlung von dem Kläger vorgelegter Unterlagen auf Bl. 260 ff Prozessakten verwiesen.
Gründe
Die Klage ist überwiegend unbegründet. Dem Kläger steht lediglich für die Monate April, Juni und September 2000 Kindergeld für seine Tochter Dagmar zu.
Gem. §§ 62 Abs. 1, 63 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 EStG i. V. m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG in der für 2000 gültigen Fassung besteht für ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, ein Anspruch auf Kindergeld, wenn es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, und die Behinderung vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetreten ist. Ein Kind ist dann nicht in der Lage, sich selbst zu unterhalten, wenn es wegen seiner Behinderung seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten kann. Das ist dann der Fall, wenn die Behinderung einer Erwerbstätigkeit entgegensteht und das Kind über keine anderen bzw. nicht ausreichende andere Einkünfte und Bezüge verfügt. Reichen dagegen seine finanziellen Mittel aus, um seinen gesamten notwendigen Lebensbedarf abzudecken, kommt der Behinderung keine Bedeutung zu (BFH, Urteil vom 15. Oktober 1999, VI R 183/97, BStBl II 2000, 72, m. w. N.).
Um das festzustellen, ist nach der neueren Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteil vom 16. Dezember 2002, VIII R 65/99, BStBl II 2003, 593) ein auf den Kalendermonat bezogener Vergleich der dem Kind zur Verfügung stehenden Mittel mit seinem gesamten notwendigen Lebensbedarf anzustellen. Dabei ist jedoch ein behinderungsbedingter Mehrbedarf, der nicht in jedem Monat anfällt, nicht ausschließlich dem Monat zuzuordnen, in dem die Kosten angefallen sind. Die Fähigkeit zum Selbstunterhalt bleibt vielmehr auch dann bestehen, wenn die monatlichen Einnahmen eines längeren vorausgegangenen Zeitraumes so hoch gewesen sind, dass sie den nicht monatlich anfallenden behinderungsbedingten Mehrbedarf abdecken können. Mithin ist darauf abzustellen, ob bei einer vorausschauenden Bedarfsplanung unter Zugrundelegung einer monatlichen Durchschnittsbelastung der Mehrbedarf aufgefangen werden kann (BFH, Urteil vom 24. August 2004, VIII R 59/01, BFH/NV 2004, 1715, m. w. N.).
Zu den dem Kind zur Verfügung stehenden Mitteln rechnen - jedenfalls dann, wenn die Eltern entweder nicht unterhaltsverpflichtet sind oder - wie hier - nicht in Regress genommen werden (können) - auch tatsächlich erfolgte Zahlungen der Sozialleistungsträger. Dabei ist es irrelevant, ob die Zahlungen unmittelbar an das Kind geleistet werden oder dem Kind mittelbar zugute kommen, indem Zahlungen an Dritte bewirkt werden, die dem Kind gegenüber Leistungen erbringen, z. B. an einen Pflegedienst.
Dagegen haben die Hilfeleistungen der Eltern außer Betracht zu bleiben, d. h.: sie sind weder mittelerhöhend noch bedarfsmindernd zu berücksichtigen, da ansonsten genau die Unterhaltsbeiträge der Eltern zum Ausschluss des Kindergeldanspruches führen könnten, die das Kindergeld abgelten soll (BFH, Urteil vorm 24. August 2004, VIII R 59/01, a. a. 0.). Entgegen der Auffassung des Klägers sind die Dagmar zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel nicht nach sozialhilferechtlichen Grundsätzen, z. B. nach der Definition des Einkommens gem. § 76 BSHG, zu bestimmen. Nach der Rechtsprechung des BFH hat die Verweisung auf § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 ES,G in § 63 Abs. 1 Satz 2 EStG zum Ausdruck gebracht, dass der steuerrechtliche Begriff des Außerstandeseins zum Selbstunterhalt i. S. einer einheitlichen steuerrechtlichen Auslegung nunmehr auch im Kindergeldrecht anzuwenden ist (BFH, Urteil vom 15. Oktober 1999, VI R 183/97, a. a. 0.). Unter Einkünften und Bezügen sind daher - wie auch sonst bei nicht behinderten Kindern bzw. wie im Rahmen der Prüfung gem. § 33a EStG, ob Unterhaltsaufwendungen außergewöhnliche Belastungen darstellen - die Einkünfte i. S. d. § 2 Abs. 2 EStG und darüber hinaus alle Zuflüsse in Geld oder Geldeswert ZU verstehen, die nicht bei der einkommensteuerrechtlichen Einkunftsermittlung erfasst werden und zur Unterhaltsbestreitung bestimmt oder geeignet sind (vgl. hierzu auch BFH, Urteil vom 21. Juli 2000, VI R 153/99, 566). Lediglich diejenigen Beträge, die von Gesetzes wegen dem Kind oder dessen Eltern tatsächlich nicht zur Verfügung stehen, sondern anderen Zwecken als der Bestreitung des Unterhaltes zu dienen bestimmt sind, sind nicht einzubeziehen, (BVerfG, Beschluss vom 11. Januar 2005, 2 BvR 167/02).
Der gesamte notwendige Lebensbedarf eines behinderten Kindes setzt sich aus dem allgemeinen Lebensbedarf (Grundbedarf) und dem behinderungsbedingten Mehrbedarf zusammen (BFH, Urteil vom 15. Oktober 1999, VI R 183/97, a. a. O.). Als Grundbedarf ist dabei der das Existenzminimum beschreibende Grenzbetrag gem. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG anzusetzen, der neben Ernährung, Unterkunft, Kleidung, Körperpflege, Hausrat und Heizung in vertretbarem Umfang auch persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens wie z. B. Beziehungen zur Umwelt (Kontakte zur Familie, Teilnahme am kulturellen Leben) umfasst (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 10. November 1998, 2 BvR 1057/91, 2 BvR 1226/91 und 2 BvR 980/91, BStBl II 1999, 182, 191, CII). Zum behinderungsbedingten Mehrbedarf gehören alle mit einer Bethinderung unmittelbar und typisch zusammenhängenden außergewöhnlichen Belastungen. Ohne Belang ist in diesem Zusammenhang, ob diese Aufwendungen - unter welchem rechtlichen Gesichtspunkt auch immer - bei den Eltern abzugsfähig sind. Dabei können jedoch nicht jegliche ursächlich auf die Behinderung zurückzuführende Aufwendungen erfasst werden, sondern - wie auch sonst bei außergewöhnlichen Belastungen i. S. d. § 33 ff EStG - nur solche, die, sich in den Grenzen der Angemessenheit halten. In diesem Zusammenhang darf nicht verkannt werden, dass nach § 31 Satz 1 EStG durch das Kindergeld weder bei nicht behinderten noch bei behinderten Kindern der gesamte kindbedingte Aufwand durch staatliche Förderung ausgeglichen werden soll und kann, sondern lediglich die existenzsichernden Aufwendungen.
Nach diesen Maßstäben war die Tochter Dagmar des Klägers im Streitjahr 2000 lediglich in den Monaten April, Juni und September nicht zum Selbstunterhalt fähig.
Dagmar standen folgende Mittel zur Deckung ihres gesamten Lebensbedarfes zur Verfügung:
1. die Erwerbsunfähigkeitsrente, die in Höhe ihres Ertragsanteiles Einkünfte, in Höhe ihres Kapitalanteiles Bezüge i. S. d. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG darstellt, die zur Bestreitung des Lebensunterhaltes geeignet und bestimmt sind. Davon sind gem. dem oben zitierten Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 11. Januar 2005, 2 BvR 167/02 die Sozialversicherungspflichtbeiträge in Abzug zu bringen, da diese von Gesetzes wegen abgeführt werden und deshalb unabhängig von einer Willensentscheidung des Kindes bzw. seiner Eltern nicht in dessen/deren Verfügungsbereich gelangen und daher von vornherein zum Unterhalt des Kindes tatsächlich nicht zur Verfügung stehen.
Die Erwerbsunfähigkeitsrente betrug in 2000 von Januar bis Juni ohne Kranken- und Pflegeversicherung monatlich 2.834,17 DM, von Juli bis Dezember jeweils 2.841,93 DM, insgesamt mithin 34.056,60 DM. Hiervon sind monatlich ein Werbungskostenpauschbetrag von 16,66 DM sowie eine Kostenpauschale von 30,-- DM, mithin jährlich 560,- DM abzuziehen. Höhere im Zusammenhang mit der Erwerbsunfähigkeitsrente stehende Kosten wurden weder vorgetragen, noch sind sie sonst ersichtlich.
2. die Leistungen der Sozialleistungsträger für Unterhalt/Pflege.
Die hierbei monatlich anzusetzenden Beträge sind den Aufstellungen des Amtes für Soziales und Wohngeld der Stadt Kaiserslautern, die sich im wesentlichen mit denen des Klägers decken, sowie der von dem Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegten Zusammenstellung der Leistungen der Pflegekasse der AOK zu entnehmen.
Dem steht folgender Gesamtbedarf Dagmars gegenüber:
1. der Grundbedarf in Höhe von jährlich 13.500,-- DM nach § 32 Abs. 4 Satz 2, 1. Hs. EStG.
Der Kläger geht fehl, wenn er meint, der Grundbedarf sei unter Heranziehung (auch) von weiteren Abzugsbeträgen zu ermitteln, wie sie sich z. B. aus dem Sozialhilferecht ergeben. Der Grundbedarf ist nach den oben dargestellten Grundsätzen vielmehr bei behinderten und nicht behinderten Kindern identisch. Die Behinderung eines Kindes findet an anderer Stelle, nämlich bei Ermittlung des behinderungsbedingten Mehrbedarfes, Berücksichtigung.
§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG entspricht - insbesondere auch seiner Höhe nach - verfassungsrechtlichen Anforderungen. Ausgehend von den Berichten der Bundesregierung über die Höhe des Existenzminimums von Kindern und Familien für die Jahre 1999 und 2001 (BT Drucks. 13/9561 bzw. 14/1926) beträgt der existenznotwendige Bedarf eines alleinstehenden Erwachsenen in 1999 10.788,-- DM jährlich, mithin 899,-- DM monatlich, und in 2001 12.804,-- DM jährlich, also 1.067,-- DM monatlich. Dieses Existenzminimum errechnet sich - jeweils monatlich - wie folgt:
Eckregelsatz für Alleinstehende 552,-- DM (1999) bzw. 555,-- DM (2001)
Zuschlag für Einmalbeihilfen 83,-- DM
Wohnungskosten 220,-- DM (1999) bzw. 358,-- DM (2001)
Heizungszuschlag 44,-- DM (1999) bzw. 71,-- DM (2001)
Der Grenzbetrag von 13.500,-- DM im Jahr 2000 wird somit der verfassungsrechtlich gebotenen Abdeckung des Existenzminimums mehr als gerecht.
2. Bedarf an Grundpflege gem. dem Pflegeplan der Sozialstation in Höhe von 5.400,-- DM monatlich. Die hierin aufgeführten Pflegeleistungen stellen unabhängig davon Bedarf dar, ob sie im einzelnen tatsächlich von dem Pflegedienst oder von dritten Personen, z. B. dem Kläger, erbracht wurden. Der Bedarf als solcher wird dadurch nicht tangiert. In diesem Pflegeplan sind insbesondere auch bereits Begleitungen bei Aktivitäten außerhalb der Wohnung bzw. die Hilfe beim Verlassen oder dem Wiederaufsuchen der Wohnung (Positionen 10 und 11 der jeweiligen Leistungsnachweise i. V. m. Seite 4 des Pflegeplanes („Hilfen zur Erhaltung und Erweiterung von Kontakten zur Umwelt”), Bl. 78 Verwaltungsgerichts-Prozessakte 6 K 1623/00.NW) enthalten.
Der Senat sieht keine Veranlassung, im Streitjahr 2000 von dem Kostenvoranschlag der Sozialstation, der erst in 1999 erstellt wurde, abzuweichen. Der Kläger hat selbst nicht behauptet, die Preise für die Leistungen des MMMC hätten sich in der Zeit von Aufstellung des Pflegeplanes an bis Ende 2000 erhöht, sondern er spricht nur davon, die Preise seien „inzwischen angestiegen”. Im übrigen macht er zur Begründung des seiner Ansicht nach höher anzusetzenden Pflegebedarfes lediglich vage, ganz allgemein gehaltene Angaben, die den Senat nicht in die Lage versetzen, einen insgesamt monatlich höheren Pflegebedarf erkennen zu können.
Soweit der Kläger (tatsächlich nicht erhaltenes) Pflegegeld in Höhe von monatlich 800 DM als zusätzlichen Pflegeaufwand geltend macht, ist nicht nachvollziehbar, welchen Einfluss diese Position auf den tatsächlich erforderlichen Umfang der Pflege haben könnte.
3. weitere behinderungsbedingte Mehraufwendungen:
Als unmittelbar und typischerweise mit der Behinderung in Zusammenhang stehende Belastungen sind lediglich die Beiträge zum VdK und zur DHAG, die Kosten für den Hausnotruf und für die Haftpflichtversicherung, soweit es sich um die Rollstuhlhaftpflicht handelt, die Behandlungskosten, soweit diese von Dagmar getragen werden mussten, sowie Fahrtkosten und Kosten für eine Urlaubsbegleitung in angemessenem Umfang anzusetzen.
Der Kläger konnte in der mündlichen Verhandlung glaubhaft machen, dass Dagmar nicht in der Lage ist, sich so mit dem Rollstuhl im öffentlichen Verkehr zu bewegen, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen werden kann, und dass deshalb eine Rollstuhlhaftpflichtversicherung von 56,50 DM hatte abgeschlossen werden müssen. Desweiteren vermochte er es glaubhaft zu machen, dass die geltend gemachten Behandlungskosten bzw. Kosten für medizinische Hilfsmittel tatsächlich angefallen sind und lediglich zu einem Bruchteil von etwa 10.% der Kosten erstattet wurden. Vor dem Hintergrund, dass auch im Rahmen der Prüfung außergewöhnlicher Belastungen nach § 33 EStG bei Krankheitskosten kein strenger Maßstab anzulegen ist, konnte der Senat keine Anhaltspunkte dafür erkennen, dass diese Aufwendungen unangemessen waren.
Von den geltend gemachten Fahrtkosten und Fahrtbegleitungskosten ist jedoch nur ein Teil berücksichtigungsfähig.
Die von dem Kläger behauptete Fahrleistung von 15.000 km orientiert sich offensichtlich an dem im Rahmen des § 33 EStG für Fahrtkosten Schwer-Behinderter als Angemessenheitsgrenze anerkannten Betrag. Der Kläger hat hierzu lediglich pauschal behauptet, mit Dagmar (und auch mit deren Schwester Anita) Ausflüge und Fahrten zu entfernt liegenden Kliniken bzw. Ärzten gemacht zu haben, diese jedoch weder nach Datum, Kilometerleistung und Ziel der Fahrt näher konkretisiert, obwohl es selbstverständlich ist, dass er behinderungsbedingten Aufwand substantiiert darzulegen und nachzuweisen hat. Da eine Fahrleistung von 15.000 km vornehmlich für Ausflugsfahrten außerordentlich hoch erscheint (zumal Dagmar lt. den Pflegenachweisen auch von dem Pflegedienst zu außerhäuslichen Aktivitäten begleitet wurde) und der Kläger, wie sich auch aus den weiteren Klageverfahren betreffend die Jahre 2001 - 2004 (2 K 2271/01, 2 K 2413/03, 2 K 2665/03 und 2 K 2492/04) ergibt, eine so hohe Fahrleistung - wiederum unsubstantiiert - auch für die Folgejahre anführt, ist davon auszugehen, dass er die geltend gemachten Fahrtkosten als jährlich ohne weiteres anzusetzenden Freibetrag ansieht. Es handelt sich jedoch um einen Grenzbetrag, ab dem tatsächlich durchgeführte Fahrten eines Behinderten unangemessen und deshalb von vornherein nicht mehr als behinderungsbedingter Mehrbedarf anzusehen sind.
Es ist zwar glaubhaft, dass der Kläger mit seinen Töchtern Ausflugsfahrten unternommen hat. Selbst wenn die hierfür von Dagmar in Anspruch genommene Fahrleistung den behaupteten Umfang gehabt haben sollte, kann dies nicht zu einem entsprechend zu berücksichtigenden Bedarf führen, denn eine solch hohe ausschließlich für Ausflüge entwickelte Mobilität, die über der durchschnittlichen Gesamt-Fahrleistung eines Autofahrers in Deutschland liegt und die zu den vom Pflegedienst übernommenen außerhäuslichen Aktivitäten hinzukommt, ist nicht auf die Behinderung als solche zurückzuführen.
In diesem Zusammenhang darf die oben dargestellte Definition dessen, was unter behinderungsbedingtem Bedarf zu verstehen ist, nicht aus den Augen verloren werden. Nicht jegliche Aufwendung, die in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Behinderung steht und die sich als nützlich oder angenehm erweist, stellt Bedarf im o. g. Sinne dar, sondern nur solche Maßnahmen, die unmittelbar und typischerweise mit der Behinderung zusammenhängen.
Der Senat hält in griffweiser Anlehnung an die Angemessenheitsgrenze für Fahrten von Menschen, die zu mindestens 80 % behindert oder die zu mindestens 70 % behindert und im Straßenverkehr erheblich geh- und stehbeeinträchtigt sind (§ 33 EStG), eine Fahrleistung in Höhe von allenfalls 3.000 km jährlich zu reinen Ausflugszwecken ä 0,52 DM pro km für noch typischerweise durch die Behinderung veranlasst.
Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Ausflugsfahrten in der Regel zusammen mit der zweiten ebenfalls behinderten Tochter des Klägers stattgefunden haben werden und ansonsten jegliche weiteren Anhaltspunkte betreffend Ziel, Dauer etc. der Fahrten fehlen, schätzt der Senat die Aufwendungen für Ausflugsfahrten mit 1.560,-- DM jährlich, mithin mit 130,-- DM monatlich (3.000 km x 0,52 DM pauschale Kosten), wobei damit auch die Kosten für Begleitung abgegolten sein sollen.
Hinsichtlich der ebenfalls lediglich pauschal behaupteten und in keiner Weise konkretisierten Fahrten zu entfernt liegenden Kliniken bzw. Ärzten ist der Kläger seiner Darlegungs- und Nachweispflicht ebenfalls nicht nachgekommen. Da es sich hierbei um Fahrten handelt, die nicht - wie Ausflugsfahrten - von vornherein glaubhaft erscheinen, kommt insoweit auch keine Schätzung des Gerichtes in Betracht.
Nach der Rechtsprechung des BFH sind Kosten, die auf einer Urlaubsreise für eine hierfür notwendige Begleitperson entstehen, bis zu 1.500,-- DM jährlich als außergewöhnliche Belastung und damit als behinderungsbedingter Mehrbedarf abziehbar (vgl. Urteil vom 04. Juli 2002, III R 58/98, BStBl II 2002, 765; auf dieses Urteil hat auch der BFH in seinem mein Urteil aufhebenden Urteil vom 24. August 2004, VIII R 59/01 Bezug genommen.)
Der Betrag von 1.500,-- DM ist auch noch im Streitjahr 2000 aktuell. Die zitierte Entscheidung betrifft zwar das Streitjahr 1994, zur Begründung greift der BFH jedoch auf statistische Erhebungen betreffend das Jahr 2000 zurück und führt aus, solche Aufwendungen seien nur dann als angemessen anzusehen, soweit sie den von einem nicht Behinderten durchschnittlich für Urlaubsreisen ausgegebenen Betrag nicht überstiegen. Nach Auskunft der Bundesregierung vom 24. Oktober 2001 auf eine große Anfrage zum Thema „Hemmnisse im Tourismus für behinderte Menschen abbauen” hatten die durchschnittlichen Ausgaben für Urlaubsreisen der Deutschen im Jahr 2000 1.549,-- DM betragen.
Im Streitfall ist im Laufe des Klageverfahrens aufgrund nachgereichter Unterlagen eine Urlaubsreise Dagmars mit Begleitperson (S.) im September nach Kanada glaubhaft gemacht worden, deren Kosten für die Begleitperson 1.500,-- DM überschritten.
Diese Mehraufwendungen für die Urlaubsbegleitung fallen zwar nicht regelmäßig sondern punktuell an. Sie sind nach den in dem Urteil des BFH vom 24. August 2004, VIII R 59/01 aufgestellten Grundsätzen dennoch auf das gesamte Jahr zu verteilen, da die Urlaubsreise geplant werden konnte bzw. musste und die Mittel im Wege vorausschauender Bedarfsplanung hätten angespart werden können.
Weitere behinderungsbedingte Mehraufwendungen vermag der Senat nicht zu erkennen. Die Beiträge zur Unfall-, Hausrat-, Rechtsschutz-, Zusatzkranken- und Auslandskrankenversicherung sind nicht abziehbar, denn sie stellen keine typischerweise auf die Behinderung zurückzuführenden unabwendbaren Aufwendungen dar, sondern sind Kosten, die auf eine freie Willensentscheidung Dagmars zurückzuführen sind und gewöhnlicherweise auch bei nicht behinderten Personen, die eine entsprechende Absicherung wünschen, anfallen.
Bei den unter „Mehrbedarf wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 23 BSHG” und „Abzug Regelsatz”, „Eingliederungshilfe (u. a. Geldtransportkosten)” sowie „einmalige Hilfen” aufgeführten Positionen ist ebenso wenig bei dem (tatsächlich nicht gezahlten) Pflegegeld von 800,-- DM erkennbar, welchen Einfluss diese auf den Bedarf Dagmars haben könnten. Weder die dem behinderten Kind zur Verfügung stehenden Mittel noch der Grundbedarf noch der behinderungsbedingte Mehrbedarf sind nach sozialhilferechtlichen Grundsätzen zu ermitteln.
Auch die von Dagmar getragenen Eigenanteile kommen nicht als behinderungsbedingter Mehrbedarf in Betracht. Die Eigenanteile bezeichnen keinen bestimmten Bedarf, sondern lediglich den Umfang, in dem sich Dagmar an den Kosten für bestimmte Bedarfe (siehe oben: Pflegeaufwendungen) aus den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln zu beteiligen hat.
Die Telefongrundgebühren stellen, auch wenn der Hausnotruf an die Telefonleitung gekoppelt ist, keine Aufwendungen dar, die typischerweise mit einer Behinderung verbunden sind, sondern vielmehr Kosten der allgemeinen Lebensführung, wie sie auch bei nicht behinderten Menschen regelmäßig entstehen.
Die von Dagmar aufgewendete Miete und die Mietnebenkosten sind bereits mit dem Grundbedarf abgegolten. Auch der Vortrag des Klägers, Dagmar benötige eine entsprechend große Wohnung, um sich mit dem Rollstuhl bewegen zu können, führt zu keinem für ihn günstigeren Ergebnis. Die Nutzung einer Wohnung einer bestimmten Größe ist kein behinderungstypischer Mehraufwand, sondern Aufwand, wie er auch bei nicht Behinderten anfällt, sofern diese - aus welchen mehr oder weniger zwingenden Gründen auch immer -eine entsprechend große Wohnung benötigen. Insofern liegt jedenfalls eine nicht trennbare Überschneidung mit der allgemeinen Lebensführung vor, die zu keinem ausscheidbaren Mehraufwand führen kann.
Das gilt entsprechend für die Miete betreffend den Tiefgaragenstellplatz. Laut Kläger wird dieser zwar zum Abstellen eines Rollstuhlzuggerätes genutzt, da Stellplatzkosten aber üblicherweise auch bei nicht behinderten Mietern entstehen, sind diese Aufwendungen ebenfalls nicht typischerweise auf die Behinderung zurückzuführen.
Auch hinsichtlich der laut Kläger an Dagmar vermieteten Möbel ist nicht ersichtlich, dass hierin behinderungstypischer Mehraufwand liegt. Ausgehend von der von dem Kläger in der mündlichen Verhandlung nachgereichten Aufstellung der vermieteten Möbel (Stand 05. August 2000) handelt es sich entweder um Einrichtungsgegenstände bzw. Haushaltsgeräte, wie sie in jedem Haushalt zu finden sind, oder um Ausstattungen der Wohnung (spezieller Toilettensitz, Sicherheitsgriffe) die - so der Kläger in seiner Aufstellung selbst - von Sozialleistungsträgern erstattet wurden, so dass nicht nachvollziehbar ist, inwieweit hier behinderungsbedingte Aufwendungen Dagmars entstanden sein könnten.
Soweit in dem Urteil des Finanzgerichtes Rheinland-Pfalz vom 02. März 2001, 3 K 2117/00, abweichend von den vorstehenden Ausführungen weitere behinderungsbedingte Mehraufwendungen anerkannt wurden, war der erkennende Senat hieran nicht gebunden. Dieses Urteil ist nach Aufhebung durch den BFH nicht mehr existent, so dass es dem Finanzgericht - wie auch von der Beklagten mehrfach angesprochen und worauf der Senatsvorsitzende in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich hingewiesen hat - unbenommen blieb, den Streitfall erneut vollumfänglich zu überprüfen und der Entscheidung in bestimmten Punkten eine andere Rechtsauffassung zugrunde zu legen.
Wegen der Einzelbeträge der hiernach von Januar bis Dezember 2000 anzusetzenden Einkünfte/Bezüge bzw. Aufwendungen Dagmars wird auf die Anlage zu dieser Entscheidung verwiesen. Aufgeführt sind dabei jeweils DM-Beträge.
Im Streitfall ist - im Unterschied zu dem Verfahren 2 K 2665/03 betreffend das Jahr 2003 - bis auf die Kosten für die Urlaubsbegleitung und die im Oktober angefallenen Behandlungskosten von 180,-- DM kein außerregelmäßiger behinderungsbedingter Mehrbedarf anzusetzen. Die Tatsache, dass der Gesamtbedarf Dagmars die ihr zur Verfügung stehenden Mittel in den Monaten April, Juni und September 2000 übersteigt, ist nicht auf besondere unregelmäßige Mehraufwendungen zurück zu führen, sondern auf die im Vergleich zu den übrigen Monaten des Kalenderjahres verminderten Leistungen des Sozialamtes.
Obwohl die Dagmar zur Verfügung stehenden Mittel bei einer Jahresgesamtbetrachtung nach den vorstehenden Ausführungen ihren Bedarf bei weitem übersteigen, ist deshalb nach dem Urteil des BFH vom 24. August 2004, VIII R 59/01, so wie der Senat dieses versteht, eine monatliche Berechnung anzustellen, so dass für die Monate, in denen sich eine Unterdeckung ergibt, die nicht auf besonderen Mehraufwendungen beruht, der Klage stattzugeben war.
Der Senat war nicht gehalten, den Termin zur mündlichen Verhandlung zu verlegen. Für eine Verlegung müssen nach § 155 FGO i. V. m. § 227 ZPO erhebliche Gründe vorliegen und glaubhaft gemacht werden. § 227 ZPO dient der Prozesswirtschaftlichkeit und der Straffung des Verfahrens. Da eine Terminänderung die Ausnahme bleiben soll, ist diese Vorschrift eng auszulegen. Ein erheblicher Grund liegt deshalb nur dann vor, wenn das Gericht es nicht verantworten kann, den bisherigen Termin bestehen zu lassen, sondern wenn die Gerechtigkeit eine Terminänderung trotz der Notwendigkeit der Beschleunigung des Verfahrens erfordert (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozessordnung, 55. Aufl. 1997, § 227 Rdnr. 7).
Die im Streitfall zur Begründung des Verlegungsantrages geltend gemachte mangelnde Vorbereitung des Prozessbevollmächtigten und des Klägers ist nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. den Beschluss vom 27. Januar 2004, VII B 66/03, BFH/NV 2004, 796) kein erheblicher Grund für eine. Terminänderung, wenn dies nicht genügend entschuldigt wird. So liegt der Fall hier. Nach den vorliegenden Unterlagen wurde der Prozessbevollmächtigte bereits am 02. Juni 2005, mithin knapp drei Wochen vor dem anberaumten Verhandlungstermin, mandatiert. Damit stand ihm ausreichend Zeit zur Einarbeitung zur Verfügung. Soweit eingewendet wird, er habe sich bis zum 20. Juni 2005 in Urlaub befunden, ist dies weder anhand objektiver Unterlagen glaubhaft gemacht worden, noch ist aus dem Verlegungsantrag ersichtlich, seit wann sich der Prozessbevollmächtigte in Urlaub befunden hatte, so dass auch die Möglichkeit, dass er sich vor seinem Urlaubsantritt hätte einarbeiten können, in Betracht kam. Hinzu kommt, dass die mangelnde Vorbereitung des Prozessbevollmächtigten dann unerheblich ist, wenn die Prozessvollmacht einer Sozietät erteilt worden ist und der betreffende Termin durch ein anderes Mitglied dieser Sozietät sachgerecht wahrgenommen werden kann. Eine Zusammenschau der von dem Kläger erteilten Vollmacht und des Terminverlegungsantrages vom 06. Juni 2005 macht deutlich, dass die Mitglieder des „Schneider-Teams”, zwei Steuerberater, mit der Prozessvertretung beauftragt sein sollten, wobei als Hauptprozessbevollmächtigter Herr Steuerberater Schneider, als Unterbevollmächtigter Herr Steuerberater Hoffmann genannt waren. Es sind keine Gründe dafür ersichtlich, wieso sich nicht auch Herr Hoffmann, der sich offenbar nicht in Urlaub befunden hatte, ordnungsgemäß in die Sache hätte einarbeiten können. Es sind auch keine Tatsachen erkennbar, eine Wahrnehmung des Termins durch Herrn Hoffmann statt durch Herrn Schneider als unzumutbar erscheinen ließen. Allein die Behauptung, ausschließlich Herr Schneider garantiere optimalen Rechtsschutz, da er die oben zitierte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes herbeigeführt habe, vermag die Unzumutbarkeit der Einarbeitung in den Prozessstoff und der Prozessvertretung durch eine andere Person nicht zu rechtfertigen. Im übrigen hatte der Kläger, der von der Ladung bereits mit Zustellung am 19. Mai 2005 Kenntnis erlangt hatte, ausreichend Gelegenheit, sich rechtzeitig bzw. frühzeitiger um eine Prozessvertretung zu bemühen. Die sich aus der erst am 02. Juni 2005 erfolgten Mandantierung ergebenden zeitlichen Zwänge sind von ihm zu vertreten.
Wie die im Verhandlungstermin vorgelegte Aufstellung des Klägers über die von der Stadt Kaiserslautern erhaltenen Sozialleistungen zeigt, war es diesem offenbar auch durchaus möglich und zumutbar, die von dem Amt für Soziales und Wohngeld auf Anfrage hin erklärten Beträge bis zum Termin nachzuvollziehen und hierzu sachgerecht Stellung zu nehmen.
Die Kostenentscheidung folgt aus
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe nicht ersichtlich sind, § 115 Abs. 2 FGO.
Anlagen
Januar | Februar | März | April | |
Rente ohne Sozialversicherungspflichtbeiträge | 2.834,17 | 2.834,17 | 2.834,17 | 2.834,17 |
abzgl. Werbungskostenpauschale und Kostenpauschale | 46,66 | 46,66 | 46,66 | 46,66 |
Zahlungen Pflegekasse: | ||||
a) für die Pflege | 1.800,-- | 1.800,-- | 1.800,-- | 1.800,-- |
b) Erstattung Notrufsystem | 35,-- | 35,-- | 35,-- | 35,-- |
Zahlungen Sozialamt | 2.971,83 | 4.981,07 | 3.065,85 | 2.126,13 |
abzgl. Grundbedarf 2000 v. 7.188,-- € jährlich | 1.125,-- | 1.125,-- | 1.125,-- | 1.125,-- |
abzgl. Pflegebedarf | 5.400,-- | 5.400,-- | 5.400,-- | 5.400,-- |
abzgl. VdK | 74,40 | |||
abzgl. DHAG | ||||
abzgl. Haftpflichtvers. Rollstuhl | 56,50 | |||
abzgl. Behandlungskosten | ||||
abzgl. Hausnotruf (Bedarf = Erstattung Pflegekasse + Rest Eigenzahlung) | 35,-- 25,-- | 35,-- 25,-- | 35,-- 25,-- | 35,-- 25,-- |
abzgl. Fahrtkosten | 130,-- | 130,-- | 130,-- | 130,-- |
abzgl. Kosten Begleitperson im Urlaub | 125,-- | 125,-- | 125,-- | 125,-- |
Einkünfte und Bezüge | 679,94 | 2.763,58 | 848,36 | - 147,86 |
Mai | Juni | Juli | August | |
Rente ohne Sozialversicherungspflichtbeiträge | 2.834,17 | 2.834,17 | 2.834,17 | 2.834,17 |
abzgl. Werbungskostenpauschale und Kostenpauschale | 46,66 | 46,66 | 46,66 | 46,66 |
Zahlungen Pflegekasse: | ||||
a) für die Pflege | 1.800,-- | 1.800,-- | 1.800,-- | 1.800,-- |
b) Erstattung Notrufsystem | 35,-- | 35,-- | 35,-- | 35,-- |
Zahlungen Sozialamt | 3.148,61 | 1.121,92 | 4.026,31 | 3.543,72 |
abzgl. Grundbedarf 2000 v. 7.188,-- € jährlich | 1.125,-- | 1.125,-- | 1.125,-- | 1.125,-- |
abzgl. Pflegebedarf | 5.400,-- | 5.400,-- | 5.400,-- | 5.400,-- |
abzgl. VdK | 74,40 | |||
abzgl. DHAG | 120,-- |
VorschriftenEStG § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3, EStG § 62 Abs. 1, EStG § 63 Abs. 1 Satz 1, EStG § 63 Abs. 1 Satz 2
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