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  • 07.04.2020 · IWW-Abrufnummer 215166

    Finanzgericht Köln: Urteil vom 26.06.2019 – 14 K 2436/18

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Köln


    Tenor:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

    Die Revision wird zugelassen, soweit das Urteil die Einkommensteuer betrifft.Die Revision wird nicht zugelassen, soweit das Urteil den Solidaritätszuschlag betrifft.

    Tatbestand

    1

    Zwischen den Beteiligten ist streitig, in welcher Höhe vom geschiedenen Ehegatten der Klägerin gezahlte Ausgleichsleistungen im Rahmen des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs zu besteuern sind.

    2

    Die Klägerin erhält von ihrem seit dem 07.12.1995 geschiedenen Ehemann (nachfolgend: Ausgleichspflichtiger) aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts C vom 21.02.2003 ‒ … eine Zahlung in Höhe von monatlich 837,42 €, jährlich 10.049 €, als Ausgleichsleistung im Rahmen des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs für eine Betriebsrente bei der S AG. Der Ausgleich beruht nach dem Beschluss auf § 1587g Abs. 1 Satz 1, § 1587f BGB. Eine Anpassung der Ausgleichszahlungen an spätere Erhöhungen der Betriebsrente sah der Beschluss nicht vor. Der Ausgleichspflichtige war Arbeitnehmer der früheren S AG, später umfirmiert in T AG, ein Tochterunternehmen der T1 AG, die ihm eine Pensionszusage im Rahmen des Systems der betrieblichen Altersversorgung erteilt hatte. Der Erstbezug der darauf beruhenden Versorgungsleistungen erfolgte 2003, und zwar ursprünglich in Höhe von 2.319,00 €. Mit Wirkung zum 01.11.2007 wurde die Erfüllung der Pensionszusagen auf die T2 AG übertragen, die fortan die Leistungen erbrachte. Die Leistungen aus der an T2 übergegangenen betrieblichen Altersversorgung an den geschiedenen Ehemann der Klägerin hatten sich ab 2006 fortlaufend erhöht und betrugen im Streitjahr 35.316 € (soweit der Beklagte im Schriftsatz vom 17.12.2018 den Betrag mit 35.136 € angibt, handelt es sich um ein Schreibversehen ‒ Zahlendreher). Daneben weist die Lohnsteuerbescheinigung der T AG für den Ausgleichspflichtigen für das Streitjahr Versorgungsbezüge i.S. des § 19 Abs. 2 Satz 2 EStG in Höhe von 1.905,60 € aus. Im Einkommensteuerbescheid für den Ausgleichspflichtigen für das Streitjahr wurde der Versorgungsfreibetrag anteilig auf die als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit angesetzten Versorgungsbezüge von 1.905 € (5,118% von 37.221 € - bezogen auf den Versorgungsfreibetrag von 3.900 € = 200 €) und die als sonstige Einkünfte angesetzten Leistungen aus der T2 AG von 35.316 € (94,882% von 37.221 € - bezogen auf den Versorgungsfreibetrag von 3.900 € = 3.700 €) aufgeteilt.

    3

    Die Ausgleichszahlungen an die Klägerin blieben der Höhe nach unverändert. Dementsprechend machte der Ausgleichsverpflichtete die Ausgleichsleistungen im Rahmen seiner Einkommensteuererklärungen als Sonderausgaben geltend.

    4

    Im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärte die Klägerin die Ausgleichsleistungen als Leibrente aus einer inländischen privaten Rentenversicherung, die mit einem Ertragsanteil von 18% zu versteuern sei. Der Beklagte folgte dem nicht und setzte nach vorherigem Hinweis auf „§ 22 Nr. 1c“ im Einkommensteuerbescheid vom 09.08.2017 die Ausgleichszahlung lediglich vermindert um einen anteiligen Versorgungsfreibetrag in Höhe von 1.267,70 € (3.900 € x 32,505%) mit 8.781 € (10.049 € ./. 1.268 €) als Einnahme an.

    5

    Mit dem Einspruch machte die Klägerin geltend, die Ausgleichsleistungen an sie unterlägen beim Ausgleichspflichtigen nicht dem Sonderausgabenabzug, da sie der Besteuerung nicht wirksam zugestimmt habe. Zudem sei der Versorgungsfreibetrag zu niedrig angesetzt. Der anteilige Freibetrag bestimme sich nach den ursprünglichen Verhältnissen zu Beginn des Bezugs und betrage damit 36,11% von 27.828 €, also 1.408 €.

    6

    Mit der Einspruchsentscheidung änderte der Beklagte nach vorherigem Verböserungshinweis die Steuerfestsetzung zu Lasten der Klägerin. Der Freibetrag sei nur in Höhe von 1.053 € zu berücksichtigen. Von dem gesamten Freibetrag von 3.900 € entfielen anteilig 200 € auf die Versorgungsbezüge des geschiedenen Ehemanns nach § 19 Abs. 2 EStG von 1.905 € und nur 3.700 € auf die Leistung des Pensionsfonds von 35.316 €. Die Ausgleichszahlungen an die Klägerin in Höhe von 10.049 € entsprächen einem Anteil daran von 27%, was übertragen auf den Freibetrag 1.053 € ergebe, so dass Einnahmen aus den Ausgleichszahlungen in Höhe von 8.996 € verblieben. Einer Zustimmung der Klägerin zur Besteuerung bedürfe es nicht. Mit der Einspruchsentscheidung wurde der Solidaritätszuschlag statt bisher mit 0,00 € mit 0,20 € festgesetzt.

    7

    Mit der hiergegen gerichteten Klage macht die Klägerin geltend, der Beklagte habe die Ausgleichsrente zu hoch angesetzt, weil der auf die Klägerin entfallende anteilige Versorgungsfreibetrag mit 1.054 € (= 27%) zu gering angesetzt sei. Der Beklagte wende die § 10 Abs. 1 Nr. 1b und § 22 Nr. 1c EStG und damit Vorschriften an, die im Streitjahr nicht mehr gegolten hätten. Das vom Beklagten angeführte Beispiel 2 in Rz. 12 des BMF-Schreibens vom 09.04.2010 betreffe nicht den Streitfall, weil in dem Beispielsfall im Gegensatz zum Streitfall Versorgungsbeginn und Veranlagungsjahr identisch seien.

    8

    Der Beklagte gehe unzutreffend bei der Berechnung der Höhe des Versorgungsfreibetrags von den Versorgungsbezügen aus, die der Ausgleichspflichtige im Jahr 2015 erhalten habe. Der Versorgungsfreibetrag zuzüglich Zuschlag werde zu Beginn der Betriebsrente, hier im Jahr 2003, ermittelt und bleibe in dieser Höhe auch in den Folgejahren bestehen. Regelmäßige Anpassungen der Versorgungsbezüge führten nicht zu einer Neuberechnung des Versorgungsfreibetrags. Der Freibetrag habe seinerzeit 3.900 € betragen. Hiervon sei auch bei der Aufteilung des Versorgungsfreibetrages auszugehen. Die Versorgungsbezüge des Ausgleichspflichtigen im Jahre 2005 i.H.v. 27.828 € seien zu der Ausgleichszahlung an die ausgleichsberechtigte Klägerin im Jahr 2005 i.H.v. 10.049 € ins Verhältnis zu setzen, woraus sich ein Anteil von 36,111%, bezogen auf den Versorgungsfreibetrag damit von 1.408,29 € ergebe.

    9

    Die Klägerin habe einer Aufteilung des Versorgungsfreibetrags auf Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 200 € und auf sonstige Einkünfte in Höhe von 3.700 € nicht zugestimmt. Die Aufteilung des Versorgungsfreibetrags stehe nicht zur freien Disposition des Ausgleichspflichtigen. Ansonsten könne er den anteiligen Versorgungsfreibetrag der Klägerin bis auf Null reduzieren. Die Aufteilung des Versorgungsfreibetrags auf Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit in Höhe von 200 € und sonstige Einkünfte in Höhe von 3.700 € widerspreche § 19 Abs. 2 Satz 4 und 8 EStG. Die Höhe der abzugsfähigen Sonderausgaben des Ausgleichspflichtigen beliefen sich auf 8.640 €. Die sonstigen Einkünfte der Klägerin unterlägen nur in dieser Höhe der Besteuerung. Die Besteuerung nach dem angefochtenen Bescheid führe zu einer Entwertung des Versorgungsanspruchs.

    10

    Die Klägerin beantragt,

    11

    den Bescheid für 2015 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag vom 09.08.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.08.2018 dahingehend zu ändern, dass die festgesetzte Einkommensteuer auf 888,00 € und der Solidaritätszuschlag auf 0,00 € herabgesetzt werden.

    12

    Der Beklagte beantragt,die Klage abzuweisen.

    13

    Er wendet ein, soweit in der Einspruchsentscheidung die aufgehobenen Vorschriften § 22 Nr. 1c und § 10 Abs. 1 Nr. 1b EStG zitiert worden seien, ändere dies an der Rechtslage nichts, da deren Gehalt in die für das Streitjahr maßgebenden § 22 Nr. 1a und § 10 Abs. 1a EStG aufgenommen seien. Die Berechnung der Klägerin gehe von Versorgungsbezügen von 27.828 € aus. Dies sei jedoch der Betrag des Jahres 2005 und nicht derjenige des Streitjahres. In diesem habe der Ausgleichspflichtige Einnahmen nach § 22 Nr. 5 EStG von 35.316 €, nach Abzug des anteiligen Versorgungsfreibetrags von 3.700 € verblieben 31.616 €, und Einnahmen nach § 19 Abs. 2 EStG von 1.905 € erzielt, von denen nach Abzug des anteiligen Versorgungsfreibetrags von 200 € noch 1.705 € verblieben. Der Versorgungsfreibetrag sei aufzuteilen, da die Einkünfte des Ausgleichspflichtigen auf demselben Stammrecht (Betriebsrente der T1 AG) beruhten. Der Ausgleichspflichtige habe bereits vor der Übertragung der Versorgungsverpflichtung auf den T2 Leistungen aufgrund der Versorgungsverpflichtung erhalten (Hinweis auf § 22 Nr. 5 i.V.m. § 52 Abs. 34c EStG n.F., § 19 Abs. 2 EStG). Somit seien die Einnahmen nach § 22 Nr. 5 EStG in Höhe von 89,52% der Besteuerung unterworfen, die Ausgleichszahlung an die Klägerin von 10.049 € habe beim Ausgleichsberechtigten demnach zu 89,52%, also 8.996 €, als Sonderausgaben berücksichtigt werden können und sei dementsprechend bei der Klägerin nach § 22 Nr. 1a EStG in dieser Höhe zu versteuern. Die Klägerin sei ausweislich des Beschlusses des Amtsgerichts C vom 21.02.2003 nicht an Erhöhungen der Betriebsrente beteiligt. Wäre sie an den Erhöhungen beteiligt, würde auch ihr Anspruch nicht entwertet.

    Entscheidungsgründe

    14

    I. Die Klage ist bezüglich des Solidaritätszuschlags unzulässig.

    15

    Die Unzulässigkeit folgt allerdings nicht schon daraus, dass der Solidaritätszuschlag nicht Gegenstand des Einspruchs war, also insoweit kein Vorverfahren geführt wurde (s. § 44 Abs. 1 FGO). Der Beklagte hat nämlich erstmals mit der Einspruchsentscheidung den Solidaritätszuschlag in Höhe eines 0,00 € übersteigenden Betrags festgesetzt, so dass sich erstmals durch die Einspruchsentscheidung eine Beschwer (s. § 40 Abs. 2 FGO) ergeben hat. Damit ist aber grundsätzlich die Klage gegen diese Festsetzung ohne Durchführung eines Vorverfahrens statthaft.

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    Die Klage ist indessen unzulässig, weil nach § 1 Abs. 5 Satz 1 SolZG in der für das Streitjahr geltenden Fassung mit einem Rechtsbehelf gegen den Solidaritätszuschlag weder die Bemessungsgrundlage noch die Höhe des zu versteuernden Einkommens angegriffen werden können. Die Klage beschränkt sich aber auf Einwendungen gegen die Höhe des zu versteuernden Einkommens.

    17

    II. Die Klage ist bezüglich der Einkommensteuer unbegründet.

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    Der Beklagte hat die Einnahmen aus den Ausgleichszahlungen zutreffend in Höhe von 8.996 € berücksichtigt.

    19

    1. Die Einnahmen gehören zu den Einkünften im Sinne des § 22 Nr. 1a EStG in der Fassung von Art. 5 des Gesetzes zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 22.12.2014 (BGBl. I 2014, 2417). Danach sind Einkünfte aus Leistungen und Zahlungen nach § 10 Abs. 1a EStG sonstige Einkünfte, soweit für diese die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug beim Leistungs- oder Zahlungsverpflichteten nach § 10 Abs. 1a EStG erfüllt sind. Nach dem in Bezug genommenen § 10 Abs. 1a EStG sind Sonderausgaben unter anderem die folgenden Aufwendungen: Nr. 4: Ausgleichszahlungen im Rahmen des Versorgungsausgleichs nach den §§ 20 bis 22 und 26 des Versorgungsausgleichsgesetzes und nach den §§ 1587f, 1587g und 1587i BGB in der bis zum 31.08.2009 geltenden Fassung sowie nach § 3 Buchst. a des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich, soweit die ihnen zugrundeliegenden Einnahmen bei der ausgleichspflichtigen Person der Besteuerung unterliegen, wenn die ausgleichsberechtigte Person unbeschränkt steuerpflichtig ist.

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    2. Im Streitfall hat der Ausgleichspflichtige die Ausgleichszahlungen im Rahmen des Versorgungsausgleichs erbracht. Ausweislich des Beschlusses des Amtsgerichts C vom 21.03.2003 erfolgten die Zahlungen auf der Grundlage von § 1587g, § 1587f BGB.

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    Die zugrundeliegenden Einnahmen aus der betrieblichen Altersversorgung aus dem T2 unterliegen bei dem unstreitig unbeschränkt steuerpflichtigen Ausgleichspflichtigen damit dem Grunde nach der Besteuerung. Nach § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG sind Leistungen aus Pensionsfonds sonstige Einkünfte. Die Steuerbefreiungsvorschriften des § 3 Nr. 55a und § 3 Nr. 55b EStG greifen für den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich nicht ein (dazu BFH-Urteil vom 09.12.2014 X R 7/14, BFH/NV 2015, 824 Rn. 12 ff.; Urban, NJW 2017, 3189, 3194).

    22

    3. Die Ausgleichszahlungen berechtigen den Ausgleichspflichtigen jedoch nur eingeschränkt zum Sonderausgabenabzug, nämlich nur soweit die zugrundeliegenden Einnahmen der Besteuerung unterliegen. Bereits im Gesetzeswortlaut bringt die Verknüpfung "soweit" zum Ausdruck, dass die Abziehbarkeit als Sonderausgaben genau mit der Quote erfolgt, zu der die Einnahmen der Besteuerung unterliegen. Die Versorgungsbezüge sind aber nach § 19 Abs. 2 EStG hinsichtlich des Versorgungsfreibetrags sowie des Zuschlags hierzu steuerfrei, unterliegen also insoweit nicht der Besteuerung (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2015, 824, Rn. 20, 22). Dies gilt auch für Einkünfte nach § 22 Nr. 5 EStG, soweit auf diese § 19 Abs. 2 EStG anwendbar ist. Dies ist auch für den Streitfall maßgebend. Nach § 22 Nr. 5 Satz 11 Halbsatz 1 EStG ist § 19 Abs. 2 EStG auf die Leistungen aus einem Pensionsfonds entsprechend anwendbar, wenn eine Versorgungsverpflichtung nach § 3 Nr. 66 EStG auf einen Pensionsfonds übertragen wurde und der Steuerpflichtige bereits vor dieser Übertragung Leistungen auf Grund dieser Versorgungsverpflichtung erhalten hat. § 3 Nr. 66 EStG betrifft u.a. Leistungen eines Arbeitgebers an einen Pensionsfonds zur Übernahme bestehender Versorgungsverpflichtungen oder Versorgungsanwartschaften durch den Pensionsfonds. Im Streitfall wurden die Versorgungsverpflichtungen gegenüber dem Ausgleichsberechtigten von dessen früherem Arbeitgeber S AG auf den T2 übertragen. Zum Zeitpunkt der Übertragung zum 01.11.2007 hatte der Ausgleichspflichtige bereits ‒ seit 2003 ‒ Versorgungsbezüge aufgrund der Versorgungsverpflichtung seines früheren Arbeitgebers erhalten.

    23

    4. Dabei war der Versorgungsfreibetrag nebst Zuschlag, wovon beide Beteiligten zutreffend ausgehen, nach § 19 Abs. 2 Satz 3 und Satz 4 Buchstabe a EStG aufgrund des Versorgungsbezugs vor 2005 mit dem Höchstbetrag von 3.900 € zugrunde zu legen. Entgegen der Ansicht der Klägerin war der Versorgungsfreibetrag nebst Zuschlag dabei nicht ausschließlich der Leistung des T2 zuzurechnen, sondern quotal auf die gesamten Versorgungsbezüge des Ausgleichspflichtigen zu verteilen. Zwar regelt das Gesetz nicht ausdrücklich, dass und wie die Verteilung bei mehreren Versorgungsbezügen zu erfolgen hat. § 19 Abs. 2 Satz 6 EStG enthält lediglich eine Bestimmung des maßgebenden Beginns für den Fall des Aufeinandertreffens mehrerer Versorgungsbezüge mit unterschiedlichem Beginn. Jedoch folgt schon aus dem Wortlaut des § 19 Abs. 2 Satz 1 EStG, nämlich dem im Plural verwandten Begriff „Versorgungsbezüge“ in Verbindung mit der Aufzählung verschiedener Versorgungsbezüge in Satz 2 der Vorschrift, dass der Versorgungsfreibetrag für die Gesamtheit aller Versorgungsbezüge gilt. Zudem ergibt sich aus der Gesetzesformulierung des § 19 Abs. 2 Satz 6 EStG „der insgesamt berücksichtigungsfähige Höchstbetrag“, dass alle berücksichtigungsfähigen Versorgungsbezüge in den Höchstbetrag einfließen. Dies muss auch gelten, wenn ‒ wie im Streitfall ‒ die Versorgungsbezüge unterschiedlichen Einkunftsarten zuzurechnen sind. Zwar handelt es sich bei dem Versorgungsfreibetrag grundsätzlich nicht um einen einkunftsartübergreifenden Freibetrag (BFH-Urteil in BFH/NV 2015, 824, Rn. 22). Im Streitfall lagen jedoch ursprünglich einheitlich als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu erfassende Versorgungsbezüge vor, die allein durch die nachträgliche Übertragung eines Teils der Versorgungsverpflichtung auf einen anderen Rechtsträger und die damit einhergehende gesetzliche Zuordnung in unterschiedlichen Einkunftsarten zu erfassen sind. Mit der an sich im Rahmen der Einkünfte nach § 22 EStG systemfremden Anwendungsbestimmung des § 22 Nr. 5 Satz 11 Halbsatz 1 EStG für § 19 Abs. 2 EStG hat der Gesetzgeber dabei zum Ausdruck gebracht, dass die Ermittlung eines „insgesamt berücksichtigungsfähigen Höchstbetrags“ einkunftsartübergreifend auch die Einkünfte nach § 22 Nr. 5 EStG erfasst. Aus Rz. 188 des BMF-Schreibens vom 19.08.2013 (BStBl I 2013, 1087) ergibt sich nichts anderes. Danach ist zwar für den Fall des Zusammentreffens von Einkünften nach § 22 EStG und § 19 (Abs. 2) EStG der Versorgungsfreibetrag für die Bezüge jeder Einkunftsart gesondert zu ermitteln. Daraus ist indes jedenfalls für die Fälle des § 22 Nr. 5 Satz 11 EStG nicht abzuleiten, dass der Höchstbetrag überschritten werden oder gar mehrfach angesetzt werden könnte. Im Übrigen lässt sich aus der Aussage des BFH-Urteils in BFH/NV 2015, 824, Rn. 22, der Versorgungsfreibetrag sei kein einkunftsartübergreifender Freibetrag, nicht herleiten, dass der Freibetrag zu erhöhen wäre, wenn mehrere Einkunftsarten betroffen sind, oder in diesem Fall die Zuordnung des Freibetrags zu den unterschiedlichen Einkunftsarten anders als proportional zu erfolgen hätte. Vielmehr hat der BFH lediglich ausgeführt, dass der Freibetrag bereits in die Berechnung der Einkünfte nach § 2 Abs. 1 EStG eingehe und bereits die Summe der Einkünfte und folglich auch den Gesamtbetrag der Einkünfte mindere, der wiederum nach § 2 Abs. 4 EStG die Ausgangsgröße für die Ermittlung der Sonderausgaben bildet.

    24

    Mangels anderer Anhaltspunkte kommt allein eine quotale Aufteilung des Höchstbetrags entsprechend der jeweiligen Höhe der verschiedenen Versorgungsbezüge in Betracht. Eine quotale Aufteilung des Versorgungsfreibetrags ergibt sich zwingend für die Fälle, in denen der Höchstbetrag der Tabelle des § 19 Abs. 2 Satz 3 EStG nicht erreicht wird. Insoweit entspricht diese Aufteilung genau den Beträgen, die sich ergäben, wenn für jede Bezugsquelle ein eigenständiger Freibetrag zu ermitteln wäre. Für den Ansatz des Höchstbetrags kann im Ergebnis nichts anderes gelten. Ein Wahlrecht, das zu einer anderen Verteilung hätte führen können, hätte der ausdrücklichen Regelung bedurft. Eine solche Regelung hat der Gesetzgeber indes nicht getroffen. Die durch § 19 Abs. 2 Satz 6 EStG bestimmte Maßgeblichkeit des Beginns des zuerst gezahlten Versorgungsbezugs für alle später gewährten Versorgungsbezüge belegt vielmehr die Gesetzesintention, alle Versorgungsbezüge gleich zu behandeln. Im Übrigen wäre ein Wahlrecht von dem Empfänger der Versorgungsbezüge, im Streitfall also dem Abführungspflichtigen, und nicht von dem Abführungsberechtigten auszuüben, da nur bei Ersterem der Versorgungsfreibetrag als solcher abzuziehen ist, während der Freibetrag sich bei Letzterem nur mittelbar auswirkt. Beim Abführungspflichtigen ist aber eine proportionale Aufteilung erfolgt.

    25

    Es kommt auch nicht in Betracht, eine oder mehrere Bezugsquellen bei der Zuordnung außer Betracht zu lassen, wenn ‒ wie im Streitfall ‒ schon durch die Bezüge aus einer Quelle oder aus nur einigen von mehreren Quellen zur Ausschöpfung des Freibetrags führte. Andernfalls könnte dies in Fällen des Versorgungsausgleichs mit mehreren Personen (Fälle der Mehrfachehescheidung) aufgrund der Verknüpfung der Einkünfte des Ausgleichsverpflichteten mit denjenigen der Ausgleichsberechtigten dazu führen, dass der Ausgleichsverpflichtete einen Ausgleichsberechtigten gegenüber einem anderen gezielt bevorzugt bzw. benachteiligt, indem er den Höchstbetrag nur einem der Versorgungsbezüge zuordnet. Hierfür besteht aber kein sachlicher Grund.

    26

    Vielmehr hat der Gesetzgeber bei Bezug mehrerer Versorgungsbezüge aus verschiedenen Quellen eine proportionale Verteilung des Höchstbetrags entsprechend der Höhe der einzelnen Versorgungsbezüge für selbstverständlich gehalten. Eine isolierte Betrachtung einzelner Versorgungsbezüge und dementsprechend eine abweichende Verteilung und insbesondere eine Überschreitung des Gesamthöchstbetrags hat er lediglich für das Lohnsteuerverfahren, nicht aber für die Einkommensteuerveranlagung für zulässig gehalten. Dies folgt aus der amtlichen Begründung des maßgebenden Gesetzentwurfs zu § 19 Abs. 2 Satz 6 EStG (Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ‒ Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen (Alterseinkünftegesetz ‒ AltEinkG), BT-Drucks. 15/2150, S. 39), in der ausgeführt wird: „Hat ein Steuerpflichtiger mehrere Versorgungsbezüge, so sind der Versorgungsfreibetrag und der Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag zunächst entsprechend dem Jahr des Beginns des Versorgungsbezugs nach der Tabelle in Satz 3 zu ermitteln. Unter Berücksichtigung der so ermittelten Beträge wird der Lohnsteuerabzug für den jeweiligen Versorgungsbezug durchgeführt. Diese isolierte Berücksichtigung ist aus praktischen Gründen geboten, da ein Arbeitgeber nicht wissen kann, ob ein weiterer Versorgungsbezug gezahlt wird. Eine Berücksichtigung ist aber insgesamt nur bis zum einmaligen Ausschöpfen des Höchstbetrags des Versorgungsfreibetrags und des Zuschlags zum Versorgungsfreibetrag ‒ entsprechend der bisherigen Regelung beim Versorgungsfreibetrag ‒ möglich. Da bei Beginn des Versorgungsfreibetrags in verschiedenen Jahren unterschiedliche Beträge gelten, ist in Satz 6 zugunsten der Empfänger von Versorgungsbezügen geregelt, dass sich der Höchstbetrag des Versorgungsfreibetrags und der Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag nach der Kohorte des ersten Versorgungsbezugs bestimmen. Diese Begrenzung kann nur im Verfahren zur Einkommensteuer geprüft werden.“

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    Nach diesen Grundsätzen hat der Beklagte zutreffend den Höchstbetrag von (insgesamt) 3.900 € proportional den Einkünften des Ausgleichsverpflichteten in Höhe nach § 22 Nr. 5 EStG in Höhe von 35.316 € mit 3.700 € und denjenigen nach § 19 (Abs. 2) EStG in Höhe von 1.905 € mit 200 € zugeordnet.

    28

    5. Entgegen der Ansicht der Klägerin kann der Versorgungsfreibetrag auch nicht auf der Grundlage des Prozentsatzes, der der Erstauszahlung zugrunde liegt, den Ausgleichszahlungen zugerechnet werden. Zu Unrecht beruft sich die Klägerin insoweit auf § 19 Abs. 2 Satz 8 EStG. Danach gelten der nach den Sätzen 3 bis 7 der Vorschrift berechnete Versorgungsfreibetrag und Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag für die gesamte Laufzeit des Versorgungsbezugs. Dies bedeutet, dass der zutreffend einmal nach § 19 Abs. 2 Satz 3 und 4 EStG angesetzte Freibetrag nebst Zuschlag von im Streitfall insgesamt 3.900 €, der zugleich der höchstmögliche Freibetrag nebst Zuschlag ist, in den Folgejahren und auch im Streitjahr weiterhin maßgebend war. Daraus lässt sich aber nicht ableiten, dass der auch prozentuale Aufteilungsschlüssel, der sich für Januar 2005 als für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage des Versorgungfreibetrags nach § 19 Abs. 2 Satz 4 Buchst. b EStG ergab, auf die Folgejahre zu übertragen wäre. Vielmehr knüpft die Regelung des § 10 Abs. 1a Nr. 4 EStG mit dem auf die Ausgleichszahlungen bezogenen Erfordernis, „soweit die ihnen zugrunde liegenden Einnahmen bei der ausgleichspflichtigen Person der Besteuerung unterliegen“, ersichtlich an die Ausgleichszahlungen und deren steuerpflichtigem Teil als zugrunde liegende Einnahmen des jeweiligen Besteuerungszeitraums, im Streitfall des Jahres 2015, an. Die Betrachtung der Klägerin würde dazu führen, dass die Ausgleichszahlungen überproportional dem steuerpflichtigen Teil der zugrunde liegenden Einnahmen zugerechnet würden. Dies wäre aber aus dem Gesetzestext nicht ableitbar und widerspräche überdies der Gesetzessystematik (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2015, 824, Rn. 23). Demnach waren die den Ausgleichzahlungen des Streitjahres zugrunde liegenden Einnahmen von 35.316 € um den anteilig auf sie entfallenden Versorgungsfreibetrag von 3.700 € zu vermindern und damit in Höhe von 89,523% steuerpflichtig. Dies entspricht, übertragen auf die Ausgleichszahlungen von 10.049 €, einem Betrag von 8.996 €. Dieser Betrag war nach der zwingenden Verknüpfung des § 22 Abs. 1a EStG mit § 10 Abs. 1a Nr. 4 EStG als Einnahme bei den sonstigen Einkünften der Klägerin anzusetzen und ist im angefochtenen Bescheid zutreffend vom Beklagten angesetzt worden.

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    6. Die Versteuerung der Ausgleichszahlungen war nicht von der Zustimmung der Klägerin abhängig. Im Streitfall handelt es sich um Ausgleichszahlungen i.S. des § 10 Abs. 1a Nr. 4 EStG. Diese Vorschrift sieht für die Berücksichtigung der Ausgleichszahlungen als Sonderausgaben beim Ausgleichspflichtigen ‒ im Gegensatz zu § 10 Abs. 1a Nr. 3 EStG für die dort genannten Ausgleichszahlungen ‒ kein Zustimmungserfordernis vor.

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    7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    31

    8. Die Revision war, soweit das Urteil die Einkommensteuer betrifft, wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen. Die Frage, ob und wie der Höchstbetrag des Versorgungsfreibetrags des § 19 Abs. 2 EStG im Fall des Bezugs mehrerer Versorgungsleistungen aufzuteilen ist, wird durch das Gesetz nicht abschließend geregelt und ist bisher nicht höchstrichterlich geklärt.

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    Die Revision war nicht zuzulassen, soweit die Klage den Solidaritätszuschlag betrifft. Insoweit liegt keiner der Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 FGO vor.

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