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  • · Fachbeitrag · § 22 EStG

    Beitragsnachzahlungen für Vorjahre im Rahmen der Öffnungsklausel

    | Konnte der Steuerpflichtige in rentenrechtlich zulässiger Weise Nachzahlungen von Vorsorgebeiträgen für ein vorangegangenes Kalenderjahr leisten, die jedoch erst im Zahlungsjahr rentenrechtlich wirksam werden, sind diese Beiträge im Rahmen der Öffnungsklausel (des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG ) als Beiträge für das Jahr zu berücksichtigen, für das sie zulässigerweise geleistet wurden. |

     

    Hintergrund

    Die Öffnungsklausel nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG greift, wenn nachgewiesen werden kann, dass bis zum 31.12.2004 für mindestens zehn Jahre Beitragszahlungen zur Rentenversicherung über den geltenden Höchstbetrag hinaus geleistet wurden. Ist das der Fall, wird ein Teil der Rente je nach Rentenbeginn nach Abzug eines Rentenfreibetrags besteuert und ein Teil der Rente nur mit dem bis 2004 geltenden günstigen Ertragsanteil.

     

    Sachverhalt

    Der Steuerpflichtige bezieht seit dem 1.10.2003 wegen Berufsunfähigkeit Versorgungsleistungen aus der Bayerischen Ärzteversorgung (Versorgungswerk). Er war seit 1970 bis zu seiner Verrentung im Wesentlichen als angestellter Arzt, zeitweise auch freiberuflich tätig. Ab 1970 leistete er Beiträge an das Versorgungswerk, davon während seiner Auslandstätigkeit in den 80er-Jahren und nachfolgend wegen Überschreitens der Altersgrenze als freiwilliges Mitglied.

     

    Laut Übersicht des Versorgungswerks lagen die Beiträge für neun Jahre (1985, 1987, 1995, 1997, 1998, 1999, 2000, 2001 und 2003) über dem Höchstbeitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung. Im Jahr 2003 nahm der Steuerpflichtige Einzahlungen i. H. v. rund 53.000 EUR vor. Hiervon waren laut den Überweisungsträgern freiwillige Mehrzahlungen i. H. v. rund 26.000 EUR für das Kalenderjahr 2002 bestimmt.

     

    Das Versorgungswerk setzte als freiwillige Mehrzahlungen für 2002 einen Betrag von 23.711 EUR und für 2003 einen Betrag von 16.800 EUR fest.

     

    Dem Steuerpflichtigen teilte das Versorgungswerk mit, die Voraussetzungen der sog. Öffnungsklausel gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG seien nicht erfüllt, da er vor dem 1.1.2005 nur in neun Jahren Einzahlungen oberhalb des Höchstbeitrags geleistet habe. Die freiwilligen Mehrzahlungen für 2002 seien daher ebenfalls dem bereits berücksichtigten Zahlungsjahr 2003 zuzuordnen.

     

    Das FA besteuerte die Versorgungsleistungen des Steuerpflichtigen in den Streitjahren 2009, 2010 und 2012 mit ihrem Besteuerungsanteil gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG. Dagegen beantragte der Steuerpflichtige im Einspruchs- und Klageverfahren die Anwendung der Öffnungsklausel auf die Versorgungsleistungen, da der Höchstbeitrag bei zutreffender Sichtweise zehn Jahre überschritten worden sei. Somit seien 22,11 % der Rente mit dem Ertragsanteil zu versteuern.

     

    Entscheidung

    Nach Stattgabe der Klage durch das FG hob der BFH die Entscheidung der Vorinstanz auf und verwies den Streitfall zur weiteren Sachaufklärung und erneuten Entscheidung an das FG zurück.

     

    Im Falle der Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung kommt es bei der Anwendung der Öffnungsklausel nicht allein darauf an, in welchem Jahr die Beiträge gezahlt wurden, sondern auch darauf, für welche Jahre die Beiträge geleistet wurden. Das sog. In-Prinzip ist im Rahmen der Öffnungsklausel nicht uneingeschränkt anwendbar.

     

    Der Streitfall, der dadurch gekennzeichnet ist, dass der Steuerpflichtige zwar in rentenrechtlich zulässiger Weise Nachzahlungen für ein vorangegangenes Kalenderjahr leisten konnte, diese aber erst im nachfolgenden Zahlungsjahr rentenrechtlich wirksam wurden, ist bei der Prüfung des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG mit der Konstellation einer Nachversicherung in die gesetzliche Rentenversicherung vergleichbar.

     

    Nach Sinn und Zweck der Öffnungsklausel sind diese Nachzahlungen bei der Ermittlung des Zehnjahreszeitraums ebenfalls als Beiträge des Jahres zu berücksichtigen, für das sie zulässigerweise geleistet wurden. Behandelt demnach das Versorgungswerk aufgrund seiner Satzungsbestimmungen einen Teil der freiwilligen Mehrzahlungen in einem Jahr ‒ mit Ausnahme des Zeitpunkts der Rentenwirksamkeit ‒ wie eine Nachversicherung für das vorherige Jahr, ähnelt dies ‒ wirtschaftlich betrachtet ‒ einer Verrentung nach dem Für-Prinzip. Jedenfalls ist es nach Auffassung des BFH geboten, im Jahr 2002, für das in rentenrechtlich zulässiger und rentenerhöhender Weise freiwillige Zahlungen geleistet wurden, im Rahmen der Öffnungsklausel auch die Nachzahlungen zu berücksichtigen.

     

    Denn ein Sonderausgabenabzug war für die vom Steuerpflichtigen für 2002 nachgezahlten freiwilligen Mehrzahlungen, die wie Pflichtbeiträge verrentet werden, nicht möglich. Der Steuerpflichtige konnte sie im Jahr 2002 wegen des Abflussprinzips (§ 11 Abs. 2 Satz 1 EStG) steuerlich nicht geltend machen. In dem Zahlungsjahr haben sie sich wegen des bereits im Regelfall üblicherweise ausgeschöpften Höchstbetrags zur gesetzlichen Rentenversicherung ebenfalls steuerlich nicht ausgewirkt. Somit stammen die auf den für 2002 nachgezahlten freiwilligen Beiträgen beruhenden Renten aus versteuertem Einkommen.

     

    Im Streitfall trugen die Feststellungen des FG jedoch nicht dessen Entscheidung, dass der Höchstbeitrag nachweislich in dem für die Anwendung der Öffnungsklausel erforderlichen Umfang von (mindestens) zehn Jahren überschritten wurde.

     

    Zurückweisung an das FG

    Da der BFH anhand der vorliegenden Unterlagen nicht beurteilen konnte, bezüglich welcher Jahre und in welcher Höhe Beitragsleistungen des Steuerpflichtigen an das Versorgungswerk den jeweils geltenden jährlichen Höchstbeitrag überschritten hatten, war der Streitfall an das FG zur weiteren Sachaufklärung zurückzuverweisen. Soweit beim Versorgungswerk keine Bescheide über die Festsetzung von Beiträgen und freiwilligen Mehrzahlungen für die Jahre vor 2002 mehr vorhanden sind, könnte das FG zur Aufklärung des Sachverhalts den Steuerpflichtigen zur Vorlage der bei ihm vorhandenen Beitragsbescheide auffordern. Diese dürfte der Steuerpflichtige angesichts deren Bedeutung aufbewahrt haben. Seine Mitwirkung liegt im wohlverstandenen Eigeninteresse, zumal ihm der Nachweis obliegt, dass der Betrag des Höchstbeitrags mindestens zehn Jahre überschritten wurde.

     

    Fundstelle

    Quelle: ID 46393792

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