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  • 06.06.2019 · IWW-Abrufnummer 209239

    Hessisches Finanzgericht: Urteil vom 06.11.2018 – 12 K 1328/17

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Hessen

    Urt. v. 06.11.2018


    Tenor:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten betreffend den Veranlagungszeitraum 2014 darum, ob bei Widerruf eines Darlehensvertrags der im Rahmen der Rückabwicklung vom Kreditinstitut gezahlte Nutzungsersatz Kapitalertrag im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Einkommensteuergesetz (EStG) darstelle und ob der an das Kreditinstitut gezahlte Nutzungsersatz gegenzurechnen sei.

    Die Kläger sind Eheleute und wurden vom Beklagten im Streitjahr gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Sie erzielten jeweils Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

    Die Kläger wurden zunächst mit Bescheid vom 23. November 2015 antragsgemäß veranlagt. Dieser Bescheid wurde mit Bescheid vom 18. Januar 2017 gemäß § 174 Abgabenordnung (AO) geändert. Der Änderung lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Mit Abgabe ihrer Steuererklärungen für den folgenden Veranlagungszeitraum 2015 beantragten die Kläger jeweils die Einzelveranlagung. Sie teilten mit, dass sie im Jahre 2014 ihren privaten Baudarlehensvertrag Nr. bei der A Bank (im Folgenden als "Bank" bezeichnet) widerrufen hätten. Die Abwicklung der damit einhergehenden Kündigung des Darlehensvertrags sowie der Nutzungsersatz seien im Januar 2015 erfolgt. Die Bank hätte im Laufe des Jahres 2015 mitgeteilt, dass nach ihrer Rechtsauffassung der überlassene Nutzungsersatz kapitalertragssteuerpflichtig sei. Der Nutzungsersatz betrage 7.891,97 €. Die Kläger würden diese Rechtsauffassung der Kapitalertragssteuerpflicht nicht teilen. Infolgedessen sei dieser Betrag in den Einkommensteuererklärungen nicht enthalten gewesen.

    Am 11. Oktober 2016 erließ der Beklagte zwei Einkommensteuerbescheide 2015, in denen jeweils 3.946 € Kapitalerträge in die Berechnung einbezogen und mangels Antrag auf Günstigerprüfung tariflich besteuert wurden. In den Erläuterungen heißt es dazu, dass auf Grundlage einer Anzeige der Bank ein ausgezahlter Zinsbetrag (auch als Nutzungsentgelt bezeichnet) als Kapitalertrag im Sinne des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG berücksichtigt wurde. Die Rechtsauffassung würde durch das Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) vom 27. Mai 2015 (Bundessteuerblatt - BStBl - I 2015, 473) bestätigt.

    Die Kläger legten Einsprüche gegen die Bescheide ein und beantragten, die Zinsen in Höhe von 3.946 € nicht als steuerpflichtig zu behandeln. Sie hätten am 24. Oktober 2014 ihren Darlehensvertrag zum 24. November 2014 widerrufen. Die Bank hätte dem Widerruf zugestimmt und den Vertrag rückabgewickelt.

    In diesem Zusammenhang hätte die Bank folgende Rechnung aufgestellt:

    Kreditauszahlung    130.000,00 €       
    zzgl. Verzinsung bis zum 24.11.2014    29.915,54 €       
    abzgl. geleistete Raten/Sondertilgung    54.274,74 €       
    abzgl. Verzinsung Zahlungen Kläger    7.891,97 €       
    Forderungsbetrag    97.748,83 €    

    Ziel der Rückführung - so die Erläuterungen der Bank - infolge eines Widerrufs sei es, die Parteien im Ergebnis so zu stellen, wie sie stünden, wenn der Vertrag nicht geschlossen und die Vertragsleistung nicht erbracht worden wären.

    Im Streitjahr 2014 hätte die Bank den Betrag in Höhe von 7.891,97 € zunächst nicht als Kapitalertrag im Sinne von § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG angesehen. Am 8. Mai 2015 hätte die Bank den Klägern jedoch mitgeteilt, dass "versehentlich" keine Kapitalertragsteuer einbehalten wurde und dass dies 2015 nachgeholt werden solle. Am 9. Juni 2015 hätte die Bank - so die Einlassung der Kläger - mitgeteilt, dass steuerliche Aspekte in der Abschlussrechnung nicht berücksichtigt wurden, da der Bank die steuerliche Behandlung zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt gewesen sei. Erst im Jahre 2015 sei sie infolge eines Urteils des Bundesgerichtshofs (BGH) über die steuerliche Behandlung informiert worden. Die Kläger sind der Auffassung, dass das BMF-Schreiben sowie das BGH-Urteil auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar seien, da es dort um die steuerliche Behandlung von Zinsen aus rückerstatteten Kreditbearbeitungsgebühren gehe. Vielmehr habe der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 24. Mai 2011 VIII R 3/09, BStBl II 2012, 254, entschieden, dass vom Gläubiger neben der Rückzahlung geleistete Zinsen nicht der Besteuerung beim Empfänger unterlägen, sofern der Schuldner einer vermeintlichen privaten Schuld den geleisteten Geldbetrag erfolgreich zurückfordere und Zinsen in übersteigender Höhe aus der privaten Schuld gegenüber stünden. Damit habe der BFH genau über den vorliegenden Sachverhalt entschieden.

    Es lägen hier auch keine zwei getrennt zu sehenden Rechtsgeschäfte/Sachverhalte vor. Vielmehr käme es durch den Widerruf des Darlehens zu den Zinsansprüchen der Kläger, es bestehe mithin ein neuer Veranlassungszusammenhang. Die erfolgreiche Rückforderung des Geldes und die damit verbundenen Zinsen beträfen nur eine andere Seite desselben Sachverhalts. Dieser Beurteilung stünde auch nicht entgegen, dass die Schuldzinsen für die Finanzierung außerhalb des Streitjahres bei den Klägern abgeflossen seien.

    Die Einsprüche waren insoweit erfolgreich, als der Beklagte die Kapitalerträge in den Änderungsbescheiden 2015, jeweils vom 25. November 2016, mit 0,00 € berücksichtigte. Begründet wurde dies damit, dass die Rückabwicklung des Darlehensvertrags bereits im Jahre 2014 erfolgt sei, sodass die Kapitalerträge auch im Jahr 2014 zu versteuern seien. Infolge dessen wurde mit Datum 18. Januar 2017 der Einkommensteuerbescheid 2014 geändert.

    Gegen den Bescheid legten die Kläger mit Schreiben vom 8. Februar 2017 Einspruch ein und beantragten weiterhin unter Wiederholung des bisherigen Vorbringens, die Zinsen in Höhe von 7.892 € als nicht steuerpflichtig zu behandeln.

    Der Einkommensteuerbescheid wurde mit Bescheid vom 16. Juni 2017 erneut geändert und die Einkommensteuer von 16.825 € auf 16.447 € herabgesetzt, weil der Beklagte den sog. Sparer-Pauschbetrag nach § 20 Abs. 9 Satz 1, 1. Halbsatz, Sätze 2 und 3 EStG berücksichtigte. Im Übrigen wurde der Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom selben Tag als unbegründet zurückgewiesen.

    Gegen diese Entscheidung wenden sich die Kläger nunmehr mit ihrer Klage.

    Sie sind der Ansicht, dass durch den Widerruf der ursprüngliche Darlehensvertrag gemäß § 346 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) rückabgewickelt wurde. Dies bedeute, dass ein neues Rechtsgeschäft entstanden sei, in dessen Verlauf es aus Sicht der Kläger gleichzeitig zu einem Anspruch und einer Verpflichtung auf Nutzungsersatz gekommen sei. Dies deuteten sie als einen neuen Veranlassungszusammenhang, der auf ein- und demselben Ereignis, dem Widerruf, beruhe. Als Folge seien vorgenannter Anspruch und Verpflichtung zu saldieren. Nur eine möglicherweise entstehende Steigerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit könne einer Besteuerung unterliegen. Da der Anspruch der Kläger kleiner als die Verpflichtung zum Nutzungsersatz gewesen sei, sei eine solche Steigerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht gegeben.

    Der Beklagte stufe den Nutzungsersatz, den die Kläger von der Bank erhalten hätten, als Kapitalerträge nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG und den von den Klägern an die Bank gezahlten Nutzungsersatz als Werbungskosten ein. Ferner weise der Beklagte darauf hin, dass der Werbungskostenabzug ausgeschlossen sei. Der Begründung der Einspruchsentscheidung und deren steuerliche Folgen könnten die Kläger nicht folgen.

    Der Beklagte verkenne, dass der Sachverhalt in dem BMF-Schreiben vom 27. Mai 2015 nicht dem der Klage zugrundeliegenden Sachverhalt entspreche. Vorliegend gehe es um die steuerliche Würdigung von aufgrund Widerrufs eines Vertrags gegenseitig zu zahlenden Nutzungsentgelten.

    Den Hinweis auf das BFH-Urteil vom 24. Mai 2011 VIII R 3/09 halte der Beklagte fehlerhaft für unzutreffend, weil dieses Urteil das Streitjahr 2002 betreffe, in dem bei Einkünften aus Kapitalvermögen ein Werbungskostenabzug möglich gewesen wäre. Diesem Argument könnten die Kläger nicht folgen, da nach ihrer Rechtsauffassung ein Werbungskostenabzug in dem Sachverhalt des genannten Urteils aufgrund § 11 EStG nicht möglich gewesen wäre. Die Zinsausgaben (Werbungskosten) wären in den Jahren 1993 bis 1998 entstanden, die Erstattungszinsen im Jahre 2002. Eine Geltendmachung als vorweggenommene Werbungskosten wäre unterblieben.

    Vielmehr habe der BFH seinen Schwerpunkt auf den neuen Veranlassungszusammenhang gelegt. Im BFH-Urteil werde ausgeführt, dass nach diesen Maßstäben der Kläger aufgrund der Verzugszinsen keinen Einnahmenüberschuss erzielt habe. Der BFH führe nicht namentlich aus, dass die gezahlten Zinsen als Werbungskosten abzuziehen seien.

    Im vorliegenden Fall sei durch den Widerruf der Darlehensvertrag rückabgewickelt worden. Beide Seiten seien so gestellt worden, als sei der Vertrag nicht zustande gekommen. Die bislang geleisteten "Zinsen" wären infolge des Widerrufs Zahlungen ohne Rechtsgrund. Allein aus diesem Grund wären diese Zahlungen ebenso wie die als "Tilgung" geleisteten Zahlungen zurückerstattet worden. Diesen Vorgang gelte es nicht zu beurteilen. Jetzt würden die genannten Abrechnungen erstellt werden, indem beide Forderungen verzinst würden. Diese Erstattungs- und Nachforderungszinsen basierten auf ein- und demselben Ereignis, dem Widerruf und der damit zusammenhängenden Rückabwicklung des Darlehensvertrags. Es liege damit ein neu begründeter Veranlassungszusammenhang vor. Dieser neue Veranlassungszusammenhang führe zu Zinsausgaben in Höhe von 29.915,51 € und Zinseinnahmen in Höhe von 7.891,97 €. Es komme also durch den Widerruf als das eine Ereignis nicht zu einer Steigerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Kläger, sondern zu einer wirtschaftlichen Belastung. Die Besteuerung des Nutzungsersatzes der Kläger in Höhe von 7.891,97 € ohne Berücksichtigung des gezahlten Nutzungsentgelts an die Bank in Höhe von 29.915,54 € stelle demnach einen Verstoß gegen den Grundsatz nach der Besteuerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit dar.

    Zudem berufen sich die Kläger auf die Billigkeitsregelung des BMF vom 5. Oktober 2000, BStBl I 2000, 1508. Mit diesem Schreiben werde geregelt, dass seit 1999 nicht mehr steuermindernd geltend zu machende Nachzahlungszinsen nach § 233a AO gegen Erstattungszinsen anzurechnen seien, sofern diese auf ein- und demselben Ereignis beruhten. Es sei selbstredend, dass es im vorliegenden Fall nicht um Zinsen nach § 233a AO gehe.

    Aber es gehe um eine Regelung zur Vermeidung von unbilligen Härten: "Aus Gründen sachlicher Härte sind auf Antrag Erstattungszinsen im Sinne des § 233a AO nach § 163 AO nicht in die Steuerbemessungsgrundlage einzubeziehen, soweit ihnen nicht abziehbare Nachforderungszinsen gegenüberstehen, die auf ein- und demselben Ereignis beruhen." Dieser Rechtsgedanke sei heranzuziehen.

    Auch das BMF-Schreiben vom 12. April 2018, BStBl I 2018, 624, behandele nicht den der Klage zugrundeliegenden Sachverhalt von gleichzeitigem Nutzungsersatz und Nutzungsverpflichtung, die auf ein- und demselben Rechtsgeschäft, dem Widerruf, basierten.

    Die Kläger beantragen,

    den Einkommensteuerbescheid 2014 vom 18. Januar 2018 in der Fassung des Bescheids vom 16. Juni 2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. Juni 2018 dahingehend zu ändern, dass die Kapitalerträge mit 0,00 € angesetzt werden und die Einkommensteuer auf 14.897 € neu festgesetzt wird.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er bleibt im Wesentlichen bei seinem außergerichtlichen Vorbringen und nimmt Bezug auf die Einspruchsentscheidung.

    Er ist der Ansicht, dass es sich bei dem Nutzungsentgelt um eine Kapitaleinnahme im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG handle. Die Bank habe zu Recht die Kapitalertragsteuer einbehalten bzw. nachgefordert. Die Rückabwicklung des Darlehensvertrags durch Rückzahlung sei noch im Jahre 2014 erfolgt, sodass der Vorgang gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG steuerlich im Jahre 2014 zu erfassen sei.

    Das BMF-Schreiben vom 27. Mai 2015 sei analog auf den vorliegenden Fall anwendbar, auch wenn es den von Kreditinstituten zu zahlende Nutzungsersatz auf rückerstattete Kreditbearbeitungsgebühren thematisiere. Einem gezahlten Nutzungsersatz auf rückerstattete Kreditbearbeitungsgebühren stünden in aller Regel ebenfalls übersteigende Schuldzinsen aus dem zugehörigen Kredit gegenüber. Das BMF-Schreiben stelle dennoch ausdrücklich das Vorliegen von Kapitaleinkünften im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG fest. Somit könne für den zu zahlenden Nutzungsersatz auf im Rahmen der Rückabwicklung eines Darlehensvertrags rückerstattete Zahlungen nicht anderes gelten.

    Der vorliegende Sachverhalt entspreche nicht dem, über den der BFH in seinem von den Klägern zitierten Urteil vom 24. Mai 2011 VIII R 3/09 entschieden habe und das auch dem BMF-Schreiben vom 27. Mai 2015 zugrunde liege. In jenem Fall seien die den Klägern zugeflossenen Verzugszinsen deshalb nicht der Besteuerung unterworfen worden, weil ihnen Darlehenszinsen als Aufwendungen in übersteigender Höhe gegenüber gestanden hätten. Der BFH habe die Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen qualifiziert. Der neue Veranlassungszusammenhang sei Begründung für den BFH, die Schuldzinsen als Werbungskosten anzuerkennen. Der BFH habe die Erzielung von Einkünften nur deshalb verneint, weil in dem verhandelten Sachverhalt kein Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten hätte erzielt werden können. Im hier vorliegenden Fall seien die Einkünfte aus Kapitalvermögen jedoch der Überschuss der Einnahmen über den Sparer-Pauschbetrag; der Abzug von tatsächlichen Werbungskosten sei nicht möglich.

    Anders als im BFH-Urteil lägen keine Refinanzierungsaufwendungen vor. Vorliegend bestehe kein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den beiden Nutzungsersatzzahlungen, da sie auf verschiedenen Kapitalüberlassungsverhältnissen beruhten. Daher sei kein Abzug möglich. Die beiden Ansprüche bestünden nebeneinander und könnten deshalb nicht verrechnet werden.

    Unabhängig davon sei festzustellen, dass selbst im Falle der Annahme eines wirtschaftlichen Zusammenhangs der Nutzungsersatzzahlungen des Darlehensnehmers an den Darlehensgeber mit den Nutzungsersatzzahlungen des Darlehensgebers an den Darlehensnehmer ein Werbungskostenabzug aufgrund des Abzugsverbots nach § 20 Abs. 9 EStG ausgeschlossen sei. Die nach Auffassung der Kläger fehlende Steigerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bei - nach Auffassung des Beklagten nicht zulässiger - Saldierung der Nutzungsentgelte sei kein Grund, die Steuerbarkeit des Nutzungsentgelts zu verneinen. Das Werbungskostenabzugsverbot wäre durch die Rechtsprechung als verfassungsgemäß bestätigt worden. Zwar stelle die Rechtsprechung auch fest, dass das Abzugsverbot für Werbungskosten unter Umständen einen Verstoß gegen den Grundsatz der Besteuerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit beinhalten könnte. Mit der Gewährung des Sparer-Pauschbetrags würde jedoch eine verfassungsrechtlich grundsätzlich anzuerkennende Typisierung der Werbungskosten bei den Beziehern niedrigerer Kapitaleinkünfte sowie mit der Senkung des Steuertarifs von bisher bis zu 45 % auf nunmehr 25 % zugleich eine verfassungsrechtlich anzuerkennende Typisierung der Werbungskosten bei den Beziehern höherer Kapitaleinkünfte vorgenommen.

    Auch aus der Billigkeitsregelung des BMF-Schreibens vom 5. Oktober 2000 lasse sich keine Behandlung des Nutzungsersatzes als nicht steuerpflichtig ableiten. Die Billigkeitsregelung sehe vor, dass auf Antrag Erstattungszinsen im Sinne des § 233a AO nach § 163 AO nicht in die Steuerbemessungsgrundlage einzubeziehen seien, soweit ihnen nicht abziehbare Nachforderungen gegenüberstünden, die auf ein- und demselben Ereignis beruhten. Ereignis sei hierbei der einzelne Vorgang, der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis für unterschiedliche Veranlagungszeiträume im engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang erhöhe oder vermindere. Soweit als Ereignis in diesem Sinne der Widerruf und die damit zusammenhängende Rückabwicklung des Kreditvertrags anzusehen sei, erhöhe sich zwar die Steuerschuld für den Veranlagungszeitraum 2014. Eine Verminderung der Steuerschuld durch Gegenrechnung des zu zahlenden Nutzungsentgelts sei jedoch nicht gegeben. Es handele sich um zwei getrennte Ansprüche/Kapitalüberlassungsverhältnisse, die aus der Rückabwicklung resultierten. Bei Annahme einer Billigkeit in diesem Fall würde es zu einer ungerechtfertigten Besserstellung gegenüber anderen Steuerpflichtigen kommen. Auch bei der Erzielung von anderen Einkünfte aus Kapitalvermögen entstünden die Aufwendungen in aller Regel zwangsläufig; dennoch gelte auch hier das Werbungskostenabzugsverbot. Die Gewährung einer Billigkeitsmaßnahme im vorliegenden Fall würde daher zu einem Eingriff in die gesetzgeberischen Wertungen und zu einer Korrektur des gesetzlich vorgegebenen Werbungskostenabzugsverbots führen.

    Ergänzend verweise der Beklagte auf das zwischenzeitlich ergangene BMF-Schreiben vom 12. April 2018, BStBl II 2018, 624 [BFH 25.04.2018 - I R 59/15], das sich auch mit dem Nutzungsersatz bei Rückabwicklung von Darlehensverträgen befasse und daher uneingeschränkt auf den Streitfall anwendbar sei.

    Dem Gericht haben die Einkommensteuerakten der Veranlagungszeiträume 2014 und 2015 vorgelegen.

    Gründe

    Die zulässige Klage ist unbegründet.

    Der Bescheid vom 18. Januar 2018 in der Fassung des Bescheids vom 16. Juni 2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. Juni 2018 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -). Der Beklagte hat zu Recht Kapitalerträge in Höhe von 7.946 € abzüglich des Sparer-Pauschbetrag von jeweils 801 € ohne Berücksichtigung weiterer Werbungskosten der Besteuerung zu Grunde gelegt.

    Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art, wenn die Rückzahlung des Kapitalvermögens oder ein Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung zugesagt oder geleistet worden ist, auch wenn die Höhe der Rückzahlung oder des Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängt. Dies gilt unabhängig von der Bezeichnung und der zivilrechtlichen Ausgestaltung der Kapitalanlage.

    Dabei ist eine Kapitalforderung jede auf eine Geldleistung gerichtete Forderung ohne Rücksicht auf die Dauer der Kapitalüberlassung oder den Rechtsgrund des Anspruchs (ständige Rechtsprechung, statt vieler: BFH-Urteil vom 9. Februar 2010 VIII R 35/07, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH - BFH/NV - 2010, 1793; Schmidt/Levedag, EStG, 37. Auflage 2018, § 20 Rz 100 f., mit zahlreichen Rechtsprechungshinweisen). Erforderlich ist aber in jedem Fall die Überlassung von privatem Geldvermögen an Dritte. Dabei kann die Kapitalüberlassung in unterschiedlicher Art und Weise erfolgen, etwa durch Hingabe als Darlehen, durch Novation eines bestehenden Zahlungsanspruchs in ein Darlehen oder durch zeitliche Erstreckung eines Zahlungsanspruchs mittels Verrentung (BFH-Urteil in BFH/NV 2010, 1793). So sind z.B. zivilrechtliche Verzugs- oder Prozesszinsen bei steuerlicher Betrachtung Entgelte für die unfreiwillige Vorenthaltung von Kapital und damit Kapitalerträge im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG (BFH-Urteil vom 24. Mai 2011 VIII R 3/09, BStBl II 2012, 254). Auch eine vom Schuldner erzwungene Kapitalüberlassung oder die Vorenthaltung von Kapital kann zu Einnahmen aus Kapitalvermögen führen (BFH-Urteil vom 25. Oktober 1994 VIII R 79/91, BStBl II 1995, 121; BFH-Urteil in BStBl II 2012, 254). Verzugszinsen stellen danach aus ertragsteuerlicher Sicht keinen Schadenersatz für die Verletzung privater Güter dar, sondern sind Entgelt für die unfreiwillige Vorenthaltung des dem Steuerpflichtigen zustehenden Kapitals (BFH-Urteil in BStBl II 2012, 254). Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Auszahlung des Kapitals selbst steuerpflichtig ist; denn die fehlende Steuerbarkeit der Hauptleistung erstreckt sich nicht zugleich auf die Zinsen (BFH-Urteil vom 13. November 2007 VIII R 36/05, BStBl II 2008, 292).

    Unter Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall fällt auch der Nutzungsersatz für die von der Bank erbrachten Leistungen (Nutzungsvergütung nach § 346 BGB) unter § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, wenn ein Darlehensvertrag rückabgewickelt wird. Im Ergebnis stellt der Nutzungsersatzanspruch die widerrufenden Kläger wirtschaftlich (faktisch) einem Kapitalanleger gleich, obwohl es sich um "Zwangseinnahmen" handelt.

    Diese vom Gericht vertretene Auffassung steht im Einklang mit dem BMF-Schreiben vom 12. April 2018, das das BMF-Schreiben vom 18. Januar 2016, BStBl I 2016, 85, ergänzt. In der Neufassung der maßgeblichen Randziffer ist nunmehr der Nutzungsersatz, den ein Kreditnehmer aus der Rückabwicklung eines Darlehens für die von ihm an den Darlehensgeber erbrachten Leistungen erhalten hat, ausdrücklich aufgenommen und ausgeführt, dass es sich um einkommensteuerpflichtige Kapitalerträge im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG handelt. Zwar hatten sich die BMF-Schreiben vom 27. Mai 2015 und 18. Januar 2016 lediglich mit dem von den Kreditinstituten zu zahlenden Nutzungsersatz auf rückerstattete Kreditbearbeitungsgebühren und mit Prozess- und Verzugszinsen sowie geleistetem Nutzungsersatz in anderen Fällen (z.B. Zinsen auf erstattete Kontoführungsgebühren) befasst, jedoch ist insoweit der Auffassung des Beklagten zuzustimmen, dass diese Aufführungen entsprechend auf den vorliegenden Sachverhalt anzuwenden waren.

    Zutreffend hat der Beklagte den Nutzungsersatz gemäß § 11 EStG im Jahre des Zuflusses steuerlich erfasst. Ein Zufluss liegt vor, wenn der Empfänger die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Geldbeträge erlangt, was vorliegend im Jahre 2014 erfolgt ist.

    Die an die Bank als Wertersatz für die Nutzung des zur Verfügung gestellten Kapitals gezahlten Zinsen können auch nicht als Werbungskosten abgezogen werden. Ab dem 1. Januar 2009 schließt mit der Einführung der Abgeltungssteuer § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG über den Werbungskosten-Pauschalbetrag in Höhe von 801 € hinaus einen Abzug höherer tatsächlich gezahlter Werbungskosten für Erträge, die nach dem 31. Dezember 2008 zufließen, aus. Damit ist die Möglichkeit, die fehlende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit aufgrund eines Werbungskostenüberhangs geltend zu machen, ausgeschlossen (§ 2 Abs. 2 Satz 2, § 20 Abs. 9 EStG).

    Die Kläger können aus dem BFH-Urteil vom 24. Mai 2011 VIII R 3/09 nichts anderes ableiten. Streitig war dort, ob der Kläger, nachdem er als zu Unrecht in Anspruch genommener Bürge den Bürgschaftsgläubiger erfolgreich auf Rückzahlung verklagt hatte, die von diesem gezahlten Verzugszinsen versteuern muss, obwohl er für die ungerechtfertigte Inanspruchnahme aus der Bürgschaft Darlehen aufgenommen und Schuldzinsen in übersteigender Höhe entrichtet hatte. Der BFH hat in diesem Urteil darauf abgestellt, dass die vereinnahmten Verzugszinsen, auch wenn sie Kapitalerträge im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG seien, nicht der Besteuerung zugrunde zu legen seien, da ihnen Darlehenszinsen als Aufwendungen in übersteigender Höhe gegenüberstünden mit der Folge, dass bei objektiver periodenübergreifender Betrachtung ein Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben nicht erzielt werden könne. Im Ergebnis habe sich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Klägers nicht erhöht. Der BFH hat insoweit einen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen den Kapitalerträgen in Gestalt der Verzugszinsen und den vom Kläger geleisteten Schuldzinsen gesehen, sodass die Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Kapitaleinkünften abzuziehen seien. Dieser Beurteilung stehe nicht entgegen, dass die Schuldzinsen außerhalb des Streitjahres beim Kläger abgeflossen seien. Da Einkünfte aus einer erzwungenen Kapitalüberlassung gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG keine Einkünfteerzielungsabsicht des Steuerpflichtigen voraussetzen, sondern allein die objektive Steigerung seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, seien für die Prüfung, ob eine erzwungene Kapitalüberlassung überhaupt zu nachhaltigen Einkünften führen kann, die miteinander wirtschaftlich zusammenhängenden Einnahmen und Ausgaben ohne Rücksicht auf das Zufluss- und Abflussprinzip gegenüberzustellen.

    Es ist bereits zweifelhaft, ob der vorliegende Fall mit dem vom BFH entschiedenen Fall insofern vergleichbar ist, als auch hier ein Fall der erzwungenen Kapitalüberlassung vorliegt; denn im vorliegenden Fall geht es um die Rückabwicklung eines auf freiwilliger Basis aufgenommenen Baudarlehens. Dies dahingestellt ist dem Beklagten zuzustimmen, dass der BFH zu seinem Ergebnis nur unter der Prämisse kommen konnte, dass ein Werbungskostenabzug überhaupt in Betracht kommt. Nur so war der Schluss zu ziehen, dass der Kläger zu keinen nachhaltigen Einkünften kommen konnte. Dem Beklagten ist also insoweit zuzustimmen, dass der vom BFH zu entscheidende Sachverhalt nach Einführung der Abgeltungssteuer im Jahre 2009 anders zu beurteilen gewesen wäre.

    Dasselbe gilt für die Entscheidung des BFH vom 28. Februar 2018 VIII R 53/14, BStBl II 2018, 687. Dort hatten die Beteiligten darüber gestritten, ob Schuldzinsen für ein Darlehen, das im Zusammenhang mit der Finanzierung einer Einkommensteuernachzahlung aufgenommen worden ist, in den Streitjahren als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen sind, da das Finanzamt die Einkommensteuer später wieder herabsetzte und dem Kläger steuerpflichtige Erstattungszinsen gezahlt hat. Auch hier hatte der BFH den Werbungskostenabzug wegen des Vorliegens eines wirtschaftlichen Zusammenhangs bejaht. Aber auch hier lag das Streitjahr (2002) zeitlich vor Einführung der Abgeltungssteuer, sodass die Entscheidung vorliegend keine Bedeutung hat (vgl. auch Werth, Entscheidungen des BFH für die Praxis der Steuerberatung - BFH-PR - 2018, 239; Weiss, Der AO-Steuerberater - AO-StB - 2018, 274).

    Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Billigkeitserwägungen. Die Billigkeitsregelung vom 5. Oktober 2000 besagt, dass aus Gründen sachlicher Härte auf Antrag Erstattungszinsen im Sinne des § 233a AO nach § 163 AO nicht in die Steuerbemessungsgrundlage einzubeziehen sind, soweit ihnen nicht abziehbare Nachforderungszinsen gegenüberstehen, die auf ein- und demselben Ereignis beruhen. Ereignis in diesem Sinne ist der einzelne Vorgang, der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis für unterschiedliche Veranlagungszeiträume im engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang erhöht oder vermindert (z.B. Erhöhung des Warenbestandes eines Jahres/Erhöhung des Wareneinsatzes im Folgejahr). Die Billigkeitsregelung führt dabei auch aus, dass die unterschiedliche steuerliche Behandlung von Zinsen auf Steuernachforderungen und Erstattungszinsen regelmäßig nicht zu einer sachlichen Unbilligkeit führt. Es handele sich vielmehr um eine bewusste gesetzgeberische Entscheidung, die konsequent daran anknüpft, dass private Schuldzinsen nicht abzugsfähig, Guthabenzinsen aber steuerpflichtig sind. Die Regelung könne jedoch in Einzelfällen zu einem sachlich unbilligen Ergebnis führen, wenn - auf die Einkommen- oder Körperschaftssteuer bezogen - sowohl Steuernachforderungen als auch Steuererstattungen gegenüber dem Steuerpflichtigen auf ein- und demselben Ereignis (z.B. Betriebsprüfung) beruhen. Das Gericht hält den in der Billigkeitsregelung enthaltenen Rechtsgedanken nicht für auf den vorliegenden Fall übertragbar, da er sich auf Nachforderungs- und Erstattungszinsen bezieht, die - da es sich um Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis handelt - eine andere Qualität als die streitgegenständlichen Zinsen aufweisen. Bei Ansprüchen, die auf der Rückabwicklung eines privaten Darlehensvertrags beruhen, ist in erster Linie das Werbungskostenabzugsverbot des § 20 Abs. 9 EStG über den Sparer-Pauschbetrag hinaus maßgeblich. Die damit umgesetzte Typisierung der Werbungskosten ist dabei verfassungsmäßig unbedenklich (vgl. BFH-Urteile vom 28. Januar 2015 VIII R 13/13, BStBl II 2015, 393; und vom 1. Juli 2014 VIII R 53/12, BStBl II 2014, 975). Gegen die Übertragbarkeit des Rechtsgedankens spricht auch, dass der BGH wiederholt entschieden hat, dass bei Umwandlung von Darlehensverträgen in Rückgewährschuldverhältnisse die wechselseitigen Ansprüche keiner automatischen Verrechnung (Saldierung) unterliegen. Bis zur Aufrechnung kann die jeweilige Leistung ohne Rücksicht auf bestehende Gegenansprüche durchgesetzt werden; denn das Abwicklungsverhältnis stellt kein gegenseitiges Vertragsverhältnis dar (BGH-Urteile vom 21. Februar 2017 XI ZR 467/15, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 2017, 1823; vom 25. April 2017 XI ZR 108/16, NJW 2017, 2102; und vom 12. Januar 2016 XI ZR 366/15, NJW 2016, 2428).

    Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in § 135 Abs. 1 FGO.

    Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 FGO genannten Gründe vorliegt.