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  • 06.08.2021 · IWW-Abrufnummer 223932

    Finanzgericht Brandenburg: Urteil vom 18.03.2021 – 9 K 9147/19

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Berlin-Brandenburg

    Urteil vom 18.03.2021


    In dem Rechtsstreit
    der Eheleute A... und B...,
    Kläger,
    Bevollmächtigter:
    gegen
    das Finanzamt,
    Beklagter,

    wegen Einkommensteuer 2016

    hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 9. Senat - aufgrund mündlicher Verhandlung vom 18. März 2021 durch
    den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht ...,
    den Richter am Finanzgericht ... und
    den Richter am Finanzgericht ... sowie die
    ehrenamtlichen Richter Herr ... und Herr ...
    für Recht erkannt:

    Tenor:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern auferlegt.

    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten um die Frage, ob bei der Zusammenveranlagung der Kläger zur Einkommensteuer 2016 Aufwendungen in Höhe von 149 243,77 EUR für die Sanierung einer Dachgeschosswohnung als außergewöhnliche Belastungen im Sinne von § 33 des Einkommensteuergesetzes - EStG - zu berücksichtigen sind.

    Der 1981 geborene Kläger und die 1986 geborene Klägerin sind Ehegatten, die im Jahr 2015 heirateten und seitdem vom Beklagten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Beide erzielten im Streitjahr 2016 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit: Der Kläger als EDV-Fachmann in Höhe von 150 166,00 EUR brutto und seine Ehefrau in Höhe von 44 825,00 EUR brutto.

    Mit Vertrag vom 21. Mai 2012 (UR-Nr. .../2012 des Notars C... aus D...) erwarb der damals noch ledige und in E... wohnende Kläger das alleinige Eigentum an dem nicht ausgebauten Dachgeschossraum im Gebäude F...-Straße in D... (= Eigentumseinheit Dachgeschoss Nr. 13) gegen Zahlung eines Kaufpreises in Höhe von 191 500,00 EUR mit dem Ziel der Schaffung und anschließenden Selbstnutzung von Wohnraum. Verkäuferin der Eigentumseinheit war die G... GmbH mit Sitz in H... (Bundesland Schleswig-Holstein) als Grundstückseigentümerin. Das betreffende Wohngebäude stammt aus der Gründerzeit und weist unterhalb des Dachgeschosses vier Vollgeschosse auf. Das Dachgeschoss war vormals als Dachboden genutzt worden. Ein weiterer Teil des bislang nicht ausgebauten Dachgeschossraums wurde von Herrn I... als Eigentumseinheit erworben. Auch insoweit wurde von Herrn I... anschließend Wohnraum errichtet, der in der Folgezeit fremdvermietet wurde.

    Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages waren bereits ausgearbeitete Baupläne des damals in D... wohnhaften Architekten J... vorhanden, wonach der Dachgeschossraum zu zwei Wohneinheiten mit jeweils drei Zimmern sowie Küche und zwei Bädern ausbaubar war. Die Planungsunterlagen stammten von einer K... GmbH aus L... und waren im Auftrag der Grundstückseigentümerin erstellt worden. Bereits im vorangegangenen Jahrzehnt war der Grundstückseigentümerin eine diesbezügliche Baugenehmigung erteilt worden, die aber wegen Zeitablaufs inzwischen ungültig geworden war. In diesem Zusammenhang hatte Herr M... im Jahr 2002 eine statische Berechnung des Bauvorhabens einschließlich Wärmeschutz, Schallschutz- und Brandschutznachweis erstellt. Diese Berechnung wurde durch den Prüfingenieur für Standsicherheit N... am 10. August 2012 bauaufsichtsrechtlich geprüft und dabei mit handschriftlichen Vermerken versehen.

    Die statische Berechnung aus dem Jahr 2002 enthielt in den Vorbemerkungen folgenden Vermerk: "Der verantwortliche Bauleiter hat vor Baubeginn die Tragfähigkeit des vorhandenen Mauerwerks und der Holzkonstruktion im Dachgeschoss zu überprüfen. ... Die Holzbauteile müssen die Anforderungen der Güteklasse II erfüllen. Sollten ... Holzbauteile ihre erforderliche Güteklasse nicht mehr erreichen, so sind diese Bereiche abschnittsweise vor Beginn der eigentlichen Arbeiten zu sanieren bzw. die Holzbauteile auszutauschen".

    Auch findet sich mehrfach in der Berechnung der handschriftliche Vermerk: "Brandschutz beachten".

    In seinem Prüfbericht vom 10. August 2012 vermerkte N... Folgendes: "8.4. Der statische Nachweis der Dachkonstruktion und der Deckenbalkenanlage ist unter Hinzuziehung der Feststellungen der gutachterlichen Stellungnahme (s. Ziff.2.1) in den beschädigten Bereichen neu zu führen. ...

    8.10. Der verantwortliche Bauleiter hat vor Ort zu überprüfen, ob die statischen Annahmen für die vorhandenen Bauteile, betreffend der Mindestquerschnitte und Mindestgüten, richtig sind. ...

    8.13. Zur Durchführung der Bauüberwachung bitte ich rechtzeitig um Bekanntgabe der erforderlichen Abnahmetermine (nach Absprache) durch die bauausführende Firma."

    Am 21. Mai 2012 schloss der Kläger, vertreten durch den Architekten J..., mit dem Unternehmen "O..." aus D... einerseits sowie dem Unternehmen P..., ebenfalls aus D..., andererseits einen "Bauvertrag" betr. den Ausbau der vorgenannten Eigentumseinheit ab (Vergütung pauschal: 95 226,89 EUR zuzüglich Umsatzsteuer).

    Einen gesonderten Architektenvertrag schloss der Kläger mit dem Architekten J... nicht ab. Dieser übernahm gleichwohl die Aufgabe der Baubetreuung und der Bauleitung und führte sie in der Folgezeit auch durch. Grundlage hierfür war ein bereits bestehender Vertrag zwischen der Grundstückseigentümerin und Herrn J.... Die Höhe des hierfür von der Grundstückseigentümerin an Herrn J... gezahlten Honorars ist dem Kläger nicht erinnerlich. In dem o. g. Kaufvertrag vom 21. Mai 2012 heisst es hierzu:

    "§ 13 Sonstiges

    Der Verkäufer hat bereits für einen Ausbau der Eigentumseinheit eine Baugenehmigung erhalten; diese ist aber bereits abgelaufen. Eine neue ist bei dem Bezirksamt Q... beantragt worden. Der Verkäufer wird die Baugenehmigung bis zum ... Übergabetermin beibringen.

    Der Verkäufer überträgt hiermit seine Rechte an der vorgenannten Baugenehmigung ... an den Käufer. Der Verkäufer überträgt auf den Käufer weiterhin aufschiebend bedingt mit der Kaufpreiszahlung alle Rechte an den von dem Architekten Herrn J... in D..., R...-Straße, für die Baugenehmigung erarbeiteten Planungsunterlagen und Bauplänen sowie die Ausführungsplanung einschließlich der ihm zustehenden Nutzungsrechte an Urheberrechten. Der Käufer nimmt die Übertragung an. ...

    Der Verkäufer versichert, dass das Architektenhonorar des vorgenannten Architekten für die Bauleitung und die Baubetreuung auf der Grundlage der vorbezeichneten Unterlagen bereits beglichen wurde und bei einer Beauftragung des vorgenannten Architekten mit der Baubetreuung und der Bauleitung aufgrund der vorgenannten Unterlagen bereits abgegolten ist. Auch diese Ansprüche gegenüber dem vorgenannten Architekten überträgt der Verkäufer auf den dies annehmenden Käufer. Alle Abtretungen stehen unter der Bedingung der Hinterlegung des Kaufpreises."

    Am 5. Juni 2012 stellte die Grundstückseigentümerin beim Bezirksamt Q... erneut einen Bauantrag betr. Ausbau des Dachgeschosses zu zwei Wohnungen.

    Am 21. August 2012 versandte das vorgenannte Bezirksamt an die Grundstückseigentümerin eine Mitteilung nach § 63 Absatz 3 Satz 3 der Bauordnung des Landes Berlin (künftig: LBauO) betr. "Antrag vom 5. Juni 2012 wegen Dachgeschossausbau zu zwei Wohneinheiten". In diesem Schreiben wurde darauf hingewiesen, dass nach § 60 Abs. 2 LBauO die Genehmigungsfreiheit des Bauvorhabens nicht von der Pflicht zur Einhaltung der Anforderungen der öffentlich-rechtlichen Vorschriften entbinde. Die maßgeblichen Rechtsgrundlagen waren in einer Anlage zu dem Schreiben aufgeführt. Zudem wurde darauf hingewiesen, dass eine beabsichtigte Aufnahme der Nutzung der fertiggestellten Wohneinheiten mindestens zwei Wochen im Voraus mit dem Vordruck "Bauaufsicht112" anzuzeigen sei. Außerdem sei die Bescheinigung über die Baufertigstellung beizufügen.

    Die beauftragten Handwerksunternehmen führten den Dachgeschossausbau im Laufe des Jahres 2012 durch. Am 3. Februar 2013 erstellte Herr J... gegenüber dem Kläger eine "Mängelliste" mit der Ankündigung, die Abnahme der fertiggestellten Wohnung gegenüber Herrn P... erst nach deren Beseitigung zu erklären (Bl. 47/48 d. A.). Hierzu kam es trotz wiederholter Mängelbeseitigungsversuche jedoch nie. Ab Ende Januar 2013 bis zum März 2015 nutzten die Kläger die streitgegenständliche Wohnung zu eigenen Wohnzwecken. Mit E-Mailschreiben vom 17. Dezember 2013 informierte Herr J... die zuständige Hausverwaltung (Fa. S...) über die "vorzeitige Bezugsfertigkeit" der beiden Dachgeschosswohnungen trotz noch ausstehender abschließender handwerklichen Arbeiten (Bl. 49 d. A.).

    Am 1. Juli 2014 übersandte die örtliche Bauaufsichtsbehörde dem Kläger ein Anhörungsschreiben zur geplanten "Nutzungsuntersagung Dachausbau im Vorderhaus". Der Kläger wurde aufgefordert, schriftliche Unterlagen betr. eine konstruktive Bauüberwachung hinsichtlich der Standsicherheit und des Brandschutzes vorzulegen und im Hinblick auf § 81 LBauO zum vorzeitigen Bezug der Wohnung Stellung zu nehmen. Für den Fall der fehlenden Beibringung der geforderten Unterlagen wurde mit weiterem Schreiben vom 19. November 2014 eine Nutzungsuntersagung binnen einer Frist von zwei Wochen angekündigt.

    Da keine aussagekräftigen Unterlagen bei der Bauaufsicht eingereicht wurden, mussten die Kläger die Dachgeschosswohnung im März 2015 räumen und in eine Ersatzwohnung ziehen. Die Kläger ließen die Dachgeschosswohnung in den Jahren 2015 und 2016 komplett entkernen, da inzwischen festgestellt worden war, dass der Ausbau weder fach- noch sachgerecht durchgeführt worden war (insbesondere den Erfordernissen des Brandschutzes nicht entsprach), Statikauflagen nicht beachtet und auch eine Fertigstellungsanzeige gegenüber der Bauaufsichtsbehörde nicht erfolgt war. Im Streitjahr 2016 entstanden den Klägern aufgrund der Sanierung Kosten in Höhe von 149 243,77 EUR. Sie wurden beim Rück- und erneutem Ausbau ihrer Dachgeschosswohnung von Frau T... aus D... fachlich beraten.

    Im Jahr 2017 kamen noch weitere Aufwendungen in Höhe von rund 50 000,00 EUR hinzu.

    Die Kläger hatten keinen Versicherungsschutz für die vorgenannten Aufwendungen. Regressansprüche gegenüber den Bauunternehmen sowie dem Architekten J... ließen sich nicht durchsetzen, da selbst mit hinzugezogener anwaltlicher Hilfe sich der Aufenthaltsort des Architekten von den Klägern nicht ermitteln ließ und die beteiligten Handwerksunternehmen inzwischen insolvent waren.

    Im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2016 machten die Kläger Aufwendungen in Höhe von insgesamt 159 845,77 EUR als außergewöhnliche Belastung im Sinne von § 33 EStG geltend. Diese setzen sich wie folgt zusammen:

    Rückbaukosten Fa. U...    12 870,14 EUR
    Sondernutzung Straßenland BA Q...    1 144,36 EUR
    Rück- und Neubau Sanitär Fa. V...    12 788,14 EUR
    Rückbau Elektro Fa. W...    868,70 EUR
    Korrektur Dachstuhl sowie Dachdecker- und Dachklempnerarbeiten durch Fa. X... GmbH (Rechnung Bl. 78 ff. ESt-Akte)    85 753,12 EUR
    Architektenleistung Ing.-Büro T...    1 775,00 EUR
    Innenausbau neu Fa. U...    32 022,50 EUR
    Nachtragsrechnung Statik neu Ing.-Büro Y...    2 021,81 EUR
    Miete 883,50 EUR x 12 =    10 602,00 EUR;

    Die Kläger machten geltend, dass die Sanierung der Dachgeschosswohnung aufgrund der Nutzungsuntersagungsverfügung seitens des Bauaufsichtsamtes unausweichlich und in finanzieller Hinsicht existenzbedrohend gewesen sei. Verantwortlich hierfür seien die Bauunternehmen und der außerdem beauftragte Architekt. Inzwischen sei die Generalunternehmerin insolvent und der Architekt unter seiner Meldeadresse nicht mehr erreichbar. Von ihnen, den Klägern, erhobene Schadensersatzansprüche seien daher ins Leere gelaufen.

    Mittels Bescheids vom 30. August 2017 setzte der Beklagte die Einkommensteuer 2016 auf 55 632,00 EUR fest. In den "Erläuterungen zur Festsetzung" heißt es: "Die Aufwendungen durch Nutzungsuntersagung können nur in Höhe von 10 602 EUR (Mietbelastung) berücksichtigt werden; weitere Kosten können nicht berücksichtigt werden, da es sich hierbei um Aufwendungen handelt, bei der eine private Mitveranlassung gegeben ist. Sie unterlägen daher der Nichtabzugsfähigkeit i. S. d. § 12 Nr. 1 EStG. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes -BFH- (Beschluss vom 11.2.2009, Az. VI B 140/08) sind Aufwendungen zur Behebung von Baumängeln grundsätzlich nicht zum Abzug als außergewöhnliche Belastungen zugelassen. Nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung ist die Prüfung der Abzugsfähigkeit von Aufwendungen jedes Jahr erneut vorzunehmen."

    Im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung für das Vorjahr 2015 machten die Kläger Aufwendungen in Höhe von 20 901,75 EUR infolge der Nutzungsuntersagung betr. die Dachgeschosswohnung als außergewöhnliche Belastungen geltend, von denen der Beklagte nur einen Teilbetrag in Höhe von 9 828,75 EUR betr. Möbeltransport, Umzugskostenpauschale sowie Mietaufwendungen für die Ersatzwohnung ab 15. März 2015 bei der Einkommensteuerveranlagung berücksichtigte.

    Gegen den Einkommensteuerbescheid 2016 vom 30. August 2017 legten die Kläger fristgerecht Einspruch ein und wiesen zu dessen Begründung auf das rechtswidrige und vorsätzliche Handeln der ursprünglich beauftragten Unternehmen hin, die eine "private Katastrophe" bewirkt hätten.

    Mittels Einspruchsentscheidung vom 20. Mai 2019 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Mängel an einem Bauwerk seien keineswegs unüblich und nicht mit ungewöhnlichen Ereignissen wie etwa Hochwasserschäden vergleichbar (Hinweis auf Beschluss des BFH vom 11. Februar 2009 - VI B 140/08, Sammlung der Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 2009, 762). Der Umstand, dass ein vor Durchführung der Beseitigungs- bzw. Wiederherstellungsmaßnahmen erstelltes amtliches technisches Gutachten nicht vorliege, stehe dem Abzug der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung nicht entgegen. Gleichwohl habe der Steuerpflichtige nachzuweisen, dass er sich den Aufwendungen aus tatsächlichen Gründen nicht habe entziehen können.

    Vorliegend müssten sich die Kläger entgegenhalten lassen, dass sie sich weder im Vorfeld der Dachgeschosssanierung mit den statischen Auflagen der geplanten Baumaßnahmen auseinandergesetzt, noch das Bauvorhaben ordnungsgemäß überwacht und der Bauaufsichtsbehörde außerdem pflichtwidrig keine fristgerechte Fertigstellungsanzeige übersandt hätten. Es habe dem Kläger als Bauherrn oblegen, die Übereinstimmung des Vorhabens mit sämtlichen einschlägigen Vorschriften des öffentlichen Rechts zu gewährleisten. Zudem hätte es ihm unabhängig von den verdeckten Baumängeln auffallen müssen, dass vor dem Einzug in das Dachgeschoss weder eine Baufertigstellungsanzeige eingereicht worden sei noch der Bezirksschornsteinfegermeister einen Bescheid über die sichere Benutzbarkeit der Abgasanlagen ausgestellt gehabt habe. Die zu erfüllenden Auflagen bei Bauvorhaben und die einzureichenden Formulare seien für jeden Bauherrn unabhängig von der jeweiligen Bauleitung auf den Internetseiten der zuständigen Senatsverwaltungen frei abrufbar.

    Der Umstand, dass die Bauausführenden nicht hätten in Regress genommen werden können, ändere nichts an der fehlenden Zwangsläufigkeit der streitgegenständlichen Aufwendungen.

    Zur Begründung ihrer hiergegen gerichteten Klage machen die Kläger im Wesentlichen geltend, dass die Rechtsprechung des BFH zur Anerkennung einer außergewöhnlichen Belastung des Steuerpflichtigen in einem solchen Fall einige Entwicklungen erfahren habe. In einem Urteil vom 6. Mai 1994 - III R 27/92, Bundessteuerblatt -BStBl- II 1995, 104 habe der BFH das Vorliegen einer außergewöhnlichen Belastung bei Schäden an einem zu eigenen Wohnzwecken genutzten Einfamilienhaus bejaht, die auf eine defekte Drainageleitung zurückzuführen gewesen seien. In seinem Urteil vom 9. August 2001 - III R 6/01, BStBl II 2002, 240 [BFH 09.08.2001 - III R 6/01] habe der BFH hingegen das Vorliegen einer außergewöhnlichen Belastung bei Schäden im Zusammenhang mit der Asbestsanierung eines Gebäudes verneint. Im selben Sinne seien auch die Beschlüsse des BFH vom 19. Juni 2006 - III B 37/05, BFH/NV 2006, 2057 und vom 11. Februar 2009 - VI B 140/08, BFH/NV 2009, 762 ergangen.

    Von seiner kategorischen Ablehnung von Aufwendungen für die Beseitigung von Baumängeln als außergewöhnliche Belastung im Sinne von § 33 EStG habe der BFH in seinem Urteil vom 29. März 2012 - VI R 70/10, BStBl II 2012, 572 ein Stück weit Abstand genommen: Danach könne das Vorhandensein von Baumängeln zur Versagung der Anerkennung einer außergewöhnlichen Belastung führen, müsse es aber nicht in jedem Fall.

    Wegen der weiteren Ausführungen der Kläger wird auf die Schriftsätze ihres Prozessbevollmächtigten vom 31. Juli, vom 8. August sowie vom 28. Oktober 2019 Bezug genommen.

    Die Kläger beantragen,

    die Einkommensteuer 2016 unter Änderung des Bescheids vom 30. August 2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. Mai 2019 dahingehend festzusetzen, dass außergewöhnliche Belastungen im Sinne von § 33 EStG in Höhe von weiteren 149 243,77 EUR berücksichtigt werden.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Nach der Rechtsprechung des BFH könnten zwar auch Aufwendungen für die Wiederherstellung der Bewohnbarkeit eines selbstgenutzten Gebäudes, welches durch ein von dem Steuerpflichtigen nicht beeinflussbares außergewöhnliches Ereignis beschädigt worden sei, im Rahmen des § 33 EStG Berücksichtigung finden. Voraussetzung hierfür sei, dass der betreffende Vermögensgegenstand für den Steuerpflichtigen eine existentiell wichtige Bedeutung habe, keine Anhaltspunkte für ein Verschulden des Steuerpflichtigen erkennbar seien, realisierbare Ersatzansprüche gegen Dritte nicht gegeben seien und die beschädigten Vermögensgegenstände in Größe und Ausstattung nicht erheblich über das Notwendige und Übliche hinausgehen würden (Hinweis auf BFH-Urteile vom 29. März 2012 - VI R 70/10, BStBl II 2012, 572 und vom 15. Juni 2016 - VI R 44/15, BFH/NV 2017, 12). Hiervon abzugrenzen seien aber solche Fälle, bei denen die Sanierungsaufwendungen auf Baumängeln beruhten. Da Schadensbeseitigungskosten, die auf Baumängeln beruht, nicht unüblich seien, könne es an der Außergewöhnlichkeit der Aufwendungen fehlen (Hinweis auf BFH-Urteile vom 9. August 2001 - III R 6/01, BStBl II 2002, 240 [BFH 09.08.2001 - III R 6/01] und vom 29. März 2012, aaO sowie die BFH-Beschlüsse vom 19. Juni 2006 - III B 37/05, BFH/NV 2006, 2057 und vom 11. Februar 2009 - VI B 140/08, BFH/NV 2009, 762). Dies gelte selbst dann, wenn die Baumängel gesundheitsgefährdend seien (Hinweis auf BFH-Urteile vom 20. Januar 2016 - VI R 19/14, BFH/NV 2016, 909 und vom 15. Juni 2016, aaO). Der Umstand, dass Gewährleistungsansprüche wegen Verjährung nicht mehr bestünden, ändere daran nichts (Hinweis auf BFH-Beschluss vom 28. März 2018 - VI B 106/17, BFH/NV 2018, 716).

    Im Streitfall sei der Kläger der private Bauherr des fraglichen Bauvorhabens gewesen. Grundsätzlich obliege es dem Bauherrn dafür zu sorgen, dass die Durchführung des Bauvorhabens sicher und sachgemäß erfolge. Der Kläger habe vorliegend wissentlich auf die Führung eines Bautagebuches verzichtet. In einem solchen Fall hätte der Kläger eine äußerst intensive Bauüberwachung vornehmen müssen. Eine solche sei offensichtlich nicht erfolgt, da der Kläger damals in E... gewohnt habe und nur alle acht bis zwölf Tage auf der Baustelle nach dem Rechten gesehen habe. Deshalb hätte er sich der professionellen Hilfe eines unabhängigen Bausachverständigen bedienen müssen. Einer fachkundigen Person wäre ein Mangel wie z. B. die Nichtanbindung der Dachterrassenentwässerung an die Regenfallrohre sofort aufgefallen. Zudem würden unabhängige Baubetreuer regelmäßig über eine entsprechende Berufshaftpflichtversicherung verfügen, die auch Sachschäden ersetzen würde. Der Kläger habe sich für eine zu seinen Lasten mit einem Risiko behaftete Ausgestaltung seiner zivilrechtlichen Vereinbarungen mit dem Architekten und den Bauunternehmern entschieden, sodass bereits der Bauvertragsabschluss als wesentliche Ursache für die später angefallenen zusätzlichen Aufwendungen angesehen werden müsse.

    Insbesondere müsse sich der Kläger vorhalten lassen, die neu erstellte Dachgeschosswohnung fahrlässig vor Einreichung einer Fertigstellungsanzeige beim Bezirksamt zu eigenen Wohnzwecken bezogen zu haben. Ein weiteres Verschuldensmoment liege in dem Bezug der neu hergestellten Wohnung bereits im Januar 2013 zu einem Zeitpunkt, in dem ihm bereits das Vorhandensein von Mängeln bei der Bauausführung bekannt gewesen und weder eine Bauabnahme durch den Architekten noch eine Fertigstellungsanzeige gegenüber dem Bezirksamt erfolgt sei.

    Wegen der weiteren Ausführungen des Beklagten wird auf dessen Klageerwiderung vom 5. September 2019 Bezug genommen.

    Dem erkennenden Senat hat bei seiner Entscheidung ein Band Lohnsteuer-Arbeitnehmerakten betr. den Kläger (StNr.: ...) vorgelegen, auf dessen Inhalt wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Beteiligtenvorbringens Bezug genommen wird.

    Entscheidungsgründe

    A.

    Die Klage ist unbegründet. Der Einkommensteuerbescheid für 2016 vom 30. August 2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. Mai 2019 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (vgl. § 100 Absatz 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung-FGO-).

    Der Beklagte hat zu Recht Aufwendungen der Kläger zur Ermöglichung einer erstmaligen bau- und brandschutzrechtskonformen Nutzung der streitgegenständlichen Dachgeschosswohnung im Gebäude F...-Straße in D... im Streitjahr 2016 in Höhe von 149 243,77 EUR nicht als weitere außergewöhnliche Belastungen im Sinne von § 33 Abs. 1 EStG angesehen.

    1. Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung) erwachsen. Zwangsläufig erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen dann, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich des § 33 ausgeschlossen sind dagegen nach Ansicht des BFH, der der erkennende Senat folgt, die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind (vgl. BFH-Urteil vom 29. März 2012 - VI R 21/11, BStBl II 2012, 574 m.w. N.).

    2. Aufwendungen, die im Zusammenhang mit Gegenständen des existenznotwendigen Bedarfs (z. B. Wohngebäuden) stehen, können nach der BFH-Rechtsprechung außergewöhnliche Belastungen sein (vgl. BFH-Urteile vom 29. März 2012 - VI R 70/10, BStBl II 2012, 572 und vom 15. Juni 2016 - VI R 44/15, BFH/NV 2017, 12). Allerdings dürfen die Aufwendungen nicht der Beseitigung von Baumängeln dienen. Baumängel sind nach Ansicht des BFH, der der Senat folgt, keineswegs unüblich und nicht mit ungewöhnlichen Ereignissen wie etwa Hochwasserschäden vergleichbar (vgl. BFH-Urteile vom 9. August 2001 - III R 6/01, BStBl II 2002, 240 [BFH 09.08.2001 - III R 6/01] und vom 29. März 2012, aaO; BFH-Beschlüsse vom 19. Juni 2006 - III B 37/05, BFH/NV 2006, 2057 und vom 11. Februar 2009 - VI B 140/08, BFH/NV 2009, 762). Dies gilt insbesondere auch dann, wenn eine selbstgenutzte Wohnung betroffen ist und Gewährleistungsansprüche gegenüber Dritten nicht durchsetzbar sind (vgl. BFH-Beschluss vom 28. März 2018 - VI B 106/17, BFH/NV 2018, 716 m. w. N.).

    Die von den Klägern als Beleg für eine "Abstandnahme" des BFH von dieser gefestigten Rechtsprechung angeführte Entscheidung VI R 70/10 steht dem nicht entgegen. Vielmehr hat der BFH dort lediglich entschieden, dass ein "die Außergewöhnlichkeit der Aufwendungen ausschließender Baumangel" im dortigen Streitfall nicht anzunehmen sei, da das Auftreten des "Echten Hausschwamms" nicht davon abhängig sei, ob das jeweilige Bauwerk entsprechend den allgemein anerkannten Regeln des Bauhandwerks errichtet worden sei.

    Eine solche Konstellation liegt im Streitfall indes nicht vor. Im vorliegenden Fall haben die fraglichen Aufwendungen unstreitig in vollem Umfang der Beseitigung von Baumängeln im Sinne der o. g. BFH-Rechtsprechung gedient, die der beabsichtigten Nutzung der vom Kläger erworbenen Eigentumseinheit Nr. 13 im Gebäude F...-Straße in D... zu eigenen Wohnzwecken entgegengestanden haben. Die im Streitfall gegebenen Mängel waren auch schon zur Zeit der Errichtung der Wohnung als solche zu bewerten und nicht lediglich aufgrund einer später abweichenden Beurteilung (wie im Fall BFH VI R 21/11). Die Aufwendungen waren somit nicht "außergewöhnlich" im Sinne von § 33 Abs. 1 EStG.

    Wegen der weiteren Begründung der Entscheidung wird zur Entlastung des Gerichts gemäß § 105 Abs. 5 FGO auf die zutreffenden Ausführungen des Beklagten in der Einspruchsentscheidung vom 20. Mai 2019 verwiesen.

    B.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    RechtsgebietEStGVorschriften§ 33 EStG