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  • · Fachbeitrag · § 52 AO

    Attac-Trägerverein: Verfolgung politischer Zwecke ist nicht gemeinnützig

    | Wer politische Zwecke durch Einflussnahme auf politische Willensbildung und Gestaltung der öffentlichen Meinung verfolgt, erfüllt keinen gemeinnützigen Zweck i. S. von § 52 AO . Eine gemeinnützige Körperschaft darf sich in dieser Weise nur betätigen, wenn dies der Verfolgung eines der in § 52 Abs. 2 AO ausdrücklich genannten Zwecke dient. |

     

    Sachverhalt

    Attac (ursprünglich „association pour une taxation des transactions financières pour l‘aide aux citoyens“; seit 2009: „association pour la taxation des transactions financières et pour l‘action citoyenne“; deutsch „Vereinigung zur Besteuerung von Finanztransaktionen im Interesse der BürgerInnen“) ist eine globalisierungskritische Nichtregierungsorganisation. Attac hat weltweit ca. 90.000 Mitglieder und agiert in 50 Ländern, hauptsächlich jedoch in Europa.

     

    Ursprüngliches Ziel von Attac war es, auf weltweiter Ebene eine globalisierungskritische Nichtregierungsorganisation ins Leben zu rufen, die Druck auf Regierungen machen sollte, um eine internationale „Solidaritätssteuer“ zur Kontrolle der Finanzmärkte, genannt Tobin-Steuer, einzuführen. Gemeint war damit die durch den US-amerikanischen Ökonomen James Tobin Ende der 1970er Jahre vorgeschlagene Finanztransaktionssteuer auf internationale Devisengeschäfte.

     

    Die Aktivitäten von Attac gingen schnell über den Bereich der Tobin-Steuer und die „demokratische Kontrolle der Finanzmärkte“ hinaus. Mittlerweile umfasst der Tätigkeitsbereich von Attac auch die Handelspolitik der WTO, (Welthandelsorganisation) die Verschuldung der Dritten Welt und die Privatisierung der staatlichen Sozialversicherungen und öffentlichen Dienste. Die Organisation ist inzwischen in einer Reihe von afrikanischen, europäischen und lateinamerikanischen Ländern präsent. Dabei soll der Name „attac“ aufgrund seiner sprachlichen Nähe zum französischen Wort attaque den Übergang zur „Gegenattacke“ signalisieren, nach Jahren der Anpassung an die Globalisierung.

     

    Attac Deutschland besteht aus Mitgliedsorganisationen und Einzelmitgliedern. Attac versteht sich als „Bildungsbewegung“ mit Aktionscharakter und Expertise. Über Vorträge, Publikationen, Podiumsdiskussionen und Pressearbeit sollen die Zusammenhänge der Globalisierungsthematik einer breiten Öffentlichkeit vermittelt und Alternativen zum „neoliberalen Dogma“ aufgezeigt werden. Seit mehreren Jahren begleitet ein wissenschaftlicher Beirat die Arbeit von Attac. Mit Aktionen soll Druck auf Politik und Wirtschaft zur Umsetzung der Alternativen erzeugt werden.

     

    Die Finanzverwaltung hatte der Vereinigung die Gemeinnützigkeit aberkannt. Anders das Hessische FG. Das FG hatte eine grundsätzliche Bedeutung des Streitfalls verneint und die Revision nicht zugelassen. Die Finanzverwaltung hat sich daraufhin aber mit einer Nichtzulassungsbeschwerde an den BFH gewandt.

     

    Entscheidung

    Die Verfolgung politischer Zwecke ist im Steuerrecht nicht gemeinnützig. Gemeinnützige Körperschaften haben kein allgemeinpolitisches Mandat.

     

    Gemeinnützig ist im Steuerrecht ausschließlich die Verfolgung der in § 52 AO ausdrücklich genannten Zwecke. Hierzu gehört nicht die Verfolgung politischer Zwecke. Allerdings dürfen sich Körperschaften nach ständiger BFH-Rechtsprechung zur Förderung ihrer nach § 52 AO steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke in gewissen Grenzen auch betätigen, um z. B. zur Förderung des Umweltschutzes Einfluss auf die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung zu nehmen.

     

    Im Streitfall ging es nicht um die inhaltliche Berechtigung der von attac erhobenen Forderungen. Entscheidungserheblich war vielmehr, inwieweit sich Vereine unter Inanspruchnahme der steuerrechtlichen Förderung der Gemeinnützigkeit politisch betätigen dürfen.

     

    Nach dem Urteil des BFH ist der Attac-Trägerverein nicht im Rahmen gemeinnütziger Bildungsarbeit berechtigt, Forderungen zur Tagespolitik bei „Kampagnen“ zu verschiedenen Themen öffentlichkeitswirksam zu erheben, um so die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Dabei ging es z. B. um ein Sparpaket der Bundesregierung, die Finanztransaktionensteuer, die Bekämpfung der Steuerflucht, ein Doppelbesteuerungsabkommen, ein Bahnprojekt, die wöchentliche Arbeitszeit oder das sog. bedingungslose Grundeinkommen.

     

    Der BFH verwies die Sache an das FG zurück. Das FG hatte nicht festgestellt, ob die für die Gemeinnützigkeit unzulässigen Betätigungen dem Attac-Trägerverein selbst oder anderen Mitgliedern der Attac-Bewegung zuzurechnen sind. Dies ist im zweiten Rechtsgang nachzuholen. Dabei hat das FG auch die Selbstdarstellung des Attac-Trägervereins auf seiner Internetseite zu berücksichtigen.

     

    PRAXISTIPP |

    • Ein Verlust der Gemeinnützigkeit führt insbesondere dazu, dass keine Spendenbescheinigungen (Bestätigungen über nach § 10b Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes als Sonderausgaben abziehbare Zuwendungen) ausgestellt werden dürfen. Mitglieder und Unterstützer der Attac-Arbeit können ihre Beiträge und Spenden nicht mehr von der Steuer absetzen.
    • Stiftungen und andere Institutionen können Projekte von Attac nicht mehr fördern.
    • Der endgültige Ausgang des Verfahrens kann auch für die steuerrechtliche Beurteilung der Attac in Folgejahren von Bedeutung sein.
     

     

    Fundstellen

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    • Hessisches FG 10.11.16, 4 K 179/16, astw.iww.de, Abruf-Nr. 190582.
    Quelle: ID 45841184

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