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  • 09.10.2019 · IWW-Abrufnummer 211541

    Hessisches Finanzgericht: Urteil vom 10.04.2018 – 7 K 440/16

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Hessisches Finanzgericht
    7. Der Senat

    10.04.2018


    Urteil

    Tenor

    Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom       wird der Einkommensteuerbescheid 2014 vom           dahingehend geändert, dass die Einkünfte, die nach § 32d Abs. 1 EStG besteuert werden, um Veräußerungsverluste in Höhe von xxx EUR von xxx EUR auf xxx EUR herabgesetzt werden.

    Die Berechnung der festzusetzenden Einkommensteuer wird gemäß § 100 Abs. 2 S. 2 FGO dem Beklagten übertragen.

    Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

    Das Urteil ist hinsichtlich der erstattungsfähigen Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

    Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

    Tatbestand

    Streitig ist die steuerliche Berücksichtigung eines Verlustes betreffend    Stück A Aktien.

    Im Laufe des Jahres 2013 erwarb der Kläger   Stück Aktien der A Immobilien AG -A- zu Anschaffungskosten von insgesamt €, von denen er    Stück am xx.xx.2013 zu einem Erlös von € unter Realisierung eines Veräußerungsverlustes von wieder veräußerte. Im Depot verblieben    Stück zu anteiligen Anschaffungskosten von €

    Am xx.xx.2013 wurde die A betreffend ein Planinsolvenzverfahren eröffnet. In dem Insolvenzplan, der durch das Amtsgericht am xx.xx.2014 sowie durch die Rechtsmittelinstanz am xx.xx.2014 bestätigt wurde, war zur Schaffung einer soliden und marktfähigen Kapital- und Finanzierungsbasis ein sog. debt-to-equity swap (Tausch von Schulden in Eigenkapital) vorgesehen. Hierzu wurde das Grundkapital der Gesellschaft zunächst auf null herabgesetzt, ehe die Gläubiger (a) des syndizierten Kreditvertrags über € vom   (b) des bilateralen Kreditvertrags über   Millionen € vom sowie (c) der Wandelanleihe im Rahmen einer sich anschließenden Kapitalerhöhung – unter Ausschluss des Bezugsrechts der Alt-Aktionäre – die wirtschaftliche Möglichkeit erhielten, 100 % der neu auszugebenden Aktien an der Gesellschaft zu erwerben. Die Herabsetzung auf Null im Rahmen des debt-to-equity swaps hatte zur Folge, dass die Börsennotierung der Gesellschaft endete, weshalb das Depot-führende Institut    am xx.xx.2014 die verbliebenen   Stück A Aktien aus der Girosammelverwahrung ausbuchte.

    Gegen den nicht von der Steuererklärung abweichenden Einkommensteuerbescheid vom   legte der Kläger am   Einspruch ein und beantragte erstmals, im Rahmen seiner Einkünfte aus Kapitalvermögen einen Verlust betreffend die als wertlos ausgebuchten A-Aktien in Höhe von   € steuerlich zu berücksichtigen. Hierzu berief er sich auf die Entscheidung des BFH vom 12.5.2015 - IX R 57/13. Danach könne eine Veräußerung im Sinne des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG auch dann vorliegen, wenn auf Grundlage eines Insolvenzplanverfahrens Aktien eingezogen und auf die Gläubiger übertragen würden. Eine entgeltliche Anteilsübertragung liege auch dann vor, wenn wertlose Anteile ohne Gegenleistung zwischen fremden Dritten übertragen würden.

    Mit Einspruchsentscheidung vom   wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Es fehle an einer Veräußerung im Sinne des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG. Die Liquidation einer Kapitalgesellschaft sei keine Veräußerung der Anteile an dieser Kapitalgesellschaft (vgl. BMF-Schreiben vom 18.01.2016, BStBl I 2016, 85 - Rz. 63). Es fehle an einem Rechtsträgerwechsel. Die bloße Verwertung, bei der die Anteile an der A untergingen, sei vom Begriff der Veräußerung nicht erfasst. Das vom Kläger zitierte, im BStBl. II nicht veröffentlichte Urteil sei über den Einzelfall hinaus seitens der Finanzverwaltung nicht anzuwenden. Im Übrigen unterscheide sich der vom BFH entschiedene Sachverhalt vom vorliegenden Fall darin, dass bei der Einziehung von Aktien ein die Veräußerung begründender Rechtsträgerwechsel gerade stattfinde.

    Hiergegen hat der Kläger am   Klage erhoben, mit der er sein Begehren unter Bezugnahme auf die bisherige Begründung weiterverfolgt.

    Der Kläger beantragt,

    den Einkommensteuerbescheid 2014 vom   in der Weise zu ändern, dass die Verluste aus der wertlosen Ausbuchung von Aktien als Veräußerungsverluste nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG angesetzt werden und die Einkommensteuer 2014 von   € auf   € herabzusetzen sowie die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären sowie

    hilfsweise, die Revision zuzulassen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er verweist auf die Einspruchsentscheidung und das dort zitierte BMF-Schreiben.

    Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Einkommensteuerakte 2014 des Beklagten Bezug genommen.

    Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist begründet.

    Der Veräußerungsverlust aus Kapitalvermögen in Höhe von € ist im Rahmen der nach § 32d EStG zu besteuernden Einkünfte steuerlich zu berücksichtigen.

    1. Gemäß § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch Gewinne aus der Veräußerung von Aktien. Veräußerung ist die entgeltliche Übertragung des --zumindest wirtschaftlichen-- Eigentums auf einen Dritten, gegebenenfalls auch zwangsweise, etwa im Wege der Zwangsversteigerung (BFH, Urteil vom 10. Dezember 1969 - I R 43/67, BStBl II 1970, 310 zu § 17 Abs. 1 S. 1 EStG). Eine entgeltliche Anteilsübertragung liegt auch dann vor, wenn wertlose Anteile ohne Gegenleistung zwischen fremden Dritten übertragen werden (BFH, Urteil vom 6. April 2011 - IX R 61/10, BStBl II 2012, 8, Rz. 13, mit weiteren Nachweisen; vom 1. Oktober 2014 - IX R 13/13, BFH/NV 2015, 198, Rz. 15). Als Veräußerung im Sinne des § 20 Abs. 2 S. 1 gilt auch die Einlösung, Rückzahlung, Abtretung oder verdeckte Einlage in eine Kapitalgesellschaft (§ 20 Abs. 2 S. 2 EStG). Aus der Gleichstellung der Rückzahlung mit dem Tatbestand der Veräußerung einer Kapitalforderung in § 20 Abs. 2 S. 2 EStG folgt, dass auch eine endgültig ausbleibende Rückzahlung zu einem Verlust im Sinne des § 20 Abs. 4 S. 1 EStG führen kann (BFH, Urteil vom 24. Oktober 2017 - VIII R 13/15, BFH/NV 2018, 280 zum Gewinn aus der Veräußerung einer Kapitalforderung bei Ausfall derselben). Zur Begründung führt der BFH aus, mit der Einführung der Abgeltungsteuer im Unternehmensteuerreformgesetz 2008 vom 14. August 2007 (BGBl I 2007, 1912) sei die traditionelle quellentheorethische Trennung von Vermögens- und Ertragsebene für Einkünfte aus Kapitalvermögen aufgegeben worden. Stattdessen habe eine vollständige steuerrechtliche Erfassung aller Wertveränderungen im Zusammenhang mit Kapitalanlagen erreicht werden sollen. Folge dieses Paradigmenwechsel ist, dass der endgültige Ausfall einer Kapitalforderung im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu einem gemäß § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, S. 2, Abs. 4 EStG steuerlich zu berücksichtigen den Verlust führt.

    2. In Anwendung dieser Entscheidung wie auch des BFH-Urteils vom 12. Mai 2015 - IX R 57/13 (BFH/NV 2015, 1364), denen der Senat folgt, ist der Klage stattzugeben. Auch wenn es, worauf der Beklagte zutreffend hinweist, vorliegend an einer Einziehung von Aktien und ihrer Übertragung auf die Gläubiger der Aktiengesellschaft fehlt, liegt im hier zu entscheidenden Fall ein Rechtsträgerwechsel vor. Denn durch die Auf-null-Stellung der Aktien und den Ausschluss der Alt-Aktionäre vom Bezugsrecht für die sich anschließende Kapitalerhöhung haben die Alt-Aktionäre – und damit auch der Kläger – ihre Kapitalanteile nebst der in den Aktien verbrieften Aktionärsrechte unwiederbringlich und endgültig verloren. Neue Aktien sind im Gegenzug für den Verzicht auf Forderungen ausschließlich an die oben genannten Gläubiger (Neu-Aktionäre) ausgegeben worden, die nunmehr als alleinige Rechtsträger die wirtschaftlichen Entscheidungen der A bestimmen und an zukünftigen Gewinnen der Gesellschaft partizipieren. Im Rahmen des insolvenzrechtlichen Konstrukts des debt-to-equity swap sind die Altaktionäre faktisch zwangsweise enteignet worden. Durch die Auf-null-Stellung der Altaktien mit anschließender, ausschließlich für einzelne Großgläubigergruppen möglicher Kapitalerhöhung bedurfte es einer Einziehung und Übertragung von Altaktien auf die Gläubiger somit gar nicht mehr. Dieses Ergebnis wurde bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise auch auf die im Insolvenzplanverfahren der A gewählte Verfahrensweise erreicht. Denn durch die Neugestaltung der Anteilseignerschaft an der A ist endgültig nicht mehr damit zu rechnen, dass den auf null gesetzten Aktien jemals wieder ein höherer Wert beigemessen werden wird. Denn dies könnte nur durch Stimmrechtsausübung der Neu-Aktionäre erfolgen, die daran kein wirtschaftliches Interesse haben können.

    3. Der Umstand, dass keine Bescheinigung der depotführenden Stelle über einen Veräußerungsverlust vorliegt, hindert die Anerkennung des Verlustes nicht, wenn wegen der die Bank bindenden Verwaltungsauffassung kein Verlust vorliegt und die Bescheinigung eines Verlustes durch den Steuerpflichtigen daher nicht erlangt werden kann (Niedersächsisches FG, Urteil vom 26.10.2016 2 K 12095/15, EFG 2017, 132). Dies war hier der Fall.

    4. Durch die steuerliche Berücksichtigung der Veräußerungsverlustes mindert sich die Einkommensteuer 2014 um (€ x 25 % =)   €. Da die Ermittlung, ob sich hierbei durch die Anrechnung ausländischer Steuer (bislang  €) eine Änderung ergibt, für das Gericht einen nicht unerheblichen Aufwand darstellt, wird die Berechnung der festzusetzenden Einkommensteuer gemäß

    § 100 Abs. 2 S. 2 FGO dem Beklagten übertragen. Der Solidaritätszuschlag ist als Annexsteuer entsprechend abzuändern.

    5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 1 S. 1 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 1. HS, 711 ZPO und die Entscheidung über die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren aus § 139 Abs. 3 S. 3 FGO. Gründe, die eine Zulassung der Revision rechtfertigen würden (vgl. § 115 Abs. 2 FGO), sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

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