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  • · Fachbeitrag · Reisekosten

    Fordern Sie die komplette Auslagenerstattung

    von RA Norbert Schneider, Neunkirchen

    | Reisekosten gehören zu den Auslagen des Anwalts (Vorb. 7 Abs. 2, Nrn. 7003 - 7006 VV RVG) und machen oft eine nicht unerhebliche Position der gesetzlichen Vergütung aus. Dennoch werden erstattungsfähige Reisekosten häufig nicht zur Festsetzung angemeldet, da sich der Anwalt von lapidaren Einwendungen des Gegners oder des Festsetzungsbeamten abschrecken lässt. Der Beitrag weist auf zwei wichtige Entscheidungen hin, die der Partei (zumindest anteilig) die Erstattung von Reisekosten sichern. |

    1. Anwalt im Gerichtsbezirk: Reisekosten immer zu erstatten

    Rechtspfleger verweisen immer wieder auf den „ortsansässigen“ Anwalt, den es nach der ZPO nicht gibt. Reisekosten eines Anwalts, der im jeweiligen Gerichtsbezirk niedergelassen ist, sind immer erstattungsfähig (Umkehrschluss aus § 91 Abs. 2 S. 1, 2. Hs. ZPO; LG Krefeld JurBüro 11, 307; VG Würzburg AG kompakt 12, 102; AG Limburg AGS 13, 98; AG Siegburg AGS 12, 594). Maßgebend ist der Gerichtsbezirk des jeweiligen Gerichts und der jeweiligen Instanz. Wird ein Prozess vor dem AG geführt, ist demnach der AG-Bezirk maßgebend. Beim LG kommt es auf den LG-Bezirk an, beim OLG auf den OLG-Bezirk, beim ArbG auf den ArbG-Bezirk etc. Diesen Grundsatz hat das LG Gera in der folgenden Entscheidung bestätigt:

     

    Der am Gerichtsort ansässige Kläger K beauftragte einen auswärtigen, aber noch im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalt A mit seiner Vertretung im gerichtlichen Verfahren. Nach Abschluss des Verfahrens meldete K auch die Reisekosten des A zur Festsetzung an. Das AG hat die Festsetzung mit der Begründung abgelehnt, als ortsansässige Partei hätte K auch einen ortsansässigen Anwalt beauftragen können, womit Reisekosten des A vermieden worden wären. Die hiergegen erhobene Erinnerung hat zum Erfolg geführt.

     

    Die ZPO kennt keinen „ortsansässigen“ Anwalt, sondern nur den Anwalt, der seine Kanzlei im Gerichtsbezirk hat und den Anwalt, der seine Kanzlei nicht im Gerichtsbezirk hat (§ 91 Abs. 2 S. 1, 2. Hs. ZPO). Insoweit differenziert die ZPO auch hinsichtlich der Reisekosten. Grundsätzlich sind die Kosten (Gebühren und Auslagen), also auch Reisekosten eines Anwalts, in allen Prozessen zu erstatten (§ 91 Abs. 2 S. 1, 1. Hs. ZPO). Danach wären also auch die Reisekosten des A grundsätzlich erstattungsfähig. Soweit die Partei aber einen nicht im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalt beauftragt, sind dessen Reisekosten nur erstattungsfähig, wenn sie notwendig waren (§ 91 Abs. 2 S. 1, 2. Hs. ZPO). Hieraus folgt im Umkehrschluss, dass im Gerichtsbezirk eine Notwendigkeitsprüfung von Reisekosten nicht stattfindet. Dem Festsetzungsantrag des K war also stattzugeben.

     

     

    MERKE | Die Reisekosten eines Rechtsanwalts, der im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist, sind der obsiegenden Partei ohne Notwendigkeitsprüfung immer zu erstatten (LG Gera, a.a.O., Leitsatz).

     

    2. Auswärtiger Anwalt: Erstattung mit Einschränkungen

    Beauftragt eine Partei einen Anwalt, der außerhalb des Gerichtsbezirks niedergelassen ist und war dies nicht notwendig, führt dies nicht dazu, dass seine Reisekosten nunmehr gar nicht zu erstatten sind. Hätte die Partei einen auswärtigen Anwalt innerhalb des Gerichtsbezirks beauftragen dürfen und wären dessen Reisekosten zu erstatten gewesen, müssen die weitergehenden Reisekosten des Anwalts, der seine Kanzlei nicht im Gerichtsbezirk hat, zumindest in Höhe der erstattungsfähigen Kosten eines im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassenen Anwalts festgesetzt werden (AG Kiel AGS 14, 8; Prütting/Gehrlein/N. Schneider, ZPO, 6. Aufl., § 91 Rn. 5) ‒ so auch folgender Beschluss des AG Marbach:

     

    Die am Gerichtsort ansässige Partei P beauftragte einen auswärtigen Anwalt A mit Kanzlei außerhalb des Gerichtsbezirks. Nach Abschluss des Verfahrens meldete P die Reisekosten des A bis zur höchstmöglichen Entfernung innerhalb des Gerichtsbezirks zur Festsetzung an. Der Rechtspfleger hat den Festsetzungsantrag insoweit zurückgewiesen. Die Erinnerung hatte Erfolg. Das AG Marbach hat entschieden: Die Reisekosten sind bis zur höchstmöglichen Entfernung innerhalb des Gerichtsbezirks erstattungsfähig. Anderenfalls ergäbe sich eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung.

     

     

    MERKE | Beauftragt eine Partei einen außerhalb des Gerichtsbezirks ansässigen Rechtsanwalt, sind dessen Reisekosten gemäß § 91 Abs. 2 ZPO bis zur Höhe der weitesten Entfernung innerhalb der Gerichtsbezirksgrenze auch erstattungsfähig, wenn die Partei ihren Wohnsitz innerhalb des Gerichtsbezirks hat (AG Marbach, a.a.O., Leitsatz).

     

     

    PRAXISHINWEIS | Um Nachfragen zu vermeiden, sollte im Kostenfestsetzungsantrag schon auf die einschlägige Rechtsprechung hingewiesen werden. Zudem sollte der Anwalt bereits unter konkreter Ortsangabe darlegen, wie hoch sich die weiteste Entfernung im Gerichtsbezirk bemisst.

     

    Weiterführende Hinweise

    Quelle: Ausgabe 07 / 2014 | Seite 115 | ID 42723613