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  • 08.02.2021 · IWW-Abrufnummer 220365

    Landgericht Potsdam: Urteil vom 09.10.2020 – 8 O 189/19

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Landgericht Potsdam

    Urteil vom 09.10.2020


    In dem Rechtsstreit
    pp.

    hat das Landgericht Potsdam - 8. Zivilkammer - durch die Richterin am Amtsgericht xxx als Einzelrichterin aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 31.08.2020 für Recht erkannt:

    Tenor:

    I.
    Die Klage wird abgewiesen.

    II.
    Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

    III.
    Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

    Beschluss

    Der Streitwert wird auf 11.980,00 € festgesetzt.

    Tatbestand

    Die Parteien streiten über Rückzahlungsansprüche aufgrund klägerseits erklärtem Rücktritt von einem Kaufvertrag.

    Die Parteien schlossen am 27.07.2018 einen Kaufvertrag über das gebrauchte Fahrzeug Hyundai Typ H1 mit der Fahrgestellnummer KMHWH81JP9U131967 zu einem Kaufpreis von 11.980,00 €. Das Fahrzeug wurde an demselben Tag an den Kläger übergeben; den Kaufpreis zahlte der Kläger an die Beklagte.

    Kurze Zeit nach Übergabe funktionierte der Turbolader des Fahrzeuges nicht mehr. Der Kläger verbrachte das Fahrzeug zu der Beklagten. Die Beklagte ersetzte am 02.08.2018 den monierten Turbolader durch einen anderen gebrauchten Turbolader. Bei der Übergabe des Fahrzeuges an den Kläger am 03.08.2018 legte die Beklagte dem Kläger ein Schriftstück vor, auf dem handschriftlich vermerkt war: Kulanz, ohne Anerkennung einer Rechtspflicht gratis bei 156.819 km am 02.08.2018 - 1 Austauschturbolader ersetzt, somit sind alle gegenseitigen Ansprüche abgegolten. Der Beklagte unterschrieb das Schriftstück.

    Im Oktober 2018 zeigte der Kläger erneut einen Defekt am Turbolader bei der Beklagten an. Die Beklagte verwies den Kläger an eine andere Reparaturwerkstatt, da sie sich mit ihrem Betriebssitz im Umzug befinde. Der Kläger verbrachte das Fahrzeug sodann zur Firma Falkos Autoservice in Berlin. Dort wurde der Turbolader ausgebaut und an die Beklagte geschickt mit der Bitte, diesen Turbolader bei der entsprechenden Lieferfirma zu reklamieren. Die Beklagte übersandte den Turbolader sodann an die Lieferantin, die Firma Turbo Service 24, welche die Reklamation indes zurückwies.

    Mit anwaltlichem Schreiben vom 17.01.2019 forderte der Kläger die Beklagte zur Abholung des Fahrzeuges zum Zwecke der Nacherfüllung bis zum 06.02.2019 auf. Mit Schreiben vom 07.02.2019 teilte die Beklagte mit, dass der Kläger im Hinblick auf eine unsachgemäße Reparatur durch einen anderen Betrieb die Kosten für einen neuen Turbolader tragen müsse; sie biete im Wege der Kulanz den kostenlosen Einbau an. Hierauf reagierte der Kläger mit anwaltlichem Schreiben vom 13.02.2019 und stellte klar, dass Besorgung und Einbau eines neuen Turboladers ausschließlich auf Kosten der Beklagten zu erfolgen hätten.

    Nachdem der Kläger mit anwaltlichem Schreiben vom 26.02.2019 die Beklagte nochmals zur Nacherfüllung bis zum 22.03.2019 aufgefordert hatte, erklärte er mit Schreiben vom 01.04.2019 den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte die Beklagte zur Rückabwicklung bis zum 12.04.2019 auf.

    Der Kläger behauptet, seit Oktober 2018 funktioniere (auch) der ersetzte Turbolader nicht. Das Fahrzeug nehme nicht entsprechend Gas an; dies sei darauf zurückzuführen, dass der Turbolader mangelhaft sei. Im Hinblick auf das Schriftstück vom 03.08.2018 - dessen Unterzeichnung der Kläger nach vorangegangenem Bestreiten erst in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat - meint der Kläger, dass es sich nicht um eine Vereinbarung handele, da nicht beide Vertragsparteien unterzeichnet hätten. Eine solche Vereinbarung sei zudem nach § 476 Abs. 1 BGB unzulässig. Jedenfalls sei eine solche nach dem §§ 307, 308 BGB unwirksam.

    Der Kläger beantragt,

    die Beklagte zu verurteilen, an ihn 11.980,00 € nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 13.04.2019 Zug-um-Zug gegen Übergabe des Fahrzeugs Pkw Hyundai Typ H1 mit der Fahrgestellnummer KMHWH81JP9U131967 zu zahlen,

    festzustellen, dass sich die Beklagte seit dem 13.04.2019 in Annahmeverzug befindet.

    Die Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Die Beklagte meint, der Kläger könne im Hinblick auf die Abgeltungsvereinbarung vom 03.08.2018 mit der Klage nicht durchdringen. Im Übrigen bestreitet sie eine Mangelhaftigkeit des Turboladers - jedenfalls im Zeitpunkt der Übergabe. Die Beklagte ist der Auffassung, dass - selbst wenn ein Defekt am Turbolader vorliege - dies bei einem zum Kaufvertragsschluss 8,5 Jahre alten Fahrzeug mit einem Kilometerstand von 156.802 keinen Mangel darstelle; es handele sich vielmehr um eine normale Verschleiß-, Abnutz- bzw. Alterungserscheinung. Die Beklagte behauptet zudem, die Lieferantin des Turboladers habe festgestellt, dass dieser mit einer silikonartigen Substanz verunreinigt worden sei; diese sei offenbar unsachgemäß als Dichtmasse genutzt worden. Der Kläger habe das Fahrzeug bei drei anderen Werkstätten wegen des defekten Turboladers vorgestellt; diese hätten unsachgemäße Arbeiten vorgenommen.

    Hinsichtlich des weiteren Sachvortrags und der geäußerten Rechtsansichten wird verwiesen auf die klägerischen Schriftsätze mit Anlagen vom 02.07.2019 (Bl. 5-9, 87-96 der Akte), vom 10.11.2019 (Bl. 60-69 der Akte), vom 30.04.2020 (Bl. 101 der Akte) und vom 02.09.2020, die Schriftsätze mit Anlagen der Beklagten vom 31.07.2019 (Bl. 27-45 der Akte) und vom 15.01.2020 (Bl. 72-80 der Akte) sowie das Sitzungsprotokoll vom 31.08.2020 (Bl. 103-105 der Akte) verwiesen.

    Entscheidungsgründe
    Die zulässige Klage ist unbegründet.

    Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises gemäß der §§ 433, 437 Nr. 2, 323 Abs. 1, 346 Abs. 1 BGB.

    Der Geltendmachung etwaiger Ansprüche, die dem Kläger zunächst aufgrund einer Mangelhaftigkeit des Turboladers im Sinne von § 434 Abs. 1 BGB zugestanden haben könnten, mithin auch das Recht auf Rücktritt vom Kaufvertrag, steht jedenfalls die Vereinbarung vom 03.08.2018 entgegen.

    Bei dem Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug handelt es sich zwar um einen Verbrauchsgüterkauf im Sinne des § 474 Abs. 1 BGB, der den besonderen verbraucherschützenden Regelungen der §§ 475 ff. unterliegt. Die Unwirksamkeit einer zwischen dem Verbraucher und dem Unternehmer getroffenen Vereinbarung, die zum Nachteil des Verbrauchers u.a. von den Sachmangelgewährleistungsrechten abweicht, ist indes nur dann gesetzliche Folge des § 476 Abs. 1 BGB, wenn die Vereinbarung vor Mitteilung eines Mangels getroffen wird. Nach Mitteilung des Mangels besteht wieder "normale" Vertragsfreiheit (vgl. Reinking, Der Autokauf, 13. Auflage 2017, Rn. 3964).

    Mit der vom Kläger unterzeichneten Erklärung vom 03.08.2018 ist vorliegend zwischen den Parteien eine Vereinbarung erst getroffen worden, nachdem der Kläger der Beklagten die Mangelhaftigkeit des Turboladers angezeigt und die Beklagte "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht" einen Austausch vorgenommen hatte. § 475 Abs. 1 BGB steht der Wirksamkeit der Vereinbarung mithin nicht entgegen. Aus maßgeblicher objektiver Empfängersicht konnte und durfte der Beklagte gemäß der §§ 133, 157 BGB die ihm vorgelegte Erklärung der Beklagten (1 Austauschturbolader ersetzt, somit sind alle gegenseitigen Ansprüche abgegolten) als Angebot auf Abschluss einer Vereinbarung nur des Inhalts verstehen, dass sämtliche etwaigen Ansprüche mit der Rücknahme des reparierten Fahrzeugs ausgeschlossen sein sollten (vgl. Landgericht Berlin, Urteil vom 25. Januar 2012, 33 O 259/11, Juris), wobei das Angebot interessengerecht dahin ausgelegt werden muss, dass sich diese Abgeltungsklausel ausschließlich auf den mitgeteilten Mangel des Turboladers, nicht auf sonstige, noch nicht angezeigte Mängel bezieht (vgl. Reinking, Der Autokauf, 13. Auflage 2017, Rn. 3964). In dieser Auslegung verstößt die Vereinbarung weder gegen § 475 Abs. 1 BGB noch gegen die §§ 307ff. BGB (wobei es sich ohnehin unzweifelhaft um eine Individualvereinbarung handelt). Der Kläger hat mit seiner Unterschrift das Angebot der Beklagten auf Abschluss der o.a. Vereinbarung auch angenommen. Woraus für das Zustandekommen der Vereinbarung die Notwendigkeit auch der Unterschrift der Beklagten resultieren soll, ist klägerseits weder dargelegt noch sonst ersichtlich.

    Der Antrag zu 2. (Annahmeverzug) teilt als Annexantrag das Schicksal des Antrages zu 1.

    Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 Sätze 2, 3 ZPO.