11.03.2014 · IWW-Abrufnummer 140699
Finanzgericht Köln: Urteil vom 23.10.2013 – 4 K 266/10
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Köln
4 K 266/10
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, inwieweit Kassendifferenzen zu Entgeltminderungen und damit zu einer Herabsetzung der umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage führen.
Die Klägerin betreibt in mehreren Filialen den Einzelhandel mit Büchern und Zeitschriften. Im Rahmen einer durch das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung M am 10.4.2006 begonnenen Betriebsprüfung für die Streitjahre stellte der Prüfer mit Bericht vom 2.1.2007 fest, dass die Klägerin die folgenden durch Vergleich der Soll- und der Istbestände ermittelten Kassenfehlbeträge als Entgeltminderungen bei den zu 7 % umsatzsteuerpflichtigen Umsätzen behandelt hatte:
2002 / 2003 / 2004
Kassenfehlbeträge
46.334,60 € / 22.295,01 € / 27.554,68 €
Enthaltene USt zu 7 %
3.031,24 € / 1.458,55 € / 1.802,64 €
Fehlbeträge ohne USt
43.303,36 € / 20.836,46 € / 25.752,04 €
Die Ursachen für diese Kassendifferenzen lagen nach Auffassung des Prüfers in Irrtümern bei Bargeldrückgaben, unbelegten Bargeldausgaben und unbefugten Entnahmen von Bargeld (Diebstähle etc.). Mögliche Ist-Überbestände gegenüber dem Sollbestand seien dabei mit den Mankobeträgen verrechnet worden. Bei den diesen Fehlbeträgen zu Grunde liegenden Sachverhalten handele es sich jeweils um Verfügungen über Geldbeträge, die mangels inneren Zusammenhangs zwischen Lieferung und Fehlbestand nicht zu einer Entgeltminderung der Umsätze führten. Eine Änderung der Bemessungsgrundlage für die Umsätze im Sinne von § 17 Abs. 1 und 2 UStG werde durch die Fehlbeträge nicht bewirkt. Weiterhin stehe einer Entgeltsberichtigung um die in den Kassenfehlbeträgen enthaltene Umsatzsteuer nach § 14c Abs. 1 UStG der unzutreffende Rechnungsausweis für die Lieferungen entgegen. Die Netto-Kassenfehlbeträge seien daher als umsatzsteuerpflichtige Umsätze zu behandeln. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Schreiben des Prüfungsfinanzamts vom 24.10.2006 (Bp-HA Bd. I) Bezug genommen.
Der Beklagte folgte der Auffassung der Betriebsprüfung mit den gemäß § 164 Abs. 2 AO geänderten Umsatzsteuerbescheiden vom 6.5.2008 für die Streitjahre. Mit den hiergegen gerichteten Einsprüchen trug die Klägerin vor, dass die Kassenfehlbeträge auf Irrtümer bei der Wechselgeldrückgabe zurückzuführen seien. Erkennbar sei dies an dem erhöhten Kassenfehlbetrag im Jahr der Euroumstellung 2002, die mit erheblichen anfänglichen Unsicherheiten im Umgang mit den neuen Scheinen und Münzen einhergegangen sei. Bemessungsgrundlage für eine Lieferung sei nach der Rechtsprechung des BFH das von dem Unternehmer letztendlich tatsächlich vereinnahmte Entgelt. Voraussetzung sei, dass die Zahlung mit den Leistungen des Steuerpflichtigen im Zusammenhang stehe und kein anderer Rechts- oder Leistungsgrund in Betracht komme. Bei einem Buchkauf seien die nicht passende Zahlung durch einen Kunden und die Herausgabe von Rückgeld Hilfsgeschäfte von untergeordneter Bedeutung, denen kein selbstständiger Rechtsgrund zugrunde liege. Eine überhöhte Wechselgeldrückgabe mindere demnach das umsatzsteuerpflichtige Entgelt. Fehl gehe auch der Hinweis auf die Vorschrift des § 14c UStG, da es nicht zu einer Rechnung mit unrichtigem Steuerausweis gekommen sei. Dass der Kunde zu wenig zahle oder zu viel zurückerhalte, sei eine Frage des § 17 UStG. Die Berichtigung der Rechnung sei nicht Voraussetzung für die Berichtigung des geschuldeten Steuerbetrages nach § 17 UStG.
Mit Einspruchsentscheidung vom 22.12.2009 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück. Zur Begründung hielt er zunächst fest, dass die Kassendifferenzen nur zum Teil auf Irrtümern bei Bargeldrückgaben beruhten. Auch insoweit lägen aber keine Entgeltminderungen mit Auswirkung auf die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage vor. Ob und in welchem Umfang ein Leistungsempfänger im Sinne des § 10 Abs. 1 S. 2 UStG etwas aufwende, um eine Leistung zu erhalten, sei aus der Sicht des Leistungsempfängers zu beurteilen. Durch die Hingabe eines über dem geschuldeten Kaufpreis liegenden Geldbetrages in Gestalt eines Geldscheines entrichteten die Kunden der Klägerin das Entgelt für die erhaltene Leistung und schlössen damit das Erfüllungsgeschäft ab. Die sich hieran anschließende Geldrückgabe habe keinen inneren Zusammenhang mit dem vorausgegangenen Leistungsgeschäft. Die Kunden erwarteten auf den zunächst hingegebenen Überwert, den sie zu zahlen nicht bereit seien, das korrekte Rückgeld. Das im Irrtum herausgegebene Mehr an Rückgeld nähmen sie – vorsätzlich oder unbewusst – ohne die Absicht an, es wieder herauszugeben. Dies löse einen vom Leistungsgeschäft selbst losgelösten und mit diesem nicht zusammenhängenden Rückgabeanspruch aus. Denn die Kunden, die das Mehr an Wechselgeld einbehielten, wüssten, dass dessen Rückgabe keine Voraussetzung für den Leistungserhalt mehr sei und diesen auch nicht in Frage stelle. Eine Rückgabeverpflichtung, die gegenüber dem vollzogenen Leistungsgeschäft auf einem neuen und unabhängigen Rechtsgrund beruhe, könne aber das Entgelt für die zum vertraglich vereinbarten Preis ausgeführte Lieferung nicht mindern. Es liege insoweit nicht anders als bei einem auf das vorhergehende Lieferungsgeschäft bezogenen Schadensersatzanspruch.
Einer Entgeltberichtigung stehe auch § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG entgegen. Danach schulde der Unternehmer die in der Rechnung über eine Lieferung gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer. Auch wenn in den begebenen Rechnungen der Klägerin ein höherer Steuerbetrag als der gesetzlich geschuldete ausgewiesen wäre, so erlösche die Steuerschuld doch erst, wenn die Klägerin die Rechnungen wirksam berichtige. Dies sei zwar aus Vereinfachungsgründen entbehrlich, wenn die ursprüngliche Rechnung bzw. der ursprünglich herausgegebene Kassenbon an den Unternehmer zurückgegeben werde und dieser den zurückerhaltenen Beleg aufbewahre. Diese Voraussetzungen könnten indessen vorliegend bereits aus tatsächlichen Gründen nicht erfüllt werden.
Eine Änderung der Bemessungsgrundlage im Sinne des § 17 UStG liege nicht vor. Denn nicht das vereinbarte Entgelt sei uneinbringlich geworden, sondern der vom Entgelt losgelöste Anspruch auf Rückgewähr des zu viel herausgegebenen Wechselgeldes bzw. - für die anderen den Kassendifferenzen zu Grunde liegenden Sachverhalte - der Anspruch auf Rückgewähr des Betrages der unbefugten Bargeldverfügung. Überdies könne eine Korrektur der Vorsteuer beim Leistungsempfänger nicht vorgenommen werden. Denn einerseits könnten diese nicht benannt werden. Andererseits verfügten die Leistungsempfänger über einen Kassenbeleg, in dem das Entgelt und die Vorsteuer zutreffend ausgewiesen seien. Der unberechtigt erhaltene Bargeldüberbestand finde in den Aufzeichnungen der Leistungsempfänger zum Vorsteuerabzug keinen Niederschlag.
Mit der vorliegenden Klage macht die Klägerin geltend, dass Ursache der Kassendifferenzen allein Irrtümer bei der Bargeldrückgabe seien. Unberechtigte Entnahmen oder nicht belegte Bargeldausgaben könnten als Ursache ausgeschlossen bzw. vernachlässigt werden. Unberechtigte Entnahmen könnten nur von Arbeitnehmern getätigt werden, da die Gesellschafter selbst keinen Kassendienst versähen. Das hiermit verbundene Risiko des sofortigen Verlustes des Arbeitsplatzes würde kein Arbeitnehmer eingehen. Das Aufdeckungsrisiko sei beträchtlich, da die meisten Kassenbereiche mit mehreren Kassen besetzt und überwiegend videoüberwacht seien. Bei einer signifikanten Häufung von Kassenfehlbeträgen würden die Ursachen von der Klägerin verfolgt. Trotz dieser Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen sei in der Vergangenheit kein einziger Fall von unbefugten Entnahmen aufgedeckt worden. Zu unbelegten Bargeldausgaben könne es bei der Klägerin nicht kommen, da keine Ausgaben über die Kassen abgewickelt würden.
Der Vorgang der Vereinnahmung der Gegenleistung durch Bargeldhingabe und Wechselgeldrückgabe könne nicht in zwei selbstständige Leistungsbeziehungen aufgeteilt werden. Denn das Geldwechselgeschäft sei als reines Hilfsgeschäft nicht von dem Erwerbsgeschäft zu trennen. Bei überhöhter Bargeldrückgabe werde das Erwerbsgeschäft aus der Sicht des Leistungsempfängers mit geringerem Aufwand getätigt. Demgegenüber erscheine die Annahme eines unabhängig von dem Erwerbsgeschäft erzielten Geldwechselgewinnes aus der Sicht des Leistungsempfängers fern liegend. In der von den Beklagten vorgenommenen Differenzierung zwischen Geldhingabe und Wechselgeldrückgabe liege zudem ein Wertungswiderspruch zu den Über- oder Doppelzahlungsfällen, in denen die Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 19.7.2007 V R 11/05, BStBl II 2007, 966) den Gesamtbetrag als Entgelt im Sinne des § 10 Abs. 1 S. 2 UStG ansehe. Wenn in diesen Fällen auch die Mehrleistung zum Entgelt gehöre, müsse im Minderleistungsfall spiegelbildlich entschieden werden.
Auch dem Hinweis des Beklagten auf die Erforderlichkeit einer Rechnungsberichtigung könne nicht gefolgt werden. Denn die Minderung der Bemessungsgrundlage durch Kassendifferenzen führe umsatzsteuerlich zu einer Änderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 UStG wegen Uneinbringlichkeit des Entgelts, die nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum keine Berichtigung der Rechnung erfordere (BFH-Urteil vom 13.12.1995 XI R 16/95, BStBl II 1996, 208; Stadie in: Rau/Dürrwächter, § 17 UStG, Rn. 66; Klenk in: Sölch/Ringleb, § 17 UStG, Rn. 20).
Die Klägerin beantragt,
1 die Umsatzsteuer 2002 um 3.031,24 €, die Umsatzsteuer 2003 um 1.458,55 € und die Umsatzsteuer 2004 um 1.802,64 € herabzusetzen,
2 hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf seine Einspruchsentscheidung.
In der mündlichen Verhandlung vom 23.10.2013 hat der Senat mit den Beteiligten erörtert, inwieweit die Kassenfehlbestände auf unterschiedliche Ursachen zurückgeführt werden könnten bzw. inwieweit eine Schätzung der auf Fehlern bei der Vereinnahmung des geschuldeten Entgelts beruhenden Anteile der Kassenfehlbeträge möglich sei. Weiterhin ist die Frage erörtert worden, ob eine tatsächliche Verständigung der Beteiligten über die Höhe der auf Fehlern bei der Bargeldvereinnahmung beruhenden Anteile der Kassenfehlbeträge in Betracht komme. Der Beklagte hat den Abschluss einer derartigen tatsächlichen Verständigungsvereinbarung abgelehnt.
Nach Schließung der mündlichen Verhandlung vom 23.10.2013 hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 5.11.2013 beantragt, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass der Beweisnotstand im Bezug auf die Höhe der auf Fehlherausgaben beruhenden Kassenfehlbeträge nicht auf ihre fehlende Mitwirkung zurückzuführen sei, sondern in dem Umstand begründet liege, dass eine Kontrolle der rund 800 Mitarbeiter mit Kassenverantwortung nicht möglich sei und aufgrund des Massengeschäftes mit mehreren Millionen Zahlungsvorgängen pro Jahr Fehlerquellen nicht ausgeschlossen werden könnten. Für die dem Klageverfahren nachfolgenden Jahre 2005-2011 habe sich der zuständige Prüfer des Finanzamts für Groß- und Konzernbetriebsprüfung M aber nunmehr, d.h. nach Schluss der mündlichen Verhandlung, mit einer Aufteilung der Kassendifferenzen im Wege der Schätzung in der Weise einverstanden erklärt, dass 50 % dieser Differenzen auf Fehlherausgaben von Bargeld und die übrigen 50 % auf Herausnahmen von Bargeld entfallen sollten. Es sei nicht erkennbar, dass die Verhältnisse in den Streitjahren anders lägen als in den Folgejahren. Da im Streitjahr 2002 der höhere Fehlbestand durch die Euro-Umstellung und die mangelnde Gewöhnung an die neuen Münzen erklärbar sei, sei davon auszugehen, dass in diesem Jahr ein höherer Anteil an Fehlherausgaben vorliege.
Der Beklagte hat beantragt, die mündliche Verhandlung nicht wieder zu eröffnen. Er weist darauf hin, dass es sich bei der Einigung der Klägerin mit dem Betriebsprüfer nicht um eine tatsächliche Verständigung handele. Das zuständige Prüfungsfinanzamt habe lediglich im Rahmen einer laufenden Betriebsprüfung eine Aufteilung von Kassenfehlbeträgen im Schätzungswege vorgenommen und diese dem Schlussbericht zugrunde gelegt. Eine Bindungswirkung für die Streitjahre ergebe sich hieraus nicht.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Die angegriffenen Umsatzsteuerbescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Beklagte hat zu Recht die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer für die Streitjahre nicht gemä ß § 10 Abs. 1 Sätze 1 und 2 UStG um die von der Klägerin ermittelten Kassenfehlbeträge gemindert.
1. Zwar ist der Senat der Auffassung, dass Kassendifferenzen aufgrund überhöhter Geldrückgaben bei der Vereinnahmung des vereinbarten Entgelts zu einer Minderung der umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage führen.
Die Argumentation des Beklagten, dass bei einer sich an die Vereinnahmung des vereinbarten Entgelts anschließenden überhöhten Geldrückgabe zwischen dem bereits abgeschlossenen Erfüllungsgeschäft und dem nicht in innerem Zusammenhang mit diesem stehenden Sachverhalt der Geldrückgabe unterschieden werden müsse und die Klägerin deshalb in diesem Fall das Entgelt im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG in der vereinbarten Höhe erhalten hätte, vermag der Senat nicht zu folgen. Zwar trifft es zu, dass in diesem Fall für die Rückgabeverpflichtung des Kunden ein von dem vollzogenen Leistungsgeschäft neuer und unabhängiger Rechtsgrund in Gestalt des Anspruchs auf Herausgabe der durch die überhöhte Wechselgeldrückgabe erlangten ungerechtfertigten Bereicherung begründet wird. Es geht aber nicht um den Rechtsgrund für die Rückgabeverpflichtung des Kunden, sondern um den Rechtsgrund für die von ihm zur Erlangung der Leistung erbrachten Zahlungen. Hier löst sich die Argumentation des Beklagten von der Rechtsprechung des BFH, dass der Gesamtbetrag der tatsächlich erhaltenen Zahlungen, die auf der Grundlage des der Leistung zu Grunde liegenden Rechts- oder Anspruchsgrundes erbracht werden, das Entgelt für eine Leistung im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG darstellt (BFH-Urteile vom 13. Dezember 1995 XI R 16/95, BFHE 179, 465, BStBl II 1996, 208, und vom 19. Juli 2007 V R 11/05, BStBl II 2007, 966). Der Rechtsgrund für die von der Klägerin erhaltenen und von dem Kunden erbrachten Zahlungen ist der abgeschlossene Kaufvertrag. Auf der Grundlage dieses Kaufvertrages erhält die Klägerin nach Abschluss des Geldwechselvorganges eine das vereinbarte Entgelt unterschreitende Zahlung, wenn sie einen zu hohen Wechselgeldbetrag zurückgibt. Das Geldwechselgeschäft hat daher gegenüber dem auf dem Kaufvertrag beruhenden Erwerbsgeschäft keine selbstständige Bedeutung, wie die Klägerin zu Recht vorträgt. Es bildet vielmehr eine Einheit mit der nach dem Kaufvertrag geschuldeten Entrichtung des Kaufpreises, so dass als Kaufpreis nur das vereinnahmt wird, was als Ergebnis des Geldwechselgeschäfts übrig bleibt und in die Kasse gelegt werden kann. Es kann insoweit nichts anderes gelten, als im Fall einer von vornherein irrtümlich zu niedrig vereinnahmten Kaufpreiszahlung, bei der auch der Beklagte konsequenterweise zu einem anderen Ergebnis kommen müsste. Die Negierung des inneren Zusammenhangs des Geldwechselgeschäfts mit der Kaufpreiszahlung erscheint daher verfehlt.
Gleiches gilt für die Unterscheidung zwischen der Uneinbringlichkeit des vereinbarten Entgelts und der Uneinbringlichkeit des Anspruchs auf Herausgabe der durch die überhöhte Wechselgeldrückgabe erlangten ungerechtfertigten Bereicherung bei der Anwendung des § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG, der als Ausprägung des Grundsatzes zu verstehen sein dürfte, dass auch bei der Besteuerung nach vereinbarten Entgelten grundsätzlich nur das zu versteuern ist, was für die Lieferung oder sonstige Leistung tatsächlich vereinnahmt wird (Abschnitt 149 Abs. 1 UStR 2008 unter Hinweis auf BFH-Urteile vom 2. April 1981 V R 39/79, BFHE 133, 121, BStBl II 1981, 627, und vom 10. November 1983 V R 91/80, BFHE 139, 319, BStBl II 1984, 120). Denn bei dem hinzutretenden Anspruch auf Herausgabe der ungerechtfertigten Bereicherung handelt es sich lediglich um einen Fall der Anspruchskonkurrenz. Daneben bleibt der nicht erfüllte und uneinbringliche Anspruch auf Entrichtung des noch offenen Betrages des vereinbarten Kaufpreises unverändert bestehen.
Mit dieser Lösung wird auch ein Wertungswiderspruch zu der Behandlung von Doppelzahlungen in der Rechtsprechung des BFH (BFH-Urteile vom 13. Dezember 1995 und vom 19. Juli 2007, a.a.O.) vermieden.
Schließlich steht auch § 14 Abs. 2 UStG a. F. bzw. § 14 c Abs. 1 UStG (ab 2004) der Minderung des umsatzsteuerlichen Entgelts bei Uneinbringlichkeit eines Teils der vereinbarten Gegenleistung nicht entgegen. Die Vorschrift setzt den Ausweis eines höheren Steuerbetrages als desjenigen, der für den Umsatz geschuldet wird, voraus. Im Fall der Uneinbringlichkeit besteht die Forderung auf die Gegenleistung in voller Höhe fort. War in der Rechnung entsprechend der Verpflichtung nach § 14 Abs. 2 UStG die Steuer nach Maßgabe des vereinbarten Entgelts ausgewiesen, so wird dieser Betrag weiterhin nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 UStG für das Jahr geschuldet, in dem der Umsatz ausgeführt worden war. Daran ändert auch die spätere Minderung der Bemessungsgrundlage nichts (vgl. dazu Abschnitt 17.1 Abs. 3 S. 3 UStAE; BFH-Urteil vom 12.1.2006 V R 3/04, Bundessteuerblatt II 2006, 479; Stadie in: Rau/Dürrwächter, § 17 UStG, Rn. 59 ff.; Klenk in: Sölch/Ringleb, § 17 UStG, Rn. 20).
2. Indessen sieht der Senat keine Möglichkeit, die mit Sicherheit oder zumindest ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit auf überhöhten Geldrückgaben beruhenden (Teil-) Beträge der festgestellten Kassendifferenzen durch Schätzung zu ermitteln. Diese Unterscheidung der Ursachen der Kassendifferenzen ist aber entscheidungserheblich. Denn soweit die Kassendifferenzen etwa auf unbefugten Bargeldentnahmen beruhen sollten, käme eine Änderung der Bemessungsgrundlage im Sinne des § 10 Abs. 1 S ätze 1 und 2 UStG mangels inneren Zusammenhangs mit dem vorausgegangenen Leistungsgeschäft keinesfalls in Betracht.
Können damit aber bereits die von der Klägerin behaupteten Sachverhaltsgrundlagen für die Abweichung zwischen den vereinbarten und den vereinnahmten Entgelten nicht zur Überzeugung des Senats festgestellt werden, so kann es auf die von ihr aufgeworfenen Rechtsfragen zur Minderung des vereinbarten umsatzsteuerpflichtigen Entgelts durch überhöhte Geldrückgaben für die Entscheidung nicht mehr ankommen. Der Klage kann vielmehr bereits mangels Feststellbarkeit derartiger die Umsatzsteuer der Streitjahre mindernder Sachverhalte nicht entsprochen werden.
Eine Schätzung setzt voraus, dass die Besteuerungsgrundlagen nicht ermittelt oder nicht berechnet werden können (§ 96 Abs.1 Satz 1 2.Halbsatz FGO i.V.m. § 162 Abs. 1 AO). Sie kommt grundsätzlich auch für steuermindernde Sachverhalte in Betracht, soweit das Sachaufklärungsdefizit nicht in die Beweisrisikosphäre des Steuerpflichtigen fällt (vergleiche dazu Seer in: Tipke/Kruse, § 162 AO, Tz. 24 f., und § 96 FGO, Tz. 91 f., m.w.N.). Inwieweit diese Negativvoraussetzung bei der Aufklärung der Ursachen der Kassendifferenzen im Unternehmen der Klägerin bereits deshalb erfüllt ist, weil der Klägerin eine entsprechende Beweisvorsorge nicht möglich oder zumutbar war und deshalb eine Verletzung ihrer Mitwirkungspflicht ausscheidet, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Denn auch wenn deshalb die Ursachen der Kassendifferenzen dem Grunde nach einer Schätzung zugänglich wären, so fehlt es dennoch an verlässlichen Maßstäben für eine Bezifferung der ausschließlich auf überhöhten Geldrückgaben beruhenden Kassenfehlbeträge, die deren Abgrenzung aus den Gesamtbeträgen der Kassendifferenzen nach dem Maßstab der größtmöglichen Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit gestatteten.
Nach der Lebenserfahrung besteht zwar eine nicht geringe Wahrscheinlichkeit dafür, dass bei dem von der Klägerin betriebenen Filialgeschäft Irrtümer bei der Wechselgeldrückgabe oder andere Fehler bei der Vereinnahmung des geschuldeten Entgelts zu Differenzen zwischen dem Ist- und Sollbestand der Kasse führen. Dabei kann es sich sowohl um Überzahlungen als auch um Mindervereinnahmungen oder überhöhte Geldrückgaben handeln, die im Ergebnis mit ihrem Saldo in die festgestellten Kassendifferenzen eingehen. Dies schließt indessen andere die Höhe der Kassendifferenzen beeinflussende Ursachen nicht aus. Es wäre ebenso denkbar, dass der Saldo der abweichend von den vereinbarten Entgelten vereinnahmten Beträge positiv ist und sich erst durch die Hinzurechnung der auf anderen Ursachen beruhenden Fehlbeträge negative Kassendifferenzen ergeben. Der Vortrag der Klägerin, dass aufgrund ihrer Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen bei der überwiegenden Zahl der Kassen und des Aufdeckungsrisikos für ungetreue Arbeitnehmer andere Ursachen für die Kassendifferenzen als Irrtümer bei der Bargeldrückgabe ausgeschlossen oder vernachlässigt werden könnten, vermag angesichts des Umstandes, dass die Kassendifferenzen lediglich zwischen 0,02 % und 0,05 % des Nettoumsatzes betragen, nicht zu überzeugen, zumal die Klägerin selbst den Umfang ihrer Überwachungsmaßnahmen in Bezug auf die Gesamtzahl der Kassen relativiert.
Auch der Umstand, dass die Klägerin sich mit dem zuständigen Prüfer des Finanzamts für Groß- und Konzernbetriebsprüfung M für die den Streitjahren nachfolgenden Jahre 2005-2011 auf eine Aufteilung der auf „Fehlherausgaben“ und „Herausnahmen“ von Bargeld entfallenden Anteile von Kassendifferenzen geeinigt hat, ist nicht geeignet, dem Senat für die Streitjahre einen verlässlichen Schätzungsmaßstab an die Hand zu geben. Denn Sachverhaltsgrundlagen, die das Ergebnis dieser einverständlichen Festlegung nach objektiven Maßstäben nachvollziehbar erscheinen ließen, sind nach dem Vortrag der Klägerin auch für die Folgejahre nicht ermittelt worden, so dass eine Übertragung derartiger Schätzungsgrundlagen auf die Streitjahre nicht möglich ist. Der gefundene Aufteilungsmaßstab von 50 % zu 50 % spricht vielmehr dafür, dass der Unmöglichkeit einer Schätzung nach dem Maßstab der größtmöglichen Wahrscheinlichkeit mit einer Vergleichsvereinbarung Rechnung getragen worden ist, bei der die vermutlich geringe Höhe der auf Kassendifferenzen entfallenden Umsatzsteuerbeträge im Vergleich zu der Auswirkung der übrigen Prüfungsfeststellungen von Bedeutung gewesen sein dürfte.
3. Dem Antrag der Klägerin auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung war nicht zu entsprechen.
Nach § 93 Abs. 3 Satz 2 FGO kann das Gericht die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung beschließen. Die Wiedereröffnung liegt grundsätzlich im Ermessen des Gerichts. Dieses Ermessen ist jedoch auf Null reduziert, wenn durch die Ablehnung einer Wiedereröffnung wesentliche Prozessgrundsätze verletzt würden, so z.B. wenn dem Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör nicht genügt wurde oder wenn die Sachaufklärung noch nicht ausreicht (BFH-Urteil vom 29. November 1973 IV R 221/69, BFHE 111, 21, BStBl II 1974, 115).
Im Streitfall ist die Frage der Möglichkeit einer Schätzung der auf überhöhten Geldrückgaben beruhenden Kassenfehlbeträge in der mündlichen Verhandlung vom 23.10.2013 eingehend erörtert worden. Möglichkeiten der Sachaufklärung, durch die geeignete Schätzungsmaßstäbe für den Anteil auf dieser Ursache beruhender Fehlbeträge an den Kassendifferenzen gewonnen werden könnten, haben sich dabei nicht ergeben. Wie vorstehend ausgeführt, ergeben sich solche geeigneten Schätzungsmaßstäbe auch nicht aus der von der Klägerin nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Einigung mit der Betriebsprüfung für die Folgejahre 2005-2011. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung kommt daher bereits mangels Entscheidungsrelevanz der von der Klägerin nachträglich mitgeteilten Umstände nicht in Betracht.
4. Für die beantragte Zulassung der Revision sieht der Senat keinen Anlass, da die einzelfallbezogene Prüfung des Vorhandenseins verlässlicher Schätzungsmaßstäbe keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO