08.01.2010
Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 23.05.2005 – 11 K 3234/03 BG
- Ein bebautes Grundstück ist bei der Einheitsbewertung auch dann einer GbR als Inhaber des daran bestehenden Erbbaurechts und nicht dem Pächter als wirtschaftlichen Eigentümer zuzurechnen, wenn dem Pächter ein erst später ausübbares Ankaufsrecht bzgl. der ihm bislang noch nicht zustehenden Gesellschaftsanteile (33%) eingeräumt worden ist und daher der Ertrag des Erbbaurechts zum Feststellungszeitpunkt teilweise einem weiteren Beteiligten zusteht.
- Die Grundsteuerbefreiung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b GrStG (gemeinnützige Verwendung) setzt bei einem Grundstück im Erbbaurecht dessen Zurechnung zu einem gemeinnützigen Rechtsträger voraus. Eine ausweitende Analogie auf Fälle der entgeltlichen Verpachtung an einen gemeinnützigen Rechtsträger ist mit dem Charakter der Objektsteuer nicht vereinbar.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Klägerin als Inhaberin eines Erbbaurechts die wirtschaftliche Einheit „sonstiges bebautes Grundstück im Erbbaurecht” zuzurechnen ist und ob die Voraussetzungen für eine Grundsteuerbefreiung gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe b Grundsteuergesetz (GrStG) vorliegen.
Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin der GbR mbH (im weiteren GbR mbH). Der GbR mbH wurde durch notariellen Vertrag vom 16.02.1995 ein Erbbaurecht an mehreren Flurstücken der Gemarkung Flur von der nach dem Stiftungsverzeichnis der selbständigen kirchlichen Stiftungen im Bereich der evangelischen Kirche im Rheinland unter dem Namen H-Stiftung rechtsfähigen Stiftung eingeräumt. Das Erbbaurecht wurde für 99 Jahre eingeräumt. Die GbR mbH als Erbbauberechtigte verpflichtete sich auf dem Grundstück einen Gebäudekomplex mit einer bebauten Fläche von ca. 2.700 m² für den Betrieb eines Zentrums für Rehabilitation und Pflege zu errichten. Die Grundsteuer und die sonstigen öffentlichen Lasten sind gemäß Erbbaurechtsbestellungsvertrag vom Erbbauberechtigten zu tragen, und zwar sowohl für das Grundstück als auch für das Erbbaurecht. Als Erbbauzins wurde ein Betrag von 10 DM/m² vereinbart. Die Veräußerung und Belastung des Erbbaurechtes bedarf der Zustimmung des Grundstückseigentümers. Mit Beendigung des Erbbaurechtes gehen die zu errichtenden Baulichkeiten und Anlagen in das Eigentum des Grundstückseigentümers über und zwar gegen Zahlung des gemeinen Wertes, den sie dann haben. Darüber hinaus kann der Grundstückseigentümer die Übertragung des Erbbaurechtes auf sich verlangen, wenn der Erbbauberechtigte mit der Zahlung des Erbbauzinses i. H. v. mindestens einem Jahresbetrag in Rückstand ist oder das von dem Erbbauberechtigten geplante Bauvorhaben nicht bis zum 31.12.1997, nicht jedoch vor Ablauf von 24 Monaten ab rechtskräftiger Erteilung der Baugenehmigung bezugsfertig hergestellt sein sollte und der Erbbauberechtigte dies zu vertreten hat oder der Grundstückseigentümer gleichzeitig wirksam von dem mit dem Erbbauberechtigten geschlossenen Pachtvertrag zurücktritt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Erbbaurechtsbestellungsvertrages vom 16.02.1995 des Notars wird auf die Kopie dieses Vertrages in der Bewertungsakte des Beklagten Bezug genommen.
Das von der GbR mbH zu erstellende Gebäude verpachtete diese an die H-Stiftung. Der Pachtvertrag wurde für einen Zeitraum von 20 Jahren fest abgeschlossen. Er endet mit dem Ablauf von 20 Jahren nach Übernahme, wenn der Pächter von seinem vereinbarten Optionsrecht keinen Gebrauch macht und der Verpächter den Vertrag auf das Ende der 20 Jahresfrist mit einer Frist von 18 Monaten kündigt. Der Pächter hat das Recht die Pachtzeit zwei Mal um je 5 Jahre zu den im Vertrag vereinbarten Bedingungen zu verlängern. Der anfängliche Pachtzins wurde mit 170.900 DM monatlich vereinbart. Ferner wurde vereinbart, dass der Pächter dem Verpächter alle durch das Pachtobjekt erwachsenden wiederkehrenden oder einmaligen Kosten erstatte. Dies sind insbesondere die in Anlage 3 zu § 27 der II. BVO aufgezählten Betriebskosten. Nicht erstattungsfähig sind der Verwaltungsaufwand des Pächters, seine etwaigen Finanzierungskosten und seine persönlichen Steuern. Soweit dies rechtlich und tatsächlich möglich ist, wird der Verpächter entsprechende Verträge zur Sicherstellung des Betriebes abschließen. Soweit dies nicht möglich ist, wird er die Kosten unmittelbar für Rechnung des Verpächters entrichten. Dies gilt insbesondere für die Grundsteuer und die Gebäudeversicherung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Pachtvertrages wird auf die in der Bewertungsakte des Beklagten abgeheftete Kopie Bezug genommen.
Mit Kaufvertrag vom 02.06.1999 erwarb die H-Stiftung einen Gesellschaftsanteil (67 %) an der GbR mbH. Im Gesellschaftsvertrag der GbR mbH vom 02.06.1999 wurde von den Gesellschaftern M und H-Stiftung u. a. Folgendes vereinbart:
„Der H-Stiftung steht das Recht zu, den Gesellschaftsanteil des Gesellschafters M durch einseitige Erklärung zu erwerben. Dieses Übernahmerecht kann nur ausgeübt werden zwischen dem 01.07.2006 und dem 31.12.2006. Diese Ausübung erfolgt durch eine entsprechende schriftliche Erklärung...
Der Kaufpreis für die Übernahme des Anteils bei Ausübung des Erwerbsrechts wird schon heute auf ... DM bzw…€ zuzüglich etwaiger - anteiliger - Guthaben auf Konten der GbR fest vereinbart. Der Kaufpreis wird erbracht durch Übernahme der auf den Anteil von Herrn M entfallenden Verbindlichkeiten der GbR bzw. der auf dem Grundbesitz der GbR etwa noch abgesicherten Verbindlichkeiten des Herrn M einerseits und Zahlung des darüber hinausgehenden Betrages auf ein dann zu benennendes Konto des Herrn M andererseits. Im übrigen werden sich die Vertragsparteien auf die weiteren Einzelheiten des abzuschließenden Kaufvertrages (z. B. Übergangsstichtag, Fälligkeit des Kaufpreises, Kaufpreisabwicklung, Gewährleistung) verständigen; Richtschnur sollen dabei die Regelungen sein, die dem Vertrag zu Grunde gelegt wurden, mit dem die H-Stiftung ihren Gesellschaftsanteil an der Gesellschaft erworben hat. Dieser Vertrag ist auch Herrn M in seinem gesamten Inhalt bekannt. Der Gewinnanteil auf den zu veräußernden Gesellschaftsanteil bis zum Übergangsstichtag steht allein Herrn M zu.”
In der Erklärung zur Feststellung des Einheitswertes auf den 01.01.2000 für das bebaute Grundstück in E-Stadt … erklärten die Gesellschafter der GbR mbH u. a., dass und wie das mit einem Pflegeheim, einem Pflegebüro für häusliche Pflegedienste, einer Krankengymnastikpraxis, einem Verkaufsladen, einem Friseur, einer Zahnarztpraxis und einem AOK-Büro bebaute Grundstück ausgestattet ist. Wegen der Einzelheiten der Erklärung wird auf die Bewertungsakte des Beklagten Bezug genommen.
Am 09.10.2000 erließ der Beklagte einen gem. § 165 Abgabenordnung (AO) vorläufigen Einheitswertbescheid (Nachfeststellung auf den 01.01.2000), in dem für das Grundstück E-Stadt der Einheitswert auf 2.690.400 DM und die Grundstücksart „sonstiges bebautes Grundstück im Erbbaurecht” festgestellt wurde. Das sonstige bebaute Grundstück im Erbbaurecht wurde der GbR mbH zugerechnet. In einer Anlage zum Einheitswertbescheid wurde erläutert, dass die Feststellung des Einheitswertes nach § 165 AO bis zur Entscheidung über die Gemeinnützigkeit der … GbR mbH vorläufig sei.
Am 28.08.2002 erließ der Beklagte einen endgültigen Einheitswertbescheid (Nachfeststellung auf den 01.01.2000), in dem der Einheitswert auf 2.690.400 DM festgestellt wurde. Auch bezüglich der übrigen Feststellungen änderte der Beklagte den vorläufigen Bescheid nicht.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der GbR mbH fristgerecht Einspruch ein. Mit Einspruchsentscheidung vom 08.05.2003 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen.
Die Klägerin hat am 11.06.2003 Klage erhoben.
Zur Begründung der Klage beruft sich die Klägerin darauf, dass das streitige Grundstück der gemeinnützigen und von der Grundsteuer befreiten H-Stiftung als wirtschaftlicher Eigentümerin i. S. des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO zuzurechnen sei. Allerdings gehe es im vorliegenden Fall nicht um die Ausschließung der tatsächlichen Herrschaft des Eigentümers, sondern des Erbbauberechtigten. Im Regelfall sei der Eigentümer durch weitgehende Nutzungsrechte eines Dritten von der tatsächlichen Herrschaft soweit ausgeschlossen, dass das Wirtschaftsgut dem Dritten zugerechnet werden müsse. Demgegenüber habe im Streitfall nicht ein Dritter, sondern die Grundstückseigentümerin H-Stiftung gegenüber der Erbbauberechtigten weitgehende vertragliche Rechte.
Zum einen sei die Immobilie nach der Planung der H-Stiftung erbaut worden und entspreche den besonderen eigenbetrieblichen Zwecken der Stiftung. Das Gebäude sei nicht ohne weiteres anderweitig nutzbar. Zum anderen habe der Pachtvertrag eine außergewöhnlich lange Laufzeit von 20 Jahren zuzüglich eines einseitigen Optionsrechts der Stiftung für weitere zwei Mal 5 Jahre. Erst nach 30 Jahren könne das Vertragsverhältnis mit einer Frist von 1 1/2 Jahren zum Ende eines Jahres gekündigt werden. Besitz, Nutzungen und Lasten lägen auf Grund des Pachtvertrages bei der Stiftung, die alle Aufwendungen zu tragen habe, auch die Grundsteuer. Durch den Pachtvertrag werde die Erbbauberechtigte von jeglicher Nutzung ausgeschlossen. Sofern die Erbbauberechtigte mit der Fertigstellung des Gebäudes in Verzug geraten wäre, hätte die Stiftung die Übertragung des Erbbaurechtes auf sich selbst verlangen können. Ebenso könne die Stiftung jederzeit die Übertragung des Erbbaurechtes auf sich selbst verlangen, wenn sie gleichzeitig wirksam von dem Pachtvertrag zurücktrete. Die Stiftung dürfe den Pachtvertrag auf eine Tochtergesellschaft übertragen. Kurz nach Aufnahme des Betriebs des Alten- und Rehazentrums durch die Stiftung habe diese 2/3 der Anteile der Rechtsvorgängerin der Klägerin übernommen. Dies belege, dass von Anfang an keine wirtschaftlich selbständige Stellung der Rechtsvorgängerin der Klägerin beabsichtigt gewesen sei. Vielmehr habe lediglich die Funktion des Bauherrn aus Gründen der Transparenz aus der Stiftung ausgegliedert werden sollen. Angesichts des finanziellen Umfangs der Investitionen sei zum Schutz des gemeinnützigkeitsrechtlich gebundenen Vermögens der Stiftung eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit beschränkter Haftung gewählt worden.
Außerdem habe die Rechtsvorgängerin der Klägerin bei sachgerechter Gesetzesauslegung die Voraussetzungen für die Grundsteuerbefreiung erfüllt. Die Erhebung von Grundsteuer auf den Betrieb eines Alten- und Rehazentrums durch die H-Stiftung als eine der wichtigsten Sozialeinrichtungen in der Stadt E verstoße in krasser Weise gegen den Sinn und Zweck der Befreiungsvorschriften des § 3 GrStG, da die Grundsteuer zu Lasten des sozialen Anliegens die Pflegesätze erhöhe. Wie die Anlage 11 zur Klageschrift zeige, sei die Grundsteuerbelastung in die Kalkulation des Pflegesatzes nicht einbezogen worden. 80 % der Bewohner der Pflegeeinrichtung seien von öffentlichen Zuwendungen abhängig. Das Sozialamt der Stadt E oder einer anderen Wohnsitzgemeinde werde also von einer Pflegesatzerhöhung in 80 v. H. der Fälle direkt betroffen.
Der Beklagte verkenne, dass die Voraussetzungen der Grundsteuerbefreiung i. S. des § 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe b GrStG i. V. m. Abschn. 6 Abs. 2 der Grundsteuerrichtlinien im Streitfall erfüllt seien. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin habe den Grundbesitz der nach § 3 Abs. 1 GrStG begünstigte H-Stiftung überlassen. Diese benutze ihn für einen des dort aufgeführten begünstigten, nämlich gemeinnützigen Zwecks. Auch in diesem Fall gelte die Befreiungsvorschrift des § 3 GrStG. Dessen Voraussetzungen können nicht nur von bürgerlich-rechtlichen, sondern auch von wirtschaftlichen Eigentümern erfüllt werden (Abschn. 6 Abs. 3 Grundsteuerrichtlinien). Zwar gehöre die Rechtsvorgängerin der Klägerin nicht zu den in § 3 GrStG begünstigten Rechtsträgern. Aus den bereits dargelegten Gründen sei die Rechtsvorgängerin der Klägerin jedoch als Werkzeug der H-Stiftung anzusehen, die ihrerseits den Anforderung der Befreiungsvorschrift in vollem Umfang entspreche. Eine Grundsteuerbefreiung im vorliegenden Falle bewirke keinerlei Vorteile für die Rechtsvorgängerin der Klägerin, da gem. dem Pachtvertrag sämtliche Kosten, auch die Grundsteuer, von der H-Stiftung zu übernehmen seien. Eine Grundsteuerbefreiung stelle somit nur sicher, dass die gemeinnützige H-Stiftung in den Genuss der Grundsteuerbefreiung komme.
Aus dem BFH-Urteil vom 26.02.2003 könne nicht entnommen werden, dass der Klägerin die Grundsteuerbefreiung nicht zustehe. Denn im Streitfall bestehe die Möglichkeit nicht, dass eine andere Person als die H-Stiftung durch die Grundsteuerbefreiung begünstigt werde. Außerdem dürfe der Unterschied zwischen der über 100 Jahre alten, wichtigen sozialen Institution in der Stadt E und einer mit Gewinnabsicht von einer Alleingesellschafterin betriebenen privaten GmbH & Co. KG nicht vernachlässigt werden. Die H-Stiftung sei eine gemeinnützige Einrichtung der freien Wohlfahrtspflege, Insgesamt befänden sich zurzeit rund 1.000 Menschen in der Obhut der Stiftung. Sie werden von fast 700 Mitarbeitern betreut. Gerade dann, wenn die gesetzgeberische Absicht ernst genommen werde, sei im vorliegenden Fall die Grundsteuerbefreiung geboten.
Außerdem sei der Gesichtspunkt der Veränderung der Beteiligungsverhältnisse vollkommen unterschiedlich zu beurteilen. Einem privatwirtschaftlichen Grundstückseigentümer und GmbH & Co. KG-Gesellschafter stehe es jederzeit frei, diese Wirtschaftsgüter zu veräußern und den Erlös in seinem Privatvermögen zu verbrauchen. Demgegenüber stelle das von der Klägerin betriebene Alten-, Rehabilitations- und Pflegezentrum einen Zweckbetrieb der H-Stiftung i. S. des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts dar. Bei einer steuerbegünstigten Körperschaft seien Zweckbetriebe Teil des gemeinnützigkeitsrechtlich gebundenen Vermögens. Ein Veräußerungserlös wäre ebenfalls gebunden und müsse gemeinnützigen Zwecken zugeführt werden.
Die Klägerin beantragt,
die Einheitswertbescheide (Nachfeststellung auf den 01.01.2000) für das Grundstück E-Stadt … vom 09.10.2000 und vom 28.08.2002 und die Einspruchsentscheidung vom 08.05.2003 aufzuheben,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage als unbegründet abzuweisen,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Zur Begründung seines Antrags beruft sich der Beklagte darauf, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin nicht als gemeinnützig anerkannt gewesen sei. Voraussetzung für die Grundsteuerbefreiung gem. § 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe b GrStG sei, dass der Grundbesitz ausschließlich demjenigen, der ihn für den gemeinnützigen Zweck nutzt, oder einem anderen begünstigtem Rechtsträger zuzurechnen sei. Es werde nicht bestritten, dass das Gebäude überwiegend zu gemeinnützigen Zwecken genutzt werde. Jedoch werde es von der H-Stiftung und nicht von der Rechtsvorgängerin der Klägerin genutzt.
Die H-Stiftung sei auch nicht wirtschaftliche Eigentümerin des Erbbaurechtes i. S. des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO mit der Folge, dass ihr das bebaute Grundstück im Erbbaurecht zuzurechnen sei. Dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin Pacht bekommen habe und dass ihr bei Beendigung des Erbbaurechts eine Heimfallentschädigung zustehe, spreche nicht für den wirtschaftlichen Ausschluss des Erbbauberechtigten, welcher aber Voraussetzung für wirtschaftliches Eigentum der H-Stiftung sei.
Aus dem BFH-Urteil vom 26.02.2003 sei zu entnehmen, dass auch die überwiegende Beteiligung eines begünstigten Pächters und Betreibers an der Eigentümergesellschaft für eine Grundsteuerbefreiung nicht ausreiche. Auch dies würde eine ständige Überprüfung der Beteiligungsverhältnisse durch das Finanzamt erfordern. Das notarielle Kaufangebot der H-Stiftung für den GbR-Anteil des Mitgesellschafters sei für den Stichtag 01.01.2000 nicht relevant, da es sich auf das Jahr 2006 beziehe.
Bezüglich der ergänzenden Ausführungen des Direktors der H-Stiftung Herrn C wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist unbegründet.
Der Beklagte hat die wirtschaftliche Einheit „sonstiges bebautes Grundstück im Erbbaurecht” zu Recht der Klägerin zugerechnet und zu Recht entschieden, dass die Tatbestandsvoraussetzungen einer Grundsteuerbefreiung gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe b GrStG nicht vorliegen.
Ist ein Grundstück mit einem Erbbaurecht belastet, so ist gem. § 92 Abs. 1 Satz 1 Bewertungsgesetz (BewG) sowohl für die wirtschaftliche Einheit des Erbbaurechts als auch für die wirtschaftliche Einheit des belasteten Grundstücks jeweils ein Einheitswert festzustellen. Bei der Ermittlung des Einheitswertes ist gemäß § 92 Abs. 1 Satz 2 BewG von einem Gesamtwert auszugehen, der für den Grund und Boden einschließlich der Gebäude und Außenanlagen festzustellen wäre, wenn die Belastung nicht bestünde. Beträgt die Dauer des Erbbaurechts in dem für die Bewertung maßgebenden Zeitpunkt - wie im Streitfall - noch 50 Jahre oder mehr, so entfällt der Gesamtwert i. S. des § 92 Abs. 1 Satz 2 BewG allein auf die wirtschaftliche Einheit des Erbbaurechtes.
Der Beklagte hat das „bebaute Grundstück im Erbbaurecht” zu Recht der Rechtsvorgängerin der Klägerin zugerechnet. Die H-Stiftung war nicht wirtschaftliche Eigentümerin des Erbbaurechtes.
Wirtschaftliche Eigentümerin i. S. des § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO des Erbbaurechtes hätte die H-Stiftung zum Stichtag 01.01.2000 nur sein können, wenn sie die tatsächliche Herrschaft über das Erbaurecht in der Weise ausübte, dass sie die Erbbauberechtigte im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen konnte. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall jedoch nicht erfüllt.
Bei Grundstücken erlangt der Erwerber wirtschaftliches Eigentum regelmäßig ab dem Zeitpunkt, von dem ab er nach dem Willen der Vertragspartner über das Grundstück verfügen kann. Das ist der Fall, sobald Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten auf den Erwerber übergegangen sind (vgl. BFH-Urteil vom 02. Mai 1984 VIII R 276/81, BFHE 141, 498, BStBl. II 1984, 820). Voraussetzung ist jedoch, dass der Besitz in Erwartung des Eigentumserwerbs eingeräumt wird (vgl. BFH-Urteil vom 10. Juni 1988 III R 18/85, BFH/NV 1989, 348). Für ein wirtschaftliches Eigentum an einem Erbbaurecht sind die gleichen Grundsätze anwendbar.
Darüber hinaus wird ein wirtschaftlicher Ausschluss des zivilrechtlichen Eigentümers und damit wirtschaftliches Eigentum von der Rechtsprechung des BFH angenommen, wenn der Herausgabeanspruch des Eigentümers keine wirtschaftliche Bedeutung mehr hat. Ob diese Voraussetzung vorliegt, ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen; bei dieser Beurteilung kommt es nicht auf den Wortlaut sowie auf den Sinn und Zweck der von den Vertragspartnern getroffenen Vereinbarung, sondern auf deren tatsächlichen Vollzug an. Nach dieser Rechtsprechung kann ein Wirtschaftsgut einem anderen als dem zivilrechtlichen Eigentümer zuzurechnen sein, wenn es dem anderen auf Grund eines „Mietkaufvertrages” überlassen wird. Unter „Mietkaufverträgen” versteht man Vereinbarungen, in denen Elemente eines Mietvertrages mit denen eines Kaufvertrages verbunden sind. Diese Verträge können so gestaltet sein, dass sie bei wirtschaftlicher Bewertung von Anfang an als Kaufverträge anzusehen sind. Dies ist insbesondere der Fall, wenn dem Mieter eine Kaufoption zu einem bereits festgelegten Kaufpreis eingeräumt wird und die Mietzahlungen bis zur Annahme des Verkaufsangebotes durch den Mieter in voller Höhe angerechnet werden. Ähnlich liegt es bei einem Mietkaufvertrag, bei dem sich aus dem Gesamtbild der getroffenen Vereinbarung ergibt, dass der wesentliche Sinn des Vertrages im Erwerb eines Wirtschaftsgutes liegt und hierfür von dem Nutzungsberechtigten eine bestimmte Gesamtleistung erbracht wird. In einem solchen Fall kommt es den Vertragsparteien auf den Abschluss eines Kauf- und nicht eines Mietvertrages an. Ein Wirtschaftsgut, das Gegenstand eines solchen Vertrages ist, ist in der Regel dem Käufer zuzurechnen. Zwar wird im Allgemeinen - wie oben bereits dargelegt - der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums davon abhängig gemacht, dass Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten auf den Erwerber übergehen. Da es jedoch für die Zuordnung eines Wirtschaftsgutes auf das Gesamtbild der Verhältnisse ankommt, kann wirtschaftliches Eigentum auch dann anzunehmen sein, wenn diese Voraussetzungen nicht in vollem Umfang gegeben sind (vgl. BFH-Urteil vom 12. September 1991 III R 233/90, BFHE 166, 49, BStBl. II 1992, 182 m. w. N. der Rechtsprechung des BFH).
Bei einem Ankaufs- bzw. Optionsrechts ist das wirtschaftliche Eigentum des Ankaufsberechtigten nach der Rechtsprechung des BFH von dem Wahrscheinlichkeitsgrad der Ausübung des Ankaufsrechts abhängig. Es ist entscheidend darauf abzustellen, dass nach dem typischen und für die wirtschaftliche Beurteilung maßgeblichem Geschehensablauf tatsächlich mit einer Ausübung des Ankaufsrechts gerechnet werden kann. Denn nur in diesem Fall kann bereits bei Einräumung des Ankaufsrechts davon ausgegangen werden, dass der Eigentümer bzw. Erbbaurechtsberechtigte auf Dauer von der Einwirkung auf das angebotene Objekt ausgeschlossen bleibt (vgl. BFH-Urteile vom 10. Juni 1988 III R 18/85, BFH/NV 1989, 348; vom 08. Juni 1995 IV R 67/94, BFH/NV 1996, 101; vom 30. April 1982 III R 122/79 n.v. Juris-Nr. StRE 825038560). Es ist nicht erforderlich, dass der spätere Eigentumserwerb rechtlich unausweichlich ist. Es genügt, dass er nach der vertraglichen Gestaltung unter normalen Umständen zu erwarten ist (BFH-Urteil vom 08. Juni 1995 IV R 67/94, BFH/NV 1996, 101).
Im Streitfall war zum Bewertungsstichtag 01.01.2000 zwar nach der auf Grund der Befragung des Direktors der H-Stiftung gebildeten Überzeugung des Senates zu erwarten, dass die H-Stiftung im Jahr 2006 auf Grund ihres Ankaufsrechts den GbR-Anteil in Höhe von 33 % von Herrn M erwerben wird. Die H-Stiftung wird dann einzige Gesellschafterin der GbR sein und das Gesellschaftsvermögen wird ihr gemäß § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB anwachsen, sodass sie sowohl Eigentümerin des Grundstücks, an dem das Erbbaurecht bestellt worden ist, als auch Inhaberin des Erbbaurechtes sein wird. Trotzdem war der Klägerin zum 01.01.2000 das Erbbaurecht noch nicht gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO zuzurechnen. Denn der Klägerin stand zu diesem Zeitpunkt noch nicht der vollständige Ertrag Erbbaurechtes zu (vgl. BFH-Urteil vom 08. Juni 1995 IV R 67/94, BFH/NV 1996, 101). Die Substanz der bewertungsrechtlichen wirtschaftlichen Einheit „bebautes Grundstück im Erbbaurecht” ist das bebaute Grundstück und der Ertrag sind die monatlichen Pachterlöse. Diese Pachterlöse stehen jedoch bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die H-Stiftung den GbR-Anteil des Herrn M erwirbt, anteilig Herrn M zu. Damit ist die Nutzung der wirtschaftlichen Einheit Erbbaurecht zum 01.01.2000 noch nicht auf die H-Stiftung übergegangen und eine wesentliche Voraussetzung für eine Zurechnung gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO fehlt. Diese Voraussetzung ist im Streitfall auch nicht entbehrlich i. S. des. oben zitierten Rechtsprechung des BFH zu Mietkaufverträgen und Ankaufsrechten. Denn diese Rechtsprechung bezieht sich nach Auffassung des Senates nur auf Fälle, in denen Ertrag und Substanz des Wirtschaftsgutes zum Zurechnungsstichtag einem anderen als dem rechtlichen Eigentümer bzw. Rechtsinhaber zustanden. Anhaltspunkte dafür, dass die bis zur Ausübung des Ankaufsrechtes von der H-Stiftung geleisteten Pachtzahlungen in voller Höhe auf den Kaufpreis angerechnet werden oder bei der Bestimmung des Kaufpreises berücksichtigt wurden, ergeben sich weder aus dem Vortrag der Klägerin noch aus den dem Senat vorliegenden Verträgen. Auch aus einer Gesamtschau des Erbbaurechts-, Pacht- und Ankaufsrechtsvertrages ergibt sich nicht, dass wesentlicher Sinn dieser Verträge für alle Vertragsbeteiligten der Erwerb des Erbbaurechtes durch die H-Stiftung bereits zum 01.01.2000 war. Denn der Mitgesellschafter der GbR M war, wie der Direktor der H-Stiftung in der mündlichen Verhandlung dargelegt hat, zum 01.01.2000 nicht bereit, seine Rechtsstellung auf die H-Stiftung zu übertragen.
Auch die sonstigen Rechte der H-Stiftung begründen kein wirtschaftliches Eigentum i. S. d. § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO. Da das Erbbaurecht eine Laufzeit von 99 Jahren hat und das Pachtverhältnis auch nach dem Vortrag der Klägerin allenfalls für 30 Jahre verbindlich vereinbart war, liegt schon die zeitliche Komponente des dauernden Ausschlusses nicht vor.
Ohne Bedeutung ist es auch, dass die von der Erbbauberechtigten errichtete und von der H-Stiftung angemietete Immobilie eine Spezialimmobilie für einen beschränkten Nutzerkreis ist. Denn die Immobilie ist nicht nur von der H-Stiftung, sondern auch von anderen Betreibern von Alten- und Pflegeheimen nutzbar. Auch die Tatsache, dass die H-Stiftung unter bestimmten Voraussetzungen die Übertragung des Erbbaurechtes auf sich verlangen kann, begründet kein wirtschaftliches Eigentum. Denn in diesem Fällen muss sie - ebenso wie bei Beendigung des Erbbaurechts - an die Erbbauberechtigte für die errichteten Baulichkeiten und Anlagen eine Entschädigung in Höhe des gemeinen Wertes zahlen.
Entgegen der Ansicht der Klägerin ist das streitige „bebaute Grundstück im Erbbaurecht” auch nicht gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe b GrStG grundsteuerbefreit.
Obwohl über die persönliche und sachliche Grundsteuerpflicht gem. § 184 Abs. 1 AO durch den Grundsteuermessbescheid entschieden wird, kann ein behaupteter Anspruch auf Befreiung von der Grundsteuer nach der Rechtsprechung des BFH auch durch Anfechtung des Einheitswertbescheides geltend gemacht werden, sofern die Finanzbehörde nicht ausdrücklich die Entscheidung über grundsteuerrechtliche Fragen dem Steuermessbetragsverfahren vorbehalten hat (vgl. BFH-Urteil vom 24. Juli 1985 II R 227/82, BFHE 144, 201, BStBl. II 1986, 128), was sie im Streitfall nicht hat.
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe b GrStG ist von der Grundsteuer Grundbesitz befreit, der von einer inländischen Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse, die nach der Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung und nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken dient, für gemeinnützige oder mildtätige Zwecke benutzt wird. Der Grundbesitz muss, wie sich aus § 3 Abs. 1 Satz 2 GrStG ergibt, ausschließlich demjenigen, der ihn für die begünstigten Zwecke benutzt, oder einem anderen, nach den Nr. 1 - 6 begünstigten Rechtsträger zuzurechnen sein. Im Streitfall wird das „bebaute Grundstück im Erbbaurecht” von der H-Stiftung, die ihrer Satzung und tatsächlichen Geschäftsführung nach ausschließlich unmittelbar gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken dient, für gemeinnützige Zwecke benutzt. Das „bebaute Grundstück im Erbbaurecht” ist jedoch nicht i. S. des § 3 Abs. 1 Satz 2 GrStG ausschließlich demjenigen, der es für die begünstigten Zwecke benutzt oder einem anderen begünstigten Rechtsträger zuzurechnen. Zuzurechnen ist das Grundstück im Erbbaurecht - wie oben näher dargelegt - auf den 01.01.2000 der nicht gemeinnützigen Rechtsvorgängerin der Klägerin.
Eine analoge Anwendung der Grundsteuerbefreiung gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe b GrStG ist im Streitfall nicht möglich. Denn es liegt keine planwidrige Lücke vor. Die Nichtgewährung der Steuerbefreiung in den Fällen, in denen der Inhaber des Erbbaurechtes und derjenige, der das Erbbaurecht für begünstigte Zwecke nutzt, nicht identisch sind, ist sachlich gerechtfertigt. Denn die Grundsteuerbefreiung gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe b GrStG begünstigt den Erbbauberechtigten nur in seiner Eigenschaft als gemeinnützig oder mildtätig Tätigen. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe b GrStG trägt dem Umstand Rechnung, dass die begünstigten Tätigkeiten im öffentlichen Interesse liegen, und fördert diese Tätigkeiten durch die Entlastung des gemeinnützig oder mildtätig Tätigen vom Kostenfaktor „Grundsteuer”. Dieses Regelungsziel kann mit der erforderlichen Sicherheit nur bei einer Identität zwischen Erbbaurechtsberechtigtem und mildtätig Tätigem erreicht werden, nicht jedoch bei einem Erbbaurechtsberechtigtem, der die Tätigkeit nicht selbst ausübt, sondern sein Erbbaurecht lediglich einem gemeinnützig oder mildtätig Tätigen gegen Entgelt zur Verfügung stellt. Würde man diese Sachverhaltskonstellation in die Befreiung mit einbeziehen, hätte dies notwendig zur Folge, dass die Angemessenheit der zwischen Erbbaurechtsberechtigtem und gemeinnützig oder mildtätig Tätigem vereinbarte Pacht laufend überprüft werden müsste. Auch wenn die H-Stiftung die GbR mbH beherrscht, ist nicht sichergestellt, dass der Vorteil der Grundsteuerbefreiung ausschließlich dem Pächter H-Stiftung und nicht der GbR mbH zu Gute kommt. Eine derartige Überprüfung der vereinbarten Pacht Dies ist mit dem Wesen einer Objektsteuer nicht vereinbar (vgl. BFH-Urteil vom 26. Februar 2003 II R 64/00, BFHE 201, 315, BStBl. II 2003, 485). Die Objektsteuer berücksichtigt nicht die persönlichen Verhältnisse des Erbbaurechtsberechtigten bzw. des Grundstückseigentümers. Sie ist eine „rohe Merkmalsbesteuerung, wie sie aus früheren Jahrhunderten tradiert ist” (vgl. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II, S. 817).
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
Die Revision ist gem. § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.