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  • 03.04.2014 · IWW-Abrufnummer 140981

    Finanzgericht Münster: Urteil vom 18.12.2013 – 3 K 3246/12 Erb

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Münster

    3 K 3246/12 Erb

    Tenor:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

    Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten über den Erlass der der Klägerin gegenüber festgesetzten Erbschaftsteuer.

    Die Klägerin war Vermächtnisnehmerin nach ihrem am 00.00.0000 verstorbenen Lebensgefährten. Erben und Vermächtnisverpflichtete waren dessen Sohn und Tochter. Das Vermächtnis bestand aus einer Einmalzahlung in Höhe von X DM, zahlbar in fünf gleichen Jahresraten, und aus einer wertgesicherten Leibrente in Höhe von monatlich anfangs X DM.

    Der Beklagte setzte mit Bescheid vom 22.09.1982 Erbschaftsteuer fest für Sachwerte (Einmalzahlung X DM) in Höhe von X DM und für die Rente (monatlich X DM) in Form der beantragten Jahresversteuerung (§ 23 Erbschaftsteuergesetz – ErbStG) in Höhe von X DM jährlich.

    Ein Rechtsstreit der Klägerin mit den Erben über das Vermächtnis endete am 00.00.0000 mit einem Vergleich vor dem Oberlandesgericht. Die Erbschaftsteuer auf Sachwerte wurde daraufhin mit Bescheid vom 12.10.1984 auf X DM herabgesetzt; die Versteuerung der Rente änderte sich nicht. Der Bescheid wurde bestandskräftig. In der Folge wurde die Erbin zu Lasten ihres miterbenden Bruders aus der Vermächtnisverpflichtung entlassen. Zum Ausgleich dafür übernahm dieser eine Bankbürgschaft in Höhe von X DM. Die Rente betrug zu diesem Zeitpunkt monatlich X DM. Die festgesetzte Erbschaftsteuer auf die Einmalzahlung und die jährlich zum 28.02./01.03. fällige Jahressteuer wurden von der Klägerin stets gezahlt.

    Der Vermächtnisverpflichtete ging mit seinen Firmen in den Jahren 1997/1998 in die Insolvenz. Die monatlichen Rentenzahlungen erfolgten nunmehr ausschließlich aus der Bürgschaft und wurden im Mai 2005 nach Erschöpfung des Bürgschaftsbetrages eingestellt. Aus dem Vermächtnis erfolgten danach keinerlei Zahlungen mehr an die Klägerin. Nach ihren Angaben ist der Vermächtnisverpflichtete hoffnungslos überschuldet; allein seine Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Finanzverwaltung beliefen sich per 17.10.2005 auf X Euro.

    Sowohl bezüglich der Jahressteuer 2005 als auch der Jahressteuer 2006 stellte die Klägerin erfolglos Erlassanträge aus sachlichen und persönlichen Billigkeitsgründen gem. §§ 227 und 163 AO. Auf das Urteil des Senats in dem Verfahren 3 K 1892/07 Erb vom 29.05.2008 (EFG 2008, 1813) und auf das durch Klagerücknahme beendete Verfahren 3 K 1131/09 Erb wird hingewiesen.

    Am 08.12.2010 stellte die Klägerin einen Antrag auf Ablösung der Jahressteuer gem. § 23 ErbStG. Da die Rente aufgrund des Vermögensverfalls beim Verpflichteten nicht mehr bezahlt werde, seien der Kapitalwert der Rente und demzufolge die Steuer mit 0 Euro anzusetzen. Demgegenüber berechnete der Beklagte den Ablösebetrag mit X Euro und lehnte den Antrag durch Bescheid vom 02.09.2011 ab. Den dagegen unter Hinweis § 163 AO und auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 22.05.1995 (2 BvR 552/91, BStBl. II 1995, 671) erhobenen Einspruch, mit dem die Klägerin ein unzulässiges Übermaß der Besteuerung geltend macht, wies der Beklagte durch Einspruchsentscheidung vom 28.08.2012 als unbegründet zurück. Nach gefestigter Rechtsprechung komme ein Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen bei nach dem Besteuerungsstichtag eingetretenem Vermögensverfall nicht in Betracht. Dies gelte auch für die Fälle, in denen der Steuerpflichtige die Jahresversteuerung gem. § 23 ErbStG gewählt habe. Auch komme eine abweichende Festsetzung aus persönlichen Billigkeitsgründen nicht in Betracht.

    Mit ihrer Klage vom 21.09.2012 verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf abweichende Festsetzung der Erbschaftsteuer aus Billigkeitsgründen weiter. Nach dem Willen des Gesetzgebers unterliege nur der Vermögensanfall der Erbschaftsteuer, die maximal 50 % betrage (§§ 2 und 19 ErbStG). Entsprechend dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 22.06.1995 (a.a.O.) sei ein übermäßiger steuerlicher Eingriff, der die zugewachsenen Vermögenswerte grundsätzlich beeinträchtige, nicht zulässig. Im vorliegenden Fall führe das Festhalten am Stichtagprinzip jedoch zu einem Besteuerungsübermaß, da nach dem von der Klägerin nicht verschuldeten Wegfall der Rente ein Zugriff auf nicht ererbtes Vermögen erfolge.

    Unter Hinweis auf das Urteil des Finanzgerichts Brandenburg vom 05.10.1995 (1 K 36/95, EFG 1995, 1092) hält die Klägerin auch einen Erlass aus persönlichen Billigkeitsgründen für gerechtfertigt.

    Die Klägerin lebt zusammen mit ihrem Sohn im Einfamilienhaus ihrer Eltern (Baujahr 1927), das sie im Wege der Erbauseinandersetzung aus der Erbengemeinschaft mit ihrem Bruder erworben hat. Die Darlehensschulden aus dem Erwerb und der Renovierung des Hauses belaufen sich auf gut X Euro. Diese Darlehensschulden werden nach den Angaben der Klägerin momentan nicht getilgt; lediglich die anfallenden Zinsen werden beglichen. Die Klägerin bezieht eine Rente aus der Sozialversicherung in Höhe von monatlich 475,48 Euro, die durch Sozialhilfe aufgestockt wird.

    Die Klägerin beantragt sinngemäß,

    den Beklagten zu verpflichten, die im Wege der Ablösung gem. § 23 Abs. 2 Satz 1 ErbStG zu zahlende Jahressteuer im Billigkeitswege gem. § 163 AO auf 0 Euro festzusetzen.

    Der Beklagte beantragt sinngemäß,

    die Klage abzuweisen.

    Er hält an seiner ablehnenden Auffassung fest. So habe der Gesetzgeber in Kenntnis der Problematik bei Änderungen des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes stets am Stichtagsprinzip festgehalten. Darüber hinaus habe die Klägerin mit der Wahl der Jahresversteuerung gem. § 23 ErbStG das Risiko, einen höheren Steuerbetrag zahlen zu müssen als den bei einer Kapitalisierung sofort fälligen Betrag, bewusst in Kauf genommen.

    Der Senat entscheidet gem. § 90a Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Gerichtsbescheid.

    Entscheidungsgründe

    Die zulässige Klage ist nicht begründet.

    Die Ablehnung des von der Klägerin begehrten Festsetzungserlasses durch den Beklagten in der Gestalt der Einspruchsentscheidung ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 101 Satz 1 FGO).

    Gem. § 163 AO können die Finanzbehörden Steuern niedriger festsetzen, wenn deren Erhebung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Die Unbilligkeit kann sich entweder aus sachlichen oder aus persönlichen Gründen ergeben. Die Entscheidung über einen Erlassantrag stellt eine Ermessensentscheidung dar, die der finanzgerichtlichen Nachprüfung nur insoweit unterliegt, ob die Finanzbehörden von dem ihnen eingeräumten Ermessen bestimmungsgemäßen Gebrauch gemacht haben, ob also deren Entscheidung nicht auf einer Ermessensüberschreitung oder einem Ermessensfehlgebrauch beruht (§ 102 Satz 1 FGO). Eine Verpflichtung zum Erlass der beantragten Billigkeitsmaßnahme kann nur ausgesprochen werden, wenn nach den Umständen des Einzelfalls das Ermessen so eingeengt ist, dass jede andere Entscheidung ermessensfehlerhaft wäre.

    Im vorliegenden Fall sind Ermessensfehler des Finanzamts bei der Ablehnung der beantragten abweichenden Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen nicht erkennbar. Ebenso wenig ist das Ermessen des Finanzamts dahin gehend eingeschränkt, das die Gewährung eines Festsetzungserlasses die einzig ermessensgerechte Entscheidung wäre. Der von der Klägerin begehrte Erlass ist weder aus sachlichen noch aus persönlichen Billigkeitsgründen gerechtfertigt.

    Ein Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen kommt in Betracht, wenn die Einziehung der Steuer zwar dem Gesetz entspricht, aber infolge eines Gesetzesüberhangs den Wertungen des Gesetzgebers derart zuwiderläuft, dass sie unbillig erscheint. Dies setzt voraus, dass der Gesetzgeber die mit der Einziehung der Steuer verbundene Härte nicht bewusst in Kauf genommen hat. Die Billigkeitsvorschriften der §§ 163, 227 AO stellen keine Ermächtigung zur Korrektur des Gesetzes dar. Die Billigkeitsmaßnahme darf nicht auf Erwägungen gestützt werden, die die vorgesehene Besteuerung allgemein oder für bestimmte Fallgruppen außer Kraft setzen würde. Ein Erlass wegen sachlicher Unbilligkeit ist nur insoweit durch die Vorschriften gedeckt, wie angenommen werden kann, der Gesetzgeber würde die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage – hätte er sie geregelt – im Sinne des vorgesehenen Erlasses entscheiden. Diesen Rechtsprechungsgrundsätzen (vgl. BFH, Urteile vom 04.02.2010 II R 25/08 und II R 35/09, BStBl. II 2010, 663 und BFH/NV 2010, 1601 mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung) schließt sich der Senat auch für den vorliegenden Fall an.

    Danach kommt ein Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen nicht in Betracht, da andernfalls das im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht geltende Stichtagsprinzip unterlaufen würde.

    Das Stichtagsprinzip führt dazu, dass erst nach dem Stichtag eintretende Entwicklungen, die den Umfang bzw. den Wert des empfangenen Vermögens betreffen, für die Steuerfestsetzung nicht zu berücksichtigen sind. Demzufolge kommt auch ein Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen in Fällen des Vermögensverfalls nach dem Stichtag nicht in Betracht, da der Gesetzgeber in Kenntnis dieses Problems weiter an der Stichtagsregelung festhält. So lehnt der Bundesfinanzhof in ständiger Rechtsprechung, gefolgt von der finanzgerichtlichen Rechtsprechung, in derartigen Fällen einen Erlass auch sachlichen Billigkeitsgründen ab (vgl. BFH, Urteile vom 13.05.1998 II R 98/97, BFH/NV 1998, 1376 und vom 02.03.2006 II R 57/04, BFH/NV 2006, 1480 sowie FG Münster, Urteil vom 29.05.2008 3 K 1892/07 Erb, EFG 2008, 1813, jeweils mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung).

    Der Senat hält dabei auch aus den dort genannten Gründen an seiner im Urteil vom 29.05.2008 (a.a.O.) vertretenen Auffassung fest, dass im vorliegenden Fall auch nicht deshalb im Sinne eines Erlasses zu entscheiden ist, weil die Klägerin die Versteuerung gem. § 23 ErbStG gewählt hat.

    Soweit sie in diesem Zusammenhang meint, die Versagung des Erlasses verstoße gegen das Übermaßverbot, folgt dem der Senat nicht. Eine Steuerfestsetzung bzw. die Versagung des Erlasses verstößt gegen das Übermaßverbot, wenn die Folgen einer schematisierenden Belastung extrem über das normale Maߠ hinausgehen, das der Schematisierung zugrunde liegt, oder -anders ausgedrückt- die Folgen auch unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Planvorstellungen durch den gebotenen Anlass nicht mehr gerechtfertigt sind (vgl. BFH, Urteil vom 02.07.2004 II R 22/02, BFH/NV 2004, 1519 mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung). Zwar verkennt der Senat nicht, dass bei gleichbleibender Sachlage -wegen des geltenden Stichtagsprinzips- Steuern ohne eine entsprechende Bereicherung anfallen. Allerdings stellen die bis zum Zeitpunkt der Stellung des Ablöseantrags angefallenen Steuern unter Berücksichtigung des bis dahin tatsächlich erlangten Erwerbs noch keine extrem über das normale Maß hinausgehende Belastung der Klägerin dar.

    Auch ein Erlass aus persönlichen Billigkeitsgründen kommt aus den bereits im Urteil des Senats vom 29.05.2008 (a.a.O.) genannten Erwägungen nicht in Betracht. Auf das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 30.03.2006 (V R 2/04, BStBl. II 2006, 612) wird darüber hinaus hingewiesen.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 FGO.

    Die Revision wird zur Fortbildung des Rechts gem. § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassen.

    RechtsgebietFinanz- und Abgaberecht

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