09.07.2024 · IWW-Abrufnummer 242548
Finanzgericht des Saarlandes: Gerichtsbescheid vom 27.03.2024 – 3 K 1072/20
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Saarland
27.03.2024
In dem Rechtsstreit
...,
- Kläger -
Prozessbevollmächtigte: .,
gegen
das Finanzamt .,
- Beklagter -
wegen Einkommensteuer 2018 und 2019 (Rentenbesteuerung)
hat der 3. Senat des Finanzgerichts des Saarlandes durch den Vizepräsidenten des Finanzgerichts xxx als Vorsitzender, den Richter am Finanzgericht xxx und die Richterin am Finanzgericht xxx aufgrund der Beratung vom 27. März 2024 für Recht erkannt:
Tenor:
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Kern um die - vermeintlich doppelte - Besteuerung von Renten aus einer gesetzlichen und einer privaten Rentenversicherung.
Der am .. April 1953 geborene Kläger ist verheiratet (die Ehefrau ist am ... Dezember 1954 geboren).... Nach seinem Abitur ... absolvierte er seinen Wehrdienst. Von 1974 bis 1982 studierte er ... an der .... Nach dem Studium war er bis Anfang ... als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der ...beschäftigt .... Von Herbst 1987 bis November 2018 unterrichtete der Kläger als Dozent an der .... In dieser Zeit wurden für ihn als Angestellten Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile zur gesetzlichen Rentenversicherung (einbehalten und) abgeführt. Seit Dezember 2018 bezieht der Kläger, der seit seiner beruflichen Tätigkeit zunächst Pflichtmitglied, nach Überschreiten der Beitragsbemessungsgrenzen sodann freiwilliges Mitglied der ... Krankenkasse war, eine monatliche Regelaltersrente i.H.v. brutto 2.246,43 € (seit 1. Juli 2019: 2.317,97 €). Daneben erhielt er eine "Betriebsrente" aus der Ruhegehalts- und Zusatzversorgungskasse ... i.H.v. monatlich 865,88 € (seit Juli 2019 i.H.v. monatlich 902,46 €); der Betrag für Dezember 2018 wurde erst im Februar 2019 ausgezahlt und besteuert ....
Auf die Einkommensteuererklärungen des Klägers hin erließ der Beklagte am ... 2020 (2018) bzw. am ... 2020 (2019) entsprechende - insoweit erklärungsgemäße - Einkommensteuerbescheide, in denen die gesetzlichen Renten mit einem steuerpflichtigen Ertragsanteil von 76 % (2018: 1.706 €, 2019: 20.813 €) als Einnahmen berücksichtigt wurden ...; der steuerpflichtige Rentenanteil wurde im Einkommensteuerbescheid für 2018 im Erläuterungstext dargelegt .... Die Zusatzrente aus ... wurde 2019 mit 18 % von 11.109 € (für 2019) bzw. 560 € als steuerpflichtige Einnahmen berücksichtigt...
Gegen den Einkommensteuerbescheid für 2019 legte der Kläger am ... Einspruch ein ..., den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 18. Dezember 2020 als unbegründet zurückwies ... Hiergegen erhob der Kläger am 21. Januar 2021 Klage, die zunächst unter dem Geschäftszeichen 3 K 1020/21 geführt wurde ....
Gegen den Einkommensteuerbescheid für 2018 hatte der Kläger am 6. Februar 2020 unmittelbar Klage beim Finanzgericht erhoben, die als Sprungklage i.S.v. § 44 FGO behandelt wurde; das Verfahren wurde unter dem Geschäftszeichen 3 K 1040/20 geführt. Nachdem das beklagte Finanzamt der Sprungklage nicht zugestimmt hatte, wurde das Verfahren entsprechend § 45 Abs. 3 FGO als außergerichtlicher Rechtsbehelf weitergeführt, über den zunächst nicht entschieden wurde.
Am 9. März 2020 hat der Kläger wiederum Klage erhoben (Bl. 1), die der Senatsvorsitzende angesichts der prozessualen Vorgeschichte als Untätigkeitsklage gem. § 46 FGO behandelte, wogegen der Kläger nicht widersprochen hat. Der Beklagte, der die Untätigkeitsklage als verfrüht und daher als unzulässig ansah ..., hat schließlich mit Einspruchsentscheidung vom 1. Dezember 2020 den Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Mit Beschluss des Senats vom 8. Dezember 2021 wurde das Verfahren betreffend Einkommensteuer 2019 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung mit dem vorliegenden Verfahren verbunden ...
Der Kläger beantragt nunmehr sinngemäß ...,
unter Änderung des Einkommensteuerbescheides für 2018 vom ... 2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1. Dezember 2020 sowie des Einkommensteuerbescheides für 2019 vom ... 2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. Dezember 2020 die Einkommensteuer 2018 und 2019 dahingehend festzusetzen, dass die Renteneinkünfte aus der gesetzlichen Rentenversicherung insoweit von der Besteuerung ausgenommen werden, als die voraussichtlich steuerunbelastet zufließenden Rentenbeträge geringer sind als die aus versteuertem Einkommen bezahlten Altersaufwendungen, und für 2019 zusätzlich, dass die Zusatzrente aus der ... mit einem Ertragsanteil i.H.v. 0 € berücksichtigt wird,
hilfsweise, bei der Einkommensteuerfestsetzung 2018 und 2019 die gesetzliche Rente lediglich mit einem Besteuerungsanteil von 58 % anstelle von 76 % zu berücksichtigen.
Er trägt im Wesentlichen Folgendes vor:
Es bestünden Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Rentenbesteuerung in den Normen §§ 10, 22 EStG in Form der Neuregelung und der Übergangsregelungen in Übereinstimmung mit Art. 3 GG. Soweit einige Rechtsfragen durch Entscheidungen des BFH vom 26. November 2008 und vom 25. April 2018 geklärt seien, vertrete der Kläger eine andere Auffassung, weshalb er auch einem Ruhen des Verfahrens wegen (seinerzeit) beim BFH anhängiger - inzwischen rechtskräftig entschiedener - Verfahren nicht zustimmte ....
Was die Sachverhaltsaufklärung angehe, so verfüge der Kläger seit Beginn seiner Einkünfteerzielung über alle Einkommensteuerbescheide (1982 bis 2018) im Original; auch alle Rentenbeiträge seien nachweisbar. Ein Aufklärungsmangel sei daher ausgeschlossen (...).
Durch das AltEinkG habe der Gesetzgeber den vom BVerfG ausgesprochenen Regelungsauftrag versucht zu vollziehen und den Übergang auf eine nachgelagerte Besteuerung von Alterseinkünften vorgenommen, indem etliche Neuregelungen sowohl für die Aufbauphase als auch für die Versorgungsphase aufgenommen worden seien. Allerdings finde eine echte doppelte Besteuerung im Fall des Klägers statt, soweit nämlich seine Beiträge in den Jahren der Einzahlung nicht oder nur teilweise abzugsfähig gewesen seien (...).
a) Für die Zeit bis zur Erreichung des Endzustands der "nachgelagerten Besteuerung" sei eine sehr lange Übergangsphase von 35 Jahren vorgesehen, in der der steuerpflichtige Teil der Rentenzahlungen nach einem Kohortenprinzip schrittweise von 50% im Jahr 2005 auf schließlich 100 % ab dem Jahr 2040 angehoben wird. Parallel dazu steige der nominelle Anteil der abzugsfähigen Altersvorsorgeaufwendungen von scheinbaren 60% im Jahr 2005 auf 100% im Jahr 2025. Tatsächlich sei die Regelung in § 10 EStG aber durch mathematische Einbindung des Arbeitgeberanteils nach der Summe der Aufwendungen so ausgestaltet, dass die Abzugsfähigkeit der eigenen Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung (AN-Beiträge) bei nur 20% im Jahre 2005 beginne. Im Jahre 2018, dem Renteneintrittsalter des Klägers, habe dieser daher effektiv nur 72%, statt nominell 86% betragen. Es komme daher im konkreten Falle des Klägers zu einer Doppelbesteuerung (vgl. im Einzelnen ...). Denn für ihn gelte eine Einzahlungsphase von 36 Jahren (1982-2018), die also mit 23 Jahren überwiegend vor der Umstellung des Systems liege. In seinem Einzahlungszeitraum habe er Entgeltpunkte (nachfolgend "EP") von 70,1353 Punkten erzielt. Die Summe der EP aus versteuerten AN-Beiträgen des Klägers betrage 29,5919 im genannten Zeitraum der Erwerbstätigkeit. Damit stammten 42,19% der EP des Klägers aus versteuerten AN-Beiträgen. Da gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 a) aa) EStG nur 24% steuerfrei blieben, würden erhebliche Teile der Rente doppelt besteuert. Lasse man die zeitliche Betrachtung außer Acht, so würden mathematisch 18,19% doppelt versteuert.
Es bedürfe zudem einer Aufzinsung der Einzahlungsreihe auf den Bezugszeitpunkt (Renteneintritt am 1. Dezember 2018). Ausgehend von einem Rückwirkungsverbot für die Zeit vor 2005 (siehe dazu weiter unten) seien sogar 49,28 EP aus versteuertem Einkommen geleistet, was einem Anteil von 70,27% entspreche.
Von den gesamten Einzahlungen des Klägers in die Rentenkasse in Höhe von 353.394 € seien mindestens 135.421 € aus versteuertem Einkommen geleistet worden. Dies entspreche einem prozentualen Anteil von 38,32%. Dieser Satz liege weit über dem steuerfreien Anteil nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a) Doppelbuchst. aa) EStG von nur 24%. Gehe man von einem Rückwirkungsverbot aus, so seien 203.759 € aus versteuertem Einkommen geleistet worden, was einem Anteil von 57,66% entspreche. Hieraus ergebe sich der Hilfsantrag des Klägers. Der Kläger werde auch aus dieser Sicht doppelt besteuert.
Es müsse zudem die zeitliche Komponente durch einen Zinsfaktor berücksichtigt werden. In der Literatur und Rechtsprechung werde die Doppelbesteuerung auch in der Weise gesehen, dass die Rentenzahlungen zunächst aus den versteuerten Beiträgen, hier 135.421 €, geleistet werden. Der Kläger werde aus dieser Sicht fünf Jahre lang doppelt besteuert, da er die Rente nominell 60 Monate aus dieser Summe beziehen könne. Hieraus ergebe sich der Hauptklageantrag.
b) Neben der Frage der Doppelbesteuerung stelle sich auch das Problem der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit und des Gebots der Folgerichtigkeit. Die im Raume stehende Norm des § 22 EStG gehe von einem Zinssatz von 3% p.a. aus (bis 2004 von 5,5%). Dies führe über die Jahre zu einer extremen Zinseszinswirkung (vgl. im Einzelnen ...). Werde die Einzahlungsreihe von nominell 353.394 € an Rentenbeiträgen auf den Bezugszeitpunkt des Streitjahres 2018 mit dem der Norm immanenten Zinssatz aufgezinst, so ergebe sich ein Gesamtwert der Rentenbeiträge von 672.173 € (Vermögenswert). Der Wert der Rente vor Steuern in Höhe von 2.246,43 € habe bezogen auf diesen Zeitpunkt hingegen nur einen Gesamtwert von 321.813 €. Der Kläger habe demnach einen erheblichen Verlust erlitten.
Nach dieser gesetzlichen Berechnungsmethode betrage der der Rente zugrundeliegende Zinssatz -5,77% p.a. vor Abzug der Steuern auf die Rente selbst, bei Berücksichtigung von Steuern und Sozialabgaben sogar -7,90%. Daraus resultiere gemäß § 22 EStG ein jährlicher Ertragsanteil von -57% (vgl. im Einzelnen ...). Die in Frage stehende Norm gehe aber von einem jährlichen Zinssatz von 3% und einem daraus resultierenden jährlichen Ertragsanteil von +18,0% aus. Diese Abweichung sei nicht nur von marginaler Natur. Zwar habe der Gesetzgeber einen Typisierungsspielraum, der durchaus auch groß sein möge. Im Fall der Rentenbesteuerung überdehne das BVerfG dies aber zum Nachteil der Bürger. Die gesetzliche Typisierung müsse realitätsgerecht einen typischen Fall zum Maßstab nehmen. Dem werde die Norm des § 22 EStG nicht gerecht. Dies gelte umso mehr, als das Zinsniveau im Euroraum dauerhaft und sehr stark abgesunken sei.
Der marktgerechte Ertragsanteil, den man hätte typisieren müssen, sei im konkreten Falle der gesetzlichen Rente auch deswegen beachtlich, weil sich herausstelle, dass die nicht entlasteten Rentenbeiträge die steuerfreien Rentenzuflüsse weit übersteigen. Ein solcher Ertragsanteil läge bei etwa 3-4% statt der unterstellten 18%.
c) Fraglich sei auch die für eine Besteuerung nach § 22 EStG - wie bei allen Einkunftsarten - erforderliche Einkünfteerzielungsabsicht, zumal ein negativer Ertragsanteil vorliege, wie im vorigen Punkt mathematisch dargelegt (...). In einem Umlageverfahren gebe es - im Unterschied zum Kapitaldeckungsverfahren - keine individuelle Absicht, Erträge zu erzielen. Die Beiträge der gegenwärtig Versicherten würden auf die gegenwärtig lebenden Rentner und Rentnerinnen umgelegt. Im Unterschied dazu würden in einem Kapitaldeckungsverfahren die während der Laufzeit des Versicherungsvertrags aufgebrachten Beiträge des Versicherten in einem Kapitalstock des Beitragszahlers zusammengefasst und mit der Absicht angelegt, Erträge zu erzielen. Im Umlageverfahren gebe es der Logik des Generationenvertrags entsprechend keine Erträge. Es gebe weder die individuelle Absicht, Erträge zu erzielen, noch gebe es Erträge überhaupt. Mit dem Beitrag in die Rentenkasse entstehe als Gegenleistung ein Anspruch auf Rente im Alter, die dann von der nächsten Generation der Beitragszahler und Beitragszahlerinnen zu finanzieren sei. Im Gegensatz zu einer Steuerfinanzierung sei durch eine Beitragsfinanzierung nach dem sogenannten Äquivalenzsystem eine Konnexität zwischen Leistung und Gegenleistung gegeben. Zum Zeitpunkt des Rentenbezugs werde also ein ehemals erworbener Anspruch eingelöst, oder anders formuliert, wenn der Versicherungsfall "Renteneintritt" passiere, erhalte der Berechtigte eine den Beiträgen äquivalente Leistung. Bei einer Beitragsfinanzierung seien - im Unterschied zu einer Steuerfinanzierung - die Rentenzahlungen die Einlösung eines ehemals erworbenen Anspruchs und demnach keine Einkünfte im Sinne des § 2 EStG. Auch in anderen Sozialversicherungen blieben Versicherungsleistungen wie z.B. Arbeitslosengeld oder Krankengeld steuerfrei, sie stünden allerdings unter dem Progressionsvorbehalt.
d) Neben der Doppelbesteuerung und negativen Renditen sei die Zuordnung der Rentenbeitragszahlungen durch den Gesetzgeber zu den Sonderausgaben rechtswidrig. Dies sei in vielen Fällen ungünstig für den Steuerpflichtigen, z. B. in Verlustjahren sowie beim Abzug von außergewöhnlichen Belastungen. Soweit die Beiträge der Arbeitgeber in § 3 Nr. 62 EStG steuerfrei seien, sei auch dies systemwidrig (Bl. 14 ff.). Tatsächlich sei der Steuerpflichtige belastet und seine Leistungsfähigkeit würde aufgrund staatlichen Zwanges vermindert. Der BFH und das BVerfG hätten diese Zuweisung bislang gebilligt, auch wenn sie die Altersvorsorgeaufwendungen der Rechtsnatur nach als vorweggenommene Werbungskosten zu den Einkünften aus § 22 EStG ansähen. Die höchst komplizierte Regelung des § 10d EStG sei oft geändert worden und solle aus Gründen der Steuergerechtigkeit eine Durchbrechung der Abschnittsbesteuerung erlauben. Durch diese Wirkung werde jedoch die Steuergerechtigkeit im Falle der Rentenbeiträge verhindert, so dass die systemwidrige Zuordnung selbst gegen das Vorliegen einer Einkunftsart spreche (siehe dazu Punkt c). Auch die betragsmäßige Begrenzung in § 10 Abs. 3 Satz 1 EStG sei systemwidrig, da auch diejenigen Teile der künftigen Rentenbezüge, die auf Beiträgen beruhen, die wegen Überschreitens der Höchstbeträge nicht abziehbar gewesen seien, in vollem Umfang nach § 22 EStG steuerpflichtig seien. Das BVerfG habe sich zuletzt ausführlich im Jahre 2016 mit der Frage befasst, ob Altersvorsorgeaufwendungen den Sonderausgaben zugeordnet werden dürften und habe dies bejaht. Diese Sichtweise des BVerfG sei bereits mathematisch falsch. Der Arbeitnehmer bekomme die abgeführten Arbeitnehmer-Beiträge nicht nur zugerechnet und müsse diese versteuern, sondern er bekomme sie auch zugleich wieder zwangsweise abgeführt. Die Besteuerungsgrundlage werde zu deren Lasten verbreitert. Die für die Lastengleichheit im Einkommensteuerrecht maßgebliche finanzielle Leistungsfähigkeit bemesse der einfache Gesetzgeber nach dem objektiven und dem subjektiven Nettoprinzip. Die Zuordnung verstoße durch die den Sonderausgaben innewohnende Begrenzung gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG in der Ausprägung des daraus abgeleiteten verfassungsrechtlichen Gebots der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit und des Gebots der Folgerichtigkeit.
e) Es liege auch ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot vor (vgl. im Einzelnen ...). Das Vorgehen des Gesetzgebers greife in die zugesagten Rechte der Arbeitnehmer ein, da ab 2005 der Prozentsatz von 27% Ertragsanteil auf 50% mit wachsenden Anteilen gesetzt worden sei. Es handele sich um eine rückwirkende Gesetzesänderung mit zeitlich großer Reichweite. Der Kläger habe ab 1982 auf seine steuerfreien Arbeitgeberanteile und deren Besteuerung nach dem Ertragsanteil vertraut und seine berufliche Entscheidung dazu getroffen. Er sei im konkreten Fall von dem Rückwirkungsverbot insoweit (auch) betroffen, dass sich die EP (inklusive der aus Arbeitgeberanteilen erworbenen) auf insgesamt 49,2809 addierten und sein Anteil der bereits versteuerten Rentenbeiträge somit 70,27% betrage. Der steuerfreie Zuschuss der Arbeitgeberseite sei eine jahrzehntelange Konstante des deutschen Sozialsystems, auf welche der Kläger habe vertrauen dürfen. Dieses Vertrauen sei auch nicht dadurch des Schutzes beraubt, dass sich das BVerfG schon früh mit der Rentenbesteuerung befasst habe, aber dem Gesetzgeber eine Frist bis 2005 gesetzt habe. Das BVerfG habe demgegenüber auch selbst erst im Jahre 2015 befunden, dass die Anhebung des Besteuerungsanteils von einer Ertragsanteilsbesteuerung i.H.v. 27% auf 50% sämtlicher Rückflüsse in der Auszahlungsphase nicht die rechtsstaatlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes und des Rückwirkungsverbots verletze. Die Begründung des BVerfG sei keinesfalls überzeugend. Der Kapitalstamm der Rente sei vor der Gesetzesänderung zwangsweise erdient worden und sei für den Steuerpflichtigen unerreichbar und stehe schon gar nicht zu seiner Disposition. Die sofortige Anhebung des Besteuerungsanteils auf 50% sei zur Förderung des Gesetzeszwecks weder geeignet, noch erforderlich gewesen, denn es wäre ein Leichtes gewesen, andere Prozentsätze bei der Neugestaltung der Norm des § 22 EStG zu wählen, die den Kapitalstamm unangetastet gelassen hätte. Ebenso sei es möglich, die Rente in zwei Teile aufzuteilen, die nachgelagert besteuert würden und die nach bisherigen Regelungen mit einem Ertragsanteil erfasst würden.
f) Darüber hinaus verstoße § 22 EStG gegen den Bestimmtheitsgrundsatz in Form der Normenklarheit (vgl. im Einzelnen ...). Eine Rechtsnorm sei auch dann verfassungswidrig, wenn die Begrifflichkeiten so unklar seien, dass sie nicht befolgt werden könne. Gemäß dem Bestimmtheitsgrundsatz solle der Steuerpflichtige seine Steuerlast selbst berechnen können. Bereits die Norm, hinter welcher sich die Mathematik verbirgt, sei kafkaesk verschlüsselt. Nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchstabe bb Satz 3 EStG gilt: Begriffe wie "voraussichtliche Laufzeit" seien nicht definiert. Auch der Kalkulationszinssatz sei der Norm nicht zu entnehmen. Bei einem angenommenen Kalkulationszinssatz von 3% und Laufzeiten von 15-17 Jahren variiere damit der Ertragsanteil je nach Berechnungsmethode (siehe nachfolgend) zwischen 18% und 28%. Welche Datensätze verwendet würden, lasse sich anhand der in § 22 EStG genannten Tabellenwerte auch nicht implizit berechnen, zumal diese offensichtlich noch gerundet worden seien. Je nachdem, ob man den Begriff "Kapitalwert" als "Kapitalbarwert" oder aber als "Kapitalendwert" interpretiere, ergäben sich unterschiedliche Definitionen des Ertragsanteils (vgl. im Einzelnen Bl. ...). Der Ertragsanteil sei in § 22 EStG weder dem Wortlaut nach definiert, noch aufgrund mathematischer Implikationen herleitbar. Unterstelle man eine Lebenserwartung von 15 Jahren (gleichgültig nach welcher Sterbetafel), ergäben die drei unterschiedlichen mathematischen Berechnungsmethoden die Werte E = 18%, E = 20%, E = 24%. Bei der Laufzeit von 17 Jahren erhöhe sich der Ertragsanteil auf 28%.
g) Dass in der Rechtsprechung trotz der real existierenden Zinseszinsrechnung in der Rentenbesteuerung das sogenannte "Nominalwertprinzip" befolgt werde, verstoße gegen Art. 3 GG. Nach Auffassung des BVerfG begegne die Anwendung des Nominalwertprinzips, das ein tragendes Ordnungsprinzip der geltenden Währungsordnung und Wirtschaftspolitik darstelle, bei der Gegenüberstellung der Beitragszahlungen mit dem nicht steuerbaren Rentenzufluss derzeit keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, trotz heftiger Kritik in der Literatur. Es sei mit dem Gleichheitsgebot einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit vereinbar, dass bei der Berechnung einer Doppelbesteuerung die zwischenzeitliche Geldentwertung unberücksichtigt bleibe. Das BVerfG verwechsele jedoch "Zinssatz eines Ertrages" und "Geldentwertung". Auch bei einer gedachten Inflationsrate von Null, die aber nicht existiere, müsse der Ertrag eines Rentenstammes (Kapitalwert, Vermögenswert) mit Hilfe von Zinseszinsen kapitalisiert werden. Dies sei bereits deswegen erforderlich, da für den Teil der Rente, welcher aus versteuertem Einkommen bestehe, allenfalls der Ertragsanteil erfasst werden dürfe. Auch das Konzept des heutigen § 22 EStG gehe davon aus, dass Erträge im Zeitablauf erwirtschaftet werden, die nicht inflationsbedingt seien. Im Übrigen sei höchst zweifelhaft, dass es verfassungsrechtlich geboten und zulässig sei, Inflationsgewinne zu erfassen. Vielmehr sei in der politischen Diskussion die Rede von der inflationsbedingten, schleichenden und "kalten" Progression, die es zu beseitigen gelte. So gehe denn auch das Steuerrecht in vielen Normen von der Existenz von Zinsen aus und verlange deren Berücksichtigung (in § 6 EStG werde etwa mit 5,5% Zinsen gerechnet - vgl. im Einzelnen Bl. ...).
h) Zu dem Problem der doppelten Besteuerung der Rente trete auch das Problem einer doppelten Verbeitragung im Sozialversicherungssystem auf. Die Rente bestehe jedenfalls aus Beiträgen, die bereits schon einmal mit Beiträgen belegt wurden. Viele Betriebsrentner zahlten vollen gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag auf ihre Rente, obwohl sie schon in der Berufsphase Sozialversicherungsbeiträge gezahlt hätten. Und nach Beendigung der Beschäftigungsphase müssten Betriebsrentner auch noch den Arbeitgeberanteil an die Kranken- und Pflegekasse entrichten (...). Auch der Kläger müsse neben der gesetzlichen Rente auch seine zweite Rente (Zufluss ab 2019) aus der Zusatzversorgungskasse ... den Beiträgen unterwerfen. Auch wenn Sozialabgaben keine Betrachtung durch die Finanzgerichtsbarkeit erführen, so seien sie dennoch bei der Leistungsfähigkeit eines Steuersubjektes als Kosten zu berücksichtigen. Der Kläger zahle auf seine gesetzliche Rente Sozialabgaben i.H.v. 188,60 € (KV/PV) und auf die Rente aus der Zusatzversorgungskasse ... i.H.v. 165,61 €. Diese Sozialabgaben von insgesamt 354,21 € monatlich verminderten, neben den zu zahlenden Steuern nach § 22 EStG, ebenfalls das Einkommen und vor allem die Rendite. Die finanzmathematische Rendite der gesetzlichen Rente werde gerade unter Berücksichtigung von Sozialabgaben negativ, wie oben gezeigt.
Die "Grundrente" verstärke dies. Danach bekämen Beitragszahler mit geringen Punkten eine erhebliche Aufstockung, ohne entsprechende Beiträge geleistet zu haben. Im Ergebnis könnte dies bis zu 14 EP im Extremfall und damit eine Rente von 5.552,40 € ausmachen. In dieser Höhe müsse ein Rentner, der diese EP mit eigener Beitragsleistung erbracht habe, zusätzlich von der Steuer in § 22 EStG freigestellt werden, gegenüber einem Rentner, der vom Staat so alimentiert werde. Denn eine gleiche Besteuerung von Grundrentnern und Beitragszahlern wäre ungerecht.
Der Beklagte beantragt nunmehr sinngemäß (Bl. ...),
die Klage als unbegründet abzuweisen.
Durch inzwischen erfolgte Entscheidung über den Einspruch sei die Klage bezüglich 2018 in die Zulässigkeit hineingewachsen (Bl. 61).
Dass § 22 EStG verfassungskonform sei und die Grenzen, die dem Gesetzgeber durch das Verbot der Doppelbesteuerung gezogen seien, nicht überschritten seien, sei bereits mehrfach durch das BVerfG und den BFH festgestellt worden. Auch vorliegend sei weder durch belastbare Zahlen noch entsprechende Unterlagen nachgewiesen, dass eine doppelte Besteuerung vorliege. Die abstrakte Berechnung, dass die aus versteuertem Einkommen gezahlten Altersvorsorgeaufwendungen i.H.v. 141.780 € die voraussichtlich steuerunbelastet zufließenden Rentenbeträge i.H.v. 98.591 € übersteigen würden, könne die verfassungsgemäße nachgelagerte Besteuerung nicht erschüttern (...). Gleiches gelte für den Sachvortrag, dass ein typisierender Ertragsanteil der privaten Rente auf Grund des Marktzinsniveaus verfassungsrechtlich nicht zulässig sei. Der BFH habe in Bezug auf die allgemeine Ausgestaltung der Übergangsregelungen ausdrücklich auch gröbere Typisierungen und Generalisierungen als zulässig angesehen, da eine auf individuelle Verhältnisse jedes einzelnen Steuerpflichtigen abstellende Übergangsregelung nicht administrierbar gewesen wäre.
Sowohl Haupt-, als auch Hilfsantrag könnte nach der geltenden Gesetzeslage nicht gefolgt werden. Der Beklagte sei an die verfassungskonforme Gesetzeslage gebunden (...).
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und auf die Verwaltungsakten des Beklagten (vgl. Bl. ...), auch im Verfahren ..., sowie die in digitaler Form übersandten Aktenauszüge der Deutsche Rentenversicherung (DRV) - vgl. Bl. ... - Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I. Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig. Das gilt auch betreffend das Jahr 2018, für das lediglich deshalb anfängliche Bedenken an der Zulässigkeit bestanden, weil die Klage bereits einen Monat nach Einlegung des Einspruchs - hier, nachdem der Sprungklage nicht zugestimmt worden war (vgl. § 45 Abs. 3 FGO) - erhoben wurde. Doch durch Erlass der Einspruchsentscheidung am 1. Dezember 2020 wuchs die Untätigkeitsklage - auch wenn sie verfrüht erhoben worden sein sollte - in die Zulässigkeit hinein (vgl. BFH vom 13. September 2016 V B 26/16, BFH/NV 2017, 53).
II. Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Einkommensteuerbescheide 2018 und 2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen sind rechtmäßig. Die Besteuerung der Rentenzuflüsse aus der gesetzlichen Altersrente des Klägers einerseits sowie aus der Ruhegehalts- und Zusatzversorgungskasse (diese betrifft hier allein das Streitjahr 2019) begegnet keinen Bedenken des Senats; insbesondere liegt in den Streitjahren keine unzulässige doppelte Besteuerung vor.
1. Dabei ist zunächst festzuhalten, dass die Besteuerung dieser Renten einfachgesetzlich den Vorgaben des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa bzw. § 22 Nr. 5 Satz 2 Buchst. a i.V.m. Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG entspricht. Insbesondere ist der Beklagte hinsichtlich der gesetzlichen Rente ohne erkennbaren Rechtsfehler von einem Besteuerungsanteil von 76 % und bei der Zusatzrente grundsätzlich von 18 % ausgegangen. Da insoweit offenbar auch kein Streit zwischen den Beteiligten besteht, sieht der Senat von weiteren Ausführungen hierzu ab.
2. Entgegen der Auffassung des Klägers ergeben sich im Streitfall auch keine Anhaltspunkte für eine verfassungsrechtlich unzulässige doppelte Besteuerung dieser Renten.
2.1 Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die der Senat teilt, liegt eine verfassungsrechtlich unzulässige doppelte Besteuerung von Renten dann nicht vor, wenn die Summe der voraussichtlich steuerfrei bleibenden Rentenzuflüsse mindestens ebenso hoch ist wie die Summe der aus versteuertem Einkommen aufgebrachten Altersvorsorgeaufwendungen, wobei die erforderliche Vergleichs- und Prognoserechnung auf der Grundlage des Nominalwertprinzips vorzunehmen ist (BFH vom 19. Mai 2021 X R 33/19, BFH/NV 2021, 992 und X [BFH 23.07.2020 - VIII B 157/19] R 20/19, BFH/NV 2021, 980 [BFH 19.05.2021 - X R 20/19]; erneut bestätigt durch BFH vom 24. August 2021 X B 53/21 (AdV), BFH/NV 2021, 1571 [BFH 28.07.2021 - X R 30/19], und vom 22. September 2021 X S 15/21, BFH/NV 2022, 125). Dies basiert auf der vom BVerfG geprägten Rechtsprechung, wonach die Besteuerung von Vorsorgeaufwendungen für die Alterssicherung und die Besteuerung von Bezügen aus dem Ergebnis der Vorsorgeaufwendungen in jedem Fall so aufeinander abgestimmt werden muss, dass eine doppelte Besteuerung vermieden wird (BVerfG vom 6. März 2002 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73). Kann der Steuerpflichtige nachweisen, dass es in seinem konkreten Einzelfall zu einer doppelten Besteuerung kommt, steht ihm aus verfassungsrechtlichen Gründen, insbesondere aus den aus Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitenden Geboten der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und der folgerichtigen Ausgestaltung der Besteuerung und des Verbots einer Übermaßbesteuerung, ein Anspruch auf Milderung des Steuerzugriffs in der Rentenbezugsphase zu (BFH vom 21. Juni 2016 X R 44/14, BFH/NV 2016, 1791). Die Feststellungslast für das Vorliegen einer etwaigen verfassungswidrigen doppelten Besteuerung im Einzelfall liegt beim Steuerpflichtigen, wobei allerdings gewisse Darlegungserleichterungen gelten können und auch ergänzende Schätzungen nicht ausgeschlossen sind (vgl. hierzu BFH vom 21. Juni 2016 X R 44/14, BFH/NV 2016, 1791; so auch BVerfG vom 30. September 2015 2 BvR 1066/10, HFR 2016, 72, Rz 58 f.).
2.2 Einen solchen Nachweis einer doppelten Besteuerung hat der Kläger nicht erbracht und sie ist auch sonst nicht erkennbar.
2.2.1 Der Betrag der voraussichtlich steuerfrei bleibenden Rentenzuflüsse aus der gesetzlichen Altersrente beträgt beim Kläger mindestens 111.408 €. Hierbei war nach den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung der jährliche steuerfreie Teilbetrag der Rente (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 4 EStG), der sich im Streitfall auf 6.469,72 € beläuft (Jahresbetrag der Rente 26.957,16 € * 24 %), mit der im Zeitpunkt des Renteneintritts zu erwartenden durchschnittlichen statistischen weiteren Lebenserwartung des Klägers zu multiplizieren. Die statistische weitere Lebenserwartung des Klägers beträgt danach 17,22 Jahre; dieser Wert war entsprechend der Rechtsprechung des BFH der vom Statistischen Bundesamt herausgegebenen, im Zeitpunkt des jeweiligen Renteneintritts (hier: 1. Dezember 2018) letztverfügbaren Sterbetafel zu entnehmen (hier die im BMF-Schreiben vom 17. Januar 2011 veröffentlichte Sterbetafel 2007/2009). Legte man hingegen die letztverfügbare Sterbetafel des Statistischen Bundesamtes (hier 2015/17 vom 18. Oktober 2018) zugrunde (so etwa FG Münster vom 22. November 2022 2 K 492/22 E, juris), so ergäbe sich eine durchschnittliche Lebenserwartung von 17,8 Jahren (https://www.statistischebibliothek.de/mir/servlets/MCRFileNodeServlet/DEHeft_derivate_00042868/5126204177004_aktualisiert08012019.pdf) und damit ein Betrag des voraussichtlich steuerfrei bleibenden Rentenbezugs i.H.v. 115.161 €.
Zu diesem Betrag müssten auch die Einnahmen aus einer Hinterbliebenenrente zugunsten der Ehefrau des Klägers fließen, die dann ebenfalls teilweise steuerfrei gestellt sein würden. Hier dürfte sich bei hilfsweiser Berechnung des Senats unter Zugrundelegung einer durchschnittlichen Lebenserwartung der Ehefrau des Klägers von 22,70 Jahren (vgl. Sterbetafel 2015/17 des Statistischen Bundesamtes, a.a.O.) und Annahme eines Rentenfaktors von 0,6 ein Betrag i.H.v. 21.272,79 € ergeben (steuerfreier Rentenanteil Kläger 6.469,72 €*22,70= 146.862,64 €, abzgl. Rentenanteil Kläger 111.408= 35.454,64 € * 0,6). Für eine etwaige Einkommensanrechnung ist nichts erkennbar; hierfür trägt der Kläger die Darlegungs- und Feststellungslast. Letztlich kam es vorliegend aber auf diesen Hinzurechnungsbetrag einer Hinterbliebenenrente der Ehefrau des Klägers nicht an (vgl. 2.2.2).
2.2.2 Der Betrag der aus versteuertem Einkommen geleisteten Rentenbeiträge, den der Kläger selbst mit 135.458 € im Wege einer mathematischen Formel kalkuliert (Bl. ...), liegt tatsächlich unter diesem Wert von 111.408 €.
Für diese Berechnung konnten für die Jahre 1999 bis 2018 die tatsächlich vom Kläger geleisteten Altersvorsorgeaufwendungen zur gesetzlichen Rentenversicherung sowie auch die Beträge der gesamten Altersvorsorgeleistungen bzw. Versicherungsbeiträge berücksichtigt werden, wie sie sich aus den dem Senat insoweit vorliegenden Einkommensteuererklärungen bzw. Einkommensteuerbescheiden für diese Jahre ergaben. Entsprechend den folgenden, den Einkommensteuererklärungen und -bescheiden entnommenen Beträgen ergaben sich Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung i.H.v. 133.838 €:
fg_saarland_20240327_3k107220_gerichtsbescheid_as1
Das Gericht hat hierbei aus Vereinfachungsgründen unberücksichtigt gelassen, dass in den Sozialversicherungsbeiträgen bis einschließlich 2004 auch die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung enthalten waren.
Für die Jahre 1982 bis 1998 liegen dem Senat hingegen keine konkreten Zahlen vor. Der Kläger, der angibt, über sämtliche Einkommensteuerbescheide zu verfügen, hat diese trotz mehrfacher Aufforderung des Gerichts auch unter Ausschlussfristsetzung (vgl. Bl. ...) nicht vorgelegt; beim Beklagten waren diese Daten nicht mehr verfügbar. Der Senat war daher zu einer sachgerechten Schätzung befugt. Hierbei waren zunächst die Arbeitnehmeranteile zur gesetzlichen Rentenversicherung anhand der Aufstellung der DRV über die beitragspflichtigen Beträge (vgl. Bl. Versicherungsverlauf Bl. 109 ff.) sowie unter Zuhilfenahme der von der DRV veröffentlichen Beitragssätze und Bemessungsgrundlagen (vgl. https://www.deutsche-rentenversicherung-de/Norbayern/DE/Presse-Experten/Zahlen- und-Tabellen/Ausgabe-1-HJ-2023.pdf) im Schätzwege zu ermitteln. Dabei ergaben sich anhand folgender Berechnung geleistete Arbeitnehmeranteile für die Jahre 1982 bis 1998 i.H.v. rund 57.851 €:
fg_saarland_20240327_3k107220_gerichtsbescheid_as2
Von den so ermittelten Arbeitnehmeranteilen i.H.v. insgesamt 191.689 € sind diejenigen Beträge in Abzug zu bringen, die nicht aus versteuertem Einkommen gezahlt wurden, für die also eine Steuerminderung geltend gemacht wurde. Diese beliefen sich vorliegend auf 61.105 € für die Jahre 1999 bis 2018 sowie - im Schätzweg - mindestens 20.000 € für die Jahre 1982 bis 1998, so dass im Ergebnis die aus versteuertem Einkommen entrichteten Beträge nicht höher sind als der voraussichtlich steuerfrei bleibende Betrag der Rentenzuflüsse.
Für die Ermittlung der Höhe der in den Veranlagungszeiträumen bis 2004 aus versteuertem Einkommen geleisteten Teile der Altersvorsorgeaufwendungen waren diese entsprechend einer wertenden Zuordnungsentscheidung ins Verhältnis zu den gesamten Vorsorgeaufwendungen zu setzen, wobei der abzugsfähige Höchstbetrag des Sonderausgabenabzugs - wo es erforderlich war - entsprechend dem Verhältnis der Vorsorgeaufwendungen des Klägers zu den gesamten Vorsorgeaufwendungen des Klägers und seiner Ehefrau zu berechnen war. Für die in Veranlagungszeiträumen ab 2005 geleisteten Altersvorsorgeaufwendungen sind diejenigen Teile der Altersvorsorgeaufwendungen aus versteuertem Einkommen erbracht, die den - seitdem ausschließlich für Altersvorsorgeaufwendungen geltenden - Höchstbetrag nach § 10 Abs. 3 EStG in den ab 2005 geltenden Fassungen überschritten haben (BFH vom 19. Mai 2021 X R 33/19, BFH/NV 2021, 992 und vom 6. April 2016 X R 2/15, BStBl II 2016, 733). Danach ergab sich folgende Berechnung:
fg_saarland_20240327_3k107220_gerichtsbescheid_as3
Nach Abzug dieses Betrags von den geleisteten Altersvorsorgeaufwendungen des Klägers verblieben noch gerundet 130.584 €, von dem noch die auf die Jahre 1982 bis 1998 entfallenden steuerlich entlasteten Beträge in Abzug zu bringen sind, die hier - im Schätzweg ermittelt - einen Betrag von 20.000 € in jedem Fall übersteigen. Denn angesichts des Umstands, dass in den Jahren 1999 bis 2004 (vor dem Systemwechsel) von den geleisteten Arbeitnehmeranteilen zur Rentenversicherung des Klägers durchschnittlich ca. 37 % steuerlich abzugsfähig waren, bestehen aus Sicht des Senats keine Bedenken, diesen Prozentsatz auch auf die für die Jahre 1982 bis 1998 geleisteten Arbeitnehmeranteile (57.851 €) anzusetzen, so dass etwa 21.405 € als abzugsfähig angesehen werden. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass tatsächlich geringere Beträge steuerlich mindernd hätten berücksichtigt werden können.
2.3 Der hiervon abweichende Klägervortrag zu einer doppelten Besteuerung der Renten überzeugt den Senat hingegen nicht.
2.3.1 Soweit der Kläger hierbei auf eine Berechnung anhand mathematischer Formeln mit sogenannten "Entgeltpunkten" entsprechend dem System der DRV abstellt, hat der Senat - bestätigt durch den BFH - bereits entschieden, dass ein Vergleich des relativen Anteils von aus versteuerten Beiträgen erdienten Renten-Entgeltpunkten gem. § 63 Abs. 2 SGB VI und dem gesetzlich angeordneten Steuerfreistellungsanteil der Rente keine geeignete Methode zur Berechnung einer eventuellen doppelten Besteuerung darstellen kann (BFH vom 24. August 2021 X B 53/21 (AdV), BFH/NV 2021, 1571; FG des Saarlandes vom 29. April 2021 3 V 1023/21, EFG 2021, 1107). Dem hat der Kläger im vorliegenden Verfahren nichts entgegengesetzt.
2.3.2 Auch der Vortrag, bei dieser Betrachtung sei die zeitliche Komponente durch einen Zinsfaktor zu berücksichtigen und es sei eine Aufzinsung auf den Zeitpunkt des Renteneintritts vorzunehmen, und in der Literatur und Rechtsprechung werde die Doppelbesteuerung auch in der Weise gesehen, dass die Rentenzahlungen zunächst aus den versteuerten Beiträgen - hier laut Kläger 135.421 € - geleistet werden, überzeugt angesichts des Vorstehenden nicht.
Der BFH hat klargestellt, als der in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 4 EStG benannte "Ertrag des Rentenrechts (Ertragsanteil)" gelte nach Satz 3 der Vorschrift der Unterschiedsbetrag zwischen dem Jahresbetrag der Rente und dem Betrag, der sich bei gleichmäßiger Verteilung des Kapitalwerts der Rente auf ihre voraussichtliche Laufzeit ergebe, wobei der Kapitalwert nach dieser Laufzeit zu berechnen sei. Besteuert wird somit - nur - der gleichmäßig auf die nach biometrischen Durchschnittswerten bemessene Dauer des Rentenbezugs verteilte Zinsanteil einer Kapitalrückzahlung. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass bei jeder Rentenzahlung, die anteilig einen Betrag enthält, der wirtschaftlich den Gegenwert der eingezahlten Beträge darstellt, keine Vermögensumschichtung, sondern nur die Verzinsung dieses Vermögens in Gestalt des Ertragsanteils als gesetzlich pauschalierter Zinsanteil besteuert wird (BFH vom 19. Mai 2021 X R 20/19, BFH/NV 2021, 980; vom 8. März 1989 X R 16/85, BStBl II 1989, 551). Der Ansicht, der Kläger werde fünf Jahre lang doppelt besteuert, da er die Rente nominell 60 Monate aus der Summe der aus versteuertem Einkommen geleisteten Beträge beziehen könne, steht diese Rechtsprechung, die eine getrennte Betrachtung jeder Rentenzahlung nach Kapitalwert und Zinsanteil vornimmt, entgegen.
2.3.3 Der Vortrag, dass der der gesetzlichen Berechnungsmethode der Rente zugrundeliegende Zinssatz -5,77% p.a. vor Abzug von Steuern auf die Rente und bei Berücksichtigung von Steuern und Sozialabgaben sogar -7,90% betrage, woraus gemäß § 22 EStG ein jährlicher negativer Ertragsanteil von -57% resultiere (vgl. im Einzelnen Bl. 10 f.), wohingegen § 22 EStG von einem jährlichen Zinssatz von 3% und einem daraus resultierenden jährlichen Ertragsanteil von +18,0% ausgehe und dies gegen den Grundsatz der Belastung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit verstoße, überzeugt ebenso nicht.
Steuerlasten sind am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit, der Folgerichtigkeit und der steuerlichen Lastengleichheit des Steuerschuldners auszurichten (vgl. etwa BVerfG zum häuslichen Arbeitszimmer vom 6. Juli 2010 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268; BFH vom 19. Januar 2023 III R 44/20, BFH/NV 2023, 1019; vom 20. Oktober 2010 IX R 56/09, BStBl II 2011, 409, Rz 23). Danach muss im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit darauf abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern (horizontale Steuergerechtigkeit), während (in vertikaler Richtung) die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der Steuerbelastung niedrigerer Einkommen angemessen sein muss. Bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands muss die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umgesetzt werden. Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes. Dies gilt auch für die Ausgestaltung der Steuertarife. Im Hinblick auf die Belastungsgleichheit macht es keinen Unterschied, ob Einkünfte, welche die gleiche Leistungsfähigkeit repräsentieren, in unterschiedlicher Höhe in die Bemessungsgrundlage einfließen oder ob sie einem unterschiedlichen Tarif unterworfen werden (vgl. etwa BFH vom 20. Oktober 2010 IX R 56/09, BStBl II 2011, 409, Rz. 23 ).
Zu Recht weist der Kläger darauf hin, dass dem Gesetzgeber ein Spielraum insbesondere auch für Typisierungen gegeben ist. Der Senat kann dabei nicht erkennen, dass durch § 22 EStG eine Verletzung dieses Grundprinzips gegeben wäre. Weder werden durch § 22 EStG Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit unterschiedlich besteuert (horizontale Steuergerechtigkeit), noch ist (in vertikaler Richtung) die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der Steuerbelastung niedrigerer Einkommen unangemessen. Dies trägt auch der Kläger nicht vor. Seine Argumentation zielt allein auf eine aus seiner Sicht in § 22 EStG berücksichtigte tatsächlich nicht angemessene Verzinsung ab, wodurch sich ein niedrigerer als der von § 22 EStG vorgesehene Ertragsanteil ergebe. Auch wenn dadurch der der Besteuerung zugrunde gelegte Ertragsanteil nach § 22 EStG höher sein sollte als ein nach mathematischen Formeln unter Berücksichtigung eines Zinseszinseffekts berechneter individueller "Zinsanteil", so sieht der Senat darin keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Folgerichtigkeit oder der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit. Denn es steht dem Gesetzgeber frei, den Ertragsanteil typisierend pauschal zu berechnen. Welchen Zinsfuß er dabei zugrunde legt, fällt dabei in seinen gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum, zumal zu berücksichtigen ist, dass es sich angesichts der über Jahrzehnte andauernden Ansparphase regelmäßig um einen pauschalen Zinsfuß handeln muss, der nicht dem ständigen Kapitalmarktzins entsprechen kann. Selbst wenn sich bei einer Vielzahl von Steuerpflichtigen der Ertragsanteil nach § 22 EStG im Vergleich zu ihrem individuellen, am Kapitalmarkt orientierten Zinsertrag als zu hoch erweisen sollte, verstößt dies nicht gegen den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum und führt insbesondere nicht zu einer doppelten Besteuerung der Renten anhand der Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung.
2.3.4 Auch der breit ausgeführte Einwand des Klägers, es fehle die für jede Einkunftsart des § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG erforderliche Einkünfteerzielungsabsicht, weil es in einem Umlageverfahren- im Unterschied zum Kapitaldeckungsverfahren - keine individuelle Absicht gebe, Erträge zu erzielen, überzeugt letztlich nicht.
Es trifft zwar zu, dass die Einkunftserzielungsabsicht bei jeder der in § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG genannten Einkunftsarten gegeben sein muss, damit diese steuerlich berücksichtigt werden können (vgl. zur subjektübergreifenden Betrachtung auch Stöber in FR 2017, 801). Es trifft auch zu, dass diese Absicht mitunter fehlen kann, sogar bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (vgl. hierzu BFH vom 28. August 2008 VI R 50/06, BStBl II 2009, 243; vgl. auch BFH vom 19. Mai 2021 X R 33/19, BFH/NV 2021, 992; vom 16. September 2004 X R 29/02, BStBl II 2006, 234). Vorliegend stellt sich dies aber nicht so dar.
Auch wenn im Rahmen des Rentensystems nach dem sog. "Generationenvertrag" nicht jeder Steuerpflichtige seine individuellen Renten(zins)erträge mit seinen Beiträgen anspart, vielmehr die ihm später ausgezahlten Renten aus anderen Quellen, nämlich i.W. den Beiträgen der Beitragszahler im Auszahlungszeitpunkt bzw. Steuermitteln, stammen, so steht doch außer Zweifel, dass es sich bei den ausgezahlten Renten insoweit um Erträge handelt, als der "Kapitalstamm" überschritten ist; insoweit stellt § 22 EStG zu Recht auf einen sog. "Ertragsanteil" ab. Der Vortrag des Klägers, dieser sei nach seiner Berechnung negativ, so dass es an einer Einkunftserzielungsabsicht und auch tatsächlichen Erträgen fehle, überzeugt vor diesem Hintergrund nicht. Der Kläger, der im Zeitpunkt des Rentenerstbezugs eine durchschnittliche weitere Lebenserwartung von 17,22 Jahren (vgl. a.a.O.) hat, erhält bei statistischer Berechnung - ohne Rentenerhöhungen - Rentenzahlungen i.H.v. 464.202 € (17,22 *12* monatl. Rente von 2.246,43 €). Dies übersteigt die eingezahlten Pflichtbeiträge (etwa 362.545 €, wie sich aus dem individuellen Versicherungsverlauf der DRV unter Anwendung des jeweiligen Beitragssatzes (a.a.O.) ergibt) bei weitem. Der Umstand, dass es sich bei den vom Kläger geleisteten Beiträgen zur Rentenversicherung um Pflichtbeiträge handelt, steht einer Einkunftserzielungsabsicht nicht entgegen; denn dies lässt die tatsächliche Einnahmenerzielung unberührt.
2.3.5 Soweit der Kläger die Zuordnung der Rentenbeitragszahlungen durch den Gesetzgeber zu den Sonderausgaben als systemwidrig rügt, begründet dies seinen Klageantrag für 2019 (ausschließlich Bezugsjahr) nicht und für 2018 (Beitrags- und Bezugsjahr) nicht in erster Linie. Denn der Kläger begehrt die Reduzierung seiner Einkommensteuer in Bezug auf einen niedrigeren Besteuerungsanteil seiner Renten. Der Einwand war für 2018 auch nicht im Wege einer Kompensation zu berücksichtigen. Denn die (beschränkte) Abzugsfähigkeit der Rentenbeitragszahlungen als Sonderausgaben gem. § 10 EStG anstelle von vorweggenommenen Werbungskosten (§ 9 EStG) begegnet keinen Bedenken des Senats. Der Gesetzgeber hat Altersvorsorgeaufwendungen durch § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG ausdrücklich den Sonderausgaben zugeordnet, sodass ein Werbungskostenabzug ausscheidet. Es ist höchstrichterlich geklärt, dass es sich bei den Aufwendungen für die Altersversorgung ihrer "wahren" Natur nach um Werbungskosten handelt (vorweggenommene Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften i.S. des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG, vgl. BFH vom 18. April 2012 X R 62/09, BStBl II 2012, 721), dass diese Einordnung aber nach der Gesetzessystematik für die Frage der Abziehbarkeit nach § 9 EStG keine Rolle spielt (vgl. BFH vom 13. April 2021 I R 19/19, BFH/NV 2021, 1357; vom 16. September 2015 I R 61/13, BFH/NV 2016, 401; BFH EuGH-Vorlage vom 16. September 2015 I R 62/13, BStBl II 2016, 205; und vom 18. April 2012 X R 62/09, BStBl II 2012, 721). Hieran bestehen seitens des Senats auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Das BVerfG und der BFH haben sich eingehend auch mit dem vom Kläger gerügten Verstoß gegen das objektive und das subjektive Nettoprinzip auseinandergesetzt und einen solchen mit einer Begründung, die der Senat teilt, verneint (vgl. insoweit BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 14. Juni 2016 2 BvR 323/10, HFR 2016, 829; BFH vom 9. Dezember 2009 X R 28/07, BStBl II 2010, 348). Der Senat sieht daher von weiteren Ausführungen hierzu ab.
2.3.6 Auch auf einen Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot durch die Umstellung des Rentensystems ab 2005 kann sich der Kläger nicht mit Erfolg berufen. Es ist durch den BFH entschieden und vom BVerfG bestätigt, dass die erhöhte Besteuerung von Renten, die aufgrund der zum 1. Januar 2005 vorgenommenen Rechtsänderungen eingetreten ist, nicht gegen das Rückwirkungsverbot oder den Grundsatz des Vertrauensschutzes verstößt (BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 29. September 2015 2 BvR 2683/11, BStBl II 2016, 310; BFH vom 19. Januar 2010 X R 53/08, BStBl II 2011, 567). Dies gilt sowohl für Steuerpflichtige, die an dem genannten Stichtag schon Rentenleistungen bezogen haben, als auch - erst recht - für Steuerpflichtige, die im Veranlagungszeitraum 2005 (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 30. September 2015 2 BvR 1066/10, HFR 2016, 72) oder - wie der Kläger - sogar erst einige Jahre nach dem Systemwechsel in den Rentenbezug eingetreten sind. Der Vortrag des Klägers, der Kapitalstamm sei vor der Gesetzesänderung erdient worden, ist kein neues Argument, sondern von der o.g. Rechtsprechung berücksichtigt worden. Dass es möglich gewesen wäre, die Renten in zwei Teile aufzuteilen oder eine zunächst geringere Anhebung des Besteuerungsanteils zu wählen, wie der Kläger vorträgt, begründet den behaupteten Verfassungsverstoß ebenso nicht. Der Kläger verkennt dabei, dass nach dem Prinzip der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) die Gesetzgebungskompetenz allein beim Gesetzgeber liegt. Der Rechtsprechung obliegt dabei allein die Überprüfung dieser Gesetze, nicht aber die Berücksichtigung von Alternativvorschlägen. Soweit das Argument des Klägers allein dahin verstanden werden sollte, dass es aus seiner Sicht ein "milderes Mittel" der Besteuerung gegeben hätte, übersieht er, dass die Frage der Verhältnismäßigkeit i.e.S. der gesetzgeberischen Entscheidung hier nicht ansteht.
2.3.7 Den Senat überzeugt auch das Argument der fehlenden Normenklarheit im Begriff des "Ertragsanteils" in § 22 EStG nicht.
Der Kläger beanstandet, dass ihm eine mathematische Nachvollziehbarkeit der Ertragsanteilsberechnung anhand des Gesetzeswortlauts von § 22 EStG nicht möglich sei, weil Rechtsbegriffe wie "voraussichtliche Lebenszeit" zu unbestimmt seien und weil der Norm der Kalkulationszinssatz nicht zu entnehmen sei sowie unterschiedliche Definitionen des Kapitalwerts möglich seien, welche dann unterschiedliche Ertragsanteile zur Folge hätten.
Unbestimmte Rechtsbegriffe sind im normativen Recht nichts Ungewöhnliches. Sie bedeuten aber nicht, dass ein Gesetz nicht befolgt werden kann, denn oftmals können sie durch den Rechtsanwender nach anerkannten Auslegungsregeln und unter Zuhilfenahme der Rechtsprechung normspezifisch ausgelegt werden (vgl. hierzu etwa auch BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 13. Februar 2023 1 BvR 2631/21, UVR 2023, 173; BFH vom 28. September 2021 VIII R 12/19, BStBl II 2022, 260). Die Verwendung von unbestimmten Rechtsbegriffen ist grundsätzlich verfassungsrechtlich unbedenklich. Das aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) abzuleitende Gebot der Normenbestimmtheit von Steuergesetzen erfordert, dass für den Bürger Grundrechtseingriffe vorhersehbar sind. Der Bestimmtheitsgrundsatz gebietet dabei allerdings nur, dass der Inhalt der Normen bestimmbar sein muss (vgl. Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2020, Rz. 3.244 m.w.N.). Dies ist in Bezug auf § 22 EStG gewährleistet.
Soweit das Rechtsstaatsprinzip unter dem Gesichtspunkt der Normenklarheit verletzt sein kann, wenn sich in einem gesetzlichen Tatbestand unbestimmte, jeweils für sich noch bestimmbare Tatbestandsmerkmale häufen, so dass eine Gesamtunschärfe entsteht (vgl. Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2020, Rz. 3.244 m.w.N.), ist in § 22 EStG ebenfalls kein Verfassungsverstoß erkennbar.
Auch § 22 EStG ist vom Rechtsanwender zu befolgen. Denn er regelt sowohl die tatbestandlichen Voraussetzungen als auch die Rechtsfolge hinreichend bestimmt. Der Senat teilt die hierzu vorgetragenen Bedenken des Klägers nicht. Die tatbestandlichen Voraussetzungen sind eindeutig geregelt. Dies gilt auch für die Rechtsfolgenanordnung. Der Kläger nimmt mittels eigener mathematischer Formeln Interpretationsmöglichkeiten des Rechtsbegriffs "Kapitalwert" vor, um mit diesen die vermeintliche Unbestimmtheit des § 22 EStG zu rechtfertigen. Aus Sicht des Senats besteht dieser Interpretationsspielraum jedoch nicht. Denn § 22 EStG benennt im Rahmen der Rechtsfolge die jeweiligen Ertragsanteile in fixen Prozentbeträgen. Dass der Kläger diese für unzutreffend halten mag, führt nicht zur Unbestimmtheit des Gesetzes. Denn für dessen Anwendbarkeit ist es nicht erforderlich, mathematische Berechnungsschemata für die jeweiligen Ertragsanteile oder aber den diesen zugrunde liegenden Zinsfuß zu benennen.
2.3.8 Sofern der Kläger sich gegen die Anwendung des Nominalwertprinzips anstelle der "real existierenden" Zinseszinsberechnung wendet, kann er damit ebenfalls keinen Erfolg haben. Es ist bereits höchstrichterlich geklärt, dass es nicht zu beanstanden ist, die Berechnung der Rentenbesteuerung nach dem Nominalwertprinzip durchzuführen (vgl. nur BFH vom 19. Mai 2021 X R 33/19, BFH/NV 2021, 992 und X [BFH 23.07.2020 - VIII B 157/19] R 20/19, juris; erneut bestätigt durch BFH vom 24. August 2021 X B 53/21 (AdV), juris, und vom 22. September 2021 X S 15/21, juris). Der Senat schließt sich dem an. Der Kläger lässt in aller Deutlichkeit erkennen, dass er hierzu eine andere Auffassung vertritt; er trägt aber keine Argumente vor, die nicht bereits höchstrichterlich gewürdigt und für nicht durchgreifend erachtet wurden.
2.3.9 Der weitere Vortrag des Klägers im Hinblick auf die "doppelte Verbeitragung im Sozialversicherungssystem", wonach die sozialversicherungspflichtige Rente aus Beiträgen bestehe, die bereits schon einmal mit Sozialversicherungsbeiträgen belegt worden seien, ist nicht geeignet, den Klageantrag auf niedrigere Besteuerung zu begründen; denn die Sozialversicherungspflicht hat auf die Bemessung der Rentenbesteuerungsgrundlage sowie die Festsetzung der Einkommensteuer keinen Einfluss. Soweit der Kläger mit diesem Argument einen Verstoß gegen den Grundsatz der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit darlegen will, verweist der Senat zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen auf seine Ausführungen unter 2.3.3. Ungeachtet dessen vermag der Senat in der Belastung mit Sozialbeiträgen, die sich prozentual nach den konkreten Einnahmen bemessen, keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit zu erkennen.
Ähnliches gilt für den Hinweis des Klägers auf eine Grundrente (vgl. Gesetz zur Einführung der Grundrente für langjährige Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung mit unterdurchschnittlichem Einkommen und für weitere Maßnahmen zur Erhöhung der Alterseinkommen - Grundrentengesetz - vom 12. August 2020, BGBl I 2020, 1879). Soweit der Kläger vorträgt, in der Höhe, wie ein "Grundrentner" EP vom Staat erhalte, müsse ein Rentner, der diese EP mit eigener Beitragsleistung erbracht habe, zusätzlich von der Steuer in § 22 EStG freigestellt werden, übersieht er zunächst, dass die Grundrente erst seit 2021 gilt, das heißt, dass eine ungleiche Besteuerung in den Streitjahren ohnehin dadurch nicht erfolgen konnte. Ungeachtet dessen stellt die Gewährung dieser staatlichen Leistungen in Form sog. EP zum Erhalt von (Grund-)Rentenzuflüssen eine Sozialleistung dar, die grundsätzlich losgelöst von der Besteuerung der dadurch erwirkten Zahlungen ist. Einen Verstoß von § 22 EStG gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) sieht der Senat darin nicht.
3. Auch soweit der Kläger die Besteuerung der Betriebsrente aus der Ruhegehalts- und Zusatzversorgungskasse ... im Streitjahr 2019 mit einem Ertragsanteil von 0 % begehrt, hat die Klage keinen Erfolg. Denn auch hinsichtlich dieser privaten Renteneinkünfte bestehen aus Sicht des Senats keine Bedenken an der vom Beklagten vorgenommenen Besteuerung. Diese entspricht einfachgesetzlich den Vorgaben des § 22 Nr. 5 Satz 2 Buchst. a und Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG. Es ist weder nachvollziehbar vorgetragen noch sonst aus den Akten ersichtlich, dass die Rentenbezüge unzutreffend berücksichtigt worden wären.
Gegen diese Behandlung bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken des Senats. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen unter 2 verwiesen. Insbesondere liegt nach den dargestellten Rechtsgrundsätzen auch keine doppelte Besteuerung dieser Renteneinkünfte vor (vgl. zu privaten Renten auch BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 7. November 2023 2 BvR 1143/21, juris). Nach dem Vortrag des Klägers fließen diesem an Rentenbezügen aus einer Betriebsrente der Ruhegehalts- und Zusatzversorgungskasse ... anfänglich monatlich 865,88 € (vor Rentenerhöhungen) zu. Dies entspricht einem Jahreswert von 10.390,56 €. Der nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb i.V.m. Nr. 5 Satz 1 EStG steuerfreie Anteil (82%) davon beläuft sich auf 8.520 €. Gemessen an der durchschnittlichen verbleibenden Lebenserwartung des Klägers von 17,22 Jahren (vgl. Sterbetafeln, a.a.O.) ergäben sich dabei voraussichtlich steuerfreie Rentenzuflüsse i.H.v. rund 146.719 €. Es ist weder vorgetragen noch sonst - etwa aus den für die Jahre ab 1999 vorliegenden Einkommensteuererklärungen und Einkommensteuerbescheiden - ersichtlich, dass in mindestens dieser Höhe Rentenbeiträge aus versteuertem Einkommen geleistet worden wären. Dies erscheint auch unwahrscheinlich, denn gemessen an maximal 36 Beitragsjahren wären dies p.a. durchschnittlich 4.075 €.
4. Die Klage hat auch mit ihrem Hilfsantrag keinen Erfolg. Der Kläger begehrt damit die Reduzierung des Ertragsanteils für die sonstigen Einkünfte in Form der Rentenbezüge aus der gesetzlichen Rentenversicherung mit 58 %. Er begründet dies damit, dass die diesbezüglichen Rentenbeiträge zu 42 % - berechnet anhand der EP - aus versteuertem Einkommen geleistet worden seien. Nach den vorstehenden Ausführungen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, begegnet die Anwendung des gesetzlich vorgegebenen Ertragsanteils jedoch keinen - auch keinen verfassungsrechtlichen - Bedenken.
5. Der Senat war nicht zur Einleitung eines Normenkontrollverfahrens gem. Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG verpflichtet. Denn er hält die den angefochtenen Steuerfestsetzungen zugrundeliegenden Rechtsnormen für verfassungsgemäß.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Der Senat lässt die Revision gem. § 115 Abs. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) der bislang - soweit ersichtlich - höchstrichterlich noch nicht entschiedenen Rechtsfrage zu, ob § 22 Nr. 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa und bb EStG gegen den Grundsatz der Normenklarheit verstoßen, weil die dort genannten Ertragsanteile nicht mittels mathematischer Berechnung nachvollziehbar sind.
Der Senat hält eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid gem. § 90a FGO für sachgerecht, zumal ein weiterer Erkenntnisgewinn durch eine mündliche Verhandlung nicht zu erwarten scheint.