· Fachbeitrag · § 9 EStG
Erste Tätigkeitsstätte und Aufteilung von Reisekosten bei Vermietungseinkünften
Sachverhalt
Im Streitfall ging es um die Frage, ob Fahrten zwischen dem Vermietungsobjekt und der Wohnung nach Reisekostengrundsätzen als Werbungskosten abziehbar sind oder die betragsmäßigen Einschränkungen der Regularien zur ersten Tätigkeitsstätte und zur doppelten Haushaltsführung zu beachten sind. Das FG Münster hat dies grundsätzlich bejaht.
Entscheidung
Zwar verweist § 9 Abs. 3 EStG nicht ausdrücklich auf § 9 Abs. 4 EStG. Nach Auffassung des FG Münster ist § 9 Abs. 4 EStG aber mit Blick auf die Zielsetzung des § 9 Abs. 3 EStG ‒ der Gleichstellung von Nichtarbeitnehmern mit Arbeitnehmern ‒ ebenfalls entsprechend auf die Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung heranzuziehen. Die erste Tätigkeitsstätte ist über § 9 Abs. 3 EStG ‒ entsprechend § 9 Abs. 4 EStG (dort dienstverhältnisbezogen) ‒ objektbezogen zu verstehen. Dass die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ‒ wie im Streitfall ‒ im Rahmen einer (vermögensverwaltenden) Personengesellschaft erzielt werden, stand der Annahme einer ersten Tätigkeitsstätte nicht entgegen. Dabei bedurfte es im Streitfall keiner Entscheidung, ob die erste Tätigkeitsstätte allein aus der Perspektive der Gesellschaft bestimmt werden konnte oder ob hierzu ‒ im Sinne einer Bruchteilsbetrachtung ‒ stets die Perspektive der einzelnen Gesellschafter eingenommen werden musste.
Neben den (im Urteilsfall unstreitig gegebenen) Anforderungen an eine ortsfeste Einrichtung muss die „dauerhafte Zuordnung“, die bei Arbeitnehmern durch den Arbeitgeber ‒ durch dessen Festlegung (§ 9 Abs. 4 Satz 2 EStG) bzw. hilfsweise durch quantitative Kriterien (§ 9 Abs. 4 Satz 4 EStG) ‒ aufgrund des bei der Vermietung und Verpachtung fehlenden Zwei-Personen- bzw. auch Über-/Unterordnungsverhältnisses für die dortige Situation übersetzt werden.
Die Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte durch den Vermieter selbst kommt nach Auffassung des FG ausgehend von dem Grundsatz der Gleichstellung von Arbeitnehmern und Nichtarbeitnehmern nicht in Betracht, denn der Arbeitnehmer hat gerade weder das Recht, eine Tätigkeitsstätte zur „ersten Tätigkeitsstätte“ zu widmen noch bei mehreren Tätigkeitsstätten seine erste Tätigkeitsstätte zu bestimmen. Würde man dem Vermieter dieses Recht zugestehen, könnte er stets seine Wohnung als erste Tätigkeitsstätte bestimmen, mit der Folge, dass selbst bei arbeitstäglichen Fahrten zum Vermietungsobjekt stets die tatsächlichen Fahrtkosten geltend gemacht werden könnten. Hierdurch würde die Regelung des § 9 Abs. 3 EStG in Bezug auf die Fahrtkosten zur ersten Tätigkeitsstätte leer laufen.
Allerdings liegt entsprechend § 9 Abs. 4 Satz 4 Nr. 2 2. Alternative EStG eine erste Tätigkeitsstätte am Vermietungsobjekt jedenfalls dann vor, wenn der Steuerpflichtige mindestens 1/3 seiner regelmäßigen Arbeitszeit für das Vermietungsobjekt am Vermietungsobjekt selbst verrichtet. Denn liegen die quantitativen Voraussetzungen für den Ersatz einer Zuordnungsentscheidung des Arbeitgebers vor, ist eine Gleichbehandlung geboten. Ob in Ansehung der (Mindest-)Anforderungen, die der BFH an eine „Tätigkeitsstätte“ bei Arbeitnehmern stellt, auch bei einem geringeren Tätigkeitsumfang von einer ersten Tätigkeitsstätte ausgegangen werden kann, konnte im Streitfall offenbleiben.
Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 bzw. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 i. V. m. § 9 Abs. 3 EStG können daher Steuerpflichtige, die im Zusammenhang mit ihrer Vermietungstätigkeit außerhalb ihrer Wohnung bzw. dem Ort des eigenen Hausstands eine erste Tätigkeitsstätte i. S. d. § 9 Abs. 4 EStG haben, Kosten für (Familienheim-)Fahrten nur nach Maßgabe einer Entfernungspauschale und nur insoweit geltend machen, als die Fahrten mit nicht nur unerheblichem Umfang durch die Vermietung veranlasst waren und eine allenfalls untergeordnete private Veranlassung gegeben ist. Daran fehlt es, wenn nicht hinreichend substantiiert dargetan ist, dass Aufenthalte im Vermietungsobjekt nicht nur in einem untergeordneten Umfang Erholungszwecken gedient haben (hier u. a.: Erholungsurlaube des Steuerpflichtigen unmittelbar im Anschluss an Reparatur- und Reinigungsarbeiten im Vermietungsobjekt).
Das FG wies im Übrigen darauf hin, dass bei der Sachverhaltswürdigung zu berücksichtigen ist, dass der Steuerpflichtige bei der Nachweisführung über eigene Arbeiten an einem Vermietungsobjekt naturgemäß Einschränkungen unterliegt, erst recht, wenn das FA bei im Kern unveränderter Sachlage im Streitjahr erstmals die Nachweisführung bezüglich der geltend gemachten Reisekosten aufgegriffen hat und die aus seiner Sicht bestehenden Anforderungen an eine vollständige Dokumentation mitgeteilt hat.
Fundstelle
- FG Münster 15.5.25, 12 K 1916/21 F, Rev. zugel., iww.de/astw, Abruf-Nr. 248957