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  • 09.06.2010 · IWW-Abrufnummer 101672

    Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 11.03.2010 – 5 K 197/09

    Die Vermutung des § 24b Abs. 2 Satz 2 EStG ist widerlegt, sobald der Wille, nicht oder nicht mehr in der Haushaltsgemeinschaft leben zu wollen, eindeutig nach Außen tritt.


    Niedersächsisches Finanzgericht v. 11.03.2010

    5 K 197/09

    Tatbestand
    Der Kläger wendet sich gegen die Nichtgewährung des Entlastungsbetrages für Alleinerziehende nach § 24b EStG i.H.v. 1.308 EUR im Rahmen seiner Einkommensteuerveranlagung im Veranlagungszeitraum (VZ) 2008.

    Im Streitjahr lebte der Kläger mit seinen zwei volljährigen Söhnen N und A in seiner Wohnung. Sein Sohn N befand sich im Streitjahr in Berufsausbildung (Studium) und ist gemäß § 32 Abs. 4 Nr. 2a des Einkommensteuergesetzes (EStG) als Kind i.S.d. Einkommensteuerrechts zu berücksichtigen. Sein Sohn A übte im Streitjahr eine Vollbeschäftigung aus.

    Der Beklagte veranlagte den Kläger im Streitjahr einzeln zur Einkommensteuer. Die Gewährung eines Entlastungsbetrages für Alleinerziehende lehnte der Beklagte wegen der Bildung einer Haushaltsgemeinschaft mit einer anderen volljährigen Person ab.

    Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Einspruch ein und begehrte weiterhin die Gewährung des Entlastungsbetrages für Alleinerziehende nach § 24b EStG.

    Diesen Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung als unbegründet zurück. Zwischen dem erwachsenen und voll berufstätigen Sohn A und dem Kläger sei vom Vorliegen einer Haushaltsgemeinschaft i.S.d. § 24b Abs. 2 Satz 2 EStG auszugehen, so dass der Kläger nicht als alleinstehend i.S.d. § 24b Abs. 1 Satz 1 EStG anzusehen sei.

    Hiergegen wendet sich der Kläger mit der beim Niedersächsischen Finanzgericht erhobenen Klage.

    Der Kläger ist der Ansicht, es habe im Streitjahr keine schädliche Haushaltsgemeinschaft mit einer anderen volljährigen Person bestanden, da sich sein voll berufstätiger Sohn A weder finanziell noch tatsächlich an der Haushalts- und Lebensführung beteiligt hätte. Er habe sich weder an den Kosten der Haushaltsführung (Miete, Energie, Reinigung) noch sonst an den Kosten des gemeinsamen Wirtschaftens (Verpflegung u.ä.) beteiligt. Sein Sohn A habe lediglich die Kosten seiner persönlichen Lebensführung (wie Kleidung, Auto und Freizeit) selbst getragen, sei also lediglich für sich selbst aufgekommen, und habe den Kläger auch sonst nicht bei der Erfüllung der Aufgaben eines Alleinerziehenden entlastet.

    Er ist ferner der Ansicht, dass die gesetzliche Vermutung des § 24 b Abs. 2 Satz 2 EStG, wonach eine Hauhaltsgemeinschaft mit einer anderen Person in der Regel anzunehmen ist, wenn diese mit Haupt- oder Nebenwohnsitz in der Wohnung des Steuerpflichtigen gemeldet ist, bereits nach dem Gesetzeswortlaut widerlegbar sei. Diese Widerlegbarkeit sei auch im BMF-Schreiben vom 29.10.2004 (IV C 4- S 2281- 515/04; BStBl I 2004, 1042) bestätigt. In diesem würde von einer schädlichen Haushaltsgemeinschaft nur ausgegangen, wenn die Person tatsächlich und finanziell zum Haushalt bzw. zur Lebensführung beiträgt, wovon im vorliegenden Fall nicht auszugehen sei. Der Beklagte reduziere seine Sichtweise darauf, dass ein (unterstellter) gemeinsamer Verbrauch von Lebens- oder Reinigungsmitteln und eine gemeinsame Nutzung des Kühlschrankes auf eine Haushaltsgemeinschaft hindeuteten. Der vom Beklagten geforderte Negativbeweis sei schlichtweg nicht zu erbringen, da er als Kläger nichts beweisen könne, das nicht geschehen sei.

    Der Kläger beantragt sinngemäß,

    den Einkommensteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung dergestalt zu ändern, dass ihm der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende gemäß § 24b EStG i.H.v. 1.308 EUR zu gewähren ist.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Der Beklagte ist der Ansicht, der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende sei nicht zu gewähren, da bereits bei recht geringer Teilung alltäglicher Verbrauchsgüter eine Haushaltsgemeinschaft als gegeben anzusehen sei. Die Behauptung des Klägers, sein Sohn A beteilige sich nicht an den Kosten der Haushaltsführung und zahle seinem Vater auch keine Miete, widerspräche der allgemeinen Lebenserfahrung, zumal sein Sohn A über ausreichend finanzielle Mittel verfüge. Durch eine bloße Behauptung werde die Erfüllung der Tatbestandsmerkmale nicht glaubhaft gemacht. Zudem sollten durch den Entlastungsbetrag des § 24b EStG gerade finanziell schlechter gestellte Alleinerziehende entlastet werden. Gerade diese finanziell schlechter gestellten Personen würden aufgrund ihrer finanziellen Lage eine finanzielle Beteiligung von ihren voll verdienenden Kindern verlangen. Der Verzicht auf eine derartige finanzielle Beteiligung des Kindes begründe die Annahme einer Haushaltsgemeinschaft, weshalb der Entlastungsbetrag zu verwehren sei. Es widerspräche dem Willen des Gesetzgebers, wenn der Entlastungsbetrag gerade dem finanziell besser gestellten Steuerpflichtigen zugute kommen würde. Zudem sei es nicht im Sinne des Gesetzgebers, wenn der Steuerpflichtige die Gewährung des Entlastungsbetrages i.S.d. § 24b EStG durch Verzicht auf eine Kostenbeteiligung des Kindes selbst steuern könnte.

    Dem Gericht liegt eine Bestätigung des A vor, in der es wörtlich heißt: „Zur Vorlage beim Niedersächsischen Finanzgericht bestätige ich, dass ich ohne jegliche wirtschaftliche Beteiligung im Haus meines Vater wohne. Ich zahle keine Miete und beteilige mich auch nicht an sonstigen Kosten der Haushaltsführung (Miete, Energie, Reinigung, Verpflegung usw.). Ich trage meine persönlichen Kosten der Lebensführung wie Verpflegung, Kleidung, Auto und Freizeit selbst und entlaste meinen Vater auch sonst nicht bei der Erfüllung der Aufgaben eines Alleinerziehenden.”



    Gründe
    I. Die Klage ist unbegründet.

    Der Beklagte hat zu Recht den vom Kläger geltend gemachten Entlastungsbetrag für Alleinerziehende gemäß § 24b EStG für das Streitjahr nicht gewährt. Die Voraussetzungen für eine Gewährung lagen im Streitfall nicht vor. Der Kläger bildete mit seinem studierenden Sohn N und seinem erwachsenen und voll erwerbstätigen Sohn A im Streitjahr eine Haushaltsgemeinschaft.

    § 24b EStG wurde durch das Haushaltsbegleitgesetz 2004 vom 29.12.2003 ( BGBl 2003 I S. 3076) ab dem Veranlagungszeitraum 2004 eingeführt und mit Wirkung vom 01.01.2004 neu gefasst durch das Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und weiterer Gesetze vom 21.07.2004 ( BGBl 2004 I S. 1753).

    Nach § 24b Abs. 1 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung können allein stehende Steuerpflichtige einen Entlastungsbetrag in Höhe von 1.308 EUR im Kalenderjahr von der Summe der Einkünfte abziehen, wenn zu ihrem Haushalt mindestens ein Kind gehört, für das ihnen ein Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG zusteht. Die Zugehörigkeit zum Haushalt ist anzunehmen, wenn das Kind in der Wohnung des allein stehenden Steuerpflichtigen gemeldet ist. Eine Altersgrenze für das Kind sieht § 24b EStG in der Fassung des Gesetzes vom 21.07.2004 nicht mehr vor.

    Nach § 24b Abs. 2 Satz 1 EStG sind allein stehend im Sinne des § 24b Abs. 1 EStG Steuerpflichtige, die nicht die Voraussetzungen für die Anwendung des Splitting-Verfahrens nach § 26 Abs. 1 EStG erfüllen oder verwitwet sind und keine Haushaltsgemeinschaft mit einer anderen volljährigen Person bilden, es sei denn, für diese steht ihnen ein Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG oder Kindergeld zu oder es handelt sich um ein Kind im Sinne des § 63 Abs. 1 Satz 1 EStG, das einen Dienst nach § 32 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 und 2 EStG leistet oder eine Tätigkeit nach § 32 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 EStG ausübt. Ist die andere Person mit Haupt- oder Nebenwohnsitz in der Wohnung des Steuerpflichtigen gemeldet, wird gemäß § 24b Abs. 2 Satz 2 EStG vermutet, dass sie mit dem Steuerpflichtigen gemeinsam wirtschaftet (Haushaltsgemeinschaft). Diese Vermutung ist widerlegbar, es sei denn, der Steuerpflichtige und die andere Person leben in einer eheähnlichen Gemeinschaft oder in einer eingetragenen Lebensgemeinschaft.

    Zum Haushalt des Klägers gehört mindestens ein Kind, für das ihm ein Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG zusteht, nämlich sein Sohn N. Die Kosten des Haushalts werden grundsätzlich vom Kläger getragen. Ob und ggf. in welcher Höhe sein Sohn N finanzielle Beiträge an den Kläger leistet, kann dahinstehen, denn solche sind unschädlich (Schmidt-Drenseck/Glanegger, EStG, 28. Aufl., 2009, § 24b Rd. 10). Dem Kläger stand für das gesamte Jahr 2008 Kindergeld für seinen Sohn N zu. Dieser war im Streitjahr durchgehend und nur beim Kläger mit Hauptwohnsitz gemeldet und schon allein dadurch haushaltszugehörig i.S.d. § 24b EStG. Im Übrigen bestehen an der tatsächlichen Haushaltszugehörigkeit des Sohnes N in 2008 keine Zweifel.

    Der Kläger war bereits vor Beginn des Streitjahrs verwitwet. Außer ihm und seinen Söhnen lebte nach Aktenlage und den Erkenntnissen des Gerichts keine weitere volljährige Person im Hause des Klägers, mit der er tatsächlich eine Haushaltsgemeinschaft bildete.

    Der Kläger ist gleichwohl nicht „allein stehend” im Sinne des § 24b Abs. 2 EStG. Er bildet mit einer anderen volljährigen Person, nämlich seinem Sohn A eine Haushaltsgemeinschaft.

    Dieser war im Streitjahr durchgehend bei ihm mit Hauptwohnsitz gemeldet. Dem Kläger stand für den im Streitjahr voll und nicht im Sinne des § 32 Abs. 5 EStG berufstätigen Sohn A weder ein Kinderfreibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG noch Kindergeld zu. Nach § 24b Abs. 2 Satz 2 EStG ist bei der vorliegenden melderechtlichen Situation bereits von Gesetzes wegen zu vermuten, dass der Sohn A mit dem Kläger gemeinsam wirtschaftet. Das gemeinsame Wirtschaften begründet eine Haushaltsgemeinschaft zwischen dem Kläger und seinem Sohn A im Sinne des § 24b Abs. 2 Satz 2 EStG. Für das Bestehen einer Haushaltsgemeinschaft ist es nicht erforderlich, dass sich die zusammen wohnenden Personen an der Haushaltsführung beteiligen (so auch: Krömker in Herrmann/Heuer/Raupach -H/H/R-, EStG

    und KStG, Kommentar, Stand: August 2008, § 24b Anm. 12). Auch kommt es nicht darauf an, wer die Kosten des Haushalts trägt (so auch: Krömker in H/H/R, EStG und KStG, Kommentar, Stand: August 2008, § 24b Anm. 12).

    Der Begriff der Haushaltsgemeinschaft setzt voraus, ohne dass es einer gemeinsamen Haushaltskasse bedarf, dass jedes Mitglied der Wohngemeinschaft tatsächlich oder finanziell seinen Betrag zur Haushalts- und Lebensführung leistet und an ihr teilhat, z.B. durch gemeinsamen Verbrauch von Lebensmitteln und Reinigungsmitteln, gemeinsame Nutzung des Kühlschrankes usw. (Frotscher, PraxisKommentar, EStG, § 24 b Rn. 21).

    Der Kläger trägt vor, mit seinem Sohn A habe keine Haushaltsgemeinschaft bestanden, da sich sein Sohn A weder tatsächlich noch finanziell an der Haushalts- und Lebensführung beteiligt hätte.

    Der Sohn A unterhielt mit seinem Bruder und seinem Vater unabhängig von einem finanziellen Beitrag einen gemeinsamen Haushalt, weil er im Streitjahr im Haus des Klägers wohnte und dort keinen getrennten Haushalt führte. Der erkennende Senat geht bei lebensnaher Betrachtung davon aus, dass sämtliche familienbezogenen Wohn- und Nutzräume sowie die Einrichtungsgegenstände gemeinschaftlich benutzt wurden. Zudem nimmt das Gericht an, dass Elektrogroßgeräte, wie Waschmaschine, Kühl- und Gefrierschrank etc. ebenso wie Reinigungs- und Waschmittel etc. gemeinsam genutzt und verbraucht worden sind. Insoweit ist kein abweichender Sachverhalt vom Kläger vorgetragen worden. Bestehende Synergieeffekte aufgrund des Zusammenwohnens des Klägers auch mit seinem Sohn A in der Wohnung des Klägers sieht das Gericht allemal. Nicht maßgebend ist insoweit, ob sich der Sohn A an den Kosten des Haushalts beteiligt hat. Auch eine recht geringe Teilung alltäglicher Verbrauchsgüter genügt für das Vorliegen einer Haushaltsgemeinschaft. Auch ohne einen finanziellen Beitrag des Sohnes A unterhielt der Kläger mit seinen beiden erwachsenen Söhnen einen gemeinsamen Haushalt.

    Diese gesetzliche Vermutung des gemeinsamen Wirtschaftens ist gemäß § 24b Abs. 2 Satz 3 EStG widerlegbar. Zur Widerlegung der Vermutung genügt es, wenn der Steuerpflichtige glaubhaft macht oder zweifelsfrei versichert, dass keine Haushaltsgemeinschaft besteht (Jechnerer in Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, Stand: Januar 2005, § 24b Rn. 18).

    Die gesetzliche Vermutung des § 24b Abs. 2 Satz 2 ist nach Ansicht des erkennenden Senates vorliegend nicht widerlegt.

    Ob und wann die Vermutung des § 24b Abs. 2 Satz 2 als widerlegt anzusehen ist, ist eine Einzelfallentscheidung. Nach der Gesetzesbegründung (Drucksache des Deutschen Bundestags (BT-DR) 15/3339, S. 12) besteht die Haushaltsgemeinschaft trotz kurzer Abwesenheit fort. Der Wille, nicht oder nicht mehr in der Haushaltsgemeinschaft leben zu wollen, muss eindeutig nach Außen treten (BT-DR 15/3339, S. 12). Dies ist nach der Gesetzesbegründung insbesondere der Fall bei Auszug, Unterhaltung einer zweiten Wohnung aus privaten Gründen, eigene Wirtschaftführung mit Untermietvertrag oder Begründung eines Au-pair-Verhältnisses als Arbeitsverhältnis.

    Der Einwand des Klägers, sein Sohn A habe die meiste Zeit bei seiner Freundin verbracht, hebt die gemeinsame Hauhaltsgemeinschaft nicht auf. Es sind keine objektiven, nach Außen tretenden Umstände dokumentiert, die den Willen des Sohnes A, nicht mehr in der familiären Haushaltsgemeinschaft leben zu wollen, erkennen lassen. Vielmehr bestätigt er selbst, im streitbefangenen Zeitraum im Haus des Klägers gewohnt zu haben. Getrennte Haushalte wurden im Streitjahr nicht geführt. Mit dem Auszug aus der Wohnung des Klägers im September 2009 hingegen ist der Wille des Sohnes A, nicht mehr in der bestehenden Haushaltsgemeinschaft leben zu wollen, eindeutig nach Außen dokumentiert. Seitdem erst wurde die Haushaltsgemeinschaft aufgehoben.

    Wie bereits oben ausgeführt, kommt es auf die Tatsache, dass sich der Sohn A im Streitjahr tatsächlich nicht an den Kosten des Haushalts beteiligte, nicht an. Jedenfalls steht zur Überzeugung des erkennenden Senates fest, dass eine Haushaltsgemeinschaft als solche zwischen dem Kläger, seinem Sohn N und seinem Sohn A der unstreitig im Haus seines Vaters wohnte, bestand. Die gesetzliche Vermutung des § 24b Abs. 2 Satz 2 konnte nicht widerlegt werden. Diesbezüglich trifft den Kläger eine erhöhte Beweis- und Feststellungslast.

    II. Die Kostenentscheidung ergeht nach § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

    III. Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und zur Fortbildung des Rechts gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 FGO zugelassen.

    RechtsgebietEStGVorschriftenEStG § 24b Abs. 2 Satz 2 EStG § 26 EStG § 32 Abs. 4 Nr. 2a

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